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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 29.07.1998
Aktenzeichen: II R 64/95
Rechtsgebiete: AO 1977, VStG, StAnpG
Vorschriften:
AO 1977 § 37 Abs. 2 | |
AO 1977 § 47 | |
AO 1977 § 80 Abs. 2 1. Halbsatz | |
AO 1977 § 124 Abs. 3 | |
AO 1977 § 125 Abs. 1, 4 und 5 | |
AO 1977 § 210 Abs. 2 | |
AO 1977 § 220 Abs. 2 Satz 1 | |
AO 1977 § 228 | |
AO 1977 § 229 Abs. 1 Satz 1 | |
AO 1977 § 232 | |
VStG § 14 Abs. 1 | |
StAnpG § 7 Abs. 2 | |
StAnpG § 7 Abs. 3 Satz 1 |
Gründe
Die Entscheidung ergeht gemäß Art. 1 Nr. 7 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs (BFHEntlG).
Im Ergebnis zutreffend ist das Finanzgericht (FG) davon ausgegangen, daß die Kläger die Erstattung der für 1971 und 1972 gezahlten Vermögensteuer nicht verlangen können. Die Änderungsbescheide vom November 1980 sind zwar unwirksam (§§ 125 Abs. 1, 124 Abs. 3 der Abgabenordnung --AO 1977--) mit der Folge, daß die darauf geleisteten Zahlungen zunächst zur Entstehung von Erstattungsansprüchen geführt haben. Diese Erstattungsansprüche sind jedoch wegen Zahlungsverjährung erloschen. Die Ausgangsbescheide vom Juli 1976 (Vermögensteuer 1972) und vom Juni 1977 (Vermögensteuer 1971) sind dagegen wirksam mit der Folge, daß die darauf geleisteten Zahlungen keine Erstattungsansprüche begründet haben.
1. Die der Sozietät S "für EG nach Anton A. und Berta A." bekanntgegebenen Änderungsbescheide vom November 1980 sind rechtsunwirksam (§§ 125 Abs. 1, 124 Abs. 3 AO 1977).
a) Den Bescheiden fehlt es an der erforderlichen Bestimmtheit. Sie lassen nicht erkennen, gegen wen sie gerichtet sind, d.h., wer die in der Person der Erblasser entstandene Vermögensteuer nunmehr schuldet. Die als Inhaltsadressatin genannte Erbengemeinschaft ("EG nach Anton A. und Berta A.") kann als solche nicht Schuldner der Vermögensteuer sein. Die Bekanntgabe an den Bevollmächtigten ändert hieran nichts; § 80 Abs. 2 1. Halbsatz AO 1977 kann den Mangel der fehlenden Bestimmtheit des Steuerschuldners entgegen der Auffassung des FG nicht ausgleichen.
b) Da die Änderungsbescheide vom November 1980 unwirksam sind, hatten die auf diese Bescheide geleisteten Zahlungen, ungeachtet dessen, daß die Steueransprüche insoweit materiell-rechtlich entstanden waren, keinen rechtlichen Grund i.S. des § 37 Abs. 2 AO 1977 und führten daher zu Erstattungsansprüchen. Ausgehend von seiner Rechtsauffassung hat das FG zwar keine Feststellungen zur Höhe und zum Zeitpunkt der aufgrund der Änderungsbescheide geleisteten Zahlungen getroffen. Aus den Feststellungen des FG ergibt sich jedoch, daß Vermögensteuer 1971 in Höhe von ... DM und Vermögensteuer 1972 in Höhe von ... DM gezahlt worden ist und daß dies in der Zeit von 1976 bis zum 12. Dezember 1980 geschehen ist. Da die Zahlungen aufgrund der am 12. November 1980 erlassenen Änderungsbescheide (Änderungsbetrag Vermögensteuer 1971: ... DM; Änderungsbetrag Vermögensteuer 1972: ... DM) bis zum 12. Dezember 1980 erfolgten, wurden sie in der Zeit zwischen dem 12. November und dem 12. Dezember 1980 geleistet.
