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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 30.06.2009
Aktenzeichen: III B 118/07
Rechtsgebiete: FGO, InvZulG, GG


Vorschriften:

FGO § 76 Abs. 1
FGO § 96 Abs. 1 S. 1
FGO § 96 Abs. 2
FGO § 116 Abs. 6
InvZulG § 3
GG Art. 103 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I.

Die Klägerin und Beschwerdegegnerin (Klägerin) sanierte und modernisierte ein Studentenwohnheim. Für hierdurch im Jahr 1999 entstandene Aufwendungen in Höhe von 787 198,01 DM --abzüglich eines Selbstbehalts von 5 000 DM-- beantragte sie eine Investitionszulage in Höhe von 15% (= 117 329,71 DM) nach § 3 des Investitionszulagengesetzes 1999.

Bei einer Außenprüfung gelangte die Prüferin zu der Auffassung, die Investitionszulage sei nur aus einer Bemessungsgrundlage von 498 258,06 DM zu gewähren. Unter anderem seien Rechnungen der Generalunternehmerin, der X-AG nicht anzuerkennen, da es sich um eine schweizerische Domizilgesellschaft ohne eigenen Geschäftsbetrieb handle. Zu berücksichtigen seien nur die tatsächlich bezahlten Rechnungen der Subunternehmer. Ferner sei die Bemessungsgrundlage zu mindern, soweit die Aufwendungen in Höhe von 19,44% auf nicht zu Wohnzwecken genutzte Flächen entfielen. Nicht begünstigt seien auch die Aufwendungen für die Telefon- und Satellitenanlage (19 015,74 DM).

Nach mehrfacher Änderung des Investitionszulagenbescheids 1999 setzte der Beklagte und Beschwerdeführer (das Finanzamt --FA--) die Investitionszulage 1999 mit Bescheid vom 21. Juli 2004 aus der von der Prüferin ermittelten Bemessungsgrundlage von 498 258,06 DM in Höhe von 74 739 DM (38 213,44 EUR) fest.

Im Einspruchsverfahren wendete sich die Klägerin gegen die Nichtberücksichtigung von "Pensionskosten" in Höhe von 8 103,80 DM, gegen den Maßstab für die Aufteilung in Wohnfläche und in nicht zu Wohnzwecken genutzte Fläche sowie gegen den vollständigen Ausschluss der Kosten für die Satelliten- und Telefonanlage. In Höhe von 11 279,75 DM seien die Aufwendungen als Herstellungskosten begünstigt.

Das FA erklärte sich mit Schreiben vom 13. Januar 2005 bereit, weitere Baukosten in Höhe 8 103,80 DM anzuerkennen. Die geltend gemachten Aufwendungen für die Kabel, Kanäle und Steckdosen der Telefon- und Satellitenanlage seien aber nicht zu berücksichtigen, da sie keine wesentlichen Bestandteile des Betriebsgebäudes seien. Nach den vorgelegten Rechnungen seien sie lediglich über Putz an den Wänden befestigt und könnten daher ohne weiteres gelöst und anderweitig verwendet werden. Die Klägerin entgegnete mit Schreiben vom 30. Januar 2005, sie folge den Ausführungen des FA zur Anerkennung weiterer Herstellungskosten und zur vollständigen Nichtberücksichtigung der Telefon- und Satellitenanlage. Im Übrigen widerspreche sie den Kürzungen.

Mit Änderungsbescheid vom 23. März 2005 erhöhte das FA einerseits die Bemessungsgrundlage um 8 103,80 DM, minderte sie aber andererseits um Rechnungsbeträge, die tatsächlich nicht beglichen worden waren, und setzte die Investitionszulage aus einer Bemessungsgrundlage in Höhe von 403 677,26 DM (408 677,26 DM abzüglich Selbstbehalt von 5 000 DM) auf 60 552 DM (30 959,75 EUR) herab. Durch Einspruchsentscheidung vom 14. März 2006 wies das FA den Einspruch der Klägerin schließlich als unbegründet zurück.

