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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 21.07.1998
Aktenzeichen: III B 32/98
Rechtsgebiete: FGO, InvZulG 1991, BGB


Vorschriften:

FGO § 69 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 Satz 2
InvZulG 1991 § 2 Satz 1
BGB § 93
BGB § 94 Abs. 2
BGB § 95 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe

I. Die Antragstellerin und Beschwerdeführerin (Antragstellerin), eine Bank, unterhält in gemieteten Räumlichkeiten eine Zweigstelle. Für das Streitjahr 1992 beantragte sie u.a. die Gewährung einer Investitionszulage nach dem Investitionszulagengesetz (InvZulG) 1991 für die Anschaffung einer in der Zweigstelle installierten Einbruchmeldeanlage in Höhe von 8 v.H. der Anschaffungskosten. Der Antragsgegner und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) gab dem Antrag insoweit statt. Aufgrund einer Nachschau erließ das FA sodann einen geänderten Bescheid und forderte u.a. die gewährte Investitionszulage hinsichtlich der Einbruchmeldeanlage unter dem Hinweis zurück, es handele sich um einen Gebäudebestandteil.

Über den hiergegen eingelegten Einspruch ist nach Aktenlage noch nicht entschieden. Den Antrag der Antragstellerin auf Aussetzung der Vollziehung des Änderungsbescheides lehnte das FA ab.

Auch der beim Finanzgericht (FG) gestellte Antrag auf Aussetzung der Vollziehung blieb ohne Erfolg. Das FG führte aus: Bei der Einbruchmeldeanlage handele es sich um einen Gebäudebestandteil und nicht um ein bewegliches Wirtschaftsgut. Alarmanlagen stellten, wenn sie fest in das Gebäude installiert seien, grundsätzlich einen notwendigen Bestandteil des Gebäudes dar. Der Bundesfinanzhof (BFH) habe die Kosten einer Alarmanlage in die Herstellungskosten eines Wohngebäudes einbezogen (Urteile vom 16. Februar 1993 IX R 85/88, BFHE 170, 547, BStBl II 1993, 544, und vom 9. Mai 1995 IX R 116/92, BFHE 177, 454, BStBl II 1996, 632). Dementsprechend seien auch bei gewerblich genutzten Gebäuden Alarmanlagen Gebäudebestandteile. Denn eine Alarmanlage gebe auch einem gewerblich genutzten Gebäude ein besonderes Gepräge bzw. deren Fehlen bewirke ein negatives Gepräge. Die Ausstattung von Geschäftsgebäuden mit Alarmanlagen sei im heutigen Geschäftsleben zeitgemäß, wenn auch nicht unverzichtbar.

Die hier zu beurteilende Einbruchmeldeanlage stelle ein geschlossenes Sicherungssystem aus einer Mehrzahl aufeinander abgestimmter Komponenten dar, wovon einige durch Verlegung und Verschraubung fest mit dem Gebäude verbunden seien und somit wesentliche Gebäudebestandteile geworden seien. Die Einzelkomponenten seien technisch aufeinander abgestimmt, so daß bewertungsrechtlich ein einheitliches Wirtschaftsgut entstanden sei. Einzelne Teile wie Kamera, Sender, Bewegungsmelder oder Zentraleinheit könnten nicht als selbständige Wirtschaftsgüter angesehen werden.

Die Alarmanlage stelle keine Betriebsvorrichtung dar. Sie stehe nicht in einer besonderen Beziehung zu dem in dem Gebäude ausgeübten Betrieb; ihr komme nicht in bezug auf den Gewerbebetrieb eine ähnliche Funktion wie eine Maschine zu. Denn sie sei für die Abwicklung der banktypischen Tätigkeiten wie Bargeldtransaktionen, bargeldloser Verkehr, Kreditvergabe usw. nicht notwendig. Alarmanlagen sollten hier nur verhindern, daß die banktypischen Tätigkeiten gestört oder behindert würden und dienten damit nur mittelbar der gewerblichen Tätigkeit einer Bank.

