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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 21.12.2007
Aktenzeichen: III B 154/06
Rechtsgebiete:
Vorschriften:
Gründe:
I. Die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) werden als Eheleute zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Sie haben vier gemeinsame Kinder, von denen das jüngste, die 1996 geborene Tochter, schwer behindert ist (GdB 100, Merkzeichen G und H). Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt) gewährte den Klägern im Streitjahr 2001 den auf sie übertragenen Behindertenpauschbetrag der Tochter in Höhe von 7 200 DM (§ 33b Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes --EStG--) sowie einen Pflegepauschbetrag in Höhe von 1 800 DM (§ 33b Abs. 6 EStG). Behinderungsbedingte Fahrtkosten wurden in Höhe von 1 740 DM (3 000 km je 0,58 DM) als außergewöhnliche Belastung abgezogen (§ 33 EStG).
Das Finanzgericht (FG) berücksichtigte behinderungsbedingte Fahrkosten stattdessen mit 7 535,36 DM. Es führte aus, die Tochter habe den (integrativen) Kindergarten an 203 Tagen besucht, die einfache Entfernung betrage 16 km und die Leerfahrten der Kläger seien ebenfalls als außergewöhnliche Belastung anzuerkennen. Es ergebe sich damit eine Gesamtfahrleistung von 12 992 km (203 x 16 km x 4, Aufwand je Kilometer 0,58 DM). Die darüber hinaus geltend gemachten Aufwendungen für Ausflugs- und Erholungsfahrten im angeblichen Umfang von 15 000 km seien durch die privaten Lebensinteressen der übrigen Familienmitglieder und nicht in erster Linie durch die Interessen der behinderten Tochter veranlasst gewesen. Diese Fahrten --Verwandtenbesuche, Ausflüge zu Schwimmbädern und anderen Freizeiteinrichtungen, Vereinstreffen-- wären auch ohne Behinderung der Tochter unternommen worden; ihre Teilnahme rechtfertige den Abzug nicht.
Mit ihrer Nichtzulassungsbeschwerde tragen die Kläger vor, es sei von grundsätzlicher Bedeutung, in welchem Umfang Fahrten, an denen ein Schwerbehinderter mit dem Merkzeichen "H" teilgenommen habe, und die sich in notwendige Fahrten und sonstige Bewegungsfahrten aufteilten, steuerlich anzuerkennen seien. Notwendige Fahrten --im Streitfall die zum Kindergarten-- seien ohnehin zu berücksichtigen. Der Bundesfinanzhof (BFH) habe aber nicht nur die unvermeidbaren Fahrten, sondern auch die Kosten für Erholungs-, Freizeit- und Besuchsfahrten als zwangsläufig angesehen (Senatsurteil vom 2. Oktober 1992 III R 63/91, BFHE 169, 427, BStBl II 1993, 286); dem folge die Verwaltung. Die danach bei 15 000 km im Jahr zu ziehende Angemessenheitsgrenze werde nicht durch die notwendigen Fahrten --im Streitfall die vom FG anerkannten 12 992 km zum Kindergarten-- erschöpft, sondern beziehe sich nur auf nicht notwendige Erholungs-, Freizeit- und Besuchsfahrten. Die Aufwendungen für diese jedem Behinderten gewährten 15 000 km könnten sie deshalb zusätzlich zu den Fahrten zum Kindergarten abziehen.
Das FG-Urteil weiche auch von dem Senatsurteil in BFHE 169, 427, BStBl II 1993, 286 ab, da es nur die unvermeidbaren Fahrten berücksichtige, obwohl nach dem BFH-Urteil alle Fahrten anzuerkennen seien.
II. Die Beschwerde ist unbegründet und wird durch Beschluss zurückgewiesen (§ 132 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
1. Die Kläger haben tatsächlich nicht eine, sondern zwei Rechtsfragen aufgeworfen: Zum einen, ob bereits die Teilnahme eines behinderten Kindes an einer Fahrt dazu führt, dass diese als behinderungsbedingt zu gelten hat, und zum anderen, ob "allgemeine Bewegungsfahrten" von 15 000 km zusätzlich zu den notwendigen (Kindergarten-)Fahrten als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen sind.
a) Die erste Frage hat keine grundsätzliche Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO), denn sie lässt sich nur so beantworten, wie das FG dies getan hat. Wenn neben anderen (gesunden) Familienangehörigen auch das behinderte Kind an einer Fahrt teilnimmt, die nicht vornehmlich in seinem Interesse unternommen wird, so ist die Fahrt nicht durch die Behinderung veranlasst und damit nicht außergewöhnlich. Die den Eltern dadurch entstehenden Kosten gehören zu den üblichen Aufwendungen der Lebensführung und sind keine außergewöhnliche Belastung (§ 33 EStG).
b) Die Frage, ob "allgemeine Bewegungsfahrten" von 15 000 km zusätzlich zu den notwendigen Fahrten als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen sind, könnte in einem Revisionsverfahren nicht geklärt werden, da sie nicht entscheidungserheblich wäre.
Der Senat hat in seinem Urteil in BFHE 169, 427, BStBl II 1993, 286 entschieden, dass bei Steuerpflichtigen, die so gehbehindert sind, dass sie sich außerhalb des Hauses nur mit einem Kfz fortbewegen können, in einem angemessenem Rahmen alle Kfz-Kosten, soweit sie nicht Werbungskosten oder Betriebsausgaben sind, als außergewöhnliche Belastung anzuerkennen sind. Die Grenze des Angemessenen sei in aller Regel überschritten, soweit die Fahrleistung derartiger Steuerpflichtiger für Privatfahrten 15 000 km im Jahr übersteige.
Da nur die durch die Behinderung der Tochter bedingten Fahrten der Kläger als außergewöhnliche Belastung in Betracht kommen und diese die regelmäßige Angemessenheitsgrenze von 15 000 km nicht ausschöpfen, kann die Entscheidung des Streitfalles nicht davon abhängen, unter welchen Voraussetzungen und gegebenenfalls bis zu welcher Fahrleistung die Angemessenheitsgrenze zu erhöhen ist.
2. Die von den Klägern gerügte Divergenz (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO) liegt nicht vor. Das FG-Urteil berücksichtigt nicht, wie die Kläger meinen, nur die unvermeidbaren Fahrten, obwohl nach dem Senatsurteil in BFHE 169, 427, BStBl II 1993, 286 alle Fahrten anzuerkennen sind.
Das Senatsurteil betrifft Aufwendungen eines Steuerpflichtigen, der sich wegen seiner Gehbehinderung außerhalb des Hauses nur mit einem Kfz fortbewegen konnte. Deshalb waren alle von ihm unternommenen Fahrten --auch die zur Erholung und zur Freizeitgestaltung-- durch seine Behinderung veranlasst. Im Streitfall sind aber nicht die Steuerpflichtigen gehbehindert, sondern ihre Tochter. Durch deren Behinderung veranlasst waren deshalb nur die ihretwegen durchgeführten Fahrten, nicht aber die wegen anderer Belange zurückgelegten Wegstrecken.
Ende der Entscheidung
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