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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 20.10.2004
Aktenzeichen: II R 54/02
Rechtsgebiete: GrEStG
Vorschriften:
GrEStG § 1 Abs. 2a |
Gründe:
I.
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine im Mai 1994 gegründete Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR). Sie setzte sich nach dem Gesellschaftsvertrag in der Fassung vom Mai 1995 zunächst aus zwei mit einer Einlage von jeweils 15 000 DM beteiligten Gründungsgesellschaften --der TC-GmbH (TC-GmbH), die zugleich zur Geschäftsführung bestellt worden war, und der TG Grundstücksgesellschaft mbH (TG-GmbH)-- zusammen. Gesellschaftszweck war u.a. die Errichtung von zwei Mehrfamilienhäusern auf gesellschaftseigenen Grundstücken mit hierfür veranschlagten Gesamtkosten in Höhe von 23 519 474 DM. Das Gesellschaftskapital war auf 7 130 000 DM zuzüglich 5 v.H. Agio festgesetzt, wobei die Einlagen nach § 4 Abs. 2 des Gesellschaftsvertrags "entsprechend den in der Beitrittserklärung vorgesehenen Konditionen" zu leisten waren.
Am 16. Dezember 1994 erklärte der spätere Gesellschafter E. (E) auf einem privatschriftlichen Zeichnungsschein seine Absicht, der Klägerin mit einer Einlage in Höhe von 7 100 000 DM zuzüglich Agio beizutreten. Nach dem Wortlaut des Zeichnungsscheins bedurfte der Beitritt zu seiner Wirksamkeit der notariellen Annahme durch den Geschäftsführer. Mit notarieller Urkunde vom 19. Dezember 1994 unterbreitete E der Klägerin ein Beitrittsangebot, an das er sich bis zum 31. Dezember 1994 gebunden hielt, und in dem er sich verpflichtete, einen Eigenkapitalanteil in Höhe von 7 100 000 DM zuzüglich Agio in mehreren Raten bis März 1996 zu leisten. Der Geschäftsführer der Klägerin konnte das Beitrittsangebot auch noch nach diesem Datum annehmen, es sei denn, der Unterzeichner habe es zuvor schriftlich widerrufen. E verzichtete auf den Zugang der notariellen Annahmeerklärung durch den Geschäftsführer der Klägerin und erteilte diesem zugleich verschiedene Vollmachten. Durch notariell beurkundete Schuldübernahme vom 12. Oktober 1995 übernahmen die Gesellschafter der Klägerin die persönliche Haftung für einen den projektierten Baukosten entsprechenden Betrag und unterwarfen sich der sofortigen Zwangsvollstreckung in ihr gesamtes Vermögen. Die TC GmbH gab diese Erklärung auch für den in der notariellen Urkunde als Gesellschafter bezeichneten E ab. Mit notarieller Urkunde vom 16. September 1997 nahm die Klägerin "hiermit" das Beitrittsangebot des E an und bewilligte und beantragte zugleich eine entsprechende Grundbuchberichtigung. E hatte seine Einlage entsprechend dem im Beitrittsangebot vorgesehenen Zahlungsplan bereits bis März 1996 geleistet. Die vermögensmäßige Beteiligung des E an der Klägerin betrug 99,58 v.H.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) vertrat die Auffassung, dass sich durch den am 16. September 1997 bewirkten Gesellschafterbeitritt des E der Gesellschafterbestand der Klägerin gemäß § 1 Abs. 2a des Grunderwerbsteuergesetzes in der vom 1. Januar 1997 bis zum 31. Dezember 1999 geltenden Fassung vom 20. Dezember 1996 --GrEStG-- (BGBl I 1996, 2049) geändert habe, und setzte gegen die Klägerin durch Bescheid vom 23. Dezember 1997 Grunderwerbsteuer in Höhe von 762 361 DM fest.
Die nach erfolglosem Einspruch erhobene Klage hat das Finanzgericht (FG) abgewiesen. Die Voraussetzungen des § 1 Abs. 2a i.V.m. § 23 Abs. 3 GrEStG seien erfüllt, weil E der Klägerin mit zivilrechtlicher Wirksamkeit erst mit der notariellen Annahme seines Beitrittsangebots am 16. September 1997 beigetreten sei. Die Klägerin und E hätten das Erfordernis notarieller Annahme des Beitrittsangebots im Dezember 1994 einvernehmlich vereinbart; dieses Formerfordernis sei später weder ausdrücklich noch stillschweigend aufgehoben worden. Im Hinblick auf den bis zum September 1997 noch formfehlerhaften Beitritt des E scheide die Anwendung der Grundsätze zum fehlerhaften Gesellschafterbeitritt aus. Diese Grundsätze seien im Grunderwerbsteuerrecht unanwendbar, da hier die wirtschaftliche Betrachtungsweise nach § 39 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO 1977) nicht gelte. Zudem stünde der Anwendung der Grundsätze über die fehlerhafte Gesellschaft das Interesse der Allgemeinheit an Rechtssicherheit entgegen. Das Urteil des FG ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2002, 1473 veröffentlicht.