Im finanzgerichtlichen Verfahren beantragte die Klägerin, die Investitionszulage für 1999 aus einer Bemessungsgrundlage von 777 250,83 DM (ursprüngliche Bemessungsgrundlage von 787 198,01 DM vermindert um einen Betrag von 4 947,18 DM, der eine Investition im Jahr 2000 betreffe) abzüglich eines Selbstbehalts von 5 000 DM auf 116 587,62 DM festzusetzen.

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage teilweise statt. Es führte aus, das FA habe die Bemessungsgrundlage zu Unrecht um 102 684,59 DM wegen fehlender Nachweise über Zahlungen der X-AG an Subunternehmer verringert. Im Übrigen sei die Klage unbegründet. Das FA habe zu Recht den Anteil der gewerblichen Nutzung mit 19,44% angenommen. Auf die übrigen vom FA nicht berücksichtigten Kosten ging das FG weder im Tatbestand noch in den Entscheidungsgründen ein, obwohl das FA in der Klageerwiderung vom 22. Juni 2006 darauf hingewiesen hatte, dass man sich im Einspruchsverfahren über die Nichtberücksichtigung der Kosten für die Telefon- und Satellitenanlage geeinigt habe.

Das FG berechnete die Investitionszulage wie folgt:

 "aufgewendete Investitionen 1999787 198,01 DM
Abzug Selbstbehalt5 000,00 DM
Abzug Nicht-Wohnfläche 19,44%157 059,30 DM
davon 15% Investitionszulage94 520,80 DM"

Mit seiner Nichtzulassungsbeschwerde rügt das FA einen Verstoß gegen das Gesamtergebnis des Verfahrens (§ 96 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--), die Verletzung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes --GG--, § 96 Abs. 2 FGO) sowie einen Verstoß gegen den Amtsermittlungsgrundsatz (§ 76 Abs. 1 FGO), weil das FG den nach Aktenlage offensichtlichen Sachverhalt, dass in der Bemessungsgrundlage von 787 198,01 DM auch Aufwendungen für die Telefon- und Satellitenanlage und andere nicht begünstigte Aufwendungen enthalten seien, nicht berücksichtigt habe.

II.

Die Beschwerde ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 116 Abs. 6 FGO).

1.

Das FG hat durch eine sog. Überraschungsentscheidung den Anspruch des FA auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG, § 96 Abs. 2 FGO) verletzt.

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) ist eine Überraschungsentscheidung anzunehmen, wenn das FG in seinem Urteil ohne vorherigen Hinweis auf einen rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkt abstellt, mit dem auch ein gewissenhafter und kundiger Prozessbevollmächtigter nicht zu rechnen brauchte (z.B. BFH-Beschluss vom 27. Oktober 2008 XI B 202/07, BFH/NV 2009, 118, m.w.N.).

Das FG hat die Investitionszulage aus einer Bemessungsgrundlage errechnet, in der Aufwendungen für die Telefon- und Satellitenanlage enthalten waren, obwohl das FA in seiner Klageerwiderung ausgeführt hatte, man habe sich im Einspruchsverfahren über eine Nichtberücksichtigung der Kosten für die Telefon- und Satellitenanlage geeinigt. Das FG durfte deshalb dem Antrag der Klägerin, der die Berücksichtigung dieser Kosten umfasste, nicht stattgeben, ohne dem FA zuvor Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Das FA musste daher nicht damit rechnen, dass das FG Investitionszulage auch für diese Aufwendungen gewährt.

2.

Das Urteil des FG kann auf diesem Verfahrensfehler beruhen. Hätte das FG dem FA Gelegenheit gegeben, sich zu den Aufwendungen für die Telefon- und Satellitenanlage zu äußern, hätte es möglicherweise für diese Kosten keine Investitionszulage festgesetzt.

3.

Da die Sache schon wegen Verletzung rechtlichen Gehörs an das FG zurückzuverweisen ist, braucht der Senat nicht zu entscheiden, ob auch ein Verstoß gegen § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO oder § 76 Abs. 1 FGO gegeben ist.

Ende der Entscheidung

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