Die Sachbehandlung durch das FA verstoße nicht gegen den Grundsatz der Selbstbindung der Verwaltung. Der Hinweis der Antragstellerin auf Tz. 33 der gleichlautenden Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder betreffend Abgrenzung des Grundvermögens von den Betriebsvorrichtungen vom 31. März 1992 (BStBl I 1992, 342) gehe fehl. Dort seien Tresoranlagen und die dazugehörigen Alarmanlagen als Betriebsvorrichtungen eingestuft worden. Zu diesen Anlagen, die in einer engen Verbindung zu der banktypischen Verwahrung von Geld stünden, rechne die hier vorliegende Alarmanlage jedoch nicht. Denn sie diene der Sicherung des gesamten Bankraumes und überwache somit auch das tägliche Bankgeschäft. Auch der Hinweis unter H 42 des Amtlichen Einkommensteuer-Handbuches (EStH) 1994 unter Betriebsvorrichtungen auf Schutz- und Sicherungsvorrichtungen sei nicht einschlägig. Damit seien nur Vorrichtungen zum Schutz vor von Betriebsvorrichtungen oder Maschinen ausgehenden Gefahren gemeint. Fehl gehe auch der Verweis auf die besondere Behandlung von Einbruchmeldeanlagen und Filmaufzeichnungsanlagen mit Bewegungsmeldern in den amtlichen AfA-Tabellen. Denn diese Tabellen seien nur auf bewegliche Wirtschaftsgüter anzuwenden, nicht auf wesentliche Gebäudebestandteile.

Mit der vom FG zugelassenen Beschwerde, der das FG nicht abgeholfen hat, trägt die Antragstellerin vor: Die Anlage setze sich aus den folgenden --mehreren-- Komponenten zusammen: ...

Das FG habe zu Unrecht die gesamte Anlage als Gebäudebestandteil angesehen und nicht geprüft, ob mehrere Wirtschaftsgüter vorlägen bzw. ob es sich bei einzelnen Teilen um Scheinbestandteile, um Zubehörstücke oder um Betriebsvorrichtungen handele. Insbesondere sei zu prüfen, ob die folgenden Teile eigenständige Wirtschaftsgüter seien: - die auf einem Wandarm installierte Überfallkamera nebst dazugehöriger Einrichtung, - die an der Außenwand angebrachte Alarmsirene mit Rotlichtleuchte, - der im Innenraum angebrachte Bewegungsmelder, - der Hand-Notruf-Taster und - die Nebenmelderzentrale.

Der Unternehmensgegenstand einer Bank sei darauf gerichtet, Gelder und Wertgegenstände vor dem Zugriff Unbefugter zu schützen. Dem Schutz des Gebäudes komme nur eine untergeordnete Funktion zu. Dies verdeutlichten die geringen Beträge für den Einbau der Magnetkontakte zur Überwachung der Fenster und Türen. Die Bewegungsmelder seien im Schalterraum und damit im Gebäude angebracht. Der Schutz von außen trete in den Hintergrund. Unerheblich sei, daß nur eine Kassentresoranlage vorhanden sei, da bereits die Abwicklung des typischen Zweigstellengeschäfts größere Bargeldmengen erfordere, die besondere Schutzeinrichtung nötig machten. Der Schwerpunkt der Sicherungsmaßnahmen liege daher nicht auf der Außenhautsicherung, sondern wie bei üblichen Alarmanlagen in der Innenraumsicherung durch die Überfallkamera, den Überfallknopf, die Geldscheinsicherung und die Verbindung zu der nächsten Polizeidienststelle.

