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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 25.10.2000
Aktenzeichen: II R 58/98
Rechtsgebiete: BewG, UStG
Vorschriften:
BewG § 95 Abs. 1 | |
BewG § 103 Abs. 1 | |
BewG § 109 | |
BewG § 109a | |
BewG § 136 Nr. 3 Buchst. b i.V.m. Nr. 4 Buchst. a i.d.F. des StÄndG 1992 | |
UStG § 4 Nr. 9 a | |
UStG § 9 Buchst. a Abs. 1 |
Für Stichtage vom 1. Januar 1993 bis 1. Januar 1997 sind bei bilanzierenden Gewerbetreibenden für den Ansatz der aktiven und passiven Wirtschaftsgüter in der Vermögensaufstellung die Steuerbilanzansätze dem Grunde und der Höhe nach maßgebend. Es besteht, soweit das Gesetz nicht etwas anderes vorsieht (vgl. die in Abschn. 27 Abs. 2 Satz 2 der VStR 1993 genannten Fälle), eine (für die Einheitsbewertung des Betriebsvermögens geltende) Bindung der Vermögensaufstellung an die Steuerbilanz. Maßgeblich sind die "Steuerbilanzwerte", die sich aus der "Steuerbilanz", d.h. derjenigen Bilanz ergeben, die der (Ertrags-) Besteuerung zugrunde gelegen hat.
BewG § 95 Abs. 1, § 103 Abs. 1, § 109, § 109a, § 136 Nr. 3 Buchst. b i.V.m. Nr. 4 Buchst. a i.d.F. des StÄndG 1992 UStG § 4 Nr. 9 a, § 9 Buchst. a Abs. 1
Urteil vom 25. Oktober 2000 - II R 58/98 -
Vorinstanz: FG Berlin (EFG 1998, 1672)
Gründe
I.
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine am 1. April 1992 gegründete Personenhandelsgesellschaft, kaufte mit Vertrag vom 27. Oktober 1992 ein im Beitrittsgebiet gelegenes Grundstück. Die Klägerin und die Verkäuferin des Grundstücks, eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH), die den (nach § 4 Nr. 9 a des Umsatzsteuergesetzes --UStG-- steuerfreien) Grundstücksumsatz nach § 9 Abs. 1 UStG als steuerpflichtig behandelte, vereinbarten einen "Bruttokaufpreis" von 19 974 500 DM; die Mehrwertsteuer wurde mit 2 474 500 DM gesondert ausgewiesen. Nach § 4 Abs. 2 des Vertrages sollte die Klägerin "die Verpflichtung zur Zahlung der Umsatzsteuer" an die GmbH durch Abtretung des ihr zustehenden Vorsteuererstattungsanspruchs erfüllen. Die Abtretung wurde im Grundstückskaufvertrag "vollzogen".
Durch Bescheid vom 25. Januar 1995 stellte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) den Einheitswert des Betriebsvermögens der Klägerin auf den 1. Januar 1993 auf 2 535 000 DM fest. Den damaligen beiden Gesellschaftern der Klägerin, deren Rechtsnachfolger die vom Finanzgericht (FG) beigeladenen Personen zu 1 bis 4 sind, rechnete das FA den festgestellten Einheitswert je zur Hälfte zu. Bei der Ermittlung des Einheitswerts berücksichtigte es lediglich den Anspruch der Klägerin auf Vorsteuererstattung in Höhe von 2 474 592 DM sowie weitere Forderungen in Höhe von 66 573 DM als Besitzposten. Als Schuldposten setzte das FA lediglich einen Betrag von 5 200 DM an.
Einspruch und Klage, mit denen die Klägerin geltend machte, es sei als gesonderter Schuldposten die von der Verkäuferin in Rechnung gestellte Umsatzsteuer, die mit dem Vorsteuererstattungsanspruch in wirtschaftlichem Zusammenhang stehe, anzusetzen, blieben ohne Erfolg.
Das FG stellte in seiner klageabweisenden Entscheidung darauf ab, dass der auf die Umsatzsteuer entfallende Teil des Grundstückskaufpreises mit einem nach § 136 Nr. 4 Buchst. a des Bewertungsgesetzes (BewG) nicht zum Betriebsvermögen der Klägerin gehörenden Grundstück in wirtschaftlichem Zusammenhang stehe und deshalb nach § 103 Abs. 1 BewG nicht als Schuldposten angesetzt werden dürfe.
Die Entscheidung des FG ist in den Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1998, 1672 veröffentlicht.
