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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 27.06.2002
Aktenzeichen: III B 162/01
Rechtsgebiete: FGO, ZPO
Vorschriften:
FGO § 82 | |
FGO § 132 | |
ZPO § 377 Abs. 2 | |
ZPO § 381 Abs. 1 Satz 1 | |
ZPO § 381 Abs. 1 Satz 2 |
Gründe:
I. Im Hauptverfahren streiten die Beteiligten darüber, ob der Kläger in den Streitjahren 1986 bis 1993 mit seiner beigeladenen Ehefrau zusammen zu veranlagen war.
Am 29. Juni 2001 beschloss das Finanzgericht (FG), u.a. die Beschwerdeführerin (Frau Z) als Zeugin zu den näheren Lebensumständen des Klägers in den Streitjahren zu vernehmen.
Die Zeugin wurde zum Termin zur mündlichen Verhandlung am 24. Juli 2001, 11.30 Uhr, unter Bezeichnung der Beteiligten und des Gegenstandes der Vernehmung geladen. In dem beigefügten Vordruck "Hinweise für Zeugen" wurde sie auf die Folgen unentschuldigten Ausbleibens aufmerksam gemacht. Die Ladung wurde durch Niederlegung beim zuständigen Postamt am 5. Juli 2001 zugestellt. Auf telefonische Nachfrage des Berichterstatters erklärte die Zeugin ausweislich eines handschriftlichen Vermerks vom 10. Juli 2001, die Ladung zum Termin erhalten zu haben.
Mit auf 20. Juli 2001 datiertem handschriftlichen Schreiben, welches sie mit einfacher Post ausweislich des Poststempels am 22. Juli 2001, 16.00 Uhr, in X zur Post gegeben hat, teilte die Beschwerdeführerin mit, sie könne der Ladung leider nicht folgen. Wegen beruflicher absoluter Auslastung (Festspielbeginn) könne sie das von ihr allein betriebene Geschäft nicht schließen. Auch habe sie keine Vertretung. Das habe sie dem Mitarbeiter, der sie angerufen habe, bereits mitgeteilt. Zu den Lebensverhältnissen von Herrn W, dem Kläger, von 1986 bis 1993 könne sie so gut wie nichts sagen. Für eine auf dem Wege der Amtshilfe gerichtliche Befragung eines Kollegen in X stehe sie jedoch gerne zur Verfügung.
Das Schreiben ging lt. Eingangsstempel am 23. Juli 2001 beim FG ein.
Die Zeugin erschien in der mündlichen Verhandlung vom 24. Juli 2001 nicht. Daraufhin verkündete das FG den Beschluss, dass der Zeugin die durch das Ausbleiben verursachten Kosten auferlegt werden und gegen sie ein Ordnungsgeld in Höhe von 500 DM festgesetzt wird. Das FG vertagte die Verhandlung.
Mit Schreiben vom 21. August 2001 wurde der Zeugin der Beschluss mit Rechtsmittelbelehrung schriftlich mitgeteilt. Mit per Telefax übermittelten Schriftsatz legte die Zeugin Beschwerde ein. Sie habe sich telefonisch und schriftlich rechtzeitig entschuldigt. Sie führe in X ein ... für ...bekleidung und habe keinen Angestellten. Insbesondere zur Festspielzeit sei sie vollständig ausgebucht und mache zu dieser Zeit die größten Umsätze. Sie müsse deshalb für ihre Stammkunden erreichbar sein. Im Falle einer Aussage vor dem FG A hätte sie ihr Geschäft ganztägig schließen müssen mit der Folge, dass Kunden abgewandert wären und Aufträge nicht rechtzeitig hätten fertiggestellt werden können. Trotz ihrer Bemühungen sei sie nicht in der Lage gewesen, für diesen Ausfalltag eine geeignete Fachkraft zu finden. Dies liege auch auf der Hand, da tageweise Hilfskräfte mit ihrem Ausbildungsstand und ihren Kenntnissen offenkundig nicht zur Verfügung stünden. Sie habe zudem deutlich gemacht, nach dem --zwischenzeitlich eingetretenen-- Ende der Festspielzeit auszusagen. Mithin sei ihr Ausbleiben genügend entschuldigt und die gegen sie getroffenen Anordnungen seien aufzuheben.