Die aufgrund dieser Zahlungen entstandenen Erstattungsansprüche, die die Kläger erstmals im Dezember 1986 geltend gemacht haben, waren jedoch bereits mit Ablauf des Jahres 1985 wegen des Eintritts der Zahlungsverjährung erloschen (§§ 47, 232, 228, 229 Abs. 1 Satz 1, 220 Abs. 2 Satz 1 AO 1977). Die fünfjährige Zahlungsverjährung hatte mit Ablauf des Jahres 1980 begonnen und endete mit Ablauf des Jahres 1985. Nach § 229 Abs. 1 Satz 1 AO 1977 beginnt die Zahlungsverjährung nämlich mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem der Anspruch erstmals fällig geworden ist. Fällig wird der Anspruch nach § 220 Abs. 2 Satz 1 AO 1977, wenn es wie hier an einer besonderen gesetzlichen Regelung fehlt, grundsätzlich mit seiner Entstehung. Die abweichende Regelung in Satz 2 der Vorschrift ist auf Erstattungsansprüche der vorliegenden Art nicht anwendbar (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 9. Juli 1996 VII R 136/95, BFH/NV 1997, 10, 12). Im Streitfall entstanden die Erstattungsansprüche zwischen dem 12. November und dem 12. Dezember 1980. Denn Erstattungsansprüche wegen Zahlungen auf unwirksame Steuerbescheide entstehen seit Inkrafttreten der AO 1977 ungeachtet der materiellen Rechtslage mit der Zahlung (Kühn/Hofmann, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 17. Aufl., § 37 AO 1977 Bem. 6; Alber in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 10. Aufl., § 218 AO 1977 Rz. 33; s. auch Senatsurteil vom 30. Oktober 1996 II R 108/93, BFH/NV 1997, 321). Der Senat weicht insoweit nicht ab von den Urteilen des BFH vom 30. April 1996 VII R 122/94 (BFH/NV 1996, 866) und vom 25. Oktober 1988 VII R 21/87 (BFH/NV 1989, 412). Soweit der BFH in diesen Urteilen eine andere Auffassung vertreten hat, ging es um Zahlungen, die vor 1977 geleistet wurden.
2. Die Bescheide vom Juli 1976 bzw. Juni 1977, mit denen die Vermögensteuer 1972 erstmals bzw. die Vermögensteuer 1971 geändert festgesetzt wurde, sind dagegen rechtswirksam. Insoweit konnten Erstattungsansprüche nicht entstehen.
a) Bei dem an "Herrn und Frau Anton A." gerichteten Bescheid für 1972 handelt es sich um einen sog. zusammengefaßten Bescheid. Ein zusammengefaßter Vermögensteuerbescheid, der gegenüber zusammenzuveranlagenden Ehegatten erlassen werden konnte (vgl. § 210 Abs. 2 AO, § 14 Nr. 1 des Vermögensteuergesetzes --VStG--), enthält mehrere Steuerfestsetzungen, die nur der äußeren Form nach zusammengefaßt sind und ein unterschiedliches rechtliches Schicksal haben können. Ist einer der Ehegatten bei Bekanntgabe des Bescheides bereits verstorben, dann ist die gegenüber dem verstorbenen Ehegatten erfolgte Steuerfestsetzung unwirksam. Die gegenüber dem noch lebenden Ehegatten ergangene Steuerfestsetzung bleibt in solchen Fällen regelmäßig wirksam (vgl. Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 16. Aufl., § 122 AO 1977 Tz. 8 a). Dies ergibt sich aus dem nunmehr in § 125 Abs. 4 AO 1977 enthaltenen Rechtsgedanken, wonach bei Teilnichtigkeit eines Verwaltungsaktes der Verwaltungsakt im ganzen (nur dann) nichtig ist, wenn der nichtige Teil so wesentlich ist, daß die Finanzbehörde den Verwaltungsakt ohne den nichtigen Teil nicht erlassen hätte. Dieser Rechtsgedanke ist auch auf selbständige, in einem zusammengefaßten Bescheid verbundene Verwaltungsakte anwendbar. Danach ist der wirksame "Teil" eines zusammengefaßten Vermögensteuerbescheids nur dann nichtig, wenn der nichtige Teil so wesentlich ist, daß die Finanzbehörde den Bescheid ohne den nichtigen Teil nicht erlassen hätte. Das ist bei Vermögensteuerbescheiden gegenüber zusammenveranlagten Ehegatten regelmäßig nicht der Fall. Zusammenveranlagte Ehegatten waren nach § 7 Abs. 2 des Steueranpassungsgesetzes (StAnpG) i.V.m. § 14 Abs. 1 Nr. 1 VStG Gesamtschuldner der Vermögensteuer und schulden nach § 7 Abs. 3 Satz 1 StAnpG jeweils die gesamte Leistung. Bei derartigen Bescheiden ist deshalb davon auszugehen, daß das FA den Bescheid auch ohne den nichtigen Teil erlassen hätte.
Nach diesen Grundsätzen ist der an "Herrn und Frau Anton A." gerichtete Bescheid für 1972 insoweit wirksam, als er eine (wirksame) Steuerfestsetzung gegenüber Frau A. enthält. Frau A. ist in dem Bescheid auch bestimmt genug als Steuerschuldnerin aufgeführt, obwohl sie nicht mit ihrem Vornamen, sondern als "Frau Anton A." bezeichnet wurde. Für die wirksame Adressierung eines an Ehegatten gerichteten zusammengefaßten Bescheids genügt es, daß nur einer der Steuerschuldner mit vollem Namen im Adressenfeld angegeben ist (vgl. BFH-Urteil vom 9. August 1991 III R 169/90, BFH/NV 1992, 433). Für die Wirksamkeit der Steuerfestsetzung gegenüber der Ehefrau ist es dabei unerheblich, ob der Ehemann, dessen Vorname zur Bezeichnung der Eheleute verwendet worden ist, noch lebt oder nicht. Die Gefahr der Verwechslung der Steuerschuldner besteht in solchen Fällen regelmäßig nicht.
b) Der an "Frau Berta A. zugl. für Anton A." ergangene Bescheid für 1971 ist (insgesamt) wirksam. Der Bescheid läßt --auch vor dem Hintergrund des der Vermögenserklärung 1972 beigefügten Begleitschreibens sowie des Einspruchsschreibens vom August 1976-- im Auslegungswege mit hinreichender Bestimmtheit erkennen, daß er an Frau A. persönlich und an sie zugleich in ihrer Eigenschaft als Rechtsnachfolgerin ihres verstorbenen Ehemannes gerichtet war (vgl. BFH-Urteil vom 25. September 1990 IX R 84/88, BFHE 162, 4, BStBl II 1991, 120).
c) Soweit danach wirksame Vermögensteuerbescheide für 1971 und 1972 angenommen worden sind, steht dem nicht entgegen, daß das FA die Bescheide in der Einspruchsentscheidung vom 28. November 1988 und dem vorausgegangenen Schriftsatz vom 19. Januar 1988 für unwirksam gehalten hat. Dabei handelte es sich lediglich um die Äußerung einer Rechtsansicht ohne Bindungswillen, der nur deklaratorische Bedeutung zukam (vgl. BFH-Urteil vom 15. November 1991 VI R 81/89, BFHE 165, 566, BStBl II 1997, 224). Ob einer förmlichen Feststellung der Nichtigkeit nach § 125 Abs. 5 AO 1977 Verbindlichkeit zugekommen wäre (vgl. dazu BFH-Urteil vom 17. Oktober 1985 VII R 185/83, BFH/NV 1986, 720), kann auf sich beruhen, weil ein derartiger Bescheid nicht ergangen ist.
3. Im übrigen sieht der Senat gemäß Art. 1 Nr. 7 BFHEntlG von einer Begründung seiner Entscheidung ab.
Ende der Entscheidung
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