Mit ihrer Revision rügt die Klägerin fehlerhafte Anwendung des § 103 Abs. 1 BewG.
Die Klägerin beantragt, das Urteil des FG Berlin vom 29. Juli 1998 6 K 6140/95 aufzuheben und unter Abänderung des Feststellungsbescheides vom 25. Januar 1995 und der Einspruchsentscheidung vom 5. April 1995 den Einheitswert des Betriebsvermögens auf den 1. Januar 1993 auf 61 000 DM herabzusetzen.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Die Beigeladenen haben keine Erklärung abgegeben.
II.
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
1. Die Vorentscheidung ist aufzuheben, weil das FG bei der Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Feststellung des Einheitswerts des Betriebsvermögens der Klägerin auf den 1. Januar 1993 nicht die für diesen Feststellungszeitpunkt maßgebliche (neue) Rechtslage berücksichtigt hat.
a) Gemäß § 95 Abs. 1 BewG i.d.F. des Steueränderungsgesetzes 1992 vom 25. Februar 1992 (BGBl I 1992, 297, BStBl I 1992, 146) --BewG n.F.-- umfasst das Betriebsvermögen bewertungsrechtlich "alle Teile eines Gewerbebetriebs im Sinne des § 15 Abs. 1 und 2 des Einkommensteuergesetzes, die bei der steuerlichen Gewinnermittlung zum Betriebsvermögen gehören; § 92 Abs. 5 und § 99 bleiben unberührt". Diese Fassung des Gesetzes ist gemäß § 124 Abs. 1 BewG erstmals zum 1. Januar 1993, also auf den Streitfall anzuwenden. Danach richtet sich der Umfang des Betriebsvermögens für Zwecke der Einheitsbewertung für die Stichtage vom 1. Januar 1993 bis 1. Januar 1997 weitgehend danach, was ertragsteuerrechtlich dem Betriebsvermögen zugerechnet wird (Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 27. Januar 1999 II B 7/98, BFHE 187, 332, BStBl II 1999, 206). Bei bilanzierenden Gewerbetreibenden sind für den Ansatz der aktiven und passiven Wirtschaftgüter in der Vermögensaufstellung die Steuerbilanzansätze dem Grunde und der Höhe nach (§ 109 Abs. 1, § 109a BewG n.F.) maßgebend (vgl. Dötsch in Gürsching/Stenger, Kommentar zum Bewertungsgesetz und Vermögensteuergesetz, 9. Auflage, § 95 ab 1993 Rdnr. 23). Es besteht, soweit das Gesetz nicht etwas anderes vorsieht (vgl. die in Abschn. 27 Abs. 2 Satz 2 der Vermögensteuer-Richtlinien 1993 genannten Fälle), Bestands- und Wertidentität zwischen der Steuerbilanz und der Vermögensaufstellung (BFH-Urteil vom 16. Juni 1999 II R 24/98, BFH/NV 2000, 10). Diese --speziell für die Einheitsbewertung des Betriebsvermögens bestehende-- Bindung der Vermögensaufstellung an die Steuerbilanz ergibt sich aus der --zum 1. Januar 1998 aufgehobenen-- Vorschrift des § 109a BewG n.F. Sie gilt mangels Bezugnahme auf § 109a BewG in § 12 Abs. 5 Satz 2 des Erbschaftsteuergesetzes (ErbStG 1974) nicht für die Erbschaftsteuer.
Soweit das Gesetz für Zwecke der Einheitsbewertung des Betriebsvermögens die Maßgeblichkeit der "Steuerbilanzwerte" anordnet, sind damit diejenigen Werte gemeint, die sich aus der "Steuerbilanz", d.h. derjenigen Bilanz ergeben, die der (Ertrags-)Besteuerung bzw. der einheitlichen und gesonderten Gewinnfeststellung durch das FA zugrunde gelegen hat. Die Bindung an die Steuerbilanz ist eine rein formale und erfolgt unabhängig davon, ob die Bilanzansätze nach ertragsteuerrechtlichen Grundsätzen zutreffend sind. Kommt es für ertragsteuerrechtliche Zwecke zu einer Bilanzberichtigung oder -änderung, erstreckt sich die Maßgeblichkeit auf die berichtigten Steuerbilanzwerte. Das FA kann nach § 109a BewG n.F. durch Aufhebung oder Änderung des Einheitswertbescheids die notwendigen Konsequenzen ziehen.
