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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 05.11.2002
Aktenzeichen: II R 86/00
Rechtsgebiete: BGB, GrEStG


Vorschriften:

BGB § 163
GrEStG § 1 Abs. 1
GrEStG § 1 Abs. 2
GrEStG § 1 Abs. 3 Nr. 1
GrEStG § 1 Abs. 3 Nr. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine Kapitalgesellschaft, ist an der X-GmbH (Holding GmbH) unmittelbar und an der Y-GmbH sowie der Z-GmbH & Co. KG (KG) mittelbar zu 100 v.H. beteiligt.

Die Holding GmbH und die Y-GmbH waren neben der Einzelperson A Gesellschafter der ... Grundstücksgesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR), die Eigentümerin eines Grundstücks mit einem Einheitswert von ... DM war. Durch Vertrag vom 26. Mai 1992 verkaufte A seine Beteiligung von 25 v.H. an der GbR mit Wirkung zum 31. Mai 1992 an die KG für einen Preis von ... DM. Durch Vertrag vom 31. Mai 1992 verkaufte die Y-GmbH ihre Beteiligung von 5 v.H. an der GbR an die KG zum Preis von ... DM. Schließlich legte die an der KG als Kommanditistin beteiligte Holding GmbH ihre Beteiligung von 70 v.H. an der GbR durch Vertrag vom 31. Mai 1992 mit Wirkung zum 26. d.M. zum Buchwert in das Gesellschaftsvermögen der KG ein.

Mit bestandskräftigem Änderungsbescheid vom 25. Januar 1995 zog der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) zunächst die KG zur Grunderwerbsteuer heran.

Nach einer Außenprüfung gelangte das FA zu der Ansicht, mit dem Erwerb der Beteiligung des A an der GbR durch die KG sei der bei dieser am 31. Mai 1992 erfolgten Grundstücksanwachsung am 26. d.M. ein zweiter Erwerbsvorgang vorausgegangen, und zwar eine nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) i.d.F. vor In-Kraft-Treten des Jahressteuergesetzes (JStG) 1997 und des Steuerentlastungsgesetzes (StEntlG) 1999/ 2000/2002 zu versteuernde (mittelbare) Anteilsvereinigung in der Person der Klägerin. Demgemäß setzte es durch Bescheid vom 16. August 1995 gegen die Klägerin eine nach dem 1,4fachen des Grundstückseinheitswerts bemessene Steuer fest.

Der nach erfolglosem Einspruch der Klägerin erhobenen Klage gab das Finanzgericht (FG) mit dem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2001, 227 veröffentlichten Urteil unter Verweis auf die Entscheidungen des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 27. April 1966 II 5/62 (BFHE 86, 406) sowie vom 13. September 1995 II R 80/92 (BFHE 178, 468, BStBl II 1995, 903) statt. Zur Begründung führte es der Klägerin folgend aus; zwar sei durch den Erwerb der Gesellschaftsbeteiligung des A durch die KG der Tatbestand des § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG erfüllt; die Vorschrift sei gleichwohl nicht anzuwenden, weil der Anteilserwerb Teil eines tatsächlich auch verwirklichten Gesamtplans gewesen sei, der nicht auf eine Anteilsvereinigung, sondern auf eine Anwachsung des Grundstücks abgezielt habe. Mit der Anwachsung seien die Anteile untergegangen; sie könnten daher nicht mehr in einer Hand vereinigt worden sein.

Mit der Revision rügt das FA fehlerhafte Anwendung des § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG. Die vom FG vorgenommene teleologische Reduktion der Vorschrift sei weder mit ihrem Sinn und Zweck noch mit der Rechtsprechung des BFH vereinbar. Für die Festsetzung der Grunderwerbsteuer sei maßgeblich abzustellen auf den Tag, an dem der Übertragungsvertrag zwischen der KG und A abgeschlossen worden sei, und nicht auf den Tag, zu dem die Übertragung habe wirksam werden sollen.

Das FA beantragt sinngemäß, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin ist der Revision entgegengetreten.

