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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 11.03.2008
Aktenzeichen: II R 84/05
Rechtsgebiete: BewG, EStG, AO
Vorschriften:
BewG § 95 Abs. 1 | |
BewG § 99 | |
EStG § 15 Abs. 1 | |
EStG § 15 Abs. 2 | |
AO § 171 Abs. 10 |
Gründe:
I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine GmbH & Co. KG, betreibt ein Unternehmen zum Abbau von Kies und Sand. Sie hatte bis zum 31. Dezember 1991 die Anschaffungskosten für mehrere Grundstücke mit Kiesvorkommen auf die Wirtschaftsgüter Grund und Boden (4 695 661 DM) und Kiesvorkommen (15 411 286 DM) aufgeteilt und entsprechend bilanziert. In der Steuerbilanz auf den 31. Dezember 1992 verminderte die Klägerin die Bilanzposition Kiesvorkommen um insgesamt 15 411 286 DM und erhöhte die Bilanzposition Grund und Boden um den entsprechenden Betrag. Das Finanzamt für Großbetriebsprüfung gelangte im Rahmen einer Außenprüfung zu der Auffassung, die Anschaffungskosten für die Kiesvorkommen seien als eigenständige Wirtschaftsgüter zu aktivieren. Dem folgte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) und erhöhte auf der Grundlage der Prüferbilanzen durch Bescheide vom 19. Juli 2002 über die Feststellung des Einheitswerts des Betriebsvermögens auf den 1. Januar 1993 bis 1. Januar 1996 die Einheitswerte in mehreren Punkten. Unter anderem wurde der Ansatz für die Kiesvorkommen um jeweils 15 411 286 DM angehoben.
Ferner erließ das FA für die Jahre 1992 bis 1995 auf der Grundlage der Prüferbilanzen geänderte Bescheide über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen vom 9. Juli, 10. Juli und 19. Juli 2002, wobei die Aktivierung der Anschaffungskosten für die Kiesvorkommen keine Auswirkungen auf die Höhe des festgestellten Gewinns hatte. Die Einsprüche blieben erfolglos. Das insoweit beim Finanzgericht (FG) anhängige Klageverfahren ruht bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung in dem die Einheitsbewertung betreffenden Verfahren.
Die gegen die Einheitswertbescheide erhobenen Einsprüche wies das FA als unbegründet zurück und führte aus, die Klärung der einkommensteuerrechtlichen Frage der Aktivierung der Kiesvorkommen sei nur in einem die gesonderte Gewinnfeststellung betreffenden Verfahren möglich.
Das FG wies die Klage, mit der sich die Klägerin gegen die Anhebung des Ansatzes für die Kiesvorkommen nur noch im Umfang von 14 967 103 DM wandte, mit dem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2006, 394 veröffentlichten Urteil ab. Zwar könne das Begehren, die Kiesvorkommen nicht als selbständige Wirtschaftsgüter zu berücksichtigen, auch in dem die Einheitsbewertung des Betriebsvermögens betreffenden Verfahren geltend gemacht werden. Die Aktivierung der Anschaffungskosten für die Kiesvorkommen sei jedoch zu Recht erfolgt.
Mit der Revision rügt die Klägerin --in dem reduzierten Umfang-- die Berücksichtigung der Kiesvorkommen als selbständige Wirtschaftsgüter.
Die Klägerin beantragt, unter Aufhebung der Vorentscheidung die in den Einheitswertbescheiden auf den 1. Januar 1993 bis 1. Januar 1996 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 28. April 2004 festgestellten Einheitswerte um jeweils 14 967 103 DM zu mindern.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
II. Die Revision ist begründet. Zu Unrecht hat das FG angenommen, es könne in dem die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Änderungsbescheide über den Einheitswert des Betriebsvermögens betreffenden Verfahren darüber entschieden werden, ob die Kiesvorkommen abweichend von den von der Klägerin eingereichten Bilanzen als selbständige Wirtschaftsgüter zu berücksichtigen seien. Dies führt zur Aufhebung der Vorentscheidung. Da es mangels Bilanzberichtigung an den Änderungsvoraussetzungen für die vom FA vorgenommene Erhöhung der auf den 1. Januar 1993 bis 1. Januar 1996 festgestellten Einheitswerte in dem noch streitigen Umfang fehlt, waren diese antragsgemäß herabzusetzen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
1. In einem die Einheitsbewertung betreffenden gerichtlichen Verfahren können Streitfragen, die die Steuerbilanz betreffen, nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) nicht geklärt werden (BFH-Entscheidungen vom 14. Juli 2003 II B 98/02, BFH/NV 2003, 1592; vom 25. Januar 2005 II B 170/03, BFHE 208, 418, BStBl II 2005, 429; vom 10. März 2005 II R 69/03, BFH/NV 2005, 1499). Vielmehr kann ein Streit über den Ansatz oder den Wert einzelner Wirtschaftsgüter nur auf dem Gebiet der Ertragsteuern ausgetragen werden. Da das FG dies verkannt und stattdessen den Streit über die zutreffende Bilanzierung in der Sache entschieden hat, war die Vorentscheidung aufzuheben.
