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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 02.07.2004
Aktenzeichen: II R 9/02
Rechtsgebiete: ErbStG, BewG


Vorschriften:

ErbStG § 10 Abs. 6 Satz 3
ErbStG § 12 Abs. 1
ErbStG § 12 Abs. Abs. 3
BewG § 148 Abs. 2
BewG § 148 Abs. 1 Satz 1
1. Der Grundstückswert für Grundstücke, auf denen sich Gebäude auf fremdem Grund und Boden befinden, ist gemäß § 148 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 BewG zu ermitteln.

2. Verstößt der nach § 148 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 BewG ermittelte Wert solch eines Grundstücks, das mit Gebäuden auf fremdem Grund und Boden bebaut ist, im Einzelfall gegen das Übermaßverbot, ist er im Wege verfassungskonformer Auslegung der Vorschrift auf den Verkehrswert des Grundstücks herabzusetzen.

3. Die Rechtsprechung, wonach die aus reinen Grundstücksvermächtnissen sich ergebenden Sachleistungsverpflichtungen der Erben und Sachleistungsansprüche der Vermächtnisnehmer ausnahmsweise mit den Steuerwerten der Grundstücke zu bewerten sind, bedarf unter der Geltung der §§ 138 ff. BewG einer Überprüfung.


Gründe:

I.

Im Nachlass der am 28. Oktober 1997 verstorbenen Frau ... befand sich ein verpachtetes Grundstück in ..., auf dem der Pächter in Ausübung einer Grunddienstbarkeit eine Tankstelle sowie eine PKW-Abstellhalle errichtet hatte. Dieses Grundstück erwarb der Kläger und Revisionskläger (Kläger) von Todes wegen durch Vermächtnis. Die Gebäude sind bei Pachtende zu entfernen. Die Pacht betrug jährlich 24 000 DM.

Mit Bescheid vom 22. Juni 1998 stellte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) gemäß § 148 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 des Bewertungsgesetzes (BewG) den Grundstückswert für das Grundstück zum 28. Oktober 1997 auf (24 000 x 18,6) 446 000 DM fest. Einspruch und Klage, mit denen der Kläger geltend gemacht hatte, das Grundstück sei nicht gemäß § 148 Abs. 2 Satz 1 BewG, sondern als unbebautes Grundstück gemäß § 145 BewG zu bewerten, blieben ohne Erfolg.

Das Finanzgericht (FG) war mit dem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2002, 802 veröffentlichten Urteil der Ansicht, die Bewertung sei zu Recht gemäß § 148 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 BewG erfolgt, weil die Bauwerke Gebäude auf fremdem Grund und Boden seien. Nachdem es beim Gutachterausschuss des Kreises ein Gutachten über den Verkehrswert des Grundstücks eingeholt und der Ausschuss diesen Verkehrswert auf 310 000 DM ermittelt hatte, bestätigte das FG auch den vom FA festgestellten Grundstückswert. Da die von den Gutachterausschüssen ermittelten Werte eine Streubreite von plus/minus 20 v.H. aufwiesen, sei ein Grundstückswert, der den ermittelten Verkehrswert um weniger als die Hälfte übersteige, noch nicht offensichtlich unzutreffend.

Mit der Revision rügt der Kläger einen Verstoß gegen das Übermaßverbot. Der festgestellte Grundstückswert übersteige den Verkehrswert des Grundstücks um 43,871 v.H. und führe zu einer erbschaftsteuerlichen Mehrbelastung von 22 270 DM, und damit in Höhe von 40,21 v.H. Eine derartige Mehrbelastung liege nicht mehr innerhalb dessen, was bei typisierenden Regelungen im Einzelfall verfassungsrechtlich noch hinzunehmen sei.

Der Kläger beantragt, unter Aufhebung der Vorentscheidung den Bescheid über die gesonderte Feststellung des Grundstückswerts sowie die Einspruchsentscheidung mit der Maßgabe zu ändern, dass der Grundstückswert zum 28. Oktober 1997 auf 310 000 DM festgestellt wird.

Das FA ist der Revision entgegengetreten.

II.

