Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 26.07.2000
Aktenzeichen: II R 6/99
Rechtsgebiete: GrEStG 1983


Vorschriften:

GrEStG 1983 § 4 Nr. 5
BUNDESFINANZHOF

Nach § 4 Nr. 5 GrEStG 1983 i.d.F. des Art. 1 § 9 Nr. 1 des Zweiten Vermögensrechtsänderungsgesetzes vom 14. Juli 1992 (BGBl I, 1257) ist (auch) die Übertragung von Grundstücken mit solchen Gebäuden auf kommunale Wohnungsgesellschaften steuerfrei, die neben einer Vielzahl von Wohnungen gewerblich genutzte Flächen sowie Einrichtungen der Daseinsvorsorge enthalten.

GrEStG 1983 § 4 Nr. 5

Urteil vom 26. Juli 2000 - II R 6/99 -

Vorinstanz: Sächsisches FG (EFG 1999, 139)


Gründe

I.

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine "Wohnungs- und Grundbesitz" GmbH, deren alleinige Gesellschafterin die Gemeinde A (Gemeinde) ist. Gesellschaftszweck der Klägerin ist "eine verantwortliche Wohnungsversorgung für breite Schichten der Bevölkerung". Hierzu soll die Klägerin Bauten in allen Nutzungsformen errichten, betreuen und bewirtschaften und außerdem alle im Bereich der Wohnungswirtschaft, des Städtebaus und der Infrastruktur anfallenden Aufgaben übernehmen. Die Klägerin soll ferner Gemeinschaftsanlagen und Folgeeinrichtigungen sowie soziale, kulturelle und wirtschaftliche Einrichtungen bereitstellen.

Die Klägerin erwab durch notariell beurkundeten Kaufvertrag vom 5. November 1993 nebst Nachträgen vom 22. November 1993 und 14. Juli 1994 von der Gemeinde ein im Ortskern der Gemeinde gelegenes 3 620 qm großes Grundstück (Flurstück-Nr.: 86) sowie eine weitere 38 qm große Teilfläche (Flurstück-Nr.: 196a). Das größere, ehemals volkseigene Grundstück (Flurstück-Nr.: 86) war der Gemeinde durch Bescheid der Oberfinanzdirektion B vom 29. Dezember 1992 gemäß § 2 Abs. 1 Satz 2 des Gesetzes über die Feststellung der Zuordnung von ehemals volkseigenem Vermögen (VZOG) in der vom 22. Juli 1992 an geltenden Fassung (BGBl I 1992, 1464) zugeordnet und gemäß Art. 21 Abs. 3 bzw. Art. 22 Abs. 1 letzter Satz des Einigungsvertrages (EinigVtr) zu Eigentum übertragen worden. Die kleinere Grundstücksfläche (Flurstück-Nr.: 196a) hatte die Gemeinde durch Kaufvertrag vom Februar 1993 von einer Erbengemeinschaft erworben.

Auf dem 3 620 qm großen Grundstück befand sich im Zeitpunkt des Eigentumserwerbs durch die Gemeinde ein sanierungsbedürftiges Eckgebäude, das ehemalige Kulturhaus "C". Unter Sanierung der Altbausubstanz und Errichtung von Neubauten entlang den bestehenden Hausfluchten sollte nach den Plänen der Gemeinde auf den Grundstücken ein sog. sozio-kulturelles Zentrum entstehen. Dieses sollte Räume verschiedenen Zuschnitts für Gruppen, Vereine, Behinderte und Künstler, für eine Bibliothek und ein Archiv sowie einen Saal für bis zu 200 Personen enthalten. In dem Gebäude sollten ferner eine Gaststätte mit angeschlossenem Kegelcenter, verschiedene Geschäfte sowie 21 Wohnungen errichtet werden. Die Gemeinde, die im Zeitpunkt des Abschlusses des Grundstückskaufvertrages vom 5. November 1993 mit der Baumaßnahme bereits begonnen hatte, verpflichtete sich gegenüber der Klägerin, diese entsprechend einer dem Kaufvertrag beigefügten Baubeschreibung fertigzustellen. Der Kaufpreis für das Grundstück einschließlich der Sanierung bzw. Errichtung der Gebäude sollte nach der Nachtragsvereinbarung vom 14. Juli 1994 17 482 620 DM betragen.

Wegen dieses Grunderwerbs setzte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) durch Bescheid vom 11. Oktober 1994 nach einer Gegenleistung von 17 482 620 DM Grunderwerbsteuer in Höhe von 349 652 DM fest.

Einspruch und Klage, mit denen die Klägerin geltend machte, der Grunderwerb sei nach § 4 Nr. 5 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) 1983 von der Besteuerung ausgenommen, blieben ohne Erfolg. Das Finanzgericht (FG) vertrat die Auffassung, § 4 Nr. 5 GrEStG 1983 stelle nur solche Grunderwerbe steuerfrei, die in Erfüllung der in Art. 22 Abs. 4 EinigVtr angeordneten Privatisierung des auf die Gemeinde übergegangenen ehemals volkseigenen Wohnungsbestandes vorgenommen würden. Die Übertragung eines nicht zu Wohnzwecken genutzten Grundstücks sei nicht steuerbefreit.

Das sozio-kulturelle Zentrum, mit dem erst ab 1993 entstandenen Wohneinheiten, sei kein Teil der gemäß Art. 22 Abs. 4 EinigVtr zu privatisierenden Wohnungswirtschaft gewesen.

Hiergegen richtete sich die Revision der Klägerin. Diese rügt fehlerhafte Anwendung des § 4 Nr. 5 GrEStG 1983. Eine Beschränkung auf den Erwerb von Wohnungen, hinsichtlich derer eine Privatisierungspflicht der Kommune nach Art. 22 Abs. 4 EinigVtr bestehe, ergebe sich aus der Vorschrift nicht.

Die Klägerin beantragt, das Urteil des Sächsischen FG vom 12. November 1998 2 K 148/98, den Grunderwerbsteuerbescheid vom 11. Oktober 1994 sowie die Einspruchsentscheidung vom 22. August 1997 aufzuheben.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Es vertritt die Auffassung, die Klägerin sei schon nicht als bloße Wohnungsgesellschaft i.S. von § 4 Nr. 5 GrEStG 1983 anzusprechen, weil der Bereich der Wohnungswirtschaft nur partielles Tätigkeitsfeld der Klägerin sei. Im Übrigen sei der Auffassung des FG zu folgen, wonach nur die Übertragung von Wohnungsbestand auf eine Wohnungsgesellschaft steuerbefreit sei.

II.

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

1. Der Auffassung des FG, nach § 4 Nr. 5 GrEStG 1983 sei nur die Übertragung von Wohnungen auf kommunale Wohnungsgesellschaften steuerfrei, die in Erfüllung der in Art. 22 Abs. 4 EinigVtr angeordneten Privatisierungspflicht vorgenommen werden, folgt der Senat nicht.

Nach § 4 Nr. 5 GrEStG 1983 ist der Erwerb eines Grundstücks von der Besteuerung ausgenommen, das nach Art. 21 und 22 EinigVtr in das Eigentum einer Kommune übergegangen ist, wenn der Erwerb vor dem 1. Januar 1999 durch eine Wohnungsgesellschaft erfolgt, deren Anteile sich ausschließlich in der Hand der übertragenden Kommunen befinden. Entgegen der Auffassung des FG enthält diese Vorschrift keine Einschränkung des Inhalts, dass nur die Übertragung von Wohnungen im Rahmen der Privatisierung des ehemals volkseigenen (Wohnungs-)Vermögens nach Art. 22 Abs. 4 EinigVtr auf kommunale Wohnungsgesellschaften steuerfrei sei.

Die Auffassung des FG mag zwar für die ursprüngliche Fassung des § 4 Nr. 5 GrEStG 1983 (vgl. Art. 23 Nr. 2 des Steueränderungsgesetzes --StÄndG-- 1991 vom 24. Juni 1991, BGBl I 1991, 1322, 1340) zutreffen, wonach die Steuerbefreiung den Erwerb eines Grundstücks, das "nach Art. 22 Abs. 4 des Einigungsvertrages in das Eigentum einer Gemeinde übergegangen ist", voraussetzte. Eine derartige Beschränkung auf Wohnungen, die nach Art. 22 Abs. 4 Satz 3 EinigVtr in das Eigentum der Kommunen übergegangen sind, enthält die im Streitfall maßgebliche Fassung des § 4 Nr. 5 GrEStG 1983 aber nicht mehr. Vielmehr wurde durch Art. 1 § 9 Nr. 1 des Zweiten Vermögensrechtsänderungsgesetzes vom 14. Juli 1992 (BGBl I, 1257) der Tatbestand des § 4 Nr. 5 GrEStG 1983 auf alle Erwerbsfälle nach Art. 21 und 22 EinigVtr erweitert und damit der Erwerb auch solcher Grundstücke in die Steuervergünstigung einbezogen, die nicht unter die Privatisierungsverpflichtung der Kommune nach Art. 22 Abs. 4 Satz 4 EinigVtr fallen.

Soweit in der Gesetzesbegründung (vgl. BTDrucks 12/2944 S. 66) zu dieser Erweiterung des Befreiungstatbestandes ausgeführt wird, es solle damit erreicht werden, "dass die Kommunen ihrem Auftrag aus dem EinigVtr zur Privatisierung des Wohnungswirtschaftsvermögens besser nachkommen können", kann es sich angesichts des deutlich weiterreichenden Gesetzeswortlauts nur um einen Teilaspekt der mit der Vorschrift verfolgten Ziele handeln. Selbst wenn der Gesetzgeber die Steuervergünstigung nur bei Erwerb von (der Privatisierungspflicht unterliegenden) Wohnungen hätte gewähren wollen, wäre dieser Wille unbeachtlich, weil er im Gesetzestext keinen Niederschlag gefunden hat.