II. Die Revision ist unbegründet. Der Übergang der Anteile des A an der GbR auf die KG ist zu einem Zeitpunkt eingetreten, zu dem die KG auch die Anteile der Y-GmbH und der Holding GmbH an der GbR erhielt bzw. bereits innehatte. Der Vorgang hat daher statt zu einer Anteilsvereinigung i.S. des § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG zu einem Untergang der Anteile geführt.

1. a) Gehört zum Vermögen einer Gesellschaft ein inländisches Grundstück, so unterliegt gemäß § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG der Steuer auch ein Rechtsgeschäft, das den Anspruch auf Übertragung eines Anteils an der Gesellschaft begründet, wenn dadurch alle Anteile der Gesellschaft in der Hand des Erwerbers vereinigt werden. Die Vorschrift stellt einen Ergänzungstatbestand zu den Erwerbsvorgängen nach § 1 Abs. 1 und 2 GrEStG dar, indem sie den Inhaber aller Aneile an einer grundbesitzenden Gesellschaft so behandelt, als gehörten ihm zufolge der Vereinigung dieser Anteile in seiner Hand die im Eigentum der Gesellschaft befindlichen Grundstücke (so BFH-Urteil vom 16. Juli 1997 II R 8/95, BFH/NV 1998, 81). Gegenstand der Besteuerung ist somit nicht der Anteilserwerb als solcher, sondern die durch ihn begründete grunderwerbsteuerrechtlich eigenständige Zuordnung der der Gesellschaft gehörenden Grundstücke (BFH-Urteile vom 31. März 1982 II R 92/81, BFHE 135, 556, BStBl II 1982, 424, sowie vom 20. Oktober 1993 II R 116/90, BFHE 172, 538, BStBl II 1994, 121). Erfasst werden soll die Sachherrschaft bezüglich der Grundstücke, die durch die Innehabung der Gesellschaftsanteile vermittelt wird (BFH in BFH/NV 1998, 81).

Daraus folgt weiter, dass für die Anteilsvereinigung in der Hand einer bestimmten Person diejenigen Anteile an einer grundbesitzenden Gesellschaft, die eine andere Gesellschaft hält, an der die Person zu 100 v.H. beteiligt ist, ihr wie eigene Anteile zuzurechnen sind. Eine Anteilsvereinigung i.S. des § 1 Abs. 3 Nr. 1 und 2 GrEStG liegt demgemäß auch dann vor, wenn der Anteilserwerber die Anteile an einer grundbesitzenden Gesellschaft mittelbar über eine andere Gesellschaft hält, an der er zu 100 v.H. beteiligt ist (so BFH in BFHE 172, 538, BStBl II 1994, 121, m.w.N.). Reicht nämlich gemäß § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG die mittelbare Sachherrschaft über ein Grundstück für die Verwirklichung des Steuertatbestandes aus, muss es unschädlich sein, dass die Sachherrschaft ganz oder teilweise mittels einer oder mehrerer zwischengeschalteter Gesellschaften erfolgt, an der oder denen der Anteilserwerber --wiederum unmittelbar oder mittelbar-- zu 100 v.H. beteiligt ist (vgl. Hofmann, Grunderwerbsteuergesetz, Kommentar, 7. Aufl. 2000, § 1 Anm. 149).

b) Wären die Beteiligungsverhältnisse an der GbR im Übrigen unverändert geblieben, hätte gemäß diesen Grundsätzen der Vertrag vom 26. Mai 1992 über die Übertragung der Anteile des A an der GbR auf die KG eine Anteilsvereinigung i.S. des § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG in der Hand der Klägerin bewirkt. Vor Abschluss dieses Rechtsgeschäfts war die Klägerin an der grundbesitzenden GbR bereits mittelbar über die Holding GmbH und die Y-GmbH zu 75 v.H. beteiligt. Mit dem genannten Vertrag hat sie --vermittelt durch ihre jeweils 100 %ige Beteiligung an den Gesellschaftern der KG auch die restlichen, bisher außerhalb der verbundenen Gesellschaften befindlichen Anteile erworben.

