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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 21.02.2006
Aktenzeichen: II R 70/04
Rechtsgebiete: FGO, ErbStG, BGB, BewG


Vorschriften:

FGO § 126 Abs. 2
ErbStG § 11
ErbStG § 12
BGB § 607 ff.
BGB § 488
BewG § 12 Abs. 3
BewG § 12 Abs. 1
BewG § 15 Abs. 1
BewG § 13 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Mit zwei notariell beurkundeten Verträgen vom 11. September 1992 erwarb die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) jeweils ein Grundstück. Die Anschaffungskosten einschließlich der Nebenkosten betrugen 4 505 069 DM (Grundstück I) bzw. 359 880 DM (Grundstück II); die Kaufpreise sollten am 30. September 1992 fällig werden. Mit privatschriftlichen Darlehensverträgen vom 11. September 1992 bzw. 5. Oktober 1992 gewährte der Ehemann (E) der Klägerin dieser für den Kauf der Grundstücke zinslose Darlehen auf unbestimmte Zeit. Die Darlehensbeträge entsprachen nach den Feststellungen des Finanzgerichts (FG) den jeweiligen Anschaffungskosten der Grundstücke.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) sah in diesen Vorgängen freigebige Zuwendungen, die er mit den kapitalisierten Zinsvorteilen aus den Darlehensgewährungen bewertete. Die Klägerin vertrat hingegen die Auffassung, es handele sich um mittelbare Grundstücksschenkungen, für deren Bewertung die Einheitswerte der Grundstücke maßgebend seien.

Die Klage hatte nur insoweit Erfolg, als das FG eine geringfügige Korrektur an der Berechnung der Zinsvorteile vornahm. Im Übrigen wies es die Klage ab.

Mit ihrer Revision vertritt die Klägerin weiterhin die Auffassung, der Wert der Zuwendung sei auf den Steuerwert der Grundstücke zu begrenzen.

Die Klägerin beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und den Schenkungsteuerbescheid vom 20. November 1998 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 28. Juli 2000 dahin gehend zu ändern, dass die Zuwendungen mit den um 40 v.H. erhöhten Einheitswerten der Grundstücke angesetzt werden.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

II. Die Revision ist unbegründet und nach § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zurückzuweisen.

Das FG hat zu Recht als Gegenstand der Zuwendungen an die Klägerin nicht die beiden Grundstücke, sondern die in der Gewährung zinsloser Darlehen liegenden Kapitalnutzungsmöglichkeiten angesehen.

1. Der Schenkungsteuer unterliegt als Schenkung unter Lebenden (§ 1 Abs. 1 Nr. 2 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes --ErbStG--) jede freigebige Zuwendung unter Lebenden, soweit der Bedachte durch sie auf Kosten des Zuwendenden bereichert wird (§ 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG). Der Gegenstand der Schenkung richtet sich nach bürgerlichem Recht. Auszugehen ist danach zunächst vom Parteiwillen, im Falle der freigebigen Zuwendung vom Willen des Zuwendenden, d.h. davon, was dem Bedachten nach dem Willen des Schenkers geschenkt sein soll. Entscheidend für die Bestimmung des Schenkungsgegenstandes ist indes, wie sich die Vermögensmehrung im Zeitpunkt der Ausführung der Schenkung beim Bedachten darstellt, d.h. worüber der Bedachte im Verhältnis zum Schenker --endgültig-- tatsächlich und rechtlich frei verfügen kann. Dies ist die den steuerpflichtigen Erwerb (§ 10 Abs. 1 Satz 1 ErbStG) darstellende Bereicherung des Bedachten, an die die Wertermittlung gemäß den §§ 11, 12 ErbStG in der jeweils geltenden Fassung anknüpft. Der Gegenstand, um den der Beschenkte bereichert wird, muss sich nicht vorher in derselben Gestalt im Vermögen des Schenkers befunden haben und wesensgleich übergehen; "Entreicherungsgegenstand" und "Bereicherungsgegenstand" brauchen nicht identisch zu sein. In der Hingabe von Geld zum Erwerb eines Grundstücks kann eine Grundstücksschenkung (sog. mittelbare Grundstücksschenkung) gesehen werden. Dies setzt voraus, dass der Beschenkte im Verhältnis zum Schenker nicht über das ihm ggf. übergebene Geld, sondern (erst) über das Grundstück frei verfügen kann; in diesem Fall ist der Beschenkte nicht um die Geldsumme, sondern erst um das mit den zur Verfügung gestellten Geldmitteln erworbene Grundstück bereichert (zusammenfassend Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 10. November 2004 II R 44/02, BFHE 207, 360, BStBl II 2005, 188, mit zahlreichen weiteren Nachweisen).

