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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 22.12.2008
Aktenzeichen: III B 156/07
Rechtsgebiete: EStG, FGO, EGV


Vorschriften:

EStG § 62 Abs. 1 Nr. 1
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1
EGV Art. 18
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I.

Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) bezog für ihren 1991 geborenen Sohn C Kindergeld. Im Jahr 1995 verzog sie mit C nach A (Spanien). Dies wurde der Beklagten und Beschwerdegegnerin (Familienkasse) erst im November 2005 bekannt. Durch Bescheid vom 18. September 2006 hob sie die Festsetzung des Kindergeldes von Januar 1996 bis Januar 2006 auf und forderte einen Betrag von 18 634 EUR zurück. Der hiergegen gerichtete Einspruch hatte keinen Erfolg, ebenso wenig die anschließend erhobene Klage. Das Finanzgericht (FG) führte im Wesentlichen aus, es verstoße nicht gegen Gemeinschaftsrecht, Kindergeld solchen deutschen Staatsbürgern nicht zu gewähren, die im Inland nicht unbeschränkt einkommensteuerpflichtig seien. Eine Beschränkung der Kindergeldberechtigung auf Personen, die über eine enge Verbindung zur Bundesrepublik Deutschland (Bundesrepublik) verfügten, sei europarechtlich zulässig.

Mit ihrer Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision macht die Klägerin die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Die Nichtgewährung von Kindergeld an deutsche Staatsangehörige, die sich im Ausland aufhielten und im Inland nicht mehr unbeschränkt steuerpflichtig seien, verstoße gegen das Recht auf Aufenthaltsfreiheit nach Art. 18 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EGV). Die enge Bindung an die Bundesrepublik dürfe nicht der Freizügigkeit der Wohnsitznahme vorangestellt werden. Zumindest hätte das FG die Sache dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) vorlegen müssen.

II.

Die Beschwerde ist unzulässig und wird durch Beschluss verworfen (§ 116 Abs. 5 Satz 1 FGO). Ihre Begründung entspricht nicht den Anforderungen an die Darlegung von Zulassungsgründen i.S. von § 115 Abs. 2 i.V.m. § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO.

1.

Um die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) darzulegen, muss in der Beschwerdebegründung schlüssig und substantiiert unter Auseinandersetzung mit den zur aufgeworfenen Rechtsfrage in Rechtsprechung und Schrifttum vertretenen Auffassungen dargetan werden, weshalb die für bedeutsam gehaltene Rechtsfrage im Allgemeininteresse klärungsbedürftig und im Streitfall klärbar ist. Dazu muss dargelegt werden, in welchem Umfang, von welcher Seite und aus welchen Gründen die Beantwortung der Frage zweifelhaft und streitig ist. Diese Grundsätze gelten auch, wenn Verfassungsverstöße gerügt werden (vgl. z.B. Beschlüsse des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 21. Januar 2005 VIII B 93/03, BFH/NV 2005, 894; vom 8. September 2005 II B 122/04, BFH/NV 2006, 100; vom 20. März 2006 II B 147/05, BFH/NV 2006, 1320) oder Verstöße gegen Gemeinschaftsrecht (BFH-Beschluss vom 9. November 2007 IV B 169/06, BFH/NV 2008, 390). Macht ein Beschwerdeführer geltend, eine Norm verstoße gegen das Recht der Europäischen Gemeinschaft, so genügt es nicht, dies mit allgemeinen Wendungen zu behaupten, vielmehr ist eine substantiierte, an den Vorgaben des Gemeinschaftsrechts sowie der dazu ergangenen Rechtsprechung von EuGH und BFH orientierte Auseinandersetzung erforderlich (vgl. BFH-Beschluss in BFH/NV 2008, 390).

2.

Diesen Anforderungen entspricht die Beschwerdebegründung nicht. Die Klägerin behauptet pauschal, die Beschränkung der Kindergeldberechtigung deutscher Staatsangehöriger auf solche mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland (§ 62 Abs. 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes --EStG--) verstoße gegen das Recht auf Freizügigkeit nach Art. 18 EGV. Sie hat dies nicht weiter begründet und ist auch nicht auf die EuGH-Rechtsprechung eingegangen, auf die ihre Rechtsmeinung gestützt werden könnte.

3.

Unabhängig hiervon ist nicht klärungsbedürftig, dass die Anknüpfung der Kindergeldberechtigung in § 62 Abs. 1 Nr. 1 EStG an den Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in den Fällen, in denen der Kindergeldberechtigte mit seiner Familie den Wohnsitz in das EU-Ausland verlegt, nicht gegen Art. 18 EGV verstößt. Bestimmungen, die einen Angehörigen eines Mitgliedstaats daran hindern oder davon abhalten, seinen Herkunftsstaat zu verlassen, um von seinem Recht auf Freizügigkeit nach Art. 18 EGV Gebrauch zu machen, können zwar Beeinträchtigungen dieser Freiheit sein (vgl. EuGH-Urteil vom 17. Januar 2008 Rs. C-152/05, Kommission/Deutschland, BFH/NV 2008, Beilage 2, 90 Randnr. 22). Nach gefestigter Rechtsprechung des EuGH können jedoch nationale Maßnahmen, die geeignet sind, die Ausübung der durch den Vertrag garantierten Grundfreiheiten zu behindern oder weniger attraktiv zu machen, zugelassen werden, wenn mit ihnen ein im Allgemeininteresse liegendes Ziel verfolgt wird, wenn sie geeignet sind, dessen Erreichung zu gewährleisten und wenn sie nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung des verfolgten Ziels erforderlich ist (vgl. EuGH-Urteil Kommission/Deutschland in BFH/NV 2008, Beilage 2, 90 Randnr. 26). Ein Mitgliedstaat kann die Gewährung von Sozialleistungen u.a. von einem tatsächlichen Zusammenhang zwischen der Person und dem Staat abhängig machen, gegen den sich der Anspruch richtet (vgl. EuGH-Urteile vom 11. Juli 2002 Rs. C-224/98, D'Hoop, Slg. 2002, I-6191

Randnr. 38, und vom 23. März 2004, Collins, Rs. C-138/02, Slg. 2004, I-2703 Randnr. 67). Die Bundesrepublik hatte daher die Möglichkeit, die Kindergeldberechtigung deutscher Staatsangehöriger auf den Personenkreis des § 62 Abs. 1 EStG zu beschränken.

4.

Mit dem Vorbringen, das FG hätte die Sache dem EuGH vorlegen müssen, wird kein Verfahrensmangel i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO dargetan, weil das FG als Instanzgericht zu einem Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 EGV nicht verpflichtet war (s. Senatsbeschluss vom 29. November 2007 III S 30/06 (PKH), BFH/NV 2008, 777, m.w.N.).

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