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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 29.03.2001
Aktenzeichen: III B 146/00
Rechtsgebiete: EStG, FGO


Vorschriften:

EStG § 33a
EStG § 33a Abs. 5
EStG § 33a Abs. 3 Satz 2
FGO § 118 Abs. 2
FGO § 96 Abs. 1 Satz 2
FGO § 76 Abs. 2
FGO § 115
FGO § 115 Abs. 3
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 2 a.F.
FGO § 115 Abs. 3 Satz 3 a.F.
FGO § 116 Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

Die Beschwerde ist unzulässig und war durch Beschluss zu verwerfen (§ 132 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

1. Das Urteil des Finanzgerichts (FG) ist dem Prozessbevollmächtigten am 4. August 2000 zugestellt worden. Die Zulässigkeit der Nichtzulassungsbeschwerde beurteilt sich gemäß Art. 4 des Zweiten Gesetzes zur Änderung der Finanzgerichtsordnung und anderer Gesetze vom 19. Dezember 2000 --2.FGOÄndG-- (BGBl I 2000, 1757, BStBl I 2000, 1567) nach § 115 Abs. 3 FGO in der bis zum 31. Dezember 2000 geltenden Fassung (FGO a.F.).

2. a) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) ist einer Rechtssache grundsätzliche Bedeutung beizumessen, wenn die für die Beurteilung des Streitfalles maßgebende Rechtsfrage das (abstrakte) Interesse der Gesamtheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt. Die grundsätzliche Bedeutung muss dargelegt werden. Dazu muss die Beschwerde konkret darauf eingehen, inwieweit die Rechtsfrage im allgemeinen Interesse klärungsbedürftig ist und ggf. in welchem Umfang, von welcher Seite und aus welchen Gründen die Rechtsfrage umstritten ist. Der Hinweis darauf, die konkrete Rechtsfrage sei höchstrichterlich noch nicht geklärt, genügt nicht; denn daraus allein ergibt sich nicht, dass die Rechtsfrage klärungsbedürftig ist (BFH-Beschluss vom 15. November 1999 III B 76/99, BFH/NV 2000, 697, m.w.N.).

Insbesondere ist, wie ausgeführt, substantiiert darzulegen, welche Auffassungen im Fachschrifttum und ggf. auch in der Rechtsprechung der Instanzgerichte zu dieser Rechtsfrage vertreten werden (vgl. BFH-Beschluss vom 23. Januar 1992 II B 64/91, BFH/NV 1992, 676, m.w.N.).

b) Diesen Anforderungen genügt die innerhalb der einmonatigen Beschwerdefrist nach § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO a.F. eingereichte Begründung nicht.

aa) Bereits im Urteil vom 12. Januar 1973 VI R 207/71 (BFHE 108, 500, BStBl II 1973, 442) hat der BFH ausgeführt, dass Unterhaltskosten steuerlich nicht nach § 33 des Einkommensteuergesetzes (EStG), sondern nach § 33a EStG zu berücksichtigen seien und --soweit diese typisierende Sonderregelung eingreife-- nach § 33a Abs. 5 EStG die Anwendbarkeit des § 33 EStG entfalle. In diesem Sinne hat der BFH die Kosten der Unterbringung in einem Altenheim den typischen Unterhaltskosten zugeordnet, allerdings darauf verwiesen, dass die Lebensbedürfnisse älterer Menschen anders geartet seien als die der jüngeren. Es sei nicht außergewöhnlich, dass ein älterer Mensch in einem Altenheim lebe, weil er nicht mehr für sich sorgen könne oder wolle. Der BFH hat auch die insoweit gegen die Regelung in § 33a EStG erhobenen verfassungsrechtlichen Bedenken seinerzeit nicht geteilt.

An dieser ständigen Rechtsprechung hat der BFH festgehalten (vgl. BFH-Urteil vom 24. Februar 2000 III R 80/97, BFHE 191, 280, BStBl II 2000, 294, m.umf.N.), und insbesondere bestätigt, dass die Anwendung des § 33 EStG dann nicht ausgeschlossen sei, wenn dem Steuerpflichtigen in Ausnahmefällen durch außergewöhnliche Umstände zusätzliche, durch die Pauschalregelungen des § 33a EStG nicht abgegoltene besondere Aufwendungen entstünden. In Anwendung dieser Grundsätze sieht die Rechtsprechung Aufwendungen für die durch Krankheit oder Pflegebedürftigkeit bedingte Unterbringung in einem Altenpflegeheim stets als außergewöhnliche Belastung an.