2. Nach diesen Maßstäben scheidet im Streitfall die Annahme einer mittelbaren Grundstücksschenkung aus.

a) Durch die Darlehensgewährung als solche tritt beim Darlehensgeber keine Entreicherung ein. Denn seiner Verpflichtung, dem Darlehensnehmer einen Geldbetrag in der vereinbarten Höhe zur Verfügung zu stellen, steht die Verpflichtung des Darlehensnehmers gegenüber, das zur Verfügung gestellte Darlehen bei Fälligkeit zurückzuerstatten (vgl. §§ 607 ff. des Bürgerlichen Gesetzbuchs --BGB-- in der bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Fassung, § 488 BGB in der ab dem 1. Januar 2002 geltenden Fassung). Die Darlehenshingabe führt zunächst nur zu einer Vermögensumschichtung, nicht aber zu einer Ent- bzw. Bereicherung (vgl. BFH-Urteil vom 29. Juni 2005 II R 52/03, BFHE 210, 459, BStBl II 2005, 800, unter II.c).

b) Bei einem zinslosen Darlehen ist Gegenstand der Zuwendung die unentgeltliche Gewährung des Rechts, das als Darlehen überlassene Kapital zu nutzen (BFH-Urteil vom 4. Dezember 2002 II R 75/00, BFHE 200, 406, BStBl II 2003, 273, unter II.B.3.). Auch insoweit sind die Voraussetzungen einer mittelbaren Grundstücksschenkung aber nicht erfüllt. Dies wäre nur dann der Fall, wenn der Schenker dem Bedachten den für den Grundstückskauf bestimmten Geldbetrag bis zum Abschluss des Kaufvertrags zusagt und bis zur Tilgung der Kaufpreisschuld zur Verfügung stellt. Werden die Geldmittel hingegen erst nach Abschluss des Kaufvertrags zugesagt oder erhält sie der Bedachte erst nach Bezahlung des Kaufpreises, scheidet eine mittelbare Grundstücksschenkung aus (BFH-Urteil vom 2. Februar 2005 II R 31/03, BFHE 209, 141, BStBl II 2005, 531). In einem solchen Fall stellt sich die Vermögensmehrung im Zeitpunkt der Ausführung der Schenkung beim Bedachten als Geldzuwendung dar (BFH-Urteil in BFHE 207, 360, BStBl II 2005, 188).

Bei der Gewährung eines zinslosen Darlehens erhält der Bedachte zwar bereits mit dessen Hingabe das Recht zur unentgeltlichen Kapitalnutzung. Dieses Recht ist aber als solches ungeeignet, der Anschaffung des Grundstücks, insbesondere der Bezahlung des Kaufpreises zu dienen. Vielmehr fließen dem Bedachten die Vorteile aus der unentgeltlichen Kapitalnutzungsmöglichkeit erst nach der Zahlung des Kaufpreises zu (BFH-Urteil in BFHE 210, 459, BStBl II 2005, 800, unter II.e) und können deshalb nicht mehr mittelbarer Teil des bereits abgeschlossenen Grundstückserwerbs sein.

c) Die in Teilen der Literatur geäußerte Kritik an dieser Rechtsprechung greift nicht durch. Denn bewertungsrechtlich stellt die Gewährung eines zinslosen Darlehens nicht etwa eine Geldzuwendung in Höhe des Differenzbetrags zwischen dem erhaltenen Nennwert und dem nach § 12 Abs. 3 oder ggf. Abs. 1 des Bewertungsgesetzes (BewG) abgezinsten Rückzahlungsbetrag dar (so aber Meincke, Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz, Kommentar, 14. Aufl. 2004, § 7 Anm. 51, und in Zeitschrift für Erbrecht und Vermögensnachfolge 2005, 494). Vielmehr handelt es sich um die Zuwendung einer Nutzungsmöglichkeit, wie der Wortlaut des § 15 Abs. 1 BewG ("Nutzung einer Geldsumme") und des § 13 Abs. 2 BewG (Bewertung von Nutzungen) zeigt (vgl. BFH-Urteil vom 12. Juli 1979 II R 26/78, BFHE 128, 266, BStBl II 1979, 631). Die der Klägerin damit allein zugewandte Kapitalnutzungsmöglichkeit konnte aber nicht zur Bezahlung des Grundstückskaufpreises eingesetzt werden.

d) Aus denselben Gründen kommt auch eine Begrenzung des schenkungsteuerrechtlich anzusetzenden Wertes der Zuwendung auf den Steuerwert der finanzierten Grundstücke nicht in Betracht.

e) Hinsichtlich des Grundstücks II scheidet die Annahme einer mittelbaren Grundstücksschenkung auch deshalb aus, weil das FG nicht festgestellt hat, dass die Darlehensmittel bis zum Abschluss des Kaufvertrags zugesagt worden sind. Der Darlehensvertrag ist vielmehr erst 24 Tage nach dem Kaufvertrag geschlossen worden. Dass die Mittel ihr bereits zu einem früheren Zeitpunkt in formloser Weise zugesagt worden sind, hat die Klägerin selbst nicht behauptet.

3. Auf der Grundlage der mit der Revision nicht angegriffenen tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz ist die Ermittlung der Steuer durch das FG nicht zu beanstanden.



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