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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 16.06.2009
Aktenzeichen: II R 54/06
Rechtsgebiete: BewG
Vorschriften:
BewG § 22 Abs. 1 | |
BewG § 22 Abs. 4 S. 1 | |
BewG § 27 | |
BewG § 34 Abs. 2 Nr. 1 | |
BewG § 40 Abs. 2 |
Gründe:
I.
Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) sind in GbR Inhaber eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs, der ihnen durch Zurechnungsfortschreibung auf den 1. Januar 1997 zugerechnet wurde und für den vor diesem Stichtag zuletzt auf den 1. Januar 1993 ein Einheitswert von 302 600 DM festgestellt worden war. Nachdem der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) Kenntnis von einer Vergrößerung der in dem Betrieb bewirtschafteten Flächen erlangt hatte, nahm es auf den 1. Januar 1997 eine Wertfortschreibung vor.
Mit der Einspruchsentscheidung setzte das FA den festgestellten Einheitswert auf 354 900 DM herab. Es rechnete dabei von der Eigentumsfläche rund 9 ha der landwirtschaftlichen Nutzung gemäß § 34 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a des Bewertungsgesetzes (BewG) und rund 54 ha ebenso wie die gepachteten Flächen von rund 94 ha der gärtnerischen Nutzung i.S. des § 34 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. d i.V.m. § 40 Abs. 2 BewG zu, und zwar dem Gemüsebau der Intensitätsstufe 2 gemäß Abschn. 6.07 Abs. 1 Nr. 2 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift über Richtlinien zur Bewertung des land- und forstwirtschaftlichen Vermögens --BewRL-- (Teile 5 bis 7) vom 17. Januar 1968 (BStBl I 1968, 223). Demgegenüber waren die Kläger der Ansicht, bei dem auf einer Fläche von insgesamt rund 104 ha in landwirtschaftlicher Fruchtfolge betriebenen Anbau von Zuckermais handle es sich um Gemüsebau der Intensitätsstufe 1 gemäß Abschn. 6.07 Abs. 1 Nr. 1 BewRL und somit um eine landwirtschaftliche Nutzung (Abschn. 1.08 Abs. 2 BewRL vom 17. November 1967, BStBl I 1967, 397).
Mit der Klage hielten die Kläger an ihrer bewertungsrechtlichen Beurteilung des Anbaus von Zuckermais fest. Sie trugen vor, die von ihnen geernteten Maiskolben gelangten zu je zwei Stück verpackt in den Lebensmittelhandel.
Das Finanzgericht (FG) gab der Klage durch das in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2006, 1806 veröffentlichte Urteil statt und setzte den Einheitswert auf den 1. Januar 1997 auf 219 000 DM herab. Zur Begründung führte es aus, der innerhalb einer landwirtschaftlichen Fruchtfolge erfolgende Anbau von sog. Zucker- oder Gemüsemais sei der landwirtschaftlichen Nutzung i.S. des § 34 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a BewG zuzurechnen. Es handle sich dabei um eine Unterart des Maises, der auch nach den Kulturarten-Codes der Europäischen Union zum Getreide und zur Pflanzenfamilie der Gräser zähle. Der Zuckermais passe als Pflanze in keine der herkömmlichen Gemüsekategorien und werde ebenso wie der Futtermais großflächig mit Maschineneinsatz angebaut und geerntet. Erst nach der Ernte ergebe sich aufgrund der verschiedenen Verarbeitung ein Unterschied in der aufzuwendenden Arbeitsleistung.
Mit der Revision rügt das FA Verletzung der §§ 33 und 34 BewG. Der Anbau von Zuckermais rechne zur gärtnerischen Nutzung.
Das FA beantragt,
die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kläger beantragen,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
II.
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Entgegen der Ansicht des FG lagen die Voraussetzungen für die vom FA im angefochtenen Feststellungsbescheid in Gestalt der Einspruchsentscheidung vorgenommene Wertfortschreibung zu Lasten der Kläger vor. Der vom FA in der Einspruchsentscheidung festgestellte Einheitswert ist zutreffend.
