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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 30.06.1999
Aktenzeichen: II R 64/97
Rechtsgebiete: BewG, AO 1977, FGO


Vorschriften:

BewG § 97 Abs. 1 Nr. 1
BewG § 97 Abs. 1 Nr. 5
BewG § 19 Abs. 3 Nr. 1 Buchst. b
BewG § 99
BewG § 103
AO 1977 § 164 Abs. 2
AO 1977 § 179 Abs. 1
AO 1977 § 180 ABs. 1 Nr. 1
AO 1977 § 182 Abs. 1
AO 1977 § 179 Abs. 3
FGO § 126 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe

I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine KG, betreibt mehrere Warenhäuser. Zwei dieser Warenhäuser, nämlich eines in A und das andere in B, sind angepachtet. Verpächter und Eigentümer bzw. Erbbauberechtigter ist die X-GmbH (GmbH), die zugleich einzige Kommanditistin der Klägerin ist und deren einziger Gesellschafter außerdem am Handelsgewerbe der GmbH atypisch still beteiligt ist. Bei der Bewertung des Grundbesitzes sind das Geschäftsgrundstück in A sowie das an dem Grundstück in B bestehende Erbbaurecht bestandskräftig der GmbH zugerechnet worden. Die gegen sie ergangenen Bescheide auf den 1. Januar 1980 und 1. Januar 1978 vom 2. Januar 1981 bzw. 7. Oktober 1978 für das Grundstück in A sowie auf den 1. Januar 1983 vom 6. November 1985 für das Erbbaurecht in B enthalten unter der Rubrik "Vermögensart" die Feststellung, daß es sich um Betriebsgrundstücke handele. 140 v.H. der Einheitswerte ergeben insgesamt einen Betrag von ... DM. Durch Anschaffung und Herstellung der verpachteten Objekte sind der GmbH Schulden entstanden, die sich zum 1. Januar 1983 auf ... DM und zum 1. Januar 1984 auf ... DM belaufen. Die Beteiligten streiten nunmehr darüber, ob die Betriebsgrundstücke und die Schulden zu den genannten Stichtagen als Sonderbetriebsvermögen im Einheitswert des Betriebsvermögens der Klägerin oder beim Betriebsvermögen der GmbH bzw. der atypisch stillen Gesellschaft zu erfassen sind.

In den ursprünglichen, nach Erklärung und unter Vorbehalt der Nachprüfung ergangenen Bescheiden über den Einheitswert des Betriebsvermögens der Klägerin auf den 1. Januar 1983 und 1984 waren weder die Grundstücke noch die zugehörigen Schulden erfaßt. Nach einer Außenprüfung gelangte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) zu der Ansicht, daß dies richtig sei. Grundstücke und Schulden seien gemäß § 97 Abs. 1 Nr. 1 des Bewertungsgesetzes (BewG) in den zu den streitigen Stichtagen geltenden Fassungen i.V.m. Abschn. 15 Abs. 1 Satz 10 der Vermögensteuer-Richtlinien (VStR) 1983 beim Betriebsvermögen der GmbH als Eigentümerin und Kapitalgesellschaft zu erfassen. Daran ändere die atypisch stille Beteiligung an der GmbH nichts. Zwar sei die atypisch stille Gesellschaft eine ähnliche Gesellschaft i.S. des § 97 Abs. 1 Nr. 5 BewG; diese habe jedoch ungeachtet dessen kein Betriebsvermögen, das einheitlich und gesondert festzustellen und zwischen dem Inhaber des Handelsgewerbes sowie dem atypisch Stillen aufzuteilen sei. Ausgehend von dieser Rechtsauffassung stellte das FA den Einheitswert des Betriebsvermögens der Klägerin auf den 1. Januar 1983 und 1984 durch aus anderen Gründen nach § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO 1977) geänderte Bescheide vom 12. Juni bzw. 26. März 1990 unter Ausschluß der genannten Betriebsgrundstücke sowie der zugehörigen Schulden auf ... DM bzw. ... DM fest und teilte ihn dergestalt auf die Gesellschafter auf, daß es einen Anteil der atypisch stillen Gesellschaft zurechnete. Den Vorbehalt der Nachprüfung hob es auf.

Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg. Das in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1998, 12 veröffentlichte Urteil des Finanzgerichts (FG) beruht allerdings auf der abweichenden Begründung, daß bereits die für den betroffenen Grundbesitz ergangenen Einheitswertbescheide einer Zuordnung der Grundstücke und der damit verbundenen Schulden zum Betriebsvermögen der Klägerin entgegenstünden. Die Einheitswertbescheide des Grundbesitzes enthielten zwar keine ausdrückliche Feststellung gemäß § 19 Abs. 3 Nr. 1 Buchst. b BewG, wessen Gewerbebetrieb die Betriebsgrundstücke zuzuordnen seien; aus der Adressierung der Bescheide an die GmbH ergebe sich jedoch, daß die Grundstücke Teil des Betriebsvermögens der GmbH und jedenfalls nicht der Klägerin sein sollen.

Mit der dagegen eingelegten Revision rügt die Klägerin fehlerhafte Anwendung des § 19 Abs. 3 Nr. 1 Buchst. b BewG. Es treffe zwar zu, daß bei der Einheitsbewertung des Grundbesitzes mit bindender Wirkung auch über die Frage zu entscheiden sei, zu welchem Gewerbebetrieb ein Betriebsgrundstück gehöre; entgegen der Ansicht des FG enthielten die Einheitswertbescheide bezüglich der Grundstücke in A und B jedoch keine derartige Feststellung, und zwar weder ausdrücklich noch konkludent.

