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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 05.07.2005
Aktenzeichen: III B 149/04
Rechtsgebiete: AO 1977, StGB, UStG, FGO, ZPO
Vorschriften:
AO 1977 § 371 | |
StGB § 266 | |
UStG § 2 | |
FGO § 76 Abs. 1 Satz 1 | |
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 3 | |
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 1 | |
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 | |
FGO § 96 Abs. 1 Satz 1 erster Halbsatz | |
FGO § 96 Abs. 1 Satz 1 | |
FGO § 155 FGO | |
FGO § 118 Abs. 2 | |
ZPO § 295 |
Gründe:
I. Die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) sind Ehegatten, die in den Streitjahren 1985 bis 1993 zur Einkommensteuer zusammen veranlagt wurden.
Der Kläger ist von Beruf gelernter Heizungsbauer. Im Streitjahr 1985 gründete er zusammen mit B und S eine Wartungsdienst GmbH (GmbH). Das Stammkapital betrug 51 000 DM. Der Kläger und die Mitgesellschafter waren zu je einem Drittel an der GmbH beteiligt. Gesellschaftsweck sind Heizungsinstallationen und die Inbetriebnahme von Brennern. Alleingeschäftsführer der Firma ist B. Der Kläger ist bei der GmbH angestellt. Er verfügt weder über eine Prokura noch über eine Handlungs- oder Bankvollmacht. Er ist auch nicht inkassoberechtigt.
Im Januar 1995 erklärte der Kläger bei einer Selbstanzeige nach § 371 der Abgabenordnung (AO 1977), er habe als einziger Mitarbeiter der GmbH mehrere Aufträge zur Inbetriebnahme von Brennern von der Firma D entgegengenommen und ausgeführt. Als Gegenleistung erhielt er Gutschriften, die jeweils an die GmbH zu seinen Händen adressiert waren. Zustelladresse war das Büro der GmbH. Diese war identisch mit der privaten Wohnadresse der Kläger und auf den Firmenbriefbögen als "Außenstelle" benannt, aber nicht als Zweigniederlassung im Handelsregister eingetragen. Die Firma D zahlte per Verrechnungsschecks, die an die GmbH z.Hd. des Klägers ausgestellt waren. Diese Schecks löste der Kläger im Zeitraum von 1985 bis 1994 auf seinem Privatkonto ein und verbrauchte das Geld in Höhe von insgesamt ... DM inklusive Umsatzsteuer für private Zwecke. Mitte des Jahres 1994 beendete der Kläger diese Verfahrensweise und offenbarte sich seinen Mitgesellschaftern. Aufgrund der Vereinbarung in einer außerordentlichen Gesellschafterversammlung wurden seine Geschäftsanteile eingezogen, ein ihm gewährtes Gesellschafterdarlehen mit dem entstandenen Schaden verrechnet, sowie zur Schadenswiedergutmachung ein Betrag von jeweils ... DM von seinem monatlichen Bruttogehalt von ... DM einbehalten.
Der Kläger wurde infolge dieses Sachverhalts vom zuständigen Amtsgericht wegen Untreue nach § 266 des Strafgesetzbuchs (StGB) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von ... auf Bewährung verurteilt.
Bei den erstmaligen bzw. geänderten Einkommensteuer-, Umsatzsteuer- und Gewerbesteuermessbescheiden für die Streitjahre behandelte der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) die vom Kläger aus der Geschäftsbeziehung mit der Firma D erzielten Einkünfte als solche aus Gewerbebetrieb und behandelte insoweit den Kläger auch als Unternehmer i.S. von § 2 des Umsatzsteuergesetzes (UStG).
Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg.
Mit der Nichtzulassungsbeschwerde berufen sich die Kläger sinngemäß auf einen Verstoß gegen den Inhalt der Akten und die Verletzung der Sachaufklärungspflicht durch das Gericht gemäß § 76 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) als Verfahrensfehler nach § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO und auf die Zulassungsgründe der Fortbildung des Rechts sowie der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 1 FGO und § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 FGO.