1.
Der Anbau von Zuckermais stellt auch dann Gemüsebau i.S. von § 40 Abs. 2, § 48a Satz 1 Nr. 2 und § 59 Abs. 2 BewG und somit eine gärtnerische Nutzung i.S. des § 34 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. d BewG dar, wenn er im Rahmen einer landwirtschaftlichen Fruchtfolge vorgenommen wird.
a)
Der Wirtschaftsteil eines Betriebs der Land- und Forstwirtschaft (§ 34 Abs. 1 Nr. 1 BewG) umfasst gemäß § 34 Abs. 2 Nr. 1 BewG u.a. die land- und forstwirtschaftlichen Nutzungen. Dazu zählen u.a. die landwirtschaftliche Nutzung (§ 34 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a BewG) und die gärtnerische Nutzung (§ 34 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. d BewG). Zur gärtnerischen Nutzung rechnen nach § 40 Abs. 2 BewG der Gemüse-, Blumen- und Zierpflanzenbau, der Obstbau und die Baumschulen.
Unter Gemüsebau ist dabei der Anbau von Kulturpflanzen zu verstehen, die üblicherweise als ganze oder --so der Regelfall-- in bestimmten Teilen in frischem oder konserviertem Zustand ohne weitere Verarbeitung etwa zu Mehl, Grieß, Flocken (z.B. Haferflocken), Zucker, Öl, Bier oder anderen alkoholischen
Getränken der menschlichen Ernährung dienen, sofern es sich nicht um den Anbau von Obst, Grundnahrungsmitteln (Kartoffeln) oder Spargel (Sonderkultur nach § 40 Abs. 2 BewG) handelt.
Sind diese Voraussetzungen erfüllt, geht § 40 Abs. 2 BewG von einer gegenüber der landwirtschaftlichen Nutzung ohne Hopfen erhöhten Ertragsfähigkeit aus, und zwar auf der Grundlage der Wertverhältnisse im Hauptfeststellungszeitpunkt (§ 27 BewG). Die jeweils tatsächlich erzielten Erträge spielen danach ebenso wenig eine Rolle wie die Anbaumethoden und die botanische Einordnung der angebauten Kulturpflanzen (ähnlich Urteile des Niedersächsischen FG vom 22. November 1974 I 34/72, EFG 1975, 238; vom 6. Juni 1989 I 383/84, EFG 1989, 558, und vom 8. Juli 2003 1 K 341/00, EFG 2003, 1760; Urteil des FG des Landes Brandenburg vom 31. Juli 1997 5 K 1617/96 Gr, EFG 1998, 16). Auf gemeinschaftsrechtliche Zuordnungen kommt es ebenfalls nicht an, da sie anderen Zwecken als der Bewertung nach dem BewG dienen.
b)
Der Anbau von Zuckermais im Betrieb der Kläger ist danach als Gemüsebau zu beurteilen. Die erzeugten Maiskolben waren für den Lebensmittelhandel und somit ohne weitere Verarbeitung etwa zu Mehl oder Grieß für die menschliche Ernährung bestimmt. Um ein Grundnahrungsmittel oder Obst handelt es sich nicht. Die an den Maiskolben befindlichen Körner werden üblicherweise als Bestandteil von Mischgemüse oder gemischtem Salat, aber auch für sich allein verzehrt. Das ist entscheidend. Auf die von den Klägern tatsächlich erzielten Erträge kommt es ebenso wenig an wie auf die Produktionsmethoden und die botanische Einordnung des Zuckermaises.