Materiell-rechtlich seien die Grundstücke wie Sonderbetriebsvermögen einer an der Klägerin beteiligten ähnlichen Gesellschaft i.S. des § 97 Abs. 1 Nr. 5 BewG --nämlich der atypisch stillen Gesellschaft-- zu behandeln.

Die Klägerin beantragt, unter Aufhebung der Vorentscheidung die Einheitswertbescheide des Betriebsvermögens auf den 1. Januar 1983 und 1984 vom 12. Juni bzw. 26. März 1990 sowie die Einspruchsentscheidung vom 9. April 1991 dahin zu ändern, daß die Einheitswerte auf ./. ... DM bzw. ./. ... DM festgestellt werden.

Das FA ist der Revision entgegengetreten.

II. Die Revision ist unbegründet. Sie war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG hat zu Recht angenommen, daß die Bescheide über die Feststellung der Einheitswerte für die betroffenen Betriebsgrundstücke konkludent die Feststellung enthalten, daß die Grundstücke zum Betrieb der GmbH gehören.

1. Über die Frage, zu welchem Betrieb Betriebsgrundstücke gehören, ist positiv wie negativ in einem gesonderten Feststellungsverfahren zu entscheiden, und zwar in dem Verfahren zur Feststellung der Einheitswerte des Grundbesitzes. Die gemäß den §§ 179 Abs. 1, 180 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977 i.V.m. § 19 Abs. 1 Nr. 1 BewG zu erlassenden Bescheide über die Feststellung der Einheitswerte für Betriebsgrundstücke i.S. des § 99 BewG haben gemäß § 19 Abs. 3 Nr. 1 Buchst. b des Gesetzes auch eine Feststellung über den gewerblichen Betrieb zu treffen, zu dem die Grundstücke gehören. Dabei handelt es sich um einen vorweggenommenen Teil der Entscheidung über den Umfang eines Betriebes, die ansonsten erst im Feststellungsverfahren für den Einheitswert des Betriebsvermögens ansteht (so Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 24. Oktober 1958 III 153/58 S, BFHE 68, 1, BStBl III 1959, 2, unter I.). Mit der Zugehörigkeit der Grundstücke zu einem bestimmten Betrieb wird mittelbar auch über die Zuordnung der damit i.S. des § 103 BewG zusammenhängenden Verbindlichkeiten entschieden.

Die gemäß § 182 Abs. 1 AO 1977 bindenden Feststellungsbescheide über den Einheitswert der von der Klägerin angepachteten Betriebsgrundstücke enthalten keine ausdrückliche Feststellung darüber, zu welchem Betrieb die Grundstücke gehören. Dies ist jedoch für den Regelfall, bei dem die Betriebsgrundstücke zum Betrieb desjenigen gehören, dem sie zuzurechnen sind, nicht erforderlich (vgl. Gürsching/Stenger, Kommentar zum Bewertungsgesetz und Vermögensteuergesetz, § 19 BewG, Anm. 66). Für diesen Regelfall enthalten die Feststellungsbescheide konkludent auch die Feststellung, daß das Grundstück zum Betrieb des Zurechnungsadressaten gehört. Einer ausdrücklichen Feststellung, zu welchem Betrieb die Grundstücke gehören, bedarf es nur dann, wenn derjenige, dem das jeweilige Grundstück zuzurechnen ist, mehrere Betriebe hat oder das Grundstück zum Betrieb eines Dritten gehört. Einem Feststellungsbescheid für ein Betriebsgrundstück, der keine besondere Aussage darüber enthält, zu welchem/wessem Betrieb das Grundstück gehört, ist daher --wie im Streitfall-- ohne weiteres zu entnehmen, daß es zum Betrieb desjenigen gehört, dem es zugerechnet worden ist. Ist diese Betriebszuordnung sachlich falsch, weil etwa das Betriebsgrundstück zum Betrieb eines Dritten gehört, führt dies nicht dazu, daß eine notwendige Feststellung unterblieben wäre, die durch einen Ergänzungsbescheid nach § 179 Abs. 3 AO 1977 nachgeholt werden könnte, sondern zu einem Fehler des Bescheides, der allenfalls gemäß § 22 Abs. 3 BewG eine Fortschreibung zur Fehlerbeseitigung auf den nach Abs. 4 Satz 3 Nr. 2 der Vorschrift vorgesehenen Fortschreibungszeitpunkt zuläßt. Eine derartige Fortschreibung aber wirkt nur für die Zukunft und nicht mehr für die Vergangenheit.

Eine später geänderte Rechtsauffassung der Beteiligten oder eines Dritten über die Betriebszugehörigkeit ändert nichts daran, daß der Bescheid in der Vergangenheit bereits seine Wirksamkeit mit dem Inhalt, wonach sämtliche gesetzlich vorgeschriebenen Feststellungen getroffen waren, entfaltet hat.

2. Enthalten aber die bestandskräftigen Feststellungsbescheide über die Einheitswerte der streitbefangenen Betriebsgrundstücke konkludent die positive Feststellung, daß sie zum Betrieb der GmbH gehören, ergibt sich daraus mit Bindungswirkung gemäß § 182 Abs. 1 AO 1977 für die Einheitsbewertung des Betriebsvermögens der Klägerin negativ, daß die Grundstücke nicht Teil ihres Betriebsvermögens sind. Sie sind daher in den angefochtenen Feststellungsbescheiden bezüglich des Betriebsvermögens der Klägerin zu Recht ebenso nicht erfaßt worden wie die mit ihnen gemäß § 103 BewG zusammenhängenden Verbindlichkeiten.

Ende der Entscheidung

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