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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 31.03.2008
Aktenzeichen: III B 151/07
Rechtsgebiete: AO, FGO


Vorschriften:

AO § 122 Abs. 2 Nr. 1
FGO § 47 Abs. 1
FGO § 96 Abs. 1
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 2 2. Alternative
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) beantragte ohne Erfolg Kindergeld für seinen Sohn, der sich auf die Nichtschüler-Abiturprüfung des Abendgymnasiums vorbereitete. Das Finanzgericht (FG) wies die Klage als unzulässig ab. Es führte aus, die Einspruchsentscheidung sei am 5. September 2006 zur Post aufgegeben worden, so dass die Klagefrist nach der Zugangsfiktion des § 122 Abs. 2 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO) am 8. September -einem Freitag- begonnen und am Montag, den 9. Oktober 2006, geendet habe. Die mit Poststempel vom 6. Oktober 2006 versehene Klageschrift sei jedoch erst am 10. Oktober 2006 beim FG eingegangen. Zweifel am Zeitpunkt des Zugangs der Einspruchsentscheidung habe das Gericht nicht.

Die Behauptung, die Einspruchsentscheidung sei erst am 11. September 2006 zugegangen, werde nicht durch objektive Umstände gestützt. Es fehle an einem Eingangsvermerk auf dem Schriftstück und der Umschlag sei trotz Aufforderung nicht vorgelegt worden. Trotz des richterlichen Hinweises auf die Verfristung vom 11. Oktober 2006 und rechtskundiger Vertretung des Klägers sei noch in dessen Schriftsatz vom 8. Januar 2007 weder auf die Verfristung noch auf den angeblich verspäteten Zugang eingegangen worden. Der Aussage des als Zeuge vernommenen Sohnes werde kein Beweiswert zugemessen, da dieser beim Zugang nicht zugegen gewesen sei, sondern das Zugangsdatum dem Bericht seiner zwischenzeitlich verstorbenen Mutter entnommen habe. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sei trotz eines gerichtlichen Hinweises nicht beantragt worden.

Mit der gegen die Nichtzulassung der Revision gerichteten Beschwerde trägt der Kläger vor, das FG-Urteil sei mit der Rechtsordnung nicht vereinbar und erfordere eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) zur Fortbildung des Rechts und zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung. Das FG habe seinen Vortrag und das Ergebnis der Beweisaufnahme nicht ausreichend und richtig gewürdigt. Es widerspreche der Lebenserfahrung, dass "Normalbürger" Eingangsvermerke auf Einspruchsentscheidungen anbringen oder deren Umschläge aufbewahren. Die Zweifel an der Aussage des Zeugen stützten sich nicht auf objektivierbare Erkenntnisse und vermittelten den Eindruck, das FG habe bei seiner vorgefassten Meinung bleiben wollen. Da zu befürchten sei, dass das FG auch künftig entsprechende Wertungen vornehmen werde, sei die Revision zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zuzulassen.

II. Es kann dahinstehen, ob dem Kläger wegen der Versäumung der für seine Nichtzulassungsbeschwerde geltenden Begründungsfrist (§ 116 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung -FGO-) die beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren ist (§ 56 FGO), denn die Beschwerde ist jedenfalls unbegründet und wird durch Beschluss zurückgewiesen (§ 132 FGO).

1. Eine Zulassung der Revision zur Rechtsfortbildung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 1. Alternative FGO) kommt nicht in Betracht. Hierzu wäre es erforderlich gewesen, eine konkrete Rechtsfrage zu formulieren und auf ihre Klärungsbedürftigkeit einzugehen (BFH-Beschluss vom 30. November 2006 XI B 13/06, BFH/NV 2007, 389; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 115 Rz 41).

2. Der Zulassungsgrund i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 2 2. Alternative FGO ist ebenfalls nicht gegeben.

a) Der Kläger hat dem FG-Urteil keine abstrakten Rechtssätze entnommen und diese anderen Entscheidungen in der Weise gegenübergestellt, dass eine Abweichung erkennbar wird (BFH-Beschluss vom 21. März 2005 XI B 219/03, BFH/NV 2005, 1344).

b) Das FG-Urteil leidet auch nicht an einem Rechtsfehler, der das Vertrauen in die Rechtsprechung beschädigen könnte (vgl. Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Rz 43).

Nach § 47 Abs. 1 FGO war die Klage innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung einzulegen. Diese gilt nach der Regelung des § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO mit dem dritten Tage nach ihrer Aufgabe zur Post als bekannt gegeben, außer wenn sie nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist; im Zweifel hat die Behörde den Zugang und den Zeitpunkt des Zugangs nachzuweisen.

Bestreitet der Steuerpflichtige nicht den Zugang des Schriftstücks überhaupt, sondern lediglich den Erhalt innerhalb des Dreitageszeitraums des § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO, so hat er sein Vorbringen im Rahmen des Möglichen zu substantiieren, um Zweifel an der Dreitagesvermutung zu begründen. Er muss Tatsachen vortragen, die den Schluss darauf zulassen, dass ein anderer Geschehensablauf als der typische - Zugang binnen dreier Tage nach Aufgabe zur Post - ernstlich in Betracht zu ziehen ist. An diese Substantiierung sind aber keine allzu hohen Anforderungen zu stellen, damit die Regelung über die objektive Beweislast, die nach dem Gesetz die Finanzverwaltungsbehörde trifft, nicht zu Lasten des Steuerpflichtigen umgekehrt wird (Senatsurteil vom 3. Mai 2001 III R 56/98, BFH/NV 2001, 1365).

Das FG ist von diesen Rechtsgrundsätzen ausgegangen und hat - wie es ihm oblag (vgl. BFH-Beschluss in BFH/NV 2007, 389) - den Sachverhalt aufgeklärt und die Umstände im Wege freier Beweiswürdigung nach § 96 Abs. 1 FGO gegeneinander abgewogen. Wenn es danach Zweifel am Zugang innerhalb der Dreitagesfrist verneinte, weil der Sohn beim Zugang nicht zugegen gewesen sei, objektiv nachprüfbare Gesichtspunkte für einen verzögerten Zugang fehlten und die zeitliche Abfolge des klägerischen Vortrags für eine Schutzbehauptung spräche, so ist dies weder willkürlich oder greifbar gesetzeswidrig noch könnte es sich dabei um einen "symptomatischen Rechtsfehler" handeln, dessen "Nachahmung" für die Entscheidung künftig vergleichbarer Sachverhalte befürchtet werden müsste (vgl. das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 31. Oktober 2002 V ZR 100/02, Neue Juristische Wochenschrift 2003, 754, betreffend § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 der Zivilprozessordnung; Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Rz 43).

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