2. Der Anwendung des § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG steht im Streitfall jedoch entgegen, dass der Vertrag zwischen der KG und A mit einem Erwerb auch der übrigen Anteile an der GbR durch die KG zusammengefallen und dadurch die KG Alleineigentümerin des Grundstücks durch Anwachsung geworden ist. Zu Recht hat dazu das FG auf das Urteil des BFH in BFHE 178, 468, BStBl II 1995, 903 verwiesen.

a) Nach dem Vertrag zwischen der KG und A sollte der Übergang der Anteile an der GbR mit Wirkung zum 31. Mai 1992 erfolgen. An diesem Tag aber erwarb die KG auch die Anteile der Y-GmbH an der GbR. Außerdem brachte die Holding GmbH an diesem Tag ihre Anteile an der GbR in die KG ein. Die Übertragung der Anteile des A an der GbR mit Wirkung zu einem künftigen Zeitpunkt, nämlich dem 31. Mai 1992, stellt die wirksame Bestimmung eines Anfangstermins i.S. des § 163 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) dar. Ob demgegenüber die Bestimmung eines in der Vergangenheit liegenden Termins für die Wirksamkeit eines Rechtsgeschäfts, wie sie im Zusammenhang mit der Einlage der Anteile der Holding GmbH an der GbR in die KG getroffen worden ist, mit steuerrechtlicher Wirkung möglich war (vgl. dazu BFH-Urteil vom 24. April 1997 VIII R 53/95, BFHE 183, 155, BStBl II 1997, 682, unter II. 2.), kann auf sich beruhen, weil so oder so der Übergang der bislang außerhalb des Gesellschaftsverbundes befindlichen Anteile an der GbR auf die KG erst zu einem Zeitpunkt wirksam geworden ist, zu dem sich auch die anderen Anteile im Gesellschaftsvermögen der KG befanden. Der Erwerb der Anteile des A an der GbR durch die KG zielte damit bereits bei Vertragsschluss auf einen Untergang dieser Anteile ab, und damit auf einen Zustand, der nicht mehr als Vereinigung i.S. des § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG angesehen werden kann und letztlich demjenigen gleicht, der eingetreten wäre, wenn die GbR das Grundstück unmittelbar an die KG veräußert hätte.

b) Werden der Vertrag der KG mit der Y-GmbH vom 31. Mai 1992 sowie die Einlage der bisher von der Holding GmbH gehaltenen Anteile in die KG berücksichtigt, verändert sich nämlich der Sachverhalt dahin, dass die bei isolierter Betrachtung nur des Vertrages zwischen der KG und A der Klägerin mittelbar über ihre Tochter- bzw. Enkelgesellschaften zuzurechnenden Anteile dadurch, dass sie nunmehr unmittelbar in der Person der KG vereinigt worden sind, untergegangen sind. Dies hat zivilrechtlich zur Folge, dass der KG das Gesellschaftsvermögen der GbR, und damit auch deren Grundstück, angewachsen ist. Die bisher grundbesitzende GbR ist erloschen. An ihre Stelle als Alleineigentümerin des Grundstücks ist die KG getreten. Grunderwerbsteuerrechtlich folgt daraus, dass in der Person der KG eine Anteilsvereinigung i.S. des § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG ausscheidet. Nach der Rechtsprechung des BFH (so BFHE 178, 468, BStBl II 1995, 903) kann es bei einer Übertragung aller Anteile an einer grundbesitzenden Gesellschaft auf eine einzige Person nicht (mehr) zu einem Innehaben aller Anteile in einer Hand kommen, weil die Anteile nicht auf diese Person übergehen, sondern untergehen. Der § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG setzt aber einen Fortbestand der vereinigten Anteile voraus. Zwar geht es im Streitfall nicht um eine Anteilsvereinigung in der Person der KG, sondern in derjenigen der Klägerin; die untergegangenen unmittelbaren Beteiligungen der Tochter- bzw. Enkelgesellschaften der Klägerin an der GbR waren aber die Anteile, die nach Ansicht des FA zu der grunderwerbsteuerrechtlichen Zuordnung des Grundstücks auf die Klägerin führen sollten. Im Verhältnis der Klägerin zur KG, zur Holding GmbH und zur Y-GmbH haben die Verträge vom 26. bzw. 31. Mai 1992 nämlich keine Veränderung im Sinne einer Anteilsvereinigung bewirkt. In diesem Verhältnis ist es zu keiner Veränderung der Beteiligungen gekommen.

Ende der Entscheidung

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