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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 22.11.2007
Aktenzeichen: II S 11/07
Rechtsgebiete: FGO, ZPO, GG
Vorschriften:
FGO § 51 Abs. 1 Satz 1 | |
ZPO § 45 Abs. 1 | |
ZPO § 42 | |
ZPO § 44 Abs. 2 | |
GG Art. 103 Abs. 1 |
Gründe:
I. Der II. Senat des Bundesfinanzhofs (BFH) hat die Revision des Klägers, Revisionsklägers und Rügeführers (Kläger) gegen das Urteil des Thüringer Finanzgerichts (FG) vom 2. Dezember 2004 II 1368/02 durch den gemäß § 126a der Finanzgerichtsordnung (FGO) ergangenen Beschluss vom 11. Juli 2007 II R 15/05 als unbegründet zurückgewiesen und zur Begründung weitgehend auf den in der Sache ergangenen Gerichtsbescheid vom 20. Dezember 2006 verwiesen.
Dagegen wendet sich der Kläger mit der Anhörungsrüge und macht geltend, der Senat habe den Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes --GG--) verletzt. Der Kläger lehnte zugleich den Senat wegen Besorgnis der Befangenheit ab. Der Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG führe aus der Sicht eines verständigen Beteiligten dazu, dass man der Ansicht sein könne, der Senat könne das vorliegende Verfahren nicht sachlich und unvoreingenommen entscheiden.
II. Das Ablehnungsgesuch ist zulässig, aber unbegründet.
1. Das Ablehnungsgesuch ist nicht rechtsmissbräuchlich.
a) Nach § 51 Abs. 1 Satz 1 FGO i.V.m. § 42 der Zivilprozessordnung (ZPO) findet die Ablehnung eines Richters wegen Besorgnis der Befangenheit statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des Richters zu rechtfertigen. Dabei kommt es darauf an, ob der betroffene Beteiligte von seinem Standpunkt aus bei vernünftiger objektiver Betrachtung Anlass hat, die Voreingenommenheit des oder der abgelehnten Richter zu befürchten (BFH-Beschlüsse vom 27. August 1998 VII B 8/98, BFH/NV 1999, 480, und vom 11. Februar 2003 VII B 330/02, VII S 41/02, BFHE 201, 483, BStBl II 2003, 422). Gemäß § 51 Abs. 1 Satz 1 FGO i.V.m. § 44 Abs. 2 ZPO sind die das Misstrauen in die Unparteilichkeit rechtfertigenden Umstände im Ablehnungsgesuch substantiiert darzulegen und glaubhaft zu machen (BFH-Beschlüsse vom 13. September 1991 IV B 147/90, BFH/NV 1992, 320, und in BFHE 201, 483, BStBl II 2003, 422).
Werden pauschal alle Berufsrichter eines Spruchkörpers abgelehnt, so ist ein Ablehnungsgesuch regelmäßig rechtsmissbräuchlich. Eine Ausnahme hiervon gilt dann, wenn im Hinblick auf eine Kollegialentscheidung konkrete Anhaltspunkte vorgebracht werden, die auf eine Befangenheit aller Mitglieder des Spruchkörpers hindeuten (BFH-Beschlüsse vom 16. April 1993 I B 155/92, BFH/NV 1994, 637; vom 30. September 1998 XI B 22/98, BFH/NV 1999, 348; vom 3. August 2000 VIII B 80/99, BFH/NV 2001, 783, und in BFHE 201, 483, BStBl II 2003, 422). Diese Ausnahme beruht darauf, dass bei der Ableitung der Befangenheit aus einer Kollegialentscheidung der Beteiligte entweder wegen des Beratungsgeheimnisses (§ 43 des Deutschen Richtergesetzes) oder wegen der notwendigen Einstimmigkeit der Entscheidung wie bei einem Beschluss nach § 126a FGO das Befangenheitsgesuch nicht auf einzelne dem Spruchkörper angehörende Richter beziehen kann. Ein Missbrauch des Ablehnungsrechts liegt in solchen Fällen nur vor, wenn das Gesuch gar nicht oder lediglich mit Umständen begründet wird, welche die Besorgnis der Befangenheit unter keinem denkbaren Gesichtspunkt rechtfertigen können (BFH-Beschluss in BFH/NV 1994, 637, m.w.N.).
b) Diese Voraussetzungen für einen Missbrauch des Ablehnungsrechts liegen im Streitfall nicht vor. Der Kläger hat sein Ablehnungsgesuch mit konkreten Umständen begründet, die den vom Senat erlassenen Beschluss über die Zurückweisung der Revision betreffen.
2. Der Senat entscheidet gemäß § 51 Abs. 1 Satz 1 FGO i.V.m. § 45 Abs. 1 ZPO ohne Mitwirkung der Richter, die an dem Gerichtsbescheid und dem Beschluss vom 11. Juli 2007 mitgewirkt haben.
3. Das Ablehnungsgesuch ist unbegründet.
a) Das Verfahren wegen Richterablehnung soll nicht gegen unrichtige bzw. für unrichtig gehaltene Rechtsauffassungen des abgelehnten Richters schützen. Es dient vielmehr allein dazu, die Beteiligten vor Unsachlichkeit zu bewahren. Ein Ablehnungsgesuch kann daher grundsätzlich nicht darauf gestützt werden, dass von einem Richter im Streitfall selbst oder in einem vorangegangenen Verfahren unrichtige Entscheidungen in formeller oder materiell-rechtlicher Hinsicht getroffen worden seien (BFH-Beschlüsse vom 12. März 1997 I B 117/96, BFH/NV 1997, 684, und vom 14. Januar 2000 V B 67/99, BFH/NV 2000, 956, je m.w.N.).
Behauptete Rechtsfehler eines Richters können eine Besorgnis der Befangenheit ausnahmsweise dann rechtfertigen, wenn Gründe dargetan werden, die dafür sprechen, dass die mögliche Fehlerhaftigkeit auf einer unsachlichen Einstellung des Richters gegenüber dem ihn ablehnenden Beteiligten oder auf Willkür beruht (BFH-Beschlüsse vom 16. Februar 1989 X B 99/88, BFH/NV 1989, 708; in BFH/NV 1994, 637; in BFH/NV 1997, 684, und in BFH/NV 2000, 956). Die Fehlerhaftigkeit muss ohne weiteres feststellbar und gravierend sein sowie auf unsachliche Erwägungen schließen lassen (BFH-Beschlüsse vom 7. April 1988 X B 4/88, BFH/NV 1989, 587; vom 27. Juli 1992 VIII B 59/91, BFH/NV 1993, 112; in BFH/NV 1994, 637, und in BFH/NV 1997, 684).
b) Derartige Gründe hat der Kläger nicht dargetan. Es lässt sich nicht ohne weiteres feststellen, dass der Senat durch den Beschluss vom 11. Juli 2007 den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör verletzt habe. Anhaltspunkte für unsachliche Erwägungen oder Willkür bestehen nicht. Der Senat hat sich in der Begründung des Beschlusses und dem darin in Bezug genommenen Gerichtsbescheid auf der Grundlage der vom FG getroffenen Feststellungen (§ 118 Abs. 2 FGO) eingehend mit der Rechtslage auseinandergesetzt.
Dass der Senat dabei nicht der Rechtsauffassung des Klägers gefolgt ist, verletzt nicht dessen Anspruch auf rechtliches Gehör. Dieser Anspruch verpflichtet das Gericht nur dazu, die Ausführungen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen, nicht aber auch dazu, der Beurteilung der Sach- und Rechtslage durch einen Beteiligten zu folgen (BFH-Beschlüsse vom 11. November 2005 II B 11/05, BFH/NV 2006, 254, und vom 31. Juli 2007 V B 98/06, BFH/NV 2007, 2033).
Das Gericht ist im Übrigen nach Art. 103 Abs. 1 GG nicht verpflichtet, sich in der Begründung seiner Entscheidung ausdrücklich mit jedem Vorbringen der Beteiligten zu befassen. Vielmehr ist grundsätzlich davon auszugehen, dass das Gericht das von ihm entgegengenommene Vorbringen eines Beteiligten tatsächlich zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen hat (BFH-Beschluss vom 30. Mai 2007 V S 7/06, BFH/NV 2007, 1696, m.w.N. zur Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts).
4. Da der Sachverhalt feststeht, ist die Einholung dienstlicher Äußerungen der abgelehnten Richter über den Ablehnungsgrund (§ 51 Abs. 1 Satz 1 FGO i.V.m. § 44 Abs. 3 ZPO) nicht erforderlich (BFH-Beschlüsse in BFH/NV 1994, 637, und vom 2. Mai 2001 X B 1/01, BFH/NV 2001, 1289). Eine Bewertung der Gründe des Beschlusses vom 11. Juli 2007 durch die abgelehnten Richter im Rahmen einer dienstlichen Äußerung über den Ablehnungsgrund kam nicht in Betracht (BFH-Beschluss vom 14. Juni 1994 VII B 34/94, BFH/NV 1995, 131).
5. Eine Kostenentscheidung ist nicht zu treffen, da es sich um ein unselbständiges Zwischenverfahren handelt (BFH-Beschluss vom 1. Dezember 1999 IX S 17/99, BFH/NV 2000, 478).
Ende der Entscheidung
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