Mit ihrer Revision rügt die Klägerin Verletzung des § 1 Abs. 2a i.V.m. § 23 Abs. 3 GrEStG. Die Annahme des von E unterbreiteten Beitrittsangebots habe nicht der notariellen Form bedurft und sei jedenfalls spätestens mit der notariellen Schuldübernahme vom 12. Oktober 1995 formgerecht erklärt worden. Das FG habe verkannt, dass eine etwaige vertraglich vereinbarte Formabrede stillschweigend aufgehoben worden sei und E ein Angebot auf formfreien Beitritt angenommen habe. Zumindest sei E der GbR nach den Grundsätzen über den fehlerhaften Gesellschafterbeitritt aufgrund seiner 1995 erklärten persönlichen Schuldübernahme sowie der im Jahre 1996 erfolgten vollständigen Zahlung der vereinbarten Einlage wirksam beigetreten.
Die Klägerin beantragt, die Vorentscheidung sowie den Grunderwerbsteuerbescheid vom 23. Dezember 1997 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 7. September 1999 aufzuheben.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
II.
Die Revision der Klägerin ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung, der Einspruchsentscheidung und des angefochtenen Grunderwerbsteuerbescheids.
1. § 1 Abs. 2a GrEStG ist gemäß § 23 Abs. 3 GrEStG erstmals auf Rechtsgeschäfte anzuwenden, die die Voraussetzungen der Norm nach dem 31. Dezember 1996 erfüllen. Änderungen im Gesellschafterbestand einer Personengesellschaft, die vor dem 1. Januar 1997 vorgenommen worden sind, sind gemäß § 23 Abs. 3 GrEStG bei der Anwendung des § 1 Abs. 2a GrEStG nicht zu berücksichtigen (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 8. November 2000 II R 64/98, BFHE 194, 252, BStBl II 2001, 422).
Im Streitfall hat sich der Gesellschafterbestand der Klägerin bereits vor dem 1. Januar 1997 aufgrund des Beitritts des E geändert, so dass die Voraussetzungen dieses Steuertatbestands nicht vorliegen. Dabei kann offen bleiben, ob ein zivilrechtlich fehlerfreier Beitritt des E zur Klägerin --wie das FG annimmt-- erst im Zeitpunkt der notariellen Annahme des Beitrittsangebots des E am 16. September 1997 erfolgt ist. Jedenfalls ist E nach den für den fehlerhaften Beitritt zu einer GbR entwickelten Grundsätzen der Klägerin bereits vor dem 1. Januar 1997 zivilrechtlich wirksam beigetreten.
2. Die im Zivilrecht entwickelten Grundsätze zum fehlerhaften Beitritt zu einer GbR sind auch im Grunderwerbsteuerrecht zu beachten. Ein zwar fehlerhaft vollzogener, aber gleichwohl zivilrechtlich voll wirksamer Beitritt zu einer GbR ist in Bezug auf eine durch ihn etwa bewirkte Änderung des Gesellschafterbestandes i.S. des § 1 Abs. 2a GrEStG nach den im Zeitpunkt seines Vollzugs geltenden grunderwerbsteuerrechtlichen Regelungen zu beurteilen (vgl. auch BFH-Urteil in BFHE 194, 252, BStBl II 2001, 422).
