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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 24.05.2000
Aktenzeichen: II R 62/97
Rechtsgebiete: AO 1977, ErbStG, BGB, HGB
Vorschriften:
AO 1977 § 175 Abs. 1 Nr. 2 | |
ErbStG § 29 Abs. 1 Nr. 1 | |
BGB § 2113 Abs. 2 Satz 1 | |
BGB § 2113 Abs. 1 | |
BGB § 2113 | |
BGB § 2111 Abs. 1 Satz 1 | |
BGB § 100 | |
BGB § 99 Abs. 2 | |
HGB § 167 Abs. 2 |
Gründe
I. Der Kaufmann A war als Kommanditist am Festkapital der A GmbH & Co. KG (KG) beteiligt. Er wurde im Jahr 1982 aufgrund Testaments von der Mutter der Beigeladenen, B, zu 1/2 als Vorerbin beerbt. Nacherbin sollte u.a. die Beigeladene werden. Im Jahr 1987 wurde eine Entnahme der Vorerbin von X Mio. DM verbucht.
Am 8. Oktober 1987 hatte die Vorerbin in einem notariell beurkundeten Schenkungsvertrag ihrem Ehemann C versprochen, aus dem ihr zustehenden Gewinnanteil einen Betrag von X Mio. DM mit der Auflage zu schenken, dass er diesen Betrag (abzüglich der Schenkungsteuer) der KG als Darlehen unkündbar auf die Dauer von 30 Jahren zur Verfügung stelle. Ein entsprechender Darlehensvertrag war zwischen C und der KG am selben Tag geschlossen worden. Der Beirat der KG erteilte die nach dem Gesellschaftsvertrag erforderliche Zustimmung zur Entnahme der X Mio. DM zum Zwecke der Schenkung. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) setzte durch Bescheid vom 10. Dezember 1987 wegen dieser Schenkung gegen C Schenkungsteuer fest.
Nachdem die Vorerbin im Jahr 1988 verstorben war, schloss die Beigeladene als Nacherbin mit C am 20. November 1990 einen notariell beurkundeten Vertrag ab, in dem beide erklärten, darüber einig zu sein, dass der Vertrag vom 8. Oktober 1987 unwirksam sei. Die seinerzeit auf dem Darlehenskonto von C bei der KG verbuchte Darlehensforderung stehe nebst Zinsen der Beigeladenen zu. Das Darlehenskonto und die entsprechenden Zinsen wurden auf die Beigeladene umgebucht. Mit Schreiben vom 23. Januar 1991 beantragte C die Änderung des Schenkungsteuerbescheides vom 10. Dezember 1987 nach § 175 Abs. 1 Nr. 2 der Abgabenordnung (AO 1977). Die Schenkungsteuer sei gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 1 des Erbschaftsteuergesetzes (ErbStG) 1974 erloschen. Der Vertrag vom 22. November 1990 mit der Beigeladenen beruhe auf einem Rückforderungsanspruch der Beigeladenen als Nacherbin gegen ihn, denn die Vorerbin habe mit der Schenkung aufgrund des Vertrages vom 8. Oktober 1987 über Nachlassgegenstände, nämlich über den zum Nachlass gehörenden Kommanditanteil verfügt mit der Folge, dass die Verfügung mit Eintritt der Nacherbfolge gemäß § 2113 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) unwirksam geworden sei.
Das FA lehnte den Antrag auf Änderung des Schenkungsteuerbescheides mit Verfügung vom 17. Juni 1991 ab. Die Beigeladene habe kein Rückforderungsrecht als Nacherbin gehabt. Bei der Schenkung habe es sich nicht um eine die Rechte der Nacherbin beeinträchtigende Verfügung über einen Nachlassgegenstand gehandelt. Die Vorerbin habe nicht über die Beteiligung an der KG als Bestandteil des Nachlasses, sondern zulässigerweise über gezogene Nutzungen, nämlich über den in der Zeit von 1982 bis 1987 angefallenen entnahmefähigen Gewinn verfügt (§ 2111 Abs. 1 Satz 1, letzter Halbsatz BGB).
Während des Einspruchsverfahrens war C verstorben; er wurde von, der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), alleine beerbt. Der Einspruch und die von der Klägerin erhobene Klage blieben erfolglos.
Mit der Revision macht die Klägerin geltend, dass die Vorerbin über die Substanz der Erbschaft verfügt habe, weil die dem Privatkonto der Vorerbin zugeschriebenen anteiligen Gewinne wegen der Entnahmebeschränkungen des Gesellschaftsvertrages ungeachtet des Entnahmebeschlusses des Beirats im Vermögen der Gesellschaft gebunden geblieben und damit dem Stamm der Erbschaft angewachsen gewesen seien.
Die Klägerin beantragt,
unter Aufhebung der Vorentscheidung sowie des ablehnenden Bescheides des FA vom 17. Juni 1991 in Gestalt der Einspruchsentscheidung das FA zu verpflichten, den Schenkungsteuerbescheid vom 10. Dezember 1987 ersatzlos aufzuheben.
Auch die Beigeladene hat Revision eingelegt. Ihr Revisionsantrag stimmt wörtlich mit dem der Klägerin überein.
Das FA beantragt,
die Revisionen der Klägerin und der Beigeladenen als unbegründet zurückzuweisen.
II. Die Revisionen sind unbegründet. Zu Recht hat das Finanzgericht (FG) entschieden, dass kein Anspruch der Klägerin auf Aufhebung bzw. Änderung des Schenkungsteuerbescheides vom 10. Dezember 1987 besteht. Die Schenkungsteuer ist nicht aufgrund der Übertragung des Darlehenskontos und der Zinsen auf die Beigeladene gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG mit Wirkung für die Vergangenheit erloschen, denn hinsichtlich der Schenkung der Vorerbin an ihren Ehemann hat kein Herausgabeanspruch der Beigeladenen als Nacherbin bestanden. Entgegen der Auffassung der Revision hatte die Vorerbin nicht über zum Nachlass gehörendes Gesellschaftskapital, sondern über die ihr als Nutzungen des Kommanditanteils zustehenden Gewinnanteile verfügt.
1. Nach § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO 1977 ist ein Steuerbescheid aufzuheben oder zu ändern, soweit ein Ereignis eintritt, das steuerliche Wirkung für die Vergangenheit hat (rückwirkendes Ereignis). Darunter fällt auch das Erlöschen der Schenkungsteuer, das nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG 1974 mit Wirkung für die Vergangenheit eintritt, wenn ein Geschenk wegen eines Rückforderungsrechts herausgegeben werden musste. Ein derartiges Rückforderungsrecht bestand im Streitfall insbesondere nicht aufgrund § 2113 Abs. 2 Satz 1, Abs. 1 BGB. Der Anwendung des § 29 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG 1974 stünde es zwar nicht entgegen, dass gemäß § 2113 Abs. 2 Satz 1, Abs. 1 BGB die Schenkung der Vorerbin im Fall des Eintritts der Nacherbfolge lediglich im Verhältnis zur Nacherbin unwirksam geworden wäre mit der Folge, dass nicht die Vorerbin, also die Schenkerin, sondern die Nacherbin einen Anspruch gegen den Beschenkten auf Herausgabe des Erlangten gehabt hätte. § 29 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG ist auch bei gesetzlichen Herausgabeansprüchen Dritter anzuwenden, denn die Vorschrift betrifft nicht nur Ansprüche auf Rückleistung (an den Leistenden) sondern erfasst alle Fälle eines Rückforderungsrechts, wobei nicht entscheidend ist, dass das Geschenk an den Geber zurückgelangt, sondern dass es nicht beim Empfänger verbleiben kann (Meincke, Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz, Kommentar, 12. Aufl., § 20 Rz. 6). Vielmehr war der von der Vorerbin beschenkte Ehemann C nicht zur Herausgabe des Erlangten an die Nacherbin verpflichtet, weil die Schenkung nicht, was § 2113 BGB aber voraussetzt, aus Mitteln der Erbschaft, sondern aus eigenen Mitteln der Vorerbin erfolgt war.
2. a) Gemäß § 2111 Abs. 1 Satz 1 BGB gehört zur Erbschaft, was der Vorerbe aufgrund eines zur Erbschaft gehörenden Rechts erwirbt, sofern ihm der Erwerb nicht als Nutzung gebührt. Danach standen der Vorerbin im Streitfall für die Dauer der Vorerbschaft die auf den zur Erbschaft gehörenden Kommanditanteil entfallenden Gewinne der Gesellschaft zu. Sie konnten nach dem Gesetz und dem Gesellschaftsvertrag entnommen werden und waren deshalb Nutzungen i.S. des § 2111 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. §§ 100, 99 Abs. 2 BGB (Urteile des Bundesgerichtshofs --BGH-- vom 6. Oktober 1980 II ZR 268/79, BGHZ 78, 177, 188, und vom 21. November 1989 IVa ZR 220/88, Neue Juristische Wochenschrift 1990, 514).
b) Als Kommanditistin konnte die Vorerbin während der Dauer der Vorerbschaft die Auszahlung des (gesamten) ihr zukommenden Gewinns verlangen (§ 169 Abs. 1 Satz 2, 1. Halbsatz des Handelsgesetzbuchs --HGB--); die Pflichteinlage war erbracht und weder durch Verluste gemindert, noch hatte die Auszahlung des Gewinnanteils, insbesondere die Schenkung zu einer Herabminderung der Pflichteinlage geführt (§ 169 Abs. 1 Satz 2, 2. Halbsatz HGB; Baumbach/Hopt, Handelsgesetzbuch, 29. Aufl., § 167 Rn. 3, § 169 Rn. 4, 5).
Eine Beschränkung des Entnahmerechts durch den Gesellschaftsvertrag der KG lag nicht vor. Dieser enthielt zwar in § 4 i.V.m. § 11 Nr. 3 eine von der gesetzlichen Regelung abweichende Bestimmung. Von der darin vorgesehenen Möglichkeit der Zuführung eines Anteils von 30 v.H. des jeweiligen Jahresgewinns an die Rücklagen ist jedoch nicht Gebrauch gemacht worden. Die Vorerbin konnte grundsätzlich auch unbeschränkt die Auszahlung der Gewinnanteile verlangen, denn bei dem in den Jahresabschlüssen der Gesellschaft als Kapitalkonto II bezeichneten Konto, auf dem die Gewinnanteile verbucht wurden, handelte es sich nicht um ein Kapitalkonto, auf dem gesamthänderisch gebundenes Vermögen der Gesellschaft ausgewiesen wurde, sondern in Übereinstimmung mit § 167 Abs. 2 HGB um ein Forderungskonto (Privatkonto). Entscheidend für diese Beurteilung ist, dass die auf diesem Konto verbuchten Gewinnanteile nicht an den Risiken der Gesellschaft teilnahmen (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs vom 3. November 1993 II R 96/91, BFHE 172, 523, BStBl II 1994, 88, und vom 27. Juni 1996 IV R 80/95, BFHE 181, 148, BStBl II 1997, 36) und deshalb als echte Forderungen der Gesellschafterin anzusehen sind. Nach § 3 Nr. 4 des Gesellschaftsvertrages wurden die Verlustanteile der Gesellschafter auf den für jeden Gesellschafter geführten grundsätzlich unveränderten Kapitalkonten, in den Jahresabschlüssen als Kapitalkonten I bezeichnet, verbucht; eine durch Verluste verminderte Einlage war aus künftigen Gewinnen bis zur Höhe der letzten Kapitaleinlage wieder aufzufüllen. Darüber hinausgehende Guthaben der Gesellschafter nahmen an etwaigen Verlusten nicht teil, sondern wurden nach § 3 Nr. 5 des Gesellschaftsvertrages für jeden Gesellschafter auf einem gesonderten Privatkonto, dem sog. Kapitalkonto II, geführt. Diesem unterschiedlichen gesellschaftsrechtlichen Charakter der beiden Konten entspricht es auch, dass die Veränderungen auf dem Privatkonto die Gewinn- und Verlustbeteiligung der Gesellschafter nicht beeinflussten.
Einer solchen Beurteilung steht nicht entgegen, dass gemäß § 12 Nr. 2 a des Gesellschaftsvertrages der Beirat der Gesellschaft über die Höhe der über die Deckung der persönlichen Steuerschulden der Gesellschafter (aufgrund ihrer Zugehörigkeit zur Gesellschaft) hinausgehenden Entnahmen unter Berücksichtigung der Liquiditätslage der Gesellschaft zu entscheiden hatte. Da die Entscheidung des Beirats nur von der Liquiditätslage der Gesellschaft abhängig war, handelte es sich lediglich um eine Konkretisierung der gesellschaftlichen Treuepflicht, wie sie auch in dem für den Kommanditisten nicht anwendbaren (§ 169 Abs. 1 Satz 1 HBG) § 122 HGB niedergelegt ist. Auswirkungen auf den Forderungscharakter der auf dem Privatkonto verbuchten Gewinnanteile kommt dem Zustimmungserfordernis des Beirats nicht zu.
Ende der Entscheidung
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