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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 20.09.2000
Aktenzeichen: II R 61/98
Rechtsgebiete: BewG


Vorschriften:

BewG § 11 Abs. 2 Satz 2
BewG § 10
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe

I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine im Handel tätige GmbH, ist neben einem weiteren Gesellschafter zu jeweils 50 v.H. an einer GmbH & Co. KG (KG) als Kommanditistin und an deren Komplementär-GmbH (GmbH) beteiligt. Bei der Feststellung des gemeinen Werts der Anteile an der Klägerin auf den 31. Dezember 1986 bis 31. Dezember 1990 bezog der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) im Rahmen der Schätzung nach der Methode des Stuttgarter Verfahrens die auf die Klägerin entfallenden Anteile am jeweiligen Einheitswert des Betriebsvermögens der KG sowie --mit den jeweils festgestellten Werten-- die Beteiligung an der GmbH in die Ermittlung des Vermögenswerts und die Erträge aus beiden Beteiligungen in die Ermittlung der Ertragsaussichten ein. Auf diese Weise stellte das FA --zum Teil nach mehrfachen Änderungen-- den gemeinen Wert der Anteile an der Klägerin zum 31. Dezember

1986 auf ... DM (Bescheid vom 1. März 1993) 1987 auf ... DM (Bescheid vom 1. März 1993) 1988 auf ... DM (Bescheid vom 9. Juni 1992) 1989 auf ... DM (Bescheid vom 9. Juni 1992) 1990 auf ... DM (Bescheid vom 9. Juni 1992)

je 100 DM des Stammkapitals fest.

Einspruch und Klage, mit denen die Klägerin begehrte, hinsichtlich ihrer Beteiligungen an der KG und der GmbH gemäß Abschn. 83 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 der Vermögensteuer-Richtlinien (VStR) 1986/1989 zu verfahren und die Erträge aus diesen Beteiligungen bei der Ermittlung des Ertragshundertsatzes unberücksichtigt zu lassen, blieben erfolglos. Das Finanzgericht (FG) war der Ansicht, Abschn. 83 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 VStR 1986/1989 betreffe zum einen nur Beteiligungen an Kapitalgesellschaften und zum anderen nur Beteiligungen von mehr als 50 v.H.

Mit der Revision macht die Klägerin fehlerhafte Anwendung des § 11 Abs. 2 Satz 2 des Bewertungsgesetzes (BewG) sowie Verletzung des Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) geltend. Dazu trägt sie vor, zu Unrecht beziehe das FG Abschn. 83 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 VStR 1986/1989 lediglich auf Beteiligungen an Kapitalgesellschaften. Der Wortlaut gebe für diese Beschränkung nichts her. Die Beschränkung sei auch nicht geboten. Denn bei Beteiligungen an Personengesellschaften ergebe sich gleichermaßen eine Mehrfachberücksichtigung der Erträge. In den Einheitswert des Betriebsvermögens der Personengesellschaft gingen nämlich --von Ausnahmen wie dem Grundbesitz abgesehen-- die einzelnen Wirtschaftsgüter mit ihren Teilwerten ein, die an den Ertragserwartungen eines gedachten Erwerbers des ganzen Betriebes ausgerichtet seien. Ferner sei zu berücksichtigen, dass mittelbare Beteiligungen an Personengesellschaften über eine Kapitalgesellschaft ohnehin in einer gemäß Art. 3 Abs. 1 GG verstoßenden Weise benachteiligt seien. Während nämlich Beteiligungen an Personengesellschaften, die im Betriebs- oder Privatvermögen einer Personengesellschaft gehalten werden, deren Gesellschafter nur mit dem anteiligen Einheitswert belasteten, führten mittelbare Beteiligungen an einer Personengesellschaft über eine Kapitalgesellschaft dazu, dass in deren Anteilswert der anteilige Einheitswert und noch einmal die Ertragsaussichten der Personengesellschaft eingingen.