Im Rahmen der Ermittlung des Einheitswerts des Betriebsvermögens für Stichtage ab dem 1. Januar 1993 findet demnach, soweit eine Steuerbilanz vorliegt, keine eigenständige (bewertungsrechtliche) Prüfung statt, ob ein Gewerbebetrieb i.S. von § 15 Abs. 1 und 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) und damit (ertragsteuerrechtlich) Betriebsvermögen vorliegt und mit welchem Wert dieses anzusetzen ist. Soweit sich aus den BFH-Entscheidungen in BFHE 187, 332, BStBl II 1999, 206, und vom 17. Mai 2000 II R 2/98 (BFHE 191, 399, BStBl II 2000, 456) etwas anderes ergeben sollte, hält der Senat hieran nicht fest.
b) Entgegen diesen Grundsätzen hat das FG die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Feststellung des Einheitswerts des Betriebsvermögens der Klägerin auf den 1. Januar 1993 überprüft, ohne Feststellungen zu treffen, ob die Klägerin zur Ermittlung gewerblicher Einkünfte eine (Steuer-)Bilanz auf den 31. Dezember 1992 aufgestellt hat, die Grundlage der Besteuerung bzw. der einheitlichen und gesonderten Gewinnfeststellung durch das FA war.
Die in den Steuerakten befindliche Bilanz der Klägerin auf den 31. Dezember 1992 konnte im Revisionsverfahren nicht berücksichtigt werden, da ihr Inhalt vom FG nicht festgestellt und im Übrigen unklar ist, ob es sich um eine "Steuerbilanz" handelt, die Grundlage für die Besteuerung durch das FA war.
2. Die Sache ist nicht spruchreif.
Das FG hat im zweiten Rechtsgang unter Beachtung der oben dargestellten Rechtslage den Sachverhalt weiter aufzuklären und dabei Folgendes zu beachten:
a) Stellt das FG im zweiten Rechtsgang fest, dass die Klägerin eine Steuerbilanz auf den 31. Dezember 1992 aufgestellt hat, die einer einheitlichen und gesonderten Gewinnfeststellung durch das FA zugrunde gelegen hat, ergibt sich aus der Maßgeblichkeit der Steuerbilanz für die Vermögensaufstellung, dass das Vermögen der Klägerin einem Gewerbebetrieb i.S. von § 15 Abs. 1 und 2 EStG gedient hat und deshalb ein Einheitswert für das Betriebsvermögen der Klägerin auf den 1. Januar 1993 festzustellen ist (vgl. Dötsch in Gürsching/Stenger, o.a.O., § 95 ab 1993 Rdnr. 21).
Liegt keine Steuerbilanz vor, ist der angefochtene Feststellungsbescheid betreffend den Einheitswert des Betriebsvermögens aufzuheben; die Gegenstände des Gesamthandsvermögens sind dann den einzelnen Vermögensarten zuzurechnen und das Vermögen nach § 180 Abs. 1 Nr. 3 der Abgabenordnung (AO 1977) gesondert festzustellen.
b) Nach § 136 Nr. 3 Buchst. b i.V.m. Nr. 4 Buchst. a BewG i.d.F. des Steueränderungsgesetzes 1992 gehören im Beitrittsgebiet gelegene Grundstücke nicht zum Betriebsvermögen. Diese Vorschrift durchbricht die in § 95 Abs. 1 BewG n.F. angeordnete Bestandsidentität zwischen der Steuerbilanz und der Vermögensaufstellung. Das von der Klägerin 1992 erworbene, im Beitrittsgebiet gelegene Grundstück könnte somit selbst dann nicht in die Vermögensaufstellung (mit seinem Steuerwert: § 109 Abs. 3 Satz 1 BewG n.F.) aufgenommen werden, wenn in der auf den 31. Dezember 1992 aufgestellten Bilanz ein entsprechender Bilanzansatz vorhanden sein sollte.
c) Hat die Klägerin in ihrer Bilanz auf den 31. Dezember 1992 den Anspruch auf Erstattung der Vorsteuer aktiviert, ist dieser mit dem Bilanzwert in die Vermögensaufstellung zu übernehmen. Soweit die Klägerin den Vorsteuererstattungsanspruch an die Verkäuferin wirksam (vgl. die Voraussetzungen des § 46 AO 1977; Urteil des Bundesgerichtshofs --BGH-- vom 30. November 1977 VIII ZR 26/76, BGHZ 70, 75 ff.) abgetreten hat, könnte diesem Umstand in der Vermögensaufstellung nur Rechnung getragen werden, wenn die Übertragung der Gläubigerstellung auf die Verkäuferin auch in der (ggf. berichtigten) Bilanz der Klägerin entsprechend ihren Niederschlag gefunden hat.
d) Unter der Voraussetzung, dass die Klägerin in ihrer Bilanz auf den 31. Dezember 1992 sowohl ihre Verpflichtung zur Zahlung des Bruttokaufpreises (Kaufpreis einschließlich Umsatzsteuer) passiviert als auch den Vorsteuererstattungsanspruch aktiviert haben sollte, käme neben dem Ansatz des Vorsteuererstattungsanspruchs auf der Aktivseite (vgl. oben II. 2. c) der Ansatz eines dem Bruttokaufpreis entsprechenden Schuldpostens in der Vermögensaufstellung nur in Höhe des auf die Umsatzsteuer entfallenden Teils der Kaufpreisverbindlichkeit in Betracht. Dies ergibt sich aus § 103 Abs. 1 BewG. Danach werden Schulden und sonstige Abzüge, die nach § 95 Abs. 1 BewG zum Betriebsvermögen gehören, grundsätzlich nur berücksichtigt, soweit sie mit der Gesamtheit oder einzelnen Teilen des Betriebsvermögens i.S. des BewG in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen (§ 103 Abs. 1 BewG). Schulden und sonstige Abzüge können danach aus der Steuerbilanz nur insoweit in die Vermögensaufstellung übernommen werden, als sie in einem wirtschaftlichen Zusammenhang mit Betriebsvermögen i.S. des BewG stehen. Eine Übernahme von passiven Bilanzposten in der Vermögensaufstellung kommt somit nicht in Betracht, wenn Schuldposten (ausschließlich) mit steuerbefreiten, d.h. nicht zum Betriebsvermögen i.S. des BewG gehörenden Wirtschaftgütern in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen. Die Maßgeblichkeit der Steuerbilanz für die Vermögensaufstellung erfährt somit auch durch § 103 Abs. 1 BewG für die Passivseite eine (weitere) Einschränkung (vgl. BFH-Urteil vom 15. März 2000 II R 15/98, BFH/NV 2000, 1165; s.a. Glier in Viskorf/Glier/Knobel, Bewertungsgesetz, 4. Aufl., § 103 Rdnr. 2).
Der nach § 103 Abs. 1 BewG erforderliche wirtschaftliche Zusammenhang des Passivpostens "(Brutto-)kaufpreisverbindlichkeit" mit in der Vermögensaufstellung zu berücksichtigenden aktivem Betriebsvermögen i.S. des BewG bestünde nur hinsichtlich des auf die Umsatzsteuer entfallenden Teils der Kaufpreisverbindlichkeit, nicht jedoch hinsichtlich des Nettokaufpreises (Kaufpreis ohne Umsatzsteuer). Denn nur hinsichtlich des auf die Umsatzsteuer entfallenden Teils der Kaufpreisverbindlichkeit bestünde (auch) ein wirtschaftlicher Zusammenhang mit dem --zum Betriebsvermögen i.S. des BewG gehörenden (vgl. oben II. 2. c)-- Vorsteuererstattungsanspruch, während der Nettokaufpreis ausschließlich mit dem im Beitrittsgebiet gelegenen Grundstück und damit mit einem Wirtschaftsgut im wirtschaftlichen Zusammenhang steht, welches nach § 136 Nr. 3 Buchst. b i.V.m. Nr. 4 Buchst. a BewG bewertungsrechtlich nicht zum Betriebsvermögen gehörte und deshalb unabhängig davon, ob in der Steuerbilanz ein entsprechender Passivposten vorhanden ist, nicht in die Vermögensaufstellung aufgenommen werden dürfte. Der wirtschaftliche Zusammenhang zwischen dem auf die Umsatzsteuer entfallenden Teil der Kaufpreisverbindlichkeit und dem Vorsteuererstattungsanspruch ergäbe sich daraus, dass beide Ansätze auf dem Verzicht auf die Umsatzsteuer-Befreiung (§ 4 Nr. 9 Buchst. a UStG) nach § 9 UStG beruhen, denn dieser Verzicht und der gesonderte Ausweis der Umsatzsteuer sind Voraussetzungen für die Entstehung des Vorsteuererstattungsanspruchs. Wirtschaftlich gleichen sich der auf den Umsatzsteuerausweis entfallende Kaufpreisteil und der Vorsteuererstattungsanspruch aus.
Ende der Entscheidung
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