a) Nach zivilrechtlichen Grundsätzen ist eine fehlerhaft gegründete Gesellschaft aus Gründen des Verkehrsschutzes für Dritte und des Bestandsschutzes für die Gesellschafter wegen eines Nichtigkeits- oder Anfechtungsgrundes regelmäßig nicht von Anfang an unwirksam, sondern wegen des Nichtigkeits- oder Anfechtungsgrundes nur mit Wirkung für die Zukunft vernichtbar (Urteile des Bundesgerichtshofs --BGH-- vom 29. Juni 1970 II ZR 158/69, BGHZ 55,5; vom 27. Juni 2000 XI ZR 174/99, Neue Juristische Wochenschrift --NJW-- 2000, 3558; vom 16. Dezember 2002 II ZR 109/01, BGHZ 153, 214). Die für die fehlerhafte Gesellschaft entwickelten Grundsätze gelten auch für den fehlerhaften Beitritt zu einer GbR, so dass auch ein fehlerhaft vollzogener Beitritt zu einer Gesellschaft regelmäßig nur mit Wirkung für die Zukunft vernichtbar ist (BGH-Urteile in NJW 2000, 3558; in BGHZ 153, 214). Bis zur Geltendmachung des Fehlers ist der vollzogene Beitritt grundsätzlich voll wirksam. Ein Beitritt ist vollzogen, wenn Rechtstatsachen geschaffen worden sind, an denen die Rechtsordnung nicht vorbeigehen kann. Dies ist der Fall, wenn der Beitretende Beiträge geleistet oder gesellschaftsvertragliche Rechte ausgeübt hat.
b) Diese zivilrechtlichen Grundsätze sind auch bei der Auslegung und Anwendung grunderwerbsteuerrechtlicher Vorschriften zu beachten (vgl. auch Hofmann, Grunderwerbsteuergesetz, Kommentar, 8. Aufl., § 16 Rn. 50) und insbesondere zur Beurteilung der Frage heranzuziehen, ob mit grunderwerbsteuerrechtlicher Bedeutung eine Änderung im Gesellschafterbestand einer GbR eingetreten ist. Die Maßgeblichkeit dieser zivilrechtlichen Beurteilung folgt schon daraus, dass die Besteuerungstatbestände des GrEStG grundsätzlich an das Zivilrecht anknüpfen (vgl. auch Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 27. Dezember 1991 2 BvR 72/90, BStBl II 1992, 212). Dazu gehört auch die Beachtung der von der Zivilrechtsprechung entwickelten Rechtsfigur der fehlerhaften Gesellschaft, die zum gesicherten Bestandteil des Gesellschaftsrechts gehört (BGH-Urteil in BGHZ 55, 5).
Die Ansicht des FG, die Rechtsgrundsätze über die fehlerhafte Gesellschaft seien aufgrund ihrer "wirtschaftlich begründeten Motive" im Grunderwerbsteuerrecht mit Rücksicht auf die hier ausgeschlossene wirtschaftliche Betrachtungsweise nicht anwendbar, geht fehl. Der Ausschluss einer wirtschaftlichen Betrachtung im Grunderwerbsteuerrecht beruht auf dem an das Zivilrecht anknüpfenden Tatbestandsaufbau des GrEStG. Die Auslegung und Anwendung des GrEStG verlangt jedoch die Beachtung solcher Rechtsinstitute des Zivilrechts, die --wie etwa die Beurteilung fehlerhafter Personengesellschaftsverhältnisse-- der rechtlichen Ordnung des Wirtschaftslebens dienen. Eine andere Beurteilung rechtfertigt sich --entgegen der Auffassung des FG-- auch nicht unter dem Gesichtspunkt, dass einer fehlerhaften Gesellschaft bzw. einem fehlerhaften Gesellschafterbeitritt die rechtliche Anerkennung zu versagen ist, wenn dem gewichtige Interessen der Allgemeinheit oder bestimmter schutzwürdiger Personen entgegenstehen (dazu BGH-Urteil in BGHZ 153, 214). Diese Grenzziehung der Rechtsfigur der fehlerhaften Gesellschaft betrifft allein ihre zivilrechtliche Ausgestaltung und nicht --wie das FG meint-- auch das Interesse an einer rechtssicheren Handhabung des § 1 Abs. 2a GrEStG. Da das FG dies verkannt hat, war die Vorentscheidung aufzuheben.
3. Die Sache ist spruchreif. Die Voraussetzungen einer Änderung im Gesellschafterbestand des § 1 Abs. 2a i.V.m. § 23 Abs. 3 GrEStG sind nicht erfüllt, weil E der Klägerin bereits vor dem 1. Januar 1997 rechtswirksam beigetreten war und dieser Beitritt auch keinen anderweitigen Steuertatbestand des GrEStG erfüllt.
Nach den für den fehlerhaften Beitritt zu einer Gesellschaft geltenden zivilrechtlichen Grundsätzen hatte E seinen Beitritt zur Klägerin bereits 1996 durch Leistung der in seinem Beitrittsangebot vorgesehenen Einlage an die Klägerin wirksam vollzogen. Im Streitfall sind auch keine Umstände erkennbar, die der rechtlichen Anerkennung eines fehlerhaften Gesellschafterbeitritts des E entgegenstehen.
Ende der Entscheidung
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