Die Nebenmelderzentrale nebst dem digitalen Wähl- und Übertragungsgerät sei als Betriebsvorrichtung bzw. Scheinbestandteil zu beurteilen, weil eine gesonderte Verbindung zu einer Sicherheitszentrale bzw. zur nächsten Polizeidienststelle bestehe. Damit liege eine Ausführung vor, die sich erheblich von sonst üblichen Alarmanlagen in Wohn- und Betriebsgebäuden unterscheide. Hier liege ein hauptsächlicher Zusammenhang mit dem Bankgeschäft vor, weil die unbemerkte sofortige Verständigung von Polizei und Sicherheitsdienst zur Ergreifung der Täter am Tatort führen könne und so ein besonders effektiver Schutz der anvertrauten Gegenstände möglich sei. Eine Einfügung zur Herstellung des Gebäudes sei nicht gegeben.

Die Antragstellerin beantragt, den Beschluß des FG aufzuheben und die Vollziehung des Investitionszulagenänderungsbescheides des FA vom 25. März 1997 in Höhe von ... DM auszusetzen.

Das FA beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

II. Die Beschwerde ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des Beschlusses des FG und zur Aussetzung der Vollziehung des angefochtenen Investitionszulagenänderungsbescheides in dem beantragten Umfange.

1. Nach § 69 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) soll ein Bescheid in der Vollziehung ausgesetzt werden, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes bestehen oder wenn die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Ernstliche Zweifel in diesem Sinne liegen nach ständiger Rechtsprechung des BFH vor, wenn bei summarischer Prüfung neben für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige gegen die Rechtmäßigkeit sprechende Gründe zutage treten, die Unsicherheit oder Unentschiedenheit in der Beurteilung von Rechtsfragen oder Unklarheiten in der Beurteilung von Tatfragen bewirken (vgl. Nachweise bei Gräber/Koch, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl., § 69 Anm. 77).

2. Bei der in dem vorliegenden Verfahren gebotenen überschlägigen Prüfung der Sach- und Rechtslage bestehen in dem geltend gemachten Ausmaß ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides.

a) Nach § 2 Satz 1 InvZulG 1991 sind begünstigte Investitionen die Anschaffung und die Herstellung von neuen abnutzbaren beweglichen Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens, sofern die weiteren dort genannten Voraussetzungen, die hier nicht streitig sind, vorliegen.

Der Begriff des beweglichen Wirtschaftsguts, der im Investitionszulagenrecht nicht eigens erläutert ist, bestimmt sich nach der Rechtsprechung des BFH in Anlehnung an das Einkommensteuerrecht, das die beweglichen von den unbeweglichen Wirtschaftsgütern unter Rückgriff auf die Regelungen des bürgerlichen Rechts über die wesentlichen Gebäudebestandteile und Scheinbestandteile in §§ 93 ff. des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) in erster Linie anhand des Bewertungsrechts abgrenzt (Urteil des Senats vom 31. Juli 1997 III R 247/94, BFH/NV 1998, 215, m.w.N.).

b) Entgegen der Beurteilung durch das FG ist bei summarischer Prüfung ernstlich zweifelhaft, ob die von der Antragstellerin in den angemieteten Räumlichkeiten installierte Einbruchmeldeanlage bzw. einzelne ihrer Komponenten mit dem Einbau wesentlicher Gebäudebestandteil i.S. von § 94 BGB geworden sind.

