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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 26.06.2009
Aktenzeichen: III B 16/07
Rechtsgebiete: FGO, ZPO, AO, GG


Vorschriften:

FGO § 91 Abs. 2
FGO § 96 Abs. 2
FGO § 155
ZPO § 227
AO § 122 Abs. 1 Satz 3
GG Art. 103 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I.

Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) setzte mit Bescheid vom 10. Oktober 2000 gegenüber der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) eine Investitionszulage unter dem Vorbehalt der Nachprüfung (§ 164 Abs. 1 der Abgabenordnung --AO--) fest. Auf den Einspruch des Prozessbevollmächtigten der Klägerin erhöhte das FA mit --dem der Klägerin bekannt gegebenen-- Änderungsbescheid vom 31. August 2001 die Invesititonszulage antragsgemäß; der Vorbehalt der Nachprüfung blieb bestehen. Mit Bescheid vom 30. Januar 2003 änderte das FA den Bescheid vom 31. August 2001 nach § 164 Abs. 2 AO und setzte die Investitionszulage auf 0 DM fest. Der Einspruch gegen diesen --dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin bekannt gegebenen-- Bescheid blieb erfolglos.

Im anschließenden Klageverfahren beraumte das Finanzgericht (FG) mündliche Verhandlung auf den 19. Oktober 2006 an. Auf den Vertagungsantrag des Prozessbevollmächtigten der Klägerin vom 18. Oktober 2006, der mit "Dienstunfähigkeit" wegen einer "akuten Erkrankung" begründet wurde, hob das FG den Termin auf und lud die Beteiligten zur mündlichen Verhandlung am 7. Dezember 2006 unter Hinweis darauf, dass beim Ausbleiben eines Beteiligten auch ohne ihn verhandelt und entschieden werden könne (§ 91 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Am Nachmittag des 6. Dezember 2006 ging beim FG per Telefax ein vom Prozessbevollmächtigten eigenhändig unterzeichnetes Schreiben ein mit der Bitte, den Termin erneut wegen einer "akuten Herz-Kreislauf-Erkrankung/Dienstunfähigkeit" zu verschieben. Beigefügt war die kaum leserliche Kopie der "Arbeits-/Dienstunfähigkeitsbescheinigung" einer Fachärztin für psychotherapeutische Medizin, die keine Angaben zu der Art der Erkrankung enthielt. Das FG hob den Termin nicht auf. Nach mündlicher Verhandlung, zu der weder der Prozessbevollmächtigte noch die Klägerin erschienen waren, wies es die Klage ab.

Mit ihrer Nichtzulassungsbeschwerde rügt die Klägerin Verfahrensmängel (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO). Das FG habe seine Sachaufklärungspflicht (§ 76 Abs. 1 FGO) verletzt und kein rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes --GG--, § 96 Abs. 2 FGO) gewährt. Es hätte nachforschen müssen, ob der Bescheid vom 31. August 2001 wegen der Postempfangsvollmacht ihres Prozessbevollmächtigten durch die Übersendung an sie, die Klägerin, überhaupt wirksam bekanntgegeben worden sei. Diesen Verfahrensmangel habe ihr Prozessbevollmächtigter erkannt und ihn in der mündlichen Verhandlung rügen wollen; dies sei ihm aber verwehrt worden, weil das FG den Vertagungsantrag abgelehnt und ohne ihn verhandelt habe. Wäre rechtliches Gehör gewährt worden, hätte er außerdem vorgetragen, dass die Herabsetzung der Investitionszulage auf 0 DM durch den Bescheid vom 30. Januar 2003 nicht auf § 164 Abs. 2 FGO habe gestützt werden können; denn der Bescheid vom 31. August 2001 sei unzulässigerweise unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergangen, da es dem FA zu diesem Zeitpunkt bereits möglich gewesen sei, den Fall abschließend zu prüfen.

II.

Die Beschwerde ist unbegründet und durch Beschluss zurückzuweisen (§ 116 Abs. 5 Satz 1 FGO). Die geltend gemachten Verfahrensmängel liegen nicht vor (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO).

1.

Das FG hat seine Pflicht zur Sachaufklärung nicht verletzt.

