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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 02.03.2009
Aktenzeichen: III B 4/07
Rechtsgebiete: EStG, GG, FGO


Vorschriften:

EStG § 63 Abs. 1 S. 1 Nr. 2
EStG § 64 Abs. 2 S. 2
GG Art. 6
FGO § 60 Abs. 3 S. 1
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I.

Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) erhielt im streitigen Zeitraum Januar 2004 bis Juni 2006 für ihre in ihrem Haushalt lebenden Kinder A (geboren 1993), B (geboren 2001) und C (geboren 2004) Kindergeld. Ihr Ehemann, mit dem sie seit 1999 verheiratet ist, bezog für seinen am ... Juni 1987 geborenen Sohn D, der im Juni 2006 seine Schulausbildung beendete, von Oktober 2003 bis Juni 2006 Kindergeld. Im Zeitraum März 2003 bis Januar 2004 lebten die Klägerin und ihr Ehemann dauernd getrennt.

Mit Schreiben vom 8. Juni 2005 beantragte die Klägerin, den Sohn ihres Ehemannes als Zählkind zu berücksichtigen und ihr für C als viertes Kind Kindergeld rückwirkend ab Januar 2004 in Höhe von 179 EUR zu gewähren. Die Beklagte und Beschwerdegegnerin (Familienkasse) lehnte im Bescheid vom 14. Juni 2005 eine Berücksichtigung von D als Zählkind ab, weil er nicht der leibliche Sohn der Klägerin sei und deshalb nur als Zählkind berücksichtigt werden könne, wenn er in ihrem Haushalt lebe. Der Einspruch der Klägerin war erfolglos.

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage als unbegründet ab. Nach § 63 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) seien Kinder des Ehegatten nur zu berücksichtigen, wenn sie vom Berechtigten in seinen Haushalt aufgenommen seien. D habe aber niemals zusammen mit der Klägerin in einem Haushalt gelebt. Er sei vielmehr nach seinem über einjährigen Auslandsaufenthalt im August 2004 in die ca. 50 qm große Eigentumswohnung seines Vaters gezogen. Da im Familienhaushalt für D weder ein Zimmer noch eine sonstige Unterkunftsmöglichkeit vorgehalten worden sei, hätten die Aufenthalte Ds in der Wohnung der Klägerin nur Besuchscharakter gehabt. Daher könne er nicht als Zählkind berücksichtigt werden. Für eine erweiternde Auslegung des Begriffs der Haushaltsaufnahme bei sog. "Patchwork-Familien" gebe es keine Veranlassung. Anhaltspunkte für eine Verfassungswidrigkeit der gesetzlichen Regelung seien nicht erkennbar. Bei § 63 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG handele es sich erkennbar um eine Ausnahmeregelung. Denn Stiefkinder würden nur dann in den Familienleistungsausgleich einbezogen, wenn durch die Haushaltsaufnahme im Rahmen der durch die Ehe begründeten Schwägerschaft eine der Unterhaltspflicht leiblicher Eltern vergleichbare Unterhaltssituation begründet werde, der sich der Berechtigte nicht entziehen könne.

Mit ihrer Beschwerde macht die Klägerin sinngemäß geltend, die Revision sei wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache und zur Fortbildung des Rechts zuzulassen. Die Entscheidung des FG verletze § 63 EStG und Art. 6 des Grundgesetzes (GG). Auch die sog. "Patchwork-Familie" unterliege dem Schutz des Art. 6 GG. Die "Berücksichtigung als Zählkind" sei entgegen der Auffassung des FG nicht von der Haushaltszugehörigkeit des Zählkindes abhängig. Außerdem gehöre D ungeachtet seines melderechtlichen Wohnsitzes zum Haushalt der Eheleute. D sei daher als Zählkind zu berücksichtigen. Das finanzgerichtliche Urteil beruhe zudem auf einem Verfahrensfehler, da das FG ihren Ehemann nicht nach § 60 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zum Verfahren beigeladen habe.

II.

Die Beschwerde ist unbegründet und wird durch Beschluss zurückgewiesen (§ 116 Abs. 5 Satz 1 FGO).

1.

