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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 27.10.2003
Aktenzeichen: III B 151/02
Rechtsgebiete: ZPO, FGO, GG


Vorschriften:

ZPO § 139 Abs. 2
FGO § 93 Abs. 1
FGO § 96 Abs. 2
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 2
FGO § 119 Nr. 3
FGO § 155
GG Art. 103 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

Die Beschwerde ist unzulässig und deshalb durch Beschluss zu verwerfen (§ 132 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

1. Die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) haben die geltend gemachte Verfahrensrüge der Verletzung rechtlichen Gehörs nicht entsprechend den gesetzlichen Anforderungen dargelegt (§ 115 Abs. 2 Nr. 3, § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO).

a) Rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes --GG--) wird den Beteiligten dadurch gewährt, dass sie Gelegenheit erhalten, sich zu dem Sachverhalt zu äußern, der einer gerichtlichen Entscheidung zugrunde gelegt werden soll. Das rechtliche Gehör bezieht sich vor allem auf Tatsachen und Beweisergebnisse (vgl. § 96 Abs. 2 FGO); darüber hinaus darf das Finanzgericht (FG) seine Entscheidung auf einen rechtlichen Gesichtspunkt nur stützen, wenn die Beteiligten zuvor Gelegenheit hatten, dazu Stellung zu nehmen (§ 139 Abs. 2 der Zivilprozeßordnung --ZPO-- i.V.m. § 155 FGO; vgl. auch § 93 Abs. 1 FGO; Beschlüsse des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 15. Juni 2001 VII B 45/01, BFH/NV 2001, 1580, und vom 28. Oktober 2002 III B 142/01, nicht amtlich veröffentlicht, juris).

Das in § 96 Abs. 2 FGO ausdrücklich garantierte Äußerungsrecht der Beteiligten erstreckt sich auch auf die Akten eines anderen Verfahrens, wenn diese im finanzgerichtlichen Verfahren beigezogen werden. Nach der Rechtsprechung des BFH müssen die Beteiligten von der Beiziehung solcher Akten in Kenntnis gesetzt werden, und zwar auch dann, wenn es nach Auffassung des beiziehenden Gerichts auf den Inhalt solcher Akten nicht mehr ankommt. Denn über den Beweiswert der beigezogenen Akten kann sich das Gericht erst dann ein abschließendes Urteil bilden, wenn sich die Beteiligten aus ihrer Sicht zu deren Inhalt äußern konnten (z.B. BFH-Urteil vom 16. März 1993 VII R 89/90, BFH/NV 1994, 359, m.w.N.).

b) Im Streitfall hat das FG die Bauakten des Landkreises zum Antrag der Kläger auf Genehmigung des Umbaus eines Nebengebäudes zu einer Wohnung beigezogen, ohne die Kläger davon in Kenntnis zu setzen. Da die Entscheidung des Gerichts im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung ergangen ist, haben sie auch später keine Gelegenheit gehabt, zum Inhalt dieser Akte Stellung zu nehmen.

c) Die Kläger haben aber nicht schlüssig dargetan, dass das Urteil des FG auf der Verletzung des Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs beruht. Von der Unwiderlegbarkeit der Kausalitätsvermutung des § 119 Nr. 3 FGO gibt es nach ständiger Rechtsprechung des BFH (vgl. Nachweise im Beschluss vom 3. September 2001 GrS 3/98, BFHE 196, 39, BStBl II 2001, 802) dann Ausnahmen, wenn sich die Versagung rechtlichen Gehörs nicht auf das Gesamtergebnis des Verfahrens, sondern (nur) auf einzelne Feststellungen oder bestimmte Verfahrenshandlungen --wie hier die Beiziehung der Bauakten-- bezieht. Denn die Verletzung des Rechts auf Gehör ist nur dann zu beachten, wenn einem Beteiligten dadurch die Möglichkeit genommen worden ist, sich zu dem entscheidungserheblichen Sachverhalt zu äußern (BFH-Urteil vom 30. September 1966 III 70/63, BFHE 87, 60, BStBl III 1967, 25). Dementsprechend hätten die Kläger darlegen müssen, was sie --veranlasst durch die Kenntnis von der Beiziehung der Bauakte-- noch vorgetragen hätten und dass dies zu einer anderen Entscheidung des FG hätte führen können.

d) Diesen Anforderungen genügt das Vorbringen der Kläger nicht. Sie rügen, da sie nicht gewusst hätten, dass das FG die Bauakte beigezogen habe, seien sie daran gehindert gewesen, Missverständnisse, die sich aus dieser Akte ergäben, aufzuklären. Das FG hätte die im Urteil getroffenen Aussagen dann so nicht treffen können, weil es hätte erkennen können, warum die Scheune mit einem Wert von 75 000 DM angesetzt worden sei. Die Scheune sei abgebrannt; danach sei mit dem Wiederaufbau begonnen worden. Nachdem auch das Wohnhaus durch einen Brand zerstört worden sei, sei die im Bau befindliche Scheune "zu einem Einfamilienhaus nicht nur umgestaltet, sondern neu gebaut" und im Jahr 1998 fertig gestellt worden.

Sofern die Kläger mit diesem --insoweit neuen-- Vortrag zum Ausdruck bringen wollen, dass sie nicht eine fertig errichtete Scheune in ein Wohnhaus umgebaut, sondern ein im Bau befindliches Gebäude "umgewidmet" und statt einer Scheune ein Wohnhaus erstmals hergestellt haben, legen sie nicht schlüssig dar, dass sie an dieser "Klärung" gehindert waren, weil ihnen nicht bekannt war, dass das FG die Bauakte beigezogen hat. Wie sich aus der Eigenheimzulagenakte des Beklagten und Beschwerdegegners (Finanzamt --FA--) ergibt, haben die Kläger als Anlage zu ihrem Antrag auf Eigenheimzulage die Bauzeichnungen beigefügt, die dem Bauantrag für den "Umbau eines Nebengebäudes zur Wohnung" zugrunde gelegen hatten. Nach diesen, dem FG schon vor Beiziehung der Bauakte vorliegenden, von den Klägern selbst in das Verfahren eingeführten Unterlagen war die Scheune jedenfalls hinsichtlich Fundament, Außenmauern und Dach vorhanden, als der Bauantrag 1998 gestellt wurde. Bei dieser Sachlage hätten die Kläger darlegen müssen, welche weiteren Erkenntnisse das FG aus der Bauakte gewonnen und für seine Entscheidung verwertet hat, zu denen sie sich mangels Kenntnis von der Beiziehung nicht hätten äußern können bzw. weshalb die Kenntnis von der Beiziehung der Bauakte sie erst veranlasst haben würde, "Missverständnisse" aufzuklären, obwohl sie wesentliche dieser "Missverständnisse" auslösenden Unterlagen zum Gegenstand ihres Antrags auf Eigenheimzulage gemacht und bislang keine Notwendigkeit der Aufklärung gesehen hatten.

2. Soweit die Kläger vortragen, die Revision sei wegen Abweichung des FG-Urteils von verschiedenen BFH-Entscheidungen nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO zuzulassen, ist die Beschwerde ebenfalls mangels ausreichender Darlegung unzulässig. Wird die Nichtzulassungsbeschwerde auf Divergenz gestützt, hat der Beschwerdeführer die Divergenzentscheidungen genau zu bezeichnen und kenntlich zu machen, von welcher konkreten Rechtsfrage das FG abgewichen ist. Die abstrakten Rechtssätze des finanzgerichtlichen Urteils und der Divergenzentscheidung müssen so genau bezeichnet werden, dass die Abweichung erkennbar wird (z.B. BFH-Beschluss vom 28. Dezember 2001 VII B 109/01, BFH/NV 2002, 663, m.w.N.). Die Kläger haben indes keinen dem FG-Urteil zugrunde liegenden, von der Senatsrechtsprechung abweichenden abstrakten Rechtssatz bezeichnet.

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