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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 19.02.2007
Aktenzeichen: III B 195/05
Rechtsgebiete: EStG, SGB X, AO


Vorschriften:

EStG § 62
EStG § 70 Abs. 2
EStG § 70 Abs. 3
EStG § 70 Abs. 4
SGB X § 44 Abs. 1
AO §§ 172 ff.
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Streitig ist, ob dem Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) Kindergeld für die Kinder A und B ab Juli 1997 bis Januar 2001 zusteht.

Der Kläger ist bosnischer Staatsangehöriger. Seine Kinder, geboren 1981 und 1987, lebten im Haushalt des Klägers. In der Zeit vom 14. März 1996 bis 18. März 1998 sowie vom 7. April 1998 bis 9. November 2000 war der Kläger als ... beschäftigt. In der Zeit vom 20. März 1998 bis 6. April 1998 bezog er Arbeitslosengeld. Ab dem 1. September 2000 war er berufsunfähig. Seit dem 13. Oktober 2000 bezieht er Krankengeld.

Am 13. Januar 2000 stellte der Kläger einen Antrag auf Kindergeld für die Söhne. Mit Bescheid vom 10. Februar 2000 lehnte die Beklagte und Beschwerdegegnerin (Familienkasse) den Antrag ab und setzte das Kindergeld auf 0 DM fest. Zur Begründung führte sie aus, nach § 62 des Einkommensteuergesetzes (EStG) hätten ausländische Staatsangehörige nur dann einen Anspruch auf Kindergeld, wenn sie im Besitz einer gültigen Aufenthaltserlaubnis oder einer Aufenthaltsberechtigung seien. Diese Voraussetzungen erfülle der Kläger nicht.

Am 31. Oktober 2000 beantragte der Kläger erneut Kindergeld. Diesen Antrag lehnte die Familienkasse mit Bescheid vom 15. Januar 2001 ab und setzte auch hier das Kindergeld auf 0 DM fest. Mit Antrag vom 17. April 2001 begehrte der Kläger nochmals die Gewährung von Kindergeld. Nunmehr reichte er Bescheinigungen über seine Arbeitnehmertätigkeit sowie über den Bezug von Krankengeld und Arbeitslosengeld ein. Mit Bescheid vom 2. August 2001 setzte die Familienkasse Kindergeld ab Februar bis Juli 2001 für das Kind A und mit Bescheid vom 15. August 2001 für den Sohn B ab Februar 2001 fest, da nach dem Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 12. April 2000 B 14 KG 3/99 R (BSGE 86, 115) auch an Bosnier ohne Aufenthaltserlaubnis Kindergeld gezahlt werden könne, wenn sie eine Arbeitnehmertätigkeit oder den Bezug von Arbeitslosengeld oder Krankengeld nachweisen könnten. Im selben Bescheid wertete die Familienkasse den Antrag vom 26. April 2001 für das Kind B als Antrag auf Korrektur des Bescheides vom 15. Januar 2001. Diesen Antrag lehnte sie mit der Begründung ab, dass aufgrund des von dem Kläger in der Vergangenheit gestellten Antrags das Kindergeld mit Bescheid vom 15. Januar 2001 auf 0 DM festgesetzt worden sei. Eine erneute Festsetzung könne daher erst ab dem Folgemonat des Bescheides --also ab Februar 2001-- erfolgen.

Einspruch und Klage blieben erfolglos. Das Finanzgericht (FG) führte aus, die Familienkasse habe zu Recht die Gewährung von Kindergeld für die Zeit von Juli 1997 bis Januar 2001 abgelehnt, denn insoweit stehe die Bestandskraft des Ablehnungsbescheides vom 15. Januar 2001 der Festsetzung von Kindergeld entgegen. Der Kläger könne sich auch nicht darauf berufen, dass er den ablehnenden Bescheid der Familienkasse vom 15. Januar 2001 wegen eines Beratungsverschuldens der Familienkasse nicht angefochten habe. Ein solches Beratungsverschulden liege, wie die Familienkasse zutreffend im Einspruchsbescheid ausgeführt habe, nicht vor. Dem Kläger wäre es vielmehr möglich und zumutbar gewesen, gegen den Bescheid vom 15. Januar 2001 Einspruch einzulegen. In diesem Falle wäre ihm infolge der am 19. Februar 2001 geänderten Dienstanweisung der Bundesanstalt für Arbeit voraussichtlich das Kindergeld gewährt worden.

Dagegen wendet sich der Kläger mit seiner Beschwerde, mit der er die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--), zur Fortbildung des Rechts (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 1. Alternative FGO) und wegen eines Verfahrensmangels (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) begehrt. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) erstrecke und beschränke sich die Bindungswirkung eines bestandskräftigen, die Gewährung von Kindergeld ablehnenden Bescheides, auf die Zeit bis zum Ende des Monats seiner Bekanntgabe. Einem --neuerlichen-- Antrag auf Festsetzung von Kindergeld für Zeiträume, für die die Familienkasse nach sachlicher Prüfung das Bestehen eines Kindergeldanspruchs verneint habe, stehe die Bestandskraft grundsätzlich entgegen. Ob dies auch dann zu gelten habe, wenn eine Korrektur des --mit der Rechtslage nicht übereinstimmenden, aber bestandskräftigen-- Ablehnungsbescheides mit Rechtsbehelfen nicht möglich gewesen wäre, sei vom BFH bislang soweit ersichtlich nicht entschieden worden und von grundsätzlicher Bedeutung. Der Verweis des FG auf den nicht eingelegten Rechtsbehelf trage nicht. Wenn er, der Kläger, einen Rechtsbehelf eingelegt hätte, wäre dieser jedenfalls bis zum 19. Februar 2001 zurückgewiesen worden. Seinem Prozessbevollmächtigten seien aus eigener Praxis einige Verfahren bekannt, in denen die Familienkasse entsprechend gehandelt und Einsprüche noch unmittelbar vor dem 19. Februar 2001 zurückgewiesen habe. Er, der Kläger, werde gegenüber Personen, die ebenfalls nach dem Wortlaut des deutsch-jugoslawischen Abkommens von 1968 i.d.F. von 1974 (BGBl II 1969, 1438, BGBl II 1975, 390) kindergeldberechtigt gewesen seien und die niemals einen Antrag auf Kindergeld gestellt hätten, ungleich behandelt, weil diese, so sie einen Antrag nach dem 19. Februar 2001 gestellt hätten, rückwirkend bis zur Festsetzungsverjährung Kindergeld erhielten, während er, der mehrmals versucht habe, sein Recht auf Bezug von Kindergeld durchzusetzen, mit rückwirkenden Ansprüchen über den letzten bestandskräftigen Bescheid hinaus ausgeschlossen sei.

Schließlich sei die Revision auch deshalb zuzulassen, weil das FG die an ein Beratungsverschulden in kindergeldrechtlichen Angelegenheiten zu stellenden Anforderungen verkenne (§ 89 der Abgabenordnung --AO--). Von grundsätzlicher Bedeutung sei, ob in kindergeldrechtlichen Angelegenheiten gegenüber dem sonstigen Steuerrecht erhöhte Anforderungen an die Beratungs- und Auskunftspflicht der Behörden zu stellen seien. Nach § 44 Abs. 1 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) sei ein unanfechtbarer Verwaltungsakt zurückzunehmen, der sich im Nachhinein als rechtswidrig erweise und aufgrund dessen eine Sozialleistung zu Unrecht nicht erbracht worden sei. Aufgrund des Charakters des Kindergeldes, das weiterhin einer Sozialleistung gleichkomme, und mangels einer § 44 Abs. 1 SGB X vergleichbaren Regelung im Steuerrecht seien aber Kindergeldberechtigte umfassender zu beraten, als dies im sonstigen Steuerrecht der Fall sei.

Schließlich sei die Revision zuzulassen, da die Fortbildung des Rechts eine Entscheidung des BFH erfordere. Soweit ersichtlich sei die Frage, ob im Kindergeldrecht eine erhöhte Beratungspflicht der Kindergeldstellen bestehe, bislang vom BFH noch nicht entschieden worden.

II. Die Beschwerde ist unbegründet, da die vom Kläger behaupteten Zulassungsgründe nicht vorliegen.

Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO). Die Rechtsfrage, ob die Rechtsprechung des BFH zur rückwirkenden Antragstellung bis zum Monat nach der bestandskräftigen Ablehnung der Kindergeldfestsetzung auch dann zu gelten habe, wenn eine Korrektur des Ablehnungsbescheides mit Rechtsbehelfen keinen Erfolg gehabt hätte, ist nicht klärungsbedürftig. Die Rechtsfrage ist offensichtlich so zu beantworten, wie es das FG getan hat (vgl. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 115 Rz 28). Gegen die ablehnende Entscheidung vom 15. Januar 2000 wäre der Einspruch und gegen die Einspruchsentscheidung der Klageweg möglich gewesen. Die vom FG in Bezug genommene Rechtsprechung des BFH (Urteil vom 25. Juli 2001 VI R 164/98, BFHE 196, 257, BStBl II 2002, 89), wonach eine rückwirkende Antragstellung erst ab dem Folgemonat der Ablehnung bzw. Aufhebung möglich ist, begünstigt insgesamt die Kindergeldberechtigten. Dass die ablehnende Entscheidung mit Rechtsbehelfen bzw. Rechtmitteln angefochten werden muss, um den Eintritt der Bestandskraft zu vermeiden, bedarf keiner näheren Begründung.

Soweit der Kläger die weitere Rechtsfrage aufwirft, ob das FG die an ein Beratungsverschulden der Familienkasse in kindergeldrechtlichen Angelegenheiten zu stellenden Anforderungen (§ 89 AO) verkannt habe, weil im Kindergeldrecht eine umfassendere Beratungstätigkeit der Familienkasse erforderlich sei, handelt es sich um eine materiell-rechtliche Rechtsfrage, die allein nicht die Zulassung der Revision rechtfertigt (vgl. Lange in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 115 FGO Rz 222, 249). Der Hinweis des Klägers auf § 44 Abs. 1 SGB X trägt nicht, da das Kindergeld seit der Systemumstellung ab dem Veranlagungszeitraum 1996 als Steuervergütung ausgestaltet ist (§ 31 Satz 3 EStG), auf die nach ständiger Rechtsprechung (allein) die für die Steuerfestsetzung geltenden Vorschriften der AO Anwendung finden (§ 155 Abs. 4 AO), einschließlich der --neben den Sondertatbeständen des § 70 Abs. 2 bis 4 EStG anwendbaren-- Korrekturvorschriften nach §§ 172 ff. AO.

Im Übrigen ist auch ein Beratungsverschulden der Familienkasse nicht erkennbar, nachdem die Entscheidung des BSG in BSGE 86, 115 zum sozialrechtlichen Kindergeld nach dem Bundeskindergeldgesetz a.F. ergangen ist und die Verwaltung durch Dienstanweisungen diese Entscheidung alsbald für das steuerrechtliche Kindergeld für anwendbar erklärt hat.

Aus den vorgenannten Gründen scheidet auch eine Zulassung wegen der Notwendigkeit einer Fortbildung des Rechts (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 1. Alternative FGO) aus.

Ende der Entscheidung

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