Die in Abschn. 83 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 VStR 1986/1989 vorgesehene Beschränkung auf Beteiligungen von mehr als 50 v.H. sei sachwidrig und werde der Anordnung des § 11 Abs. 2 Satz 2 BewG nicht gerecht. Mit der Begrenzung auf Mehrheitsbeteiligungen solle den damit verbundenen Einflussmöglichkeiten auf die Geschäftsführung Rechnung getragen werden. Bei zwei Gesellschaftern mit Beteiligungen von jeweils 50 v.H. müssten aber 100 v.H. der Anteile zu einer Beschlussfassung zusammenkommen, und damit mehr als bei Bestehen einer Mehrheitsbeteiligung.

Die Klägerin beantragt, unter Aufhebung der Vorentscheidung sowie der Einspruchsentscheidungen vom 19. März und 25. März 1993 die Bescheide über die Feststellung des gemeinen Werts der Anteile an der Klägerin auf den 31. Dezember 1986 bis 1990 vom 1. März 1993 bzw. 9. Juni 1992 dahin zu ändern, dass bei der Ermittlung des Ertragshundertsatzes die Beteiligungserträge aus der KG und der GmbH unberücksichtigt bleiben.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

II. Die Revision ist unbegründet; sie war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Bei der Schätzung des gemeinen Werts der Anteile an der Klägerin sind die Ertragsaussichten zutreffend unter Einschluss der Erträge ermittelt worden, die aus den Beteiligungen an der KG und der GmbH stammen.

1. Der gemeine Wert nichtnotierter Anteile an Kapitalgesellschaften, deren Wert sich nicht aus Verkäufen ableiten lässt, die weniger als ein Jahr zurückliegen, ist gemäß § 11 Abs. 2 Satz 2 BewG unter Berücksichtigung der Vermögens- und Ertragsaussichten zu schätzen. Die Schätzung erfolgt nach dem in Abschn. 76 ff. VStR 1986/1989 geregelten sog. Stuttgarter Verfahren, das der Bundesfinanzhof (BFH) in ständiger Rechtsprechung als geeignetes Schätzungsverfahren anerkannt hat (so Urteil vom 6. März 1991 II R 18/88, BFHE 164, 91, BStBl II 1991, 558, m.w.N.). Mit Rücksicht auf die Gleichmäßigkeit der Besteuerung ist von diesem Verfahren nur abzuweichen, wenn es in Ausnahmefällen aus besonderen Gründen des Einzelfalles zu nicht tragbaren, d.h. offensichtlich unrichtigen Ergebnissen führt (so BFH-Urteile vom 17. Mai 1974 III R 156/72, BFHE 112, 510, BStBl II 1974, 626, sowie vom 6. Februar 1991 II R 87/88, BFHE 163, 471, BStBl II 1991, 459). Nach dem Stuttgarter Verfahren ist zunächst der Vermögenswert zu ermitteln, der sodann aufgrund der Ertragsaussichten der Kapitalgesellschaft korrigiert wird (BFH-Urteil vom 20. Oktober 1978 III R 31/76, BFHE 126, 227, BStBl II 1979, 34), sofern diese nach oben oder unten von einer Normalverzinsung des Kapitals, das den Unternehmenswert verkörpert, abweichen (vgl. Gürsching/Stenger, Kommentar zum Bewertungsgesetz und Vermögensteuergesetz, § 11 BewG Anm. 165). Dabei kommt es im Rahmen der Ermittlung des Ertragshundertsatzes zu einer mehrfachen Berücksichtigung derselben Erträge, wenn in die Ermittlung Erträge von (Unter-)Kapitalgesellschaften eingehen, die über den Ertragshundertsatz bereits in deren Anteilswert und über diesen in den Vermögenswert der (Ober-) Kapitalgesellschaft eingegangen sind, bezüglich der der Anteilswert zu schätzen ist.