Mit Schreiben vom 19. September 2001 an den Prozessvertreter der Zeugin begründete das FG seinen Beschluss näher. Frau Z sei wegen ihrer Aussage vor einem Beamten der Steuerfahndung lt. unterschriebener Protokollniederschrift vom 23. Juli 1996 eine wichtige --wenn nicht sogar mit Rücksicht auf das Zeugnisverweigerungsrecht der Ehefrau und Tochter des Klägers-- möglicherweise entscheidende Zeugin. Ihre von der Aussage bei der Steuerfahndung abweichende eidesstattliche Versicherung vom 18. Februar 1999 sei dem Gericht vor dem 24. Juli 2001 im Wortlaut nicht bekannt gewesen. Bekannt gewesen sei lediglich die Würdigung durch das FG B im Beschluss vom 2. Februar 2001.
Nachdem die Postzustellungsurkunde der Ladung von Frau Z eine Zustellung durch Niederlegung ausgewiesen habe, habe der Berichterstatter des Senats die Zeugin angerufen, um sich zu vergewissern, dass sie die Ladung erhalten habe. Dies habe die Zeugin bestätigt. Bei diesem Telefonat hätte sie die Möglichkeit gehabt, auf eine mögliche Verhinderung hinzuweisen. Dies habe sie jedoch nicht getan. Dass anderweitige telefonische Kontakte mit den Mitgliedern des Gerichts oder mit der Geschäftsstelle stattgefunden hätten, sei nicht bekannt.
Die Behauptung im Schreiben der Zeugin vom 20. Juli 2001, das einen Tag vor dem angesetzten Termin dem FG zugegangen sei, sie habe sich telefonisch rechtzeitig entschuldigt, treffe daher nicht zu. Das Fernbleiben sei auch nachträglich nicht genügend entschuldigt worden. Geschäftliche Unbequemlichkeiten rechtfertigten kein Fernbleiben eines Zeugen.
Daraufhin erwiderte der Prozessvertreter der Beschwerdeführerin mit Schriftsatz vom 23. Oktober 2001, es habe vorweg ein Telefonat mit einem Mitarbeiter des Senats oder der Gerichtsverwaltung stattgefunden, in dem die Beschwerdeführerin bereits darauf hingewiesen habe, der Termin zur mündlichen Einvernahme sei außerordentlich ungünstig. Die Öffnung des von ihr allein betriebenen, keineswegs florierenden Geschäfts während der Festspielzeit sei für die Zeugin überlebensnotwendig. Der Hinderungsgrund stelle keine bloße geschäftliche "Unbequemlichkeit", sondern eine für sie existentiell wichtige geschäftliche Angelegenheit dar. Die durch eine ganztägige Schließung ihres Geschäftes anderenfalls eintretenden finanziellen Einbußen seien so ohne weiteres gar nicht überschaubar. Jedenfalls müsse davon ausgegangen werden, dass Kunden, die sich nur vorübergehend zur Festspielzeit in X aufhielten und das Geschäft hätten aufsuchen wollen, kein zweites Mal gekommen wären.
Nachdem sämtliche Mitglieder des Senats beim FG in dienstlichen Stellungnahmen erklärt hatten, ein Gespräch mit der Zeugin habe nicht stattgefunden, half das FG der Beschwerde nicht ab.
II. Die Beschwerde ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 132 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
Die öffentlich-rechtliche Pflicht des Zeugen, zum Termin der Beweisaufnahme zu erscheinen, führt im Falle des Ausbleibens dazu, dass dem Zeugen die dadurch verursachten Kosten auferlegt werden und gegen ihn ein Ordnungsgeld festgesetzt wird. Die Festsetzung eines Ordnungsmittels unterbleibt u.a., wenn das Ausbleiben genügend entschuldigt ist (vgl. § 82 FGO i.V.m. § 381 Abs. 1 Satz 1 der Zivilprozessordnung --ZPO--). Bei nachträglicher genügender Entschuldigung werden die gegen den Zeugen getroffenen Anordnungen wieder aufgehoben (vgl. § 82 FGO i.V.m. § 381 Abs. 1 Satz 2 ZPO).
