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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 31.05.2007
Aktenzeichen: III B 109/06
Rechtsgebiete: FGO, EStG
Vorschriften:
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1 | |
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 | |
EStG § 32 Abs. 4 Satz 2 |
Gründe:
I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) hat einen im Jahr 1983 geborenen Sohn, der sich im Jahr 2002 bei einem Automobilhersteller in Ausbildung befand.
Nach einer Mitteilung des Finanzamts vom 12. Mai 2004 erzielte der Sohn im Jahr 2002 einen Bruttoarbeitslohn in Höhe von 11 201 €. Nach Angaben des Klägers ist darin ein Personalrabatt auf den Kauf eines PKW mit einem Betrag von 3 995,47 € enthalten.
Mit Bescheid vom 23. Juni 2004 hob die Beklagte und Beschwerdegegnerin (Familienkasse) die Kindergeldfestsetzung für das Jahr 2002 auf, da die Einkünfte und Bezüge des Sohnes den Grenzbetrag im Jahr 2002 in Höhe von 7 188 € (§ 32 Abs. 4 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes in der für das Jahr 2002 geltenden Fassung --EStG--) überschritten. Der hiergegen gerichtete Einspruch blieb ohne Erfolg.
Im finanzgerichtlichen Verfahren trug der Kläger vor, er habe den PKW über seinen Sohn erworben. Das Fahrzeug sei zwar auf den Namen seines Sohnes zugelassen, es sei aber von ihm, dem Kläger, bezahlt, versichert und ausschließlich genutzt worden. Sein Sohn habe einen eigenen PKW. Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab.
Mit seiner Nichtzulassungsbeschwerde beruft sich der Kläger auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) und die Erforderlichkeit einer Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) zur Sicherung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO). Der Kläger sieht die grundsätzliche Bedeutung darin, dass Eltern von Kindern, die ihren Angehörigen einen Personalrabatt zukommen ließen, kein Kindergeld mehr erhielten, obwohl der Personalrabatt die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Kindes nicht erhöhe. Es handele sich bei dem Personalrabatt um "fiktiven" Arbeitslohn, der nicht zur Bestreitung des Unterhalts oder der Berufsausbildung geeignet sei.
Ferner weiche das finanzgerichtliche Urteil von der Entscheidung des BFH vom 15. März 1974 VI R 25/70 (BFHE 112, 70, BStBl II 1974, 413) ab, da das FG zu Unrecht annehme, der Personalrabatt sei als geldwerter Vorteil dem Arbeitslohn des Sohnes zuzurechnen. Auch verstoße das Urteil des FG gegen den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 11. Januar 2005 2 BvR 167/02 (BVerfGE 112, 164, BFH/NV 2005, Beilage 3, 260), nach dem § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG verfassungskonform so auszulegen sei, dass sowohl von den Bezügen als auch von den Einkünften nur diejenigen in den Jahresgrenzbetrag einzubeziehen seien, die zur Bestreitung des Unterhalts oder der Berufsausbildung bestimmt oder geeignet seien.
II. Die Beschwerde ist unbegründet und wird zurückgewiesen (§ 132 FGO).
1. Die Rechtssache ist nicht von grundsätzlicher Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO). Die vom Kläger sinngemäß aufgeworfene Rechtsfrage, ob steuerpflichtige Personalrabatte, welche das Kind an Angehörige weitergebe, in die Bemessungsgröße des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG einzubeziehen seien, ist nicht klärungsbedürftig.
An der Klärungsbedürftigkeit fehlt es, wenn sich die Antwort auf die streitige Rechtsfrage ohne weiteres aus dem klaren Wortlaut und Sinngehalt des Gesetzes ergibt oder --wie im Streitfall-- die Rechtsfrage offensichtlich so zu beantworten ist, wie es das FG getan hat, die Rechtslage also eindeutig ist (vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 16. Januar 2007 X B 38/06, BFH/NV 2007, 757, m.w.N.).
§ 32 Abs. 4 Satz 2 EStG ist nach dem Beschluss des BVerfG in BVerfGE 112, 164, BFH/NV 2005, Beilage 3, 260 verfassungskonform so auszulegen, dass der Relativsatz "die zur Bestreitung des Unterhalts oder der Berufsausbildung bestimmt oder geeignet sind" nicht nur auf Bezüge, sondern auch auf Einkünfte des Kindes zu beziehen ist. Nicht als Einkünfte anzusetzen sind deshalb nach Auffassung des BVerfG diejenigen Beträge, die --wie die gesetzlichen Sozialversicherungsbeiträge-- von Gesetzes wegen dem Einkünfte erzielenden Kind oder dessen Eltern nicht zur Verfügung stehen und deshalb die Eltern finanziell nicht entlasten können. Zwar hat das BVerfG offen gelassen, ob und in welchen (weiteren) Fällen Einkünfte außer Betracht bleiben müssen. Es ist jedoch nicht zweifelhaft, dass ein vom Arbeitgeber gewährter steuerpflichtiger Personalrabatt zu den Einkünften des Kindes gehört, die in die Bemessungsgröße für den Jahresgrenzbetrag einzubeziehen sind, auch wenn das Kind diesen Rabatt an den Kindergeldberechtigten weitergibt. Die Einbeziehung verletzt nicht den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG).