Entgegen der Ansicht der Kläger kann der Anbau des Zuckermaises in ihrem Betrieb nicht dem Gemüsebau der Intensitätsstufe 1 gemäß Abschn. 6.07 Abs. 1 Nr. 1 BewRL und somit der landwirtschaftlichen Nutzung zugeordnet werden. Nach dieser Verwaltungsvorschrift ist der Anbau von Kopfkohl (Weiß-, Rot- und Wirsingkohl), Pflückerbsen und Pflückbohnen nach landwirtschaftlicher Anbaumethode im Rahmen der landwirtschaftlichen Fruchtfolge als Hauptkultur nicht der gärtnerischen, sondern der landwirtschaftlichen Nutzung zuzurechnen und entsprechend zu bewerten. Wenn --was hier keiner abschließenden Entscheidung bedarf-- diese Verwaltungsvorschrift mit den maßgebenden Vorschriften des BewG, insbesondere mit § 40 Abs. 2 BewG, vereinbar sein sollte (ablehnend Urteil des Niedersächsischen FG in EFG 1989, 558), kann sie allenfalls als Ausnahmeregelung angesehen werden, die die Rechtsprechung nicht auf andere Gemüsearten entsprechend anwenden kann (Urteil des Niedersächsischen FG in EFG 2003, 1760).
c)
Da das FG dies verkannt hat, war die Vorentscheidung aufzuheben.
2.
Die Sache ist spruchreif. Die in § 22 BewG bestimmten Voraussetzungen für eine Wertfortschreibung zu Lasten der Kläger sind erfüllt.
a)
Der Einheitswert wird nach § 22 Abs. 1 BewG u.a. dann neu festgestellt (Wertfortschreibung), wenn der in DM ermittelte und auf volle 100 DM abgerundete Wert, der sich für den Beginn eines Kalenderjahrs ergibt, von dem entsprechenden Wert des letzten Feststellungszeitpunkts nach oben um mehr als den zehnten Teil, mindestens aber um 5 000 DM, oder um mehr als 100 000 DM abweicht. Eine Fortschreibung ist nach § 22 Abs. 4 Satz 1 BewG vorzunehmen, wenn dem Finanzamt bekannt wird, dass die Voraussetzungen für sie vorliegen. Der Fortschreibung werden vorbehaltlich des § 27 BewG (Maßgeblichkeit der Wertverhältnisse im Hauptfeststellungszeitpunkt) die Verhältnisse im Fortschreibungszeitpunkt zugrunde gelegt (§ 22 Abs. 4 Satz 2 BewG). Fortschreibungszeitpunkt ist nach § 22 Abs. 4 Satz 3 BewG bei einer Änderung der tatsächlichen Verhältnisse der Beginn des Kalenderjahrs, das auf die Änderung folgt, und bei einer gemäß § 22 Abs. 3 BewG erfolgenden Fortschreibung zur Beseitigung eines Fehlers der letzten Feststellung der Beginn des Kalenderjahrs, in dem der Fehler dem Finanzamt bekannt wird, bei einer Erhöhung des Einheitswerts jedoch frühestens der Beginn des Kalenderjahrs, in dem der Feststellungsbescheid erteilt wird (vgl. dazu Urteil des Bundesfinanzhofs vom 11. März 1998 II R 5/96, BFH/NV 1998, 1070, m.w.N.).
b)
Diese Voraussetzungen für die vom FA vorgenommene Wertfortschreibung nach oben sind gegeben. Die Vergrößerung der bewirtschafteten Fläche stellt eine Änderung der tatsächlichen Verhältnisse dar. Die Abweichung des in der Einspruchsentscheidung festgestellten Einheitswerts von dem auf den 1. Januar 1993 festgestellten Einheitswert erfüllt die in § 22 Abs. 1 BewG bestimmten Anforderungen an eine Wertfortschreibung nach oben. Eine Fortschreibung zur Fehlerbeseitigung war mangels fehlerhafter Einordnung des Zuckermaises nicht veranlasst und hätte im Übrigen auf den Stichtag 1. Januar 1997 noch nicht vorgenommen werden dürfen.
Ende der Entscheidung
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