Im Streitfall hatte das FG die Zeugin rechtzeitig und ordnungsgemäß geladen (vgl. § 82 FGO i.V.m. § 377 Abs. 2 ZPO). Indes hat die Zeugin weder vor dem Termin zur Beweisaufnahme noch nachträglich ausreichende Gründe vorgetragen, die sie von der Verpflichtung zum Erscheinen entbunden hätten.
Im Gesetz ist nicht ausdrücklich ausgeführt, was unter einer genügenden Entschuldigung zu verstehen ist. Nach ständiger Rechtsprechung erfordert eine genügende Entschuldigung, die ein Ausbleiben im Beweistermin als nicht pflichtwidrig erscheinen lässt, schwerwiegende Gründe (Beschlüsse des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 3. August 1977 I B 41/77, BFHE 123, 120, BStBl II 1977, 842; vom 10. November 1987 V B 66/85, BFH/NV 1988, 388, m.w.N.). Als derartige Entschuldigungsgründe können nur äußere Ereignisse anerkannt werden, die den Zeugen ohne sein Zutun von der Wahrnehmung des Termins abgehalten haben, wie z.B. eine Betriebsstörung von Verkehrsmitteln, eine eigene Erkrankung, eine schwere Erkrankung eines nächsten Angehörigen (vgl. BFH-Beschlüsse vom 17. Juni 1992 II B 217/91, BFH/NV 1993, 479; vom 29. März 1996 X B 198/95, BFH/NV 1996, 697; vom 31. März 1998 XI B 11/98, BFH/NV 1998, 1369). Selbst eine Dauererkrankung eines Zeugen vermag sein Ausbleiben nur dann genügend zu entschuldigen, wenn ihm dadurch ein Erscheinen vor Gericht unzumutbar wird (BFH-Beschluss vom 14. Januar 1998 II B 34/97, BFH/NV 1998, 864).
Ausweislich der Feststellungen des FG hat die Zeugin in dem vom Berichterstatter mit ihr geführten Telefonat vom 10. Juli 2001 lediglich den Erhalt der durch Niederlegung bei der Post zugestellten Ladung bestätigt, hingegen Gründe für eine notwendige Verlegung des Termins nicht geltend gemacht. Die Behauptung der Zeugin in ihrem Schreiben vom 20. Juli 2001 --das ausweislich des Poststempels erst am 22. Juli 2001, 16.00 Uhr, abgestempelt worden ist-- sie habe im Rahmen dieses Telefonats bereits auf ihre Verhinderung hingewiesen, ist weder aufgrund der dienstlichen Stellungnahmen der dem Senat beim FG angehörenden Berufsrichter noch aufgrund von Nachforschungen bei der zuständigen Geschäftsstelle bestätigt worden.
Im Übrigen hat die Zeugin lediglich ganz allgemein auf mögliche, insbesondere finanzielle Nachteile hingewiesen, falls sie wegen ganztägiger Abwesenheit das von ihr allein betriebene Geschäft während der Festspielzeit hätte schließen müssen. Die Zeugin hat insbesondere keine triftigen Gesichtspunkte dafür vorgetragen, weshalb sie mit ihrem Verlegungsbegehren bis unmittelbar vor dem Beweistermin zugewartet hat, obwohl sich ihre Geschäftssituation gegenüber dem Zeitpunkt der Ladung offenbar nicht verändert hatte.
Die Ordnungsmaßnahmen sind auch nicht unangemessen; denn das Nichterscheinen der Beschwerdeführerin als einer aus der Sicht des FG für die Entscheidung des Verfahrens wesentlichen Zeugin machte einen neuen Beweisaufnahmetermin erforderlich.
Die Höhe des Ordnungsgeldes liegt im Mittelbereich des in Art. 6 Abs. 1 des Einführungsgesetzes zum Strafgesetzbuch vorgegebenen Rahmens (von 5 DM bis 1 000 DM), ohne dass die Bemessung in einem solchen Fall einer besonderen Begründung bedürfte (vgl. BFH-Beschluss vom 11. August 1992 VII B 80/92, BFH/NV 1993, 115, 116, m.w.N.).
Ende der Entscheidung
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