bb) Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat im vom FG angezogenen Beschluss vom 25. September 1992 2 BvL 5, 8 und 14/91 (BStBl II 1993, 413) zum Grundfreibetrag ausgeführt, der existenznotwendige Bedarf bilde von Verfassungs wegen die Untergrenze für den Zugriff durch die Einkommensteuer. Die Höhe des steuerlich zu verschonenden Existenzminimums hänge u.a. von dem in der Rechtsgemeinschaft anerkannten Mindestbedarf ab, wobei der Staat den bei einem mittellosen Bürger im Rahmen sozialstaatlicher Fürsorge durch Staatsleistungen zu deckenden Mindestbedarf jedenfalls nicht unterschreiten dürfe. Das BVerfG hat für die von ihm von Verfassungs wegen als zulässig beurteilte typisierende Berechnung des Mindestbedarfs auf das Bundessozialhilfegesetz (BSHG) als Maßstab Bezug genommen und sodann für existenznotwendige Aufwendungen mit einem erheblichen Preisgefälle, wie beispielhaft auf dem Wohnungsmarkt, hervorgehoben, dass ein einheitlicher Durchschnittswert die verschiedenen Bedarfsgruppen nicht realitätsgerecht erfasse. In derartigen Sonderfällen sei es deshalb dem Gesetzgeber nicht verwehrt, sich bei der Bemessung des Grundfreibetrages insoweit an einem unteren Wert zu orientieren, wenn er zugleich zur ergänzenden Deckung des Bedarfs nach dem Einzelfall bemessene Sozialleistungen, wie z.B. das Wohngeld, zur Verfügung stelle. Unter Abschn. D der Entscheidung hat er den Gesetzgeber aus haushaltswirtschaftlichen Gründen erst mit Wirkung vom Veranlagungszeitraum 1996 an verpflichtet, eine verfassungskonforme Neuregelung zu erlassen.

cc) Die Beschwerde geht bereits nicht auf die Frage ein, weshalb abweichend von der vorgenannten Rechtsprechung des BVerfG eine aus ihrer Sicht realitätsgerechte Bemessung des von ihr gewünschten höheren Existenzminimums älterer Menschen von Verfassungs wegen bereits für das Streitjahr 1994 geboten sein könnte.

Die Beschwerde geht ebenso wenig darauf ein, weshalb es von Verfassungs wegen geboten sei, über die unvermeidbaren Aufwendungen für die Existenzsicherung hinaus auch weitere, der allgemeinen Lebensführung zuzurechnende Kosten steuermindernd ganz oder zum Teil zu berücksichtigen, zumal nach der zitierten Rechtsprechung des BFH § 33 EStG stets dann den steuermindernden Abzug von Unterbringungskosten in einem Altenheim erlaubt, wenn die Unterbringung auf Krankheit oder Pflegebedürftigkeit und damit auf außergewöhnlichen Umständen beruht.

Schließlich hat die Beschwerde nicht dargetan, warum die vom BVerfG für Sonderfälle, für die lediglich beispielhaft auf das Wohngeld hingewiesen wird, zugelassene Abdeckung durch anderweitige Sozialleistung, u.a. auch nach dem BSHG (vgl. § 21 Abs. 1, Abs. 3 Satz 1 BSHG) aus verfassungsrechtlichen Gründen gleichwohl ausscheiden soll.

3. Für die Bezeichnung der Abweichung nach § 115 Abs. 3 Satz 3, Abs. 2 Nr. 2 FGO a.F. genügt es nicht, die Entscheidungen, von denen das FG abgewichen sein soll, mit Datum und Aktenzeichen zu benennen. Vielmehr muss der Beschwerdeführer darüber hinaus dartun, dass das FG mit einem seine Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz von einem in der Rechtsprechung des BFH aufgestellten ebensolchen Rechtssatz abgewichen ist. In der Beschwerdeschrift müssen die divergierenden Rechtssätze im Urteil des FG und in der Entscheidung des BFH einander so gegenübergestellt werden, dass die Abweichung erkennbar wird (vgl. BFH-Beschluss vom 31. August 1995 VIII B 21/93, BFHE 178, 379, BStBl II 1995, 890, unter 1. der Gründe).

Diesen Anforderungen genügt die innerhalb der Beschwerdefrist eingereichte Begründung nicht.

