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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 04.08.1999
Aktenzeichen: II R 63/97
Rechtsgebiete: GrEStG ND, AO 1977, EGAO 1977, GrEStDV, FGO a.F.


Vorschriften:

GrEStG ND § 3 Nr. 2
AO 1977 § 170 Abs. 2 Satz 1
AO 1977 § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1
EGAO 1977 Art. 97 § 5 Abs. 1 Nr. 1
GrEStDV § 2
GrEStDV § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1
GrEStDV § 3 Abs. 1 Satz 2
GrEStDV § 2 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. f
GrEStG 1983 § 18
FGO a.F. § 160 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe

I.

Durch notariell beurkundeten Vertrag ("Grundstücksübertragungsvertrag") vom ... Februar 1978 übertrug der Ehemann der Klägerin und Revisionsbeklagten (Klägerin) in seinem Eigentum stehenden Grundbesitz auf diese. Die Übertragung erfolgte nach § 5 des Vertrages ohne Gegenleistung.

Am selben Tag vereinbarten die Klägerin und ihr Ehemann privatschriftlich, daß die Klägerin das Eigentum an dem Grundbesitz lediglich treuhänderisch für ihren Ehemann erhalte und auf sein Verlangen den Grundbesitz jederzeit unentgeltlich auf den Ehemann zurückzuübertragen habe.

Der Notar zeigte den von ihm beurkundeten Vertrag vom ... Februar 1978 durch Veräußerungsanzeige vom ... März 1978 an; diese ging beim Beklagten und Revisionskläger (Finanzamt --FA--) am ... März 1978 ein. Von dem "Treuhandvertrag" erfuhr das FA zunächst nichts. Das FA sah in dem Erwerbsvorgang eine nach § 3 Nr. 2 des damals geltenden niedersächsischen Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG ND) grunderwerbsteuerfreie Grundstücksschenkung und erteile die Unbedenklichkeitsbescheinigung.

Im Oktober 1985 wurde dem FA der privatschriftliche "Treuhandvertrag" bekannt. Daraufhin setzte das FA durch Bescheid vom 12. November 1985 gegen die Klägerin Grunderwerbsteuer in Höhe von ... DM fest, weil die Voraussetzungen des § 3 Nr. 2 GrEStG ND nicht vorlägen. Als Bemessungsgrundlage legte es den Einheitswert des Grundbesitzes zugrunde. Mit der Einspruchsentscheidung vom 12. Dezember 1991 setzte das FA die Grunderwerbsteuer herab. Im übrigen wies es den Einspruch als unbegründet zurück.

Mit der dagegen gerichteten Klage wurde geltend gemacht, daß dem angegriffenen Bescheid Festsetzungsverjährung entgegenstehe.

Das Finanzgericht (FG) hob den Grunderwerbsteuerbescheid in Gestalt der Einspruchsentscheidung wegen Festsetzungsverjährung auf. Die Festsetzungsfrist von vier Jahren habe gemäß § 170 Abs. 2 Satz 1 der Abgabenordnung (AO 1977) mit Ablauf des Jahres 1978 begonnen und --vor dem Ergehen des Grunderwerbsteuerbescheides vom 12. November 1985-- mit Ablauf des Jahres 1982 geendet, weil die Veräußerungsanzeige des Notars noch im Jahr 1978 beim FA eingegangen sei. Der Notar habe seine Anzeigepflicht nach Art. 97 § 5 Abs. 1 Nr. 1 des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung (EGAO 1977) vollständig erfüllt, so daß der Beginn der Festsetzungsfrist nicht bis zum Ablauf des Jahres 1981 hinausgeschoben gewesen sei. Weitergehende Anzeigepflichten des Notars ergäben sich auch nicht aus § 2 der Grunderwerbsteuer-Durchführungsverordnung (GrEStDV). Es liege auch keine Anzeigepflichtverletzung der am Erwerbsvorgang Beteiligten vor. Eine entsprechende Anzeigepflicht käme nur nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bzw. Satz 2 GrEStDV in Betracht. Deren Voraussetzungen seien jedoch im Streitfall nicht erfüllt.