II. Die Beschwerde ist unbegründet und daher durch Beschluss zurückzuweisen (§ 132 FGO).
1. Die von den Klägern geltend gemachte Verfahrensrüge greift nicht durch.
a) Sie tragen insoweit vor, das Finanzgericht (FG) habe es versäumt, im Tatbestand die aktenkundige, vom Strafrichter festgestellte Tatsache aufzuführen, dass der Kläger die Briefbögen der GmbH mit seiner Adresse und seinem Namen mit Wissen und Wollen der Geschäftsführung sowie der Mitgesellschafter der GmbH verwendet habe. Das FG sei im Tatbestand auch nicht auf den Inhalt des Vergleichs eingegangen, den die GmbH und die Firma D vor dem Oberlandesgericht (OLG) geschlossen hätten. Es sei zudem nicht zu ersehen, woher das FG das zitierte Protokoll über die Verhandlung vor dem OLG kenne. Das FG würdige nicht die Aussage des Geschäftsführers der Firma D, die GmbH sei stets als Vertragspartner angesehen und auch so behandelt worden. Schließlich enthalte der Tatbestand des FG auch nicht die Aussage des Geschäftsführers der GmbH bei seiner Anhörung in der mündlichen Verhandlung vom 8. September 2004, der Kläger habe die Aufträge der Firma D als Mitarbeiter der GmbH ausgeführt. Daher hätten die veruntreuten Gelder auch der GmbH zugestanden. Diese verfahrensfehlerhaften Auslassungen hätten dem FG den Blick auf die entscheidungserhebliche Unterscheidung zwischen dem Eigen- und Vertretergeschäft verstellt.
b) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) ist ein Verstoß gegen den klaren Inhalt der Akten als solcher kein Verfahrensmangel (vgl. BFH-Beschluss vom 14. November 2001 II B 29/00, BFH/NV 2002, 512). Die Rüge eines Verstoßes gegen den klaren Inhalt der Akten kann allerdings dahin zu verstehen sein, dass hiermit die Nichtbeachtung des § 96 Abs. 1 Satz 1 erster Halbsatz FGO geltend gemacht wird, wonach das Gericht nach seiner freien aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung entscheidet. Diese Vorschrift verpflichtet das FG, den Inhalt der ihm vorliegenden Akten vollständig und einwandfrei zu berücksichtigen (vgl. BFH-Beschluss in BFH/NV 2002, 512).
c) Das FG hat nicht gegen diese Verpflichtung verstoßen.
Hinsichtlich der begehrten Übernahme der Feststellungen des Strafrichters zu den verwendeten Briefbögen in den Tatbestand des finanzgerichtlichen Urteils verkennen die Kläger, dass das FG bei seiner Überzeugungsbildung nach § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO regelmäßig aus eigener Anschauung heraus entscheidet. Tatsächliche Feststellungen aus einem Strafverfahren werden in den Tatbestand mithin nur übernommen, wenn das FG sich diese Feststellungen im Rahmen der Sachaufklärung ausdrücklich zu Eigen gemacht und in das Verfahren eingeführt hat (vgl. BFH-Beschluss vom 20. August 1999 VII B 6/99, BFH/NV 2000, 215).
Sofern die Kläger in diesem Zusammenhang die Verletzung des Grundsatzes der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme rügen, ist von einem Rügeverzicht nach § 155 FGO i.V.m. § 295 der Zivilprozessordnung (ZPO) auszugehen, der regelmäßig den Verlust des Rügerechts zur Folge hat, da die in der mündlichen Verhandlung fachkundig vertretenen Kläger ausweislich des Sitzungsprotokolls keinen entsprechenden Beweisantrag gestellt haben (vgl. BFH-Beschluss vom 17. Dezember 1999 VII B 183/99, BFH/NV 2000, 597). Soweit die Kläger sinngemäß geltend machen, das FG hätte auch unabhängig von einem entsprechenden Beweisantrag (§ 76 Abs. 1 FGO) diese Feststellungen von Amts wegen in das Verfahren einführen müssen, hat sich dem FG unter Berücksichtigung seines Rechtsstandpunktes eine entsprechende Notwendigkeit nicht aufdrängen müssen (vgl. hierzu BFH-Beschlüsse vom 18. März 2004 VII B 53/03, BFH/NV 2004, 978; vom 28. Juli 2004 IX B 136/03, BFH/NV 2005, 43, jeweils m.w.N.). Aus den Entscheidungsgründen ergibt sich nämlich, dass das FG die vom Geschäftsführer der GmbH erlaubte Benutzung der Briefbögen durch den Kläger nicht für entscheidungserheblich gehalten hat. Es hat vielmehr bei der Würdigung der Tätigkeit des Klägers maßgeblich auf sein Auftreten nach außen abgestellt, in dem es ausführt, der Kläger habe "unter dem Namen der ... (GmbH) agiert" bzw. sei "unter dem Deckmantel der ... (GmbH)" aufgetreten. Hieraus ist erkennbar, dass die internen Verhältnisse der GmbH nach maßgeblicher Rechtsauffassung des FG unbeachtlich waren. Diese materiell-rechtlich von der Ansicht der Kläger möglicherweise abweichende Rechtsmeinung ist nicht mit der Verfahrensrüge angreifbar (Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 115 FGO Tz. 100).
Dieselben Grundsätze gelten für die von den Klägern in diesem Zusammenhang beanstandete Nichtaufnahme der Aussage des Geschäftsführers der GmbH in den Tatbestand, wonach der Kläger bei der Ausführung der Aufträge der Firma D in Erfüllung seines Arbeitsverhältnisses gehandelt habe. Aus maßgeblicher Sicht des FG war dies indes nicht entscheidungserheblich. Vielmehr kam es demgegenüber entscheidend auf das Auftreten des Klägers nach außen gegenüber Dritten an, so dass ein weiteres Eingehen auf die internen Verhältnisse der GmbH entbehrlich war. Diese von der Ansicht der Kläger abweichende Rechtsmeinung ist daher gleichfalls nicht mit der Verfahrensrüge angreifbar.
Was den Inhalt des vor dem OLG geschlossenen zivilrechtlichen Vergleichs angeht, ist weder vorgetragen noch ersichtlich, weshalb das Zitat des FG aus dem Sitzungsprotokoll möglicherweise unrichtig sein könnte oder aus welchen Gründen sich dem FG aus seiner maßgeblichen Sicht eine weitere Sachverhaltsaufklärung hätte aufdrängen müssen (vgl. BFH-Beschlüsse in BFH/NV 2004, 978, und in BFH/NV 2005, 43, jeweils m.w.N.). Vielmehr ergibt die Feststellung des FG im Tatbestand, dass es aus seiner Sicht die entscheidungserheblichen Elemente des Vergleichs in den Prozess eingeführt hat. Etwaige vorgetragene Bedenken oder Beweisanträge der Beteiligten ergeben sich darüber hinaus insoweit auch nicht aus dem Sitzungsprotokoll, so dass gleichfalls ein entsprechender Rügeverzicht angenommen werden kann.
Unzutreffend ist der Vortrag der Kläger, das FG habe den im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren belegten und im Streitfall vorgetragenen Sachverhalt, aus Sicht der Firma D sei stets die GmbH als Vertragspartner angesehen und behandelt worden, nicht gewürdigt. Vielmehr hat das FG in seiner Entscheidung deutlich gemacht, dass durch das Verhalten des Klägers auf diese Weise die Identität des (eigentlich) leistenden Unternehmens erfolgreich verschleiert wurde. Das FG hat sich mithin auch insoweit hinreichend mit dem vorgetragenen Sachverhalt auseinander gesetzt.
2. Die Zulassung der Revision ist auch nicht zur Fortbildung des Rechts (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 1 FGO) oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 FGO) erforderlich.
a) Eine Entscheidung des BFH zur Fortbildung des Rechts i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 1 FGO ist in den Fällen geboten, in denen über bisher noch ungeklärte Rechtsfragen zu entscheiden ist oder wenn gegen eine bestehende höchstrichterliche Rechtsprechung gewichtige Argumente vorgetragen worden sind, die der BFH noch nicht erwogen hat. Daran fehlt es, wenn die Rechtsfrage eindeutig in einem bestimmten Sinn zu beantworten ist (Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., § 115 Rz. 41).
Die dem Streitfall zugrunde liegende Rechtsfrage ist nicht klärungsbedürftig, da die Rechtslage bereits höchstrichterlich geklärt ist.
Nach dem vom FG zitierten Urteil des BFH vom 3. Juli 1991 X R 163-164/87 (BFHE 164, 556, BStBl II 1991, 802) handelt ein leitender Angestellter, der unter Ausnutzung seiner Vertrauensstellung Bankgeschäfte zu Lasten seiner Bank tätigt und sich dabei der fortgesetzten Untreue schuldig macht, gewerblich. Dies gilt auch dann, wenn es sich um eine Tätigkeit im Geheimen handelt. Die Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr kann bei kriminellen Tätigkeiten, die auf Verschleierung angelegt sind, nicht zu eng gesehen werden. Wer die Erkennbarkeit der eigenen Marktteilnahme erfolgreich verschleiert, ist nicht besserzustellen als derjenige, der offen tätig wird.
Hat der BFH eine Rechtsfrage entschieden, besteht in der Regel kein Bedarf für eine neuerliche Entscheidung, es sei denn, die FG seien der Rechtsprechung des BFH nicht gefolgt oder im Fachschrifttum oder auch mit der Nichtzulassungsbeschwerde würden gewichtige Argumente gegen diese Rechtsprechung vorgebracht, die der BFH bisher nicht erwogen hat (BFH-Beschluss vom 11. Februar 2003 IV B 151/01, BFH/NV 2003, 1040).
Daran fehlt es hier. Insbesondere haben sich auch die FG dieser Rechtsprechung bzw. Argumentation des BFH angeschlossen (vgl. z.B. FG Münster, Urteil vom 23. Mai 2001 8 K 7105/98 E, G, Entscheidungen der Finanzgerichte 2001, 1291, und zur Unternehmereigenschaft bei der Umsatzsteuer FG München, Urteil vom 29. Juli 2004 14 K 4355/01, Deutsches Steuerrecht/Entscheidungsdienst 2004, 1361).
Die von den Klägern in diesem Zusammenhang vorgetragenen Argumente sind nicht geeignet, eine Zulassung der Revision zur Fortbildung des Rechts zu rechtfertigen.
Soweit die Kläger ausführen, der Kläger habe abweichend von der genannten Entscheidung des BFH innerhalb des ihm im Rahmen des Arbeitsverhältnisses zugewiesenen Pflichtenkreises gehandelt, wenden sich die Kläger im Kern gegen die materielle Rechtmäßigkeit des FG-Urteils, indem sie die Anwendung der zitierten Rechtsprechung des BFH für unrichtig halten. Hieraus ergibt sich indes keine weitere klärungsbedürftige Rechtsfrage. Dasselbe gilt für den Vortrag der Kläger, die zitierte Entscheidung des BFH sei nicht einschlägig, wenn der Täter --wie ihres Erachtens im Streitfall-- auf anvertraute Vermögensmassen unmittelbar zugreife. Dies vermag die Zulassung der Revision gleichfalls nicht zu begründen.
Die von den Klägern in diesem Zusammenhang aufgeworfene Rechtsfrage, ob eine Einkommensteuerpflicht auch dann bestehen kann, wenn der Umsatz des zur Einkommensteuer Heranzuziehenden mit dem von ihm dem Geschäftsherrn zu leistenden Schadenersatz identisch ist, ist gleichfalls nicht klärungsbedürftig. Aus den den beschließenden Senat nach § 118 Abs. 2 FGO bindenden Feststellungen des FG ist nicht ersichtlich, dass und in welcher Höhe in den einzelnen Streitjahren eine Identität zwischen den Umsätzen des Klägers und seiner Schadenersatzverpflichtung bestehen könnte. Diese von den Klägern abstrakt aufgeworfene Rechtsfrage war im Streitfall somit nicht entscheidungserheblich, mithin auch nicht klärungsbedürftig.
b) Die Zulassung der Revision nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 FGO ist geboten, wenn es um die Beseitigung oder Verhinderung einer unterschiedlichen Rechtsprechung geht (vgl. Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Rz. 43).
Wie bereits unter 2. a) ausgeführt, ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass sich eine unterschiedliche Rechtsprechung der FG zu der aufgeworfenen Rechtsfrage entwickelt hat. Mithin vermag auch dieser Gesichtspunkt die Zulassung der Revision nicht zu rechtfertigen.
Ende der Entscheidung
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