Die Beschwerde meint, das FG habe mit seinem allgemein gehaltenen Verweis auf die Pauschalregelung in § 33a Abs. 3 Satz 2 EStG das vom BFH in seinem Urteil in BFHE 191, 280, BStBl II 2000, 294 postulierte Gebot einer Einzelfall bezogenen Prüfung ignoriert. Damit wird indes nicht einmal behauptet, das FG habe einen von der BFH-Rechtsprechung abweichenden abstrakten Rechtssatz aufgestellt.

Vielmehr hat der BFH in dem vermeintlichen Divergenzurteil in BFHE 191, 280, BStBl II 2000, 294 und ebenso im BFH-Urteil vom 12. November 1996 III R 38/95 (BFHE 182, 64, BStBl II 1997, 387, unter 1. a und b der Gründe) unter Nachweis der ständigen Rechtsprechung gerade Aufwendungen, die einem Steuerpflichtigen durch seine altersbedingte Unterbringung in einem Altenheim erwachsen, ausdrücklich nicht als außergewöhnlich, sondern als typische Kosten der Lebensführung qualifiziert, so dass der grundsätzliche Ausschluss eines Abzugs solcher Aufwendungen als außergewöhnliche Belastung nach § 33 EStG im Wortsinn zu verstehen ist. Im Übrigen wird mit dem Bemerken, das FG hätte sich mit der Frage befassen müssen, ob § 33 EStG im vorliegenden Fall nicht doch anwendbar gewesen wäre, allenfalls eine nicht zur Zulassung der Revision führende fehlerhafte Subsumtion beanstandet.

Schließlich trägt die Beschwerde auch nicht vor, welcher weitere Ausnahmefall bei individueller Prüfung außer der Pflegebedürftigkeit und Krankheit in Betracht kommen sollte, und dass nach den gemäß § 118 Abs. 2 FGO für den BFH bindenden Feststellungen hier ein derartiger weiterer Sonderfall überhaupt vorliegen könnte.

4. Die Beschwerde bezeichnet auch keinen Verfahrensmangel gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 3, Abs. 3 Satz 3 FGO a.F., indem sie geltend macht, die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) habe entgegen der Annahme des FG nicht beantragt, die Einkommensteuer 1994 auf 0 DM festzusetzen.

a) Nach § 96 Abs. 1 Satz 2 FGO ist das FG grundsätzlich an das vom Kläger verfolgte Klagebegehren gebunden. Nach diesem Grundsatz darf das Gericht in Anerkennung der privatautonomen Verfügungsfreiheit des Klägers über den Streitgegenstand nicht über das Klagebegehren, das regelmäßig im Klageantrag seinen formgerechten Ausdruck findet, hinausgehen. Es darf dabei dem Kläger nicht etwas zusprechen, das dieser nicht beantragt hat, und darüber hinaus auch nicht über etwas anderes (aliud) entscheiden, als der Kläger durch seinen Antrag (einschließlich seiner eigenen Interpretation dieses Antrags) begehrt und zur Entscheidung gestellt hat. Der Kläger muss sein Klagebegehren so deutlich zum Ausdruck gebracht haben, dass das Ziel seiner Klage ausreichend erkennbar wird. Ist dies geschehen, so hat das Gericht das Klagebegehren anhand der vom Kläger gegebenen Begründung der Klage auszulegen und im Zweifel den Kläger zur Klarstellung aufzufordern (§ 76 Abs. 2 FGO; BFH-Urteil vom 13. Dezember 1994 VII R 18/93, BFH/NV 1995, 697; Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 16. Aufl., § 115 FGO Rz. 85, m.w.N.).

b) Die Beschwerde legt bereits nicht das von der Klägerin im finanzgerichtlichen Verfahren verfolgte Klagebegehren betragsmäßig dar.

Indes hat die Klägerin mit der Klageschrift vom 30. April 1998 ausdrücklich begehrt, ihr bei der Festsetzung der Einkommensteuer 1994 ein Existenzminimum von wenigstens 28 470 DM zuzubilligen. Unter Berücksichtigung des Versorgungsfreibetrages von 6 000 DM, des Arbeitnehmer-Pauschbetrages von 2 000 DM sowie des Werbungskosten-Pauschbetrages von 200 DM für die sonstigen Einkünfte und die geltend gemachten sowie anerkannten Sonderausgaben ist es offensichtlich, dass mangels eines dann noch zu versteuernden Einkommens keine Einkommensteuer anfallen könnte.

Der erkennende Senat sieht gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 2 FGO von einer weiteren Begründung ab.



Ende der Entscheidung

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