Zur Vermeidung dieser auch als Kaskadeneffekt bezeichneten Kumulierung sehen die VStR 1986/1989 in Abschn. 81 Abs. 1 und 1 a sowie in Abschn. 83 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Sonderregelungen für reine Holdinggesellschaften, für Gesellschaften, deren Aktien und Anteile mehr als 80 v.H. ihres Rohvermögens ausmachen, sowie für Gesellschaften mit unmittelbaren oder mittelbaren Beteiligungen von mehr als 50 v.H. des jeweiligen Grund- und Stammkapitals der Untergesellschaften vor. Mit Urteil vom 26. Januar 2000 II R 15/97 (BFHE 191, 393, BStBl II 2000, 251) hat der erkennende Senat ausgeführt, dass die Regelungen in Abschn. 81 Abs. 1 und 1 a der Richtlinien zur Vermeidung des sog. Kaskadeneffektes rechtlich geboten seien, dass aber bereits fraglich sei, ob die Regelung in Abschn. 83 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 der Richtlinien gemessen am Zweck des Stuttgarter Verfahrens, eine einfache und gleichmäßig zu handhabende Schätzungsmethode bereitzustellen, erforderlich sei. Jedenfalls folge aus § 11 Abs. 2 Satz 2 BewG keine rechtliche Notwendigkeit, den systembedingten Kaskadeneffekt auch noch darüber hinaus zu neutralisieren. Kämen nicht weitere Gesichtspunkte wie der der Effektensubstitution, der den Regelungen in Abschn. 81 Abs. 1 und 1 a VStR 1986/1989 zugrunde liege, oder der einer Organschaft mit Ergebnisabführung hinzu, seien bei mehrstufigen Beteiligungsverhältnissen die Anteile an den Kapitalgesellschaften jeder Stufe für sich nach den Regeln des Stuttgarter Verfahrens zu bewerten und sei dabei der Kaskadeneffekt regelmäßig hinzunehmen. Daran hält der Senat auch für den Streitfall fest.

2. Da somit die Regelung in Abschn. 83 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 VStR 1986/1989 auf Beteiligungen von 50 v.H. an Untergesellschaften nicht anwendbar ist, kann an sich dahinstehen, ob diese Sonderregelung grundsätzlich auch auf Personengesellschaften als Untergesellschaften anwendbar ist. Gleichwohl ist die Frage zu verneinen. Entgegen der Ansicht der Klägerin kommt es bei Beteiligungen an Personengesellschaften nicht zu einer zweimaligen Berücksichtigung der von diesen erwirtschafteten Erträge. In den Einheitswert des Betriebsvermögens dieser Personengesellschaften gehen zwar die Wirtschaftsgüter gemäß § 109 Abs. 1 i.V.m. § 10 BewG in der zu den streitigen Stichtagen geltenden Fassung mit den Teilwerten ein; dabei handelt es sich jedoch nicht um Ertragswerte, sondern um reine Substanzwerte (vgl. dazu Gürsching/Stenger, a.a.O., § 10 BewG vor 1993 Anm. 23, 24, m.w.N.).

3. Soweit die Klägerin geltend macht, dass derjenige, der über eine Kapitalgesellschaft mittelbar an einer Personengesellschaft beteiligt ist, wegen der in § 11 Abs. 2 Satz 2 BewG vorgeschriebenen Berücksichtigung der Ertragsaussichten der Kapitalgesellschaft schlechter gestellt sei als jemand, der über eine Personengesellschaft mittelbar an einer anderen Personengesellschaft beteiligt ist, spricht sie die grundsätzlichen Unterschiede bei der Bewertung von Beteiligungen an Personengesellschaften einerseits und von Anteilen an Kapitalgesellschaften andererseits an. Diese Unterschiede zeigen sich naturgemäß auch bei der Zwischenschaltung derartiger Gesellschaften. Sie sind zumindest bis 31. Dezember 1992 im Hinblick auf die regelmäßig unterschiedliche Verkehrsfähigkeit der jeweiligen Beteiligungen bzw. Anteile hinzunehmen.



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