Nach § 76 Abs. 1 Satz 1 FGO hat das FG den Sachverhalt von Amts wegen zu erforschen, soweit er nach dem materiell-rechtlichen Standpunkt des FG für den Streitfall entscheidungserheblich ist (z.B. Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 24. Juli 2008 VIII B 181/07, BFH/NV 2008, 2007, m.w.N.).

Für das FG bestand kein Anlass zu ermitteln, ob dem FA eine Empfangsvollmacht des Prozessbevollmächtigten der Klägerin vorlag und deshalb der Bescheid dem Prozessbevollmächtigten hätte bekannt gegeben werden müssen (vgl. § 122 Abs. 1 Satz 3 AO; BFH-Beschluss vom 27. Juli 2001 II B 9/01, BFH/NV 2002, 8, m.w.N.). Denn auch dann, wenn --wegen der nach Angaben des FA in der Beschwerdeerwiderung seit 15. Mai 2001 vorliegenden "Vertretungsvollmacht"-- eine Bekanntgabe an den Prozessbevollmächtigten erforderlich gewesen wäre, wäre der Bescheid wirksam gewesen. Denn der Bekanntgabefehler wäre dadurch geheilt worden, dass der Bescheid --wie der Prozessbevollmächtigte im Einspruchsschreiben vom 25. Februar 2003 selbst angegeben hat-- an ihn weitergeleitet worden ist (ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Urteil vom 1. Juli 2003 VIII R 29/02, BFH/NV 2003, 1397, m.w.N.).

2.

Ebenso wenig hat das FG den Anspruch der Klägerin auf rechtliches Gehör verletzt (Art. 103 Abs. 1 GG, § 96 Abs. 2 FGO).

a)

Nach ständiger Rechtsprechung des BFH kann der Anspruch auf rechtliches Gehör zwar dadurch verletzt sein, dass das FG einen Antrag auf Verlegung des anberaumten Termins zur mündlichen Verhandlung ablehnt (z.B. Senatsbeschluss vom 23. Oktober 2002 III B 167/01, BFH/NV 2003, 80, m.w.N.). Im Streitfall hat das FG aber zu Recht nicht vertagt und ohne den Prozessbevollmächtigten und ohne die Klägerin nach § 91 Abs. 2 FGO mündlich verhandelt und entschieden.

Nach § 155 FGO i.V.m. § 227 der Zivilprozessordnung (ZPO) kann ein Termin zur mündlichen Verhandlung aus erheblichen Gründen aufgehoben oder verlegt werden. Die erheblichen Gründe für eine Aufhebung oder Verlegung sind auf Verlangen glaubhaft zu machen (§ 227 Abs. 2 ZPO). Wird der Vertagungsantrag erst kurz vor dem anberaumten Termin gestellt und mit einer plötzlichen Erkrankung begründet, ist der Beteiligte verpflichtet, die Gründe für die Verhinderung so anzugeben und zu untermauern, dass das FG selbst beurteilen kann, ob der Beteiligte verhandlungsfähig ist oder nicht. Die Vorlage eines ärztlichen Attestes, das lediglich eine akute Erkrankung bescheinigt, reicht nicht aus (vgl. BFH-Beschlüsse vom 17. April 2002 IX B 151/00, BFH/NV 2002, 1047; vom 28. Juli 2005 VII B 21/05, BFH/NV 2005, 2037, und Senatsbeschluss in BFH/NV 2003, 80, jeweils m.w.N.).

b)

Im Streitfall hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin mit seinem kurzfristigen Antrag per Telefax vom späten Nachmittag des 6. Dezember 2006 die Gründe für eine Aufhebung des Termins zur mündlichen Verhandlung am Vormittag des 7. Dezember 2006 nicht ausreichend dargelegt und glaubhaft gemacht. Er hat lediglich um Verschiebung gebeten wegen einer "akuten Herz-Kreislauf-Erkrankung/Dienstunfähigkeit". Der ebenfalls per Telefax übermittelten, weitgehend unleserlichen Kopie des Attestes einer Fachärztin für psychotherapeutische Medizin war ebenfalls kein erheblicher Grund für eine Aufhebung oder Vertagung des Termins zu entnehmen, da das Attest keinen Rückschluss auf die Art und Schwere der Erkrankung des Prozessbevollmächtigten erlaubte.

Ende der Entscheidung

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