2. Die Sache ist spruchreif.
a) Bewertungsrechtlich umfasst das Betriebsvermögen nach der für die Streitjahre maßgebenden Fassung des § 95 Abs. 1 des Bewertungsgesetzes (BewG) i.d.F. des Steueränderungsgesetzes 1992 vom 25. Februar 1992 (BGBl I 1992, 297, BStBl I 1992, 146) alle Teile eines Gewerbebetriebs i.S. des § 15 Abs. 1 und 2 des Einkommensteuergesetzes, die bei der steuerlichen Gewinnermittlung zum Betriebsvermögen gehören; § 99 BewG bleibt unberührt. Bei bilanzierenden Gewerbetreibenden sind für den Ansatz der aktiven und passiven Wirtschaftsgüter in der Vermögensaufstellung die Steuerbilanzansätze dem Grunde und der Höhe nach (§ 109 Abs. 1, § 109a BewG) maßgebend (BFH-Urteile vom 25. Oktober 2000 II R 58/98, BFHE 194, 238, BStBl II 2001, 92; vom 31. März 2004 II R 67/01, BFH/NV 2004, 1074). Diese --speziell die Einheitsbewertung des Betriebsvermögens betreffende-- Bindung an die Steuerbilanz ist eine rein formale. Sie besteht unabhängig davon, ob die Bilanzansätze nach ertragsteuerrechtlichen Grundsätzen zutreffend sind (BFH-Urteil in BFHE 194, 238, BStBl II 2001, 92). Eine eigenständige bewertungsrechtliche Prüfung, ob und mit welchem Wert aktive und passive Wirtschaftsgüter des (ertragsteuerrechtlichen) Betriebsvermögens anzusetzen sind, erfolgt nicht (BFH-Entscheidungen in BFHE 194, 238, BStBl II 2001, 92, und in BFH/NV 2003, 1592).
b) Kommt es für ertragsteuerrechtliche Zwecke zu einer Bilanzberichtigung oder -änderung, erstreckt sich die Maßgeblichkeit auch auf die neuen Steuerbilanzwerte. Zwar erfüllt eine Steuerbilanz im Verhältnis zur Einheitswertfeststellung nicht die Merkmale eines Grundlagenbescheids i.S. des § 171 Abs. 10 der Abgabenordnung (Gürsching/Stenger, Bewertungsrecht, § 109a BewG Rz 19); gleichwohl kommt der Steuerbilanz ab dem 1. Januar 1993 für die Einheitsbewertung des Betriebsvermögens ein "Grundlagencharakter" (so Gürsching/Stenger, a.a.O.) zu, wie sich aus der Berichtigungsvorschrift des § 109a BewG ergibt. Diese Vorschrift trägt der weitgehenden Bindung des Einheitswerts an die ertragsteuerlichen Werte verfahrensrechtlich in der Weise Rechnung, dass bei einer Berichtigung oder Änderung der Steuerbilanzwerte dem Grunde oder der Höhe nach durch Aufhebung oder Änderung des Einheitswertbescheids die notwendigen Konsequenzen zu ziehen sind (BFH-Urteil in BFHE 194, 238, BStBl II 2001, 92).
An dieser verfahrensrechtlichen Anknüpfung der Einheitsbewertung des Betriebsvermögens an die Steuerbilanzwerte hat sich für Bescheide, die --wie im Streitfall-- Feststellungszeitpunkte vor dem 1. Januar 1998 betreffen, auch nichts dadurch geändert, dass § 109a BewG durch Art. 6 Nr. 19 des Gesetzes zur Fortsetzung der Unternehmenssteuerreform vom 29. Oktober 1997 (BGBl I 1997, 2590) aufgehoben worden ist (BFH-Beschluss in BFHE 208, 418, BStBl II 2005, 429).
c) Aufgrund der rein formalen Bindung der Einheitsbewertung an die Steuerbilanz kann die Aufhebung oder Änderung eines Einheitswertbescheids insoweit erst erfolgen, wenn es für ertragsteuerliche Zwecke zu einer Bilanzberichtigung oder -änderung kommt (BFH-Urteil in BFHE 194, 238, BStBl II 2001, 92). Eine Bilanzänderung und ebenso eine Bilanzberichtigung kann jedoch nur der Steuerpflichtige selbst vornehmen (vgl. z.B. Stapperfend in Herrmann/Heuer/Raupach, § 4 EStG Rz 399, 481); dem FA ist insbesondere die Berichtigung einer Bilanz verwehrt (BFH-Urteile vom 4. November 1999 IV R 70/98, BFHE 190, 404, BStBl II 2000, 129; vom 5. Juni 2007 I R 47/06, BFHE nn, BStBl II 2007, 818).
Nach diesen Grundsätzen liegt eine die Aufhebung oder Änderung des Einheitswertbescheids rechtfertigende Berichtigung oder Änderung eines Steuerbilanzwerts dem Grunde oder der Höhe nach jedenfalls dann nicht vor, wenn ein Posten der eingereichten Bilanz nach Meinung des FA zwar zu korrigieren ist, die Korrektur aber zum Bilanzstichtag (noch) keine ertragsteuerrechtlichen Auswirkungen hat. Nimmt in einem solchen Fall der Steuerpflichtige selbst keine Bilanzberichtigung vor, kommt eine Aufhebung oder Änderung des Einheitswertbescheids nicht in Betracht. So verhält es sich im Streitfall. Daher waren die durch die angegriffenen Einheitswertbescheide festgestellten Einheitswerte antragsgemäß zu ändern.
Ende der Entscheidung
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