Zu den wesentlichen Bestandteilen eines Gebäudes gehören nach § 94 Abs. 2 BGB die zur Herstellung eines Gebäudes eingefügten Sachen, wenn sie nicht Scheinbestandteile i.S. von § 95 BGB sind. Zur Herstellung eines Gebäudes eingefügt sind in erster Linie die Baumaterialien und die den Baukörper notwendig ergänzenden Teile, wobei es auf die Art der Verbindung nicht ankommt. Für Ausstattungs- oder Einrichtungsgegenstände gilt dasselbe nur dann, wenn nach der Verkehrsanschauung erst deren Einfügung dem Gebäude eine besondere Eigenart, ein bestimmtes Gepräge gibt oder wenn sie dem Baukörper besonders angepaßt sind und deswegen mit ihm eine Einheit bilden (Urteil des Senats in BFH/NV 1998, 215, m.w.N.). Entscheidend ist, ob nach der Verkehrsanschauung das Gebäude ohne die betreffenden Sachen als nicht fertig erscheint. Was zu einem fertigen Gebäude in diesem Sinne gehört, ist unter Berücksichtigung seiner Beschaffenheit und seines Zwecks zu beurteilen (Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 57. Aufl., § 94 Rz. 6). Dabei ist allerdings grundsätzlich auf die Fertigstellung des bloßen Bauwerks und nicht auf eine allumfassende Nutzungsmöglichkeit abzustellen (Urteil des Senats vom 16. November 1990 III R 100/89, BFH/NV 1991, 772).

Bei summarischer Prüfung bestehen im Streitfall ernstliche Zweifel, ob die Baulichkeiten, in denen die Antragstellerin ihre Zweigstelle betreibt, erst nach der Ausrüstung mit der von der Antragstellerin angeschafften Einbruchmeldeanlage als fertiggestellt angesehen werden können.

Die Sachdarstellung des FG läßt insoweit eine eindeutige Beurteilung nicht zu. Auch die Beteiligten haben keine näheren Angaben zu der Eigenart der Baulichkeiten gemacht und ebenso nicht konkret dargelegt, ob und inwieweit die Anlage oder einzelne ihrer Komponenten dem Baukörper besonders angepaßt sind und ihm ein eigenes Gepräge geben bzw. aus welchen Gründen dies hier nicht der Fall ist. Bei dieser Sachlage ist die detaillierte Beschreibung der Anlage durch die Antragstellerin geeignet, ernstliche Zweifel an der rechtlichen Beurteilung durch das FG zu begründen. Die Zusammensetzung der Anlage aus verschiedenen Komponenten, denen zum Teil unterschiedliche Sicherungsaufgaben zukommen, sowie die verschiedenartige Anbringung in und außerhalb der Mieträume ergeben bei summarischer Prüfung hinreichende ernstliche Zweifel, ob einzelne Teile der Einbruchmeldeanlage oder die Anlage insgesamt dem Gebäude eine besondere Eigenart bzw. ein bestimmtes Gepräge geben. Die Unklarheiten in bezug auf die entscheidungserheblichen Tatsachen, die sich anhand der vorliegenden Akten nicht beseitigen lassen, rechtfertigen die begehrte Aussetzung der Vollziehung. Hinzu kommt, daß im Zivilrecht die Frage, ob Alarmanlagen wesentliche Gebäudebestandteile sind, nicht einheitlich beurteilt wird (vgl. zu Alarmanlagen in Wohnhäusern einerseits Urteil des Oberlandesgerichts --OLG-- Hamm vom 4. Dezember 1987 20 U 70/87, NJW-Rechtsprechungs-Report Zivilrecht 1988, 923, und Staudinger/Dilcher, Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 13. Aufl., § 94 Rdnr. 24; andererseits Urteil des OLG Frankfurt vom 11. Mai 1988 17 U 130/87, NJW 1988, 2546, und Münchener Kommentar/Holch, Bürgerliches Gesetzbuch, 3. Aufl., § 94 Rdnr. 22). Im übrigen hat das FG nicht geprüft, ob die Einbruchmeldeanlage oder Teile davon unter dem Gesichtspunkt des Scheinbestandteils gemäß § 95 Abs. 2 BGB als bewegliches Wirtschaftsgut angesehen werden können, eine Wertung, die grundsätzlich nur unter Heranziehung des Mietvertrags getroffen werden kann (Urteil des Senats in BFH/NV 1998, 215, m.w.N.). Die von den Beteiligten in den Vordergrund gestellte Frage, ob es sich bei der Anlage um eine Betriebsvorrichtung handelt, kann sonach dahinstehen.



Ende der Entscheidung

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