Die Einbeziehung von gesetzlichen Sozialversicherungsbeiträgen des Kindes in die Bemessungsgröße für den Jahresgrenzbetrag verstößt gegen Art. 3 Abs. 1 GG, weil in Höhe dieser Beträge --die vom Arbeitgeber abgeführt werden und deshalb nicht in den Verfügungsbereich des Kindes gelangen-- die Einkünfte des Kindes keine Minderung der Unterhaltslasten und somit auch keine Erhöhung der Leistungsfähigkeit der unterhaltsverpflichteten Eltern bewirken. Werden Mittel in die Bemessungsgröße für den Jahresgrenzbetrag (§ 32 Abs. 4 Satz 2 EStG) einbezogen, die eine effektive Entlastung der unterhaltsverpflichteten Eltern nicht bewirken können, so wird einer Teilgruppe der durch Unterhaltspflichten belasteten Eltern die staatliche Entlastung zweckwidrig und deshalb ohne hinreichenden sachlichen Grund verweigert (BVerfG-Beschluss in BVerfGE 112, 164, BFH/NV 2005, Beilage 3, 260).
Bei Einkünften des Kindes, die auf einem Personalrabatt beruhen, wird eine tatsächliche Entlastung der Eltern aber auch dann nicht verfehlt, wenn das Kind den Rabatt an den Kindergeldberechtigten weitergibt. Diese Einkünfte stehen dem Kind weder von Gesetzes wegen nicht zur Verfügung noch sind sie deshalb nicht verfügbar, weil sie durch unvermeidbare (zwangsläufige) Aufwendungen gebunden sind und daher nicht zur Bestreitung des Existenzminimums zur Verfügung stehen (vgl. Senatsurteil vom 14. Dezember 2006 III R 24/06, BFH/NV 2007, 586, unter II. 1. c); die Weitergabe eines gewährten Personalrabatts ist eine für das Kind disponible Aufwendung. Im Übrigen werden im Streitfall die Eltern schon deshalb entlastet, weil der Sohn den Personalrabatt an den (kindergeldberechtigten) Kläger weitergegeben hat.
2. Die vom Kläger gerügten Abweichungen von der Rechtsprechung des BFH und des BVerfG rechtfertigen auch keine Zulassung der Revision nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung.
Maßgebend für das Vorliegen einer Abweichung ist der Stand der Rechtsprechung zum Zeitpunkt der Entscheidung über die Zulassung der Revision (z.B. Senatsbeschluss vom 26. April 2006 III B 113/05, BFH/NV 2006, 1469, m.w.N.). Das vom Kläger angeführte Urteil in BFHE 112, 70, BStBl II 1974, 413, nach dem Rabatte, die der Arbeitgeber auch dritten Personen gewährt, nicht als Arbeitslohn anzusehen sind, ist durch die neuere Rechtsprechung überholt. Der BFH hat im Urteil vom 4. Juni 1993 VI R 95/92 (BFHE 171, 74, BStBl II 1993, 687, unter II. 2. a bb) seine Rechtsprechung in BFHE 112, 70, BStBl II 1974, 413 aufgegeben. Der von einem PKW-Hersteller seinen Arbeitnehmern auf Neuwagen gewährte Personalrabatt ist daher in der Regel als Arbeitslohn zu erfassen.
Eine Zulassung kommt auch nicht wegen Abweichung von dem Beschluss des BVerfG in BVerfGE 112, 164, BFH/NV 2005, Beilage 3, 260 in Betracht. Zwar hat das FG abweichend von der Entscheidung des BVerfG ausgeführt, Einkünfte bzw. Einnahmen müssten nicht zur Bestreitung des Unterhalts oder der Berufsausbildung bestimmt oder geeignet sein. Diese Rechtsauffassung ist aber nicht entscheidungserheblich, da das FG seine Entscheidung auch darauf gestützt hat, dass nach dem Zweck des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG --welcher der Ermittlung der Leistungsfähigkeit der Eltern diene-- eine Entlastung des Kindergeldberechtigten nicht gerechtfertigt sei, wenn das Kind deshalb nicht mehr Einkünfte habe, weil es einen ihm zugewandten Vorteil an den Kindergeldberechtigten weiterleite. Durch die Weiterleitung des Rabatts sei die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Klägers erhöht worden, so dass kein Anlass für eine weitere Förderung im Rahmen des Familienleistungsausgleichs gegeben sei. Hat das FG seine Entscheidung --wie im Streitfall-- auf mehrere selbständig tragende Gründe gestützt, reicht es nicht aus, dass nur hinsichtlich einer der Gründe eine Divergenz vorliegt (vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 13. Juli 2006 VII B 296/05, BFH/NV 2006, 1799, m.w.N.).
Ende der Entscheidung
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