Eine Zulassung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) oder zur Fortbildung des Rechts (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 1 FGO) kommt nicht in Betracht. Die von der Klägerin sinngemäß aufgeworfene Rechtsfrage, ob die Berücksichtigung als Zählkind von der Haushaltszugehörigkeit des Kindes abhängig ist oder nicht, ist nicht klärungsbedürftig. Die Rechtslage ist eindeutig. Die Rechtsfrage ist offensichtlich so zu beantworten, wie es das FG getan hat (vgl. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 115 Rz 28, m.w.N. zur ständigen Rechtsprechung).

a)

Gemäß § 63 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG steht einem Steuerpflichtigen für ein Kind seines Ehegatten nur Kindergeld zu, wenn er das Kind in seinen Haushalt aufgenommen hat, was im vorliegenden Fall unstreitig nicht zutrifft. Die Voraussetzung der Haushaltsaufnahme des Kindes gilt gleichermaßen für die Berücksichtigung eines Stiefkindes als Zählkind; die Aufnahme des Kindes in den (getrennten) Haushalt des leiblichen Vaters und Ehepartners genügt nicht. Denn nur, wenn das Stiefkind in den Haushalt des Steuerpflichtigen aufgenommen ist, besteht eine einem leiblichen Kind oder Pflegekind vergleichbare Unterhaltssituation.

In der Reihenfolge der Kinder werden neben den leiblichen Kindern nur diejenigen Kinder als sog. Zählkinder mitgezählt, für die der Berechtigte nur deshalb keinen Anspruch auf Kindergeld hat, weil für sie der Anspruch auf Kindergeld vorrangig einem anderen Berechtigten zusteht (§ 64 Abs. 2 oder Abs. 3 EStG) oder weil wegen des Vorliegens eines Ausschlusstatbestandes nach § 65 EStG oder entsprechender Vorschriften des über- oder zwischenstaatlichen Rechts der Anspruch ausgeschlossen ist (Dienstanweisung zur Durchführung des steuerlichen Familienleistungsausgleichs nach dem X. Abschnitt des Einkommensteuergesetzes 66.1 Satz 4, BStBl I 2004, 743, 801). Der Stiefelternteil ist aber nur dann Berechtigter, wenn er das Kind in seinen Haushalt aufgenommen hat.

Dem Ehemann der Klägerin bleibt es im Übrigen unbenommen, anstelle der Klägerin (und mit ihrer Zustimmung) einen Antrag auf Kindergeld für alle vier Kinder --auch soweit er nur Stiefvater ist-- zu stellen, so dass der Zählkind-Vorteil für das vierte und jüngste Kind (ab 1. Januar 2009 bereits ab dem dritten Kind s. Art. 1 des Familienleistungsgesetzes vom 22. Dezember 2008, BGBl. I 2008, 2955) gewährt werden kann (s. dazu das Beispiel unter Ziff. 5 des Merkblattes Kindergeld 2009 des Bundeszentralamts für Steuern, erhältlich bei den Familienkassen der Bundesagentur für Arbeit).

b)

Soweit die Klägerin die vermeintliche Benachteiligung von sog. "Patchwork-Familien" als mit Art. 6 GG unvereinbar rügt, ist die Beschwerde bereits unzulässig, da sie mangels näherer Begründung nicht den Darlegungsanforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO genügt.

2.

Die Klägerin rügt auch zu Unrecht, dass ihr Ehemann nicht notwendig beigeladen worden ist (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 i.V.m. § 60 Abs. 3 Satz 1 FGO). Gemäß § 60 Abs. 3 Satz 1 FGO sind Dritte beizuladen, wenn sie an dem streitigen Rechtsverhältnis derart beteiligt sind, dass die Entscheidung auch ihnen gegenüber nur einheitlich ergehen kann (notwendige Beiladung). Die Entscheidung über die Berücksichtigung des Zählkind-Vorteils für das jüngste Kind der Klägerin greift aber nicht unmittelbar gestaltend in die Rechtssphäre des Ehemannes der Klägerin ein, und zwar auch insoweit nicht, als dieser bei rechtskräftiger Zurückweisung der Klage ebenfalls keinen Zählkind-Vorteil mehr geltend machen kann. Diese Auswirkung steht nicht in einem ausreichenden sachlogischen und verfahrensrechtlichen Zusammenhang mit der Ablehnung des Zählkind-Vorteils gegenüber der Klägerin, sondern ist Folge von der durch die Klägerin und ihren Ehemann gemäß § 64 Abs. 2 Satz 2 EStG getroffenen Bestimmung des für die Kindergeldzahlung berechtigten Elternteils (vgl. auch Urteil des Bundesfinanzhofs vom 16. Dezember 2003 VