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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 16.04.2008
Aktenzeichen: III B 36/07
Rechtsgebiete: FGO, EStG
Vorschriften:
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1 | |
FGO § 118 Abs. 2 | |
EStG § 64 Abs. 2 |
Gründe:
I. Mit Antrag vom 17. Oktober 2005 beantragte der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) unter Hinweis auf seine monatlichen Unterhaltsleistungen die Gewährung von Kindergeld für seine Tochter N, da diese aus dem Haushalt der Mutter, seiner ehemaligen Ehefrau, in W/A-Str., ausgezogen sei und eine Wohnung in X bezogen habe.
Die Beklagte und Beschwerdegegnerin (Familienkasse) lehnte den Antrag ab, da N in den Haushalt der Mutter aufgenommen sei. Der Einspruch blieb ohne Erfolg.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab. Es führte im Wesentlichen aus: N sei während des Streitzeitraums bis heute in den Haushalt ihrer Mutter in der Wohnung in W, A-Str., und ab Frühjahr in deren Wohnung in W, B-Str., aufgenommen gewesen.
Die auswärtige Unterbringung eines volljährigen Kindes zur Hochschulausbildung sei für die Haushaltsaufnahme grundsätzlich unschädlich. Durch den Bezug einer Einzimmerwohnung in X ab Mai 2005 im Zusammenhang mit der Aufnahme des Studiums habe N ihre Zugehörigkeit zum Haushalt ihrer Mutter nicht beendet. N habe in beiden Wohnungen ihrer Mutter in W jeweils ein Zimmer besessen. Sie habe ihre Mutter mindestens zwei- bis dreimal in der Woche besucht, auch an den Wochenenden, und dort auch gelegentlich übernachtet. Die Haushaltsaufnahme sei gelockert, aber nicht beendet gewesen. Wesentliches Indiz dafür, dass N immer im Haushalt ihrer Mutter Aufnahme gefunden habe, sei, dass N auch nach der Beendigung der Wohngemeinschaft ihrer Mutter mit deren damaligem Lebensgefährten in der A-Str. in W und dem Bezug der neuen Wohnung ab April 2006 B-Str. in W dort wieder ein eigenes Zimmer erhalten habe. Unerheblich sei, ob N nach Beendigung ihres Studiums beabsichtige, gänzlich in den Haushalt ihrer Mutter zurückzukehren.
Mit der Nichtzulassungsbeschwerde macht der Kläger die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache und die Erforderlichkeit einer Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung geltend. Er trägt im Wesentlichen vor:
Wenn man für die Frage, ob ein Student mit auswärtigem Wohnsitz noch in den Haushalt eines Elternteils aufgenommen sei, darauf abstelle, ob der Haushalt dieses Elternteils den örtlichen Mittelpunkt der Lebensinteressen des Kindes bilde, sei klärungsbedürftig, ob dies auch dann gelte, wenn die Wohnorte wegen ihrer Nähe zueinander denselben örtlichen Mittelpunkt bildeten, wie es im Streitfall mit den Nachbarstädten W und X gegeben sei. In diesen Fällen sei, da sich wegen der engen räumlichen Situation kein weiterer örtlicher Lebensmittelpunkt des Kindes bilden könne und somit lediglich ein Mittelpunkt gegeben sei, der örtliche Mittelpunkt der Lebensinteressen als Kriterium für die Haushaltsaufnahme nicht geeignet. An der Aufnahme in den elterlichen Haushalt fehle es daher, sobald das Kind einen eigenen Haushalt errichte, der in der Nähe des elterlichen Haushalts liege und die beiden Haushalte bzw. Wohnorte denselben Lebensmittelpunkt bildeten. Die Besuche bei den Eltern hätten dann -anders als bei einer entfernteren auswärtigen Unterbringung- lediglich Besuchscharakter.
Die Auffassung des FG, für die Haushaltsaufnahme eines auswärts studierenden Kindes bei den Eltern sei es unerheblich, ob dieses nach Beendigung seines Studiums beabsichtige, in den elterlichen Haushalt zurückzukehren, stehe in Widerspruch zu der bisherigen Rechtsprechung. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) sei bei einer räumlichen Trennung nur dann eine Familiengemeinschaft anzunehmen, wenn eine gesicherte Grundlage für die Annahme bestehe, dass die Trennung nur vorübergehend sei (BSG-Urteile vom 17. Mai 1988 10 RKg 10/86, SozR 3-5870 § 3 des Bundeskindergeldgesetzes -BKGG- Nr. 6, und vom 8. Dezember 1993 10 RKg 8/92, SozR 3-5870 § 2 BKGG Nr. 22; Urteile des FG Baden-Württemberg vom 29. Dezember 1998 9 K 230/97, Entscheidungen der Finanzgerichte -EFG- 1999, 564, und des Sächsischen FG vom 25. September 2002 5 K 440/02 (KG), EFG 2003, 332). Das örtliche Merkmal als Voraussetzung einer Haushaltsaufnahme sei nur gegeben, wenn die Trennung lediglich vorübergehend sei (BSG in SozR 3-5870 § 3 BKGG Nr. 6).