Auch aus der (Weiter-)Verwendung des Begriffes "Wohnungsgesellschaft" ergibt sich --entgegen der Auffassung des FG-- keine entsprechende Einschränkung. Der Begriff der "Wohnungsgesellschaft" unterliegt als unbestimmter Rechtsbegriff der Auslegung. Unter einer Wohnungsgesellschaft ist eine Gesellschaft zu verstehen, die sich --zumindest vorrangig-- mit der Errichtung, Betreuung und Bewirtschaftung eines Wohnungsbestandes beschäftigt. Diesem Betätigungsfeld steht gerade bei kommunalen Wohnungsgesellschaften der Erwerb von Grundstücken mit solchen Gebäuden nicht entgegen, die neben einer Vielzahl von Wohnungen, gewerblich genutzte Flächen sowie Einrichtungen der Daseinsvorsorge enthalten. Entgegen der Auffassung des FG kann deshalb aus der Verwendung des Begriffes "Wohnungsgesellschaft" nicht der Schluss gezogen werden, nur der Erwerb von Grundstücken, die ausschließlich Wohnzwecken dienen, sei nach § 4 Nr. 5 GrEStG 1983 steuerfrei. Hätte der Gesetzgeber eine solche Einschränkung gewollt, hätte es nahe gelegen, anstelle des allgemeinen Begriffes "Grundstück" den Begriff "Wohngrundstück" oder "Grundstück, das ausschließlich Wohnzwecken dient", zu verwenden.

2. Die Sache ist nicht spruchreif, weil Feststellungen zur Ermittlung der im Streitfall maßgeblichen Bemessungsgrundlage (Gegenleistung) fehlen.

a) Der Erwerb des 3 620 qm großen Grundstücks (Flurstück-Nr.: 86) durch die Klägerin ist nach § 4 Nr. 5 GrEStG 1983 von der Besteuerung ausgenommen. Bei der Klägerin handelt es sich um eine Wohnungsgesellschaft im Sinne dieser Befreiungsnorm. Denn nach ihrer Satzung ist Gesellschaftszweck eine verantwortliche Wohnungsversorgung für breite Schichten der Bevölkerung. Zu diesem Betätigungsfeld gehört auch die Bereitstellung von Gemeinschaftsanlagen und Folgeeinrichtungen sozialer, kultureller und wirtschaftlicher Art. Alleingesellschafterin der Klägerin ist die grundstückübertragende Gemeinde. Auch ist das Grundstück auf die Gemeinde gemäß Art. 21 Abs. 3 bzw. Art. 22 Abs. 1 EinigVtr zurückübertragen worden und ist damit i.S. von § 4 Nr. 5 GrEStG 1983 "nach den Art. 21 und 22 EinigVtr in das Eigentum einer Kommune übergegangen". Weitere (einschränkende) Voraussetzungen enthält § 4 Nr. 5 GrEStG 1983 nicht. Wie oben bereits ausgeführt, muss es sich bei dem übertragenen Grundstück nicht um ein ausschließlich Wohnzwecken dienendes handeln. Vielmehr sind die Befreiungsvoraussetzungen auch in den Fällen erfüllt, in denen das Grundstück --wie im Streitfall-- neben Wohnzwecken auch anderen gewerblichen bzw. gemeindlichen Zwecken dient.

b) Hinsichtlich der Grundstücksteilfläche von 38 qm (Flurstück-Nr.: 196a) liegen die Voraussetzungen des § 4 Nr. 5 GrEStG 1983 nicht vor, weil das Grundstück nicht nach Art. 21 und 22 EinigVtr in das Eigentum der Gemeinde übergegangen war, sondern von dieser käuflich erworben wurde. Der Erwerb dieses Grundstücks durch die Klägerin unterliegt deshalb der Grunderwerbsteuer.

Das FG hat keine ausreichenden Feststellungen getroffen, die es dem Senat ermöglichen, den auf diese Grundstücksteilfläche entfallenden Teil des Gesamtkaufpreises zu ermitteln bzw. zu schätzen. Bei der im zweiten Rechtsgang vorzunehmenden Schätzung wird das FG zum einen von einem Kaufpreis für das unbebaute Grundstück --wie von den Vertragsbeteiligten vereinbart-- in Höhe von 140 DM/qm ausgehen können. Hinsichtlich der Errichtungskosten der auf der Teilfläche von 38 qm errichteten Bausubstanz kann eine verhältnismäßige Aufteilung der Kosten nach der Nutzfläche vorgenommen werden.

Ende der Entscheidung

Zurück