Die Revision ist begründet. Das FG hat einen Verstoß gegen das Übermaßverbot zu Unrecht verneint. Dies führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Herabsetzung des Grundstückswerts auf den Verkehrswert von 310 000 DM (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

1. Das FA hat die Feststellung des Grundstückswerts auf § 148 Abs. 1 Satz 1 BewG gestützt. Nach § 148 Abs. 2 BewG ist für Gebäude auf fremdem Grund und Boden die Bewertungsvorschrift für Erbbaurechte in § 148 Abs. 1 BewG entsprechend anzuwenden. Sowohl die Überschrift zu § 148 BewG als auch der Abs. 2 der Vorschrift sprechen ihrem Wortlaut nach nur die Bewertung der Gebäude auf fremdem Grund und Boden an. Gleichwohl wird die Vorschrift allgemein so verstanden, dass sie über die Verweisung in Abs. 2 auf Abs. 1 nicht nur eine Bestimmung für die Bewertung der Gebäude auf fremdem Grund und Boden, sondern auch eine für die Bewertung mit solchen Gebäuden bebauter Grundstücke enthält. Dem hat sich der erkennende Senat angeschlossen (vgl. Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 23. Oktober 2002 II B 153/01, BFHE 200, 393, BStBl II 2003, 118). Bei einer Beschränkung der Verweisung in § 148 Abs. 2 BewG auf Abs. 1 Satz 2 der Vorschrift bliebe unberücksichtigt, dass Abs. 1 Satz 2 auf dessen Satz 1 abgestimmt ist und bezweckt, in der Summe den Wert des bebauten Grundstücks zu ergeben.

2. Das Grundstück ist dem Kläger in Erfüllung eines Vermächtnisses übertragen worden; zivilrechtlich hatte er zunächst durch den Erbfall lediglich einen auf das Grundstück gerichteten Sachleistungsanspruch erworben (§ 2174 des Bürgerlichen Gesetzbuchs --BGB--). Nach der bisherigen höchstrichterlichen Rechtsprechung sind derartige Ansprüche und die entsprechenden Verpflichtungen aus Sachvermächtnissen jedoch mit dem Steuerwert des Gegenstandes anzusetzen, auf dessen Übertragung der Anspruch bzw. die Verpflichtung gerichtet ist (vgl. BFH-Urteile vom 25. Oktober 1995 II R 5/92, BFHE 179, 148, BStBl II 1996, 97, unter II. 1. a; vom 15. Oktober 1997 II R 68/95, BFHE 183, 248, BStBl II 1997, 820, 823, sowie vom 15. März 2000 II R 15/98, BFHE 191, 403, BStBl II 2000, 588, unter II. 2. a).

a) Diese Rechtsprechung zur Bewertung der Sachleistungsansprüche und -verpflichtungen beim Sachvermächtnis stellt eine Ausnahme von dem Grundsatz dar, dass derartige Ansprüche und Verpflichtungen mit dem gemeinen Wert zu bewerten sind (§ 12 Abs. 1 des Erbschaftsteuergesetzes --ErbStG-- i.V.m. § 9 BewG) und die Steuerwerte ausschließlich für die Gegenstände maßgeblich sind, auf die sich die Ansprüche richten und die Verpflichtungen beziehen (vgl. BFH-Urteil in BFHE 183, 248, BStBl II 1997, 820, m.w.N.). Diese Ausnahme erfolgte nicht im Hinblick auf den Vermächtnisnehmer als Berechtigten, sondern wegen der Verhältnisse auf seiten der Erben als Verpflichteten. Beim Vermächtnisnehmer musste nur deshalb eine mit der Erbenseite korrespondierende Bewertung vorgenommen werden, weil ein auf denselben Gegenstand bezogener Anspruch nicht anders bewertet werden sollte als die ihm gegenüberstehende Verpflichtung. Die Erben aber erwerben neben der Verpflichtung, den vermachten Gegenstand auf den Vermächtnisnehmer zu übertragen, diesen Gegenstand selbst. Per Saldo gleichen sich Aktiv- und Passivposten aus. Werden aber der Gegenstand und die ihn betreffende Sachleistungsverpflichtung unterschiedlich bewertet, nämlich die Verpflichtung mit dem gemeinen Wert und der Gegenstand selbst mit einem davon abweichenden Steuerwert, beeinflusst der abweichende Steuerwert auf seiten der Erben die Höhe der Bereicherung im Übrigen. Insbesondere bei vor 1996 verwirklichten Grundstücksvermächtnissen hätte der Ansatz des nach § 12 Abs. 2 ErbStG a.F. maßgeblichen und regelmäßig niedrigeren Einheitswerts nur für das Grundstück und nicht gleichermaßen für die Vermächtnisverpflichtung bedeutet, dass der übrige Erwerb nicht zu seinem vollen Wert erfasst worden wäre (vgl. Martin in Der Betrieb --DB-- 1990, 1536, unter 4.).

b) Ob an dieser Rechtsprechung auch für Grundstücksvermächtnisse nach 1995 unter der Geltung des § 12 Abs. 3 ErbStG i.V.m. den §§ 138 ff. BewG festzuhalten ist, kann offen bleiben. Die gemäß § 138 Abs. 5 BewG gesondert festzustellenden Grundstückswerte i.S. des Abs. 3 Satz 1 der Vorschrift sind anders als die bisherigen und für die Grundsteuer noch fortgeltenden Einheitswerte nicht mehr auf einen (typisierten) gemeinen Wert gerichtet (vgl. zu den Einheitswerten: BFH-Urteil vom 3. Juli 1981 III R 53/79, BFHE 134, 41, BStBl II 1981, 761, unter 2. d), sondern typisierende Werte, die ausdrücklich von den jeweiligen gemeinen Werten abweichen sollen. Insofern stellen diese Grundstückswerte in den Fällen, in denen sie die Verkehrswerte unterschreiten, bewusste Begünstigungen dar, die einer teilweisen Steuerbefreiung gleichkommen. Von daher erscheint es nicht ausgeschlossen, bei den Erben die vermächtnisweise Verpflichtung zur Herausgabe des Grundstücks als eine mit diesem wirtschaftlich zusammenhängende Last anzusehen, die gemäß § 10 Abs. 6 Satz 3 ErbStG nur mit dem Betrag abzugsfähig ist, der dem steuerpflichtigen Teil entspricht. Dadurch würden sich die Ansätze für das Grundstück und die Sachleistungsverpflichtung bei den Erben ohnehin vollständig ausgleichen. Auf seiten des Vermächtnisnehmers bestünde kein Grund mehr, den Sachleistungsanspruch ausnahmsweise anders zu bewerten als mit dem gemeinen Wert.

c) Im Streitfall kann auf sich beruhen, ob es sich dabei um einen gangbaren Weg handelt, da er vorliegend zum selben Ergebnis führt wie ein Beibehalten der bisherigen Rechtsprechung zur Bewertung der Ansprüche von Vermächtnisnehmern auf Übertragung eines Grundstücks. Der gemeine Wert des Anspruchs des Klägers auf Übertragung des Tankstellengrundstücks entspricht dem Verkehrswert des Grundstücks und beträgt demzufolge 310 000 DM. Dieser Wert ergibt sich auch nach der bisherigen Rechtsprechung, wonach der Sachleistungsanspruch eines Vermächtnisnehmers mit dem Steuerwert des Gegenstandes zu bewerten ist, auf den sich der Anspruch richtet. Der gesondert festgestellte Steuerwert ist im Streitfall nämlich auf den Verkehrswert von 310 000 DM zu ermäßigen (s. Abschnitt 4 f.). Zwar entfiele bei einer Bewertung des Sachleistungsanspruchs des Klägers mit dem gemeinen Wert die Erforderlichkeit der gesonderten Feststellung eines Grundstückswerts i.S. des § 138 Abs. 5 Satz 1 BewG; da der gleichwohl ergangene Feststellungsbescheid damit jedoch nicht nichtig, sondern nur rechtswidrig wäre und der Kläger nicht dessen Aufhebung, sondern nur eine Herabsetzung des festgestellten Werts beantragt hat, ist aus revisionsrechtlichen Gründen ohnehin keine andere als die beantragte Entscheidung möglich. Mit einer Aufhebung des angefochtenen Feststellungsbescheides ginge der Senat entgegen § 121 i.V.m. § 96 Abs. 1 Satz 2 FGO über den Revisionsantrag hinaus.

3. Gemäß § 148 Abs. 1 Satz 1 BewG beträgt der Wert eines mit Gebäuden auf fremdem Grund und Boden bebauten Grundstücks das 18,6-fache des nach den vertraglichen Bestimmungen im Besteuerungszeitpunkt zu zahlenden jährlichen Entgelts für die Grundstücksnutzung. Gemäß Satz 2 der Vorschrift sind die Gebäude auf fremdem Grund und Boden selbst mit dem nach § 146 oder § 147 BewG ermittelten Wert des Grundstücks abzüglich des nach Satz 1 ermittelten Werts des unbebauten Grundstücks anzusetzen. Die durch das Jahressteuergesetz 1997 geschaffenen Regelungen des § 148 Abs. 1 BewG für die Bewertung der Gebäude auf fremdem Grund und Boden einerseits und der sie tragenden Grundstücke andererseits unterscheiden sich damit wesentlich von der für Grundsteuerzwecke noch fortgeltenden Vorschrift des § 94 BewG, und zwar auf zweierlei Weise: Während die Bewertung des Grund und Bodens nach § 94 BewG gemäß den allgemeinen Regeln für die Bewertung unbebauter Grundstücke erfolgt --lediglich der Art nach gilt der Grund und Boden als bebautes Grundstück--, unterliegt sie gemäß § 148 Abs. 1 Satz 1 BewG einer an der marktüblichen Bodenrendite ausgerichteten Bewertung. Der zweite wesentliche Unterschied besteht darin, dass bei der für Grundsteuerzwecke nach wie vor erforderlichen Einheitsbewertung die Einheitswerte der Grundstücke einerseits und der Gebäude andererseits voneinander unabhängig sind, während die im Bedarfsfall nach § 148 Abs. 1 Satz 2 BewG zu ermittelnden Werte für die Gebäude durch die nach Satz 1 der Vorschrift sich ergebenden Grundstückswerte beeinflusst werden.

4. Die erste Abweichung des § 148 Abs. 1 BewG von § 94 BewG kann dazu führen, dass die festzustellenden Grundstückswerte für die Grundstücke ohne die Gebäude deren gemeine Werte übersteigen. Die Höhe des Nutzungsentgelts muss nicht in jedem Falle an der marktüblichen Bodenrendite ausgerichtet sein, sondern kann --etwa aufgrund des besonderen Interesses eines Beteiligten oder aus gesellschaftsrechtlichen, verwandtschaftlichen oder sozialen Gründen-- auf anderen Erwägungen beruhen, wobei auch ein die marktübliche Rendite übersteigendes Nutzungsentgelt vereinbart sein kann. In solchen Fällen sieht § 148 Abs. 1 Satz 1 BewG keine Korrekturmöglichkeit vor.

a) Die Typisierung, die der Bewertung nach § 148 Abs. 1 Satz 1 BewG gemäß eigenem Bekunden des Gesetzgebers zugrunde liegt, rechtfertigt aber keine Verletzung des Übermaßverbots im Einzelfall. Verfassungsgemäß ist solch eine typisierende Regelung nur solange, wie ein Verstoß gegen das Übermaßverbot im Einzelfall entweder durch verfassungskonforme Auslegung der Vorschrift oder durch eine Billigkeitsmaßnahme abgewendet werden kann, wobei beides den normativen Gehalt der Vorschrift bzw. die dem Steuertatbestand inne wohnende Wertung des Gesetzgebers nicht durchbrechen darf (so Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts --BVerfG-- zur verfassungskonformen Auslegung vom 6. Dezember 1972 1 BvR 230/70 und 1 BvR 95/71, BVerfGE 34, 165, 200, sowie vom 22. Juni 1977 1 BvL 23/75, BVerfGE 45, 393, 400, und zu den Billigkeitsmaßnahmen vom 5. April 1978 1 BvR 117/73, BVerfGE 48, 102, 116, BStBl II 1978, 441, sowie vom 22. Juni 1965 2 BvR 552/91, BVerfGE 93, 165, BStBl II 1995, 671, unter B. 2., sowie Urteil des BFH vom 26. Oktober 1994 X R 104/92, BFHE 176, 3, BStBl II 1995, 297, unter II. 3.). Wegen § 138 Abs. 3 Satz 3 i.V.m. § 20 Satz 2 BewG können dabei Billigkeitsgesichtspunkte erst bei Festsetzung der Erbschaftsteuer bzw. Grunderwerbsteuer Berücksichtigung finden (Rössler/Troll, Bewertungsgesetz, Stand März 2004, § 138 Anm. 15). Das Übermaßverbot ist verletzt, wenn die Folgen einer schematisierenden Belastung extrem über das normale Maß hinausgehen, das der Schematisierung zugrunde liegt, oder --anders ausgedrückt-- die Folgen auch unter Berücksichtigung der gesetzgeberischen Planvorstellungen durch den gebotenen Anlass nicht mehr gerechtfertigt sind (vgl. Beschluss des BVerfG in BVerfGE 48, 102, 116, BStBl II 1978, 441). Diese Grenze ist umso früher erreicht, je höher im Einzelfall die letztlich anzulegenden Steuertarife sind.

b) Für den Fall, dass der nach § 148 Abs. 1 Satz 1 BewG sich ergebende Wert des mit Gebäuden auf fremdem Grund und Boden bebauten Grundstücks solchermaßen gegen das Übermaßverbot verstößt, ist eine verfassungskonforme Auslegung des § 148 Abs. 1 Satz 1 BewG dahin möglich und damit auch geboten, entsprechend Satz 2 der Vorschrift i.V.m. § 146 Abs. 7 oder den §§ 147 und 145 Abs. 3 Satz 3 BewG den Nachweis des niedrigeren gemeinen Werts des Grundstücks in unbebautem Zustand zuzulassen. Dabei ist der gemeine Wert auch hier in seiner Vergleichsfunktion nach Maßgabe der Grundsätze des BFH-Urteils vom 8. Oktober 2003 II R 27/02 (BFHE 204, 306, BStBl II 2004, 179) zu verstehen. Dass Versuche, die Bewertung solcher Grundstücke mit dem Bodenwert nach § 145 Abs. 3 BewG vorzunehmen --was nach Satz 3 der Vorschrift die Möglichkeit des Nachweises eines niedrigeren gemeinen Werts einschlösse--, im Gesetzgebungsverfahren stecken geblieben sind (vgl. BTDrucks 14/1514, S. 15, 41), steht einer derartigen Auslegung ebenso wenig entgegen wie der Wortlaut des § 148 Abs. 1 Satz 1 BewG. Der Wortlaut allein hindert eine verfassungskonforme Auslegung so lange nicht (so Beschluss des BVerfG vom 19. Juni 1973 1 BvL 39/69 und 1 BvL 14/72, BVerfGE 35, 263, 278 ff.), wie der normative Gehalt der Vorschrift nicht neu bestimmt wird. Dies geschieht aber durch die an die gesetzlich vorgesehenen Öffnungsklauseln angelehnte und nur Einzelfälle betreffende Auslegung, die den Regelfall unberührt lässt, nicht (vgl. auch Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 4 AO 1977 Anm. 239). Damit ist den verfassungsrechtlichen Bedenken, die dem BFH-Beschluss in BFHE 200, 393, BStBl II 2003, 118 zugrunde liegen, ausreichend Rechnung getragen.

5. Da im Streitfall der nach dem Wortlaut des § 148 Abs. 1 Satz 1 BewG anzusetzende Wert für das mit Gebäuden auf fremdem Grund und Boden bebaute Grundstück den Verkehrswert um mehr als 40 v.H. übersteigt, läge angesichts der steuerlichen Auswirkung im fünfstelligen Bereich ein Verstoß gegen das Übermaßverbot in dem erforderlichen Ausmaß vor, wollte man diesen Wert der Erbschaftsbesteuerung zugrunde legen. Soweit das FG aus der von ihm angenommenen Streubreite der durch die Gutachterausschüsse ermittelten Verkehrswerte von plus/minus 20 v.H. ableitet, ein den Verkehrswert um rd. 40 v.H. übersteigender Grundstückswert sei hinzunehmen, übersieht es den Unterschied, den es ausmacht, ob es um den Abstand des untersten vom obersten Wert einer Toleranz oder um den Abstand vom Mittelwert geht. Die Vorentscheidung war daher aufzuheben und der Grundstückswert auf den Verkehrswert festzustellen.



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