II. Die Beschwerde ist unbegründet. Sie wird durch Beschluss zurückgewiesen (§ 132 der Finanzgerichtsordnung -FGO-).
1. Die vom Kläger herausgestellte Rechtsfrage der Haushaltsaufnahme eines in räumlicher Nähe zur elterlichen Wohnung lebenden Kindes, das sich gleichwohl gelegentlich auch weiterhin in der elterlichen Wohnung aufhält, ist in der Rechtsprechung geklärt und daher nicht von grundsätzlicher Bedeutung i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO.
Das örtlich gebundene Zusammenleben zwischen Eltern und Kindern als Merkmal der Haushaltsaufnahme i.S. von § 64 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes bezieht sich auf die gemeinsame Familienwohnung als ortsbezogener Mittelpunkt der gemeinschaftlichen Lebensinteressen. Entgegen der Meinung des Klägers bestimmt sich das örtliche Merkmal der Haushaltsaufnahme somit nicht auf eine Gemeinde oder Region, sondern auf eine bestimmte Familienwohnung (BSG-Urteil in SozR 3-5870 § 3 BKGG Nr. 6). Dabei kann ein Kind, wenn es eine eigene Wohnung bewohnt, neben dem ihm mit dieser Wohnung ausschließlich zuzuordnenden Lebensmittelpunkt einen weiteren durch die gemeinschaftlichen Lebensinteressen begründeten Lebensmittelpunkt der Familie unterhalten (BSG-Urteil in SozR 3-5870 § 2 BKGG Nr. 22). Für die Frage der Haushaltsaufnahme ist bei einem Kind, das bisher ausschließlich in der elterlichen Wohnung gewohnt hat und zu Ausbildungszwecken eine Wohnung außerhalb der Familienwohnung bezieht, daher lediglich entscheidend, ob es in der elterlichen Wohnung weiterhin einen -ggf. weiteren- Lebensmittelpunkt unterhält. Das FG ist ausgehend von diesen Grundsätzen nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens zu der den Senat nach § 118 Abs. 2 FGO bindenden Würdigung der Tatumstände gelangt, dass N trotz ihres Aufenthalts in ihrer Wohnung in X weiterhin einen Lebensmittelpunkt in der Wohnung ihrer Mutter in W unterhalten hat.
2. Das FG-Urteil steht auch in Einklang mit den vom Kläger benannten Entscheidungen. Danach setzt das Bestehen einer Familiengemeinschaft bei einer räumlichen Trennung nicht in jedem Fall voraus, dass die Trennung voraussichtlich nur vorübergehend ist. Vielmehr gilt dieses Erfordernis nur dann, wenn die Unterbringung außerhalb der bisherigen Familienwohnung derart gestaltet ist, dass in der Familienwohnung kein ortsbezogener Mittelpunkt gemeinschaftlicher Interessen mehr besteht (BSG-Urteil in SozR 3-5870 § 2 BKGG Nr. 22). Auch bei einer räumlichen Trennung kann daher durchaus ein -weiterer- ortsbezogener Mittelpunkt gemeinschaftlicher Lebensinteressen des Kindes in der Familienwohnung bestehen, insbesondere wenn entsprechender Wohnraum vorgehalten wird und die Aufenthalte dort einen zeitlich bedeutsamen Umfang haben und nicht nur als bloße Besuche zu werten sind (BFH-Urteil vom 16. Dezember 2003 VIII R 67/00, BFH/NV 2004, 934). Bei volljährigen Studenten, die zum Zweck des Studiums auswärtig untergebracht sind, kann nicht ohne weiteres eine bestehende Haushaltsaufnahme als beendet angesehen werden. Es müssen vielmehr besondere Umstände hinzukommen, die auf eine dauerhafte Trennung vom elterlichen Haushalt schließen lassen (Senatsbeschluss vom 18. Februar 2008 III B 69/07, nicht veröffentlicht, mit Hinweis auf das Urteil des FG Rheinland-Pfalz vom 16. Juli 1998 4 K 2991/96, EFG 1998, 1437).
Ende der Entscheidung
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