Mit der Revision rügt das FA Verletzung von § 3 Abs. 1 Satz 2 und § 2 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. f GrEStDV. Es beantragt, unter Aufhebung der Vorentscheidung die Klage abzuweisen.

Die Klägerin stellt den Antrag, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

II.

Die Revision des FA ist unbegründet.

Das FG hat --soweit seine Entscheidung der Überprüfung durch den Senat im Revisionsverfahren unterliegt (s. unten zu 3.)-- zu Recht angenommen, daß dem angefochtenen Bescheid der Ablauf der Festsetzungsfrist entgegenstand.

1. Im Streitfall begann die Festsetzungsfrist mit Ablauf des Jahres 1978 (§ 170 Abs. 1 AO 1977). Die vierjährige Festsetzungsfrist (§ 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO 1977) war mithin zum Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen Bescheids bereits abgelaufen.

2. Dem FG ist im Ergebnis zuzustimmen, daß sich aus der in Art. 97 § 5 Abs. 1 EGAO 1977 bestimmten Anzeigepflicht der Notare keine Anlaufhemmung nach § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO 1977 ergibt, wobei es auf die vom FG geprüfte und verneinte Verletzung der Anzeigepflicht nicht ankommt. Der Senat hat bereits entschieden, daß eine Verletzung der Anzeigepflicht der Gerichte, Behörden und Notare nach § 18 GrEStG 1983 zu keiner Anlaufhemmung nach § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO 1977 führt (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 16. Februar 1994 II R 125/90, BFHE 174, 185, BStBl II 1994, 866). Die zur Anzeigepflicht der Gerichte, Behörden und Notare nach § 18 GrEStG 1983 angestellten Überlegungen gelten uneingeschränkt auch für die Vorläufervorschrift des Art. 97 § 5 Abs. 1 Nr. 1 EGAO 1977. Danach ist § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO 1977 dahingehend auszulegen, daß diese Vorschrift nur auf solche Anzeigen abstellt, zu deren Erstattung der Steuerpflichtige selbst verpflichtet ist, nicht aber auch auf solche, die vom Steuerpflichtigen unabhängige Dritte abzugeben haben.

3. Soweit die Entscheidung des FG darauf beruht, daß sich eine weitergehende Anzeigepflicht für den beurkundenden Notar oder eine Anzeigepflicht der Klägerin aus den Vorschriften der GrEStDV nicht ergäben, unterliegt dies wegen fehlender Revisibilität dieser Rechtsnormen nicht der Überprüfung durch den Senat im Revisionsverfahren.

Bei der GrEStDV handelt es sich um früheres Reichsrecht, das in einigen Ländern --wie in Niedersachsen- als Landesrecht weitergegolten hat (vgl. die Darstellung bei Boruttau, Grunderwerbsteuergesetz, Kommentar, 11. Aufl., S. 1726). In inzwischen ständiger Rechtsprechung hat der Senat klargestellt, daß früheres Grunderwerbsteuerlandesrecht nach Wegfall des § 160 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) a.F. zum 1. Januar 1993 durch Gesetz vom 21. Dezember 1992 (BGBl I, 2109) kein revisibles Recht i.S. von § 118 Abs. 1 FGO mehr ist, es sei denn, es besteht eine entsprechende landesrechtliche Anordnung der Revisibilität des betreffenden Grunderwerbsteuerlandesrechts (vgl. BFH-Urteil vom 6. März 1996 II R 102/93, BFHE 180, 178, BStBl II 1996, 396, m.w.N.). Dies ist für das frühere niedersächsische Grunderwerbsteuerlandesrecht jedoch nicht der Fall. Damit verbleibt es bei der Entscheidung des FG, daß kein Verstoß gegen die Vorschriften der GrEStDV vorliege.

Die daran anschließende --dem revisiblen Bundesrecht zuzurechnende-- Schlußfolgerung des FG, bereits deswegen könne keine die Festsetzungsfrist auf 10 Jahre verlängernde (§ 169 Abs. 2 Satz 1 AO 1977) Steuerhinderziehung durch die Klägerin vorliegen, ist (bundes-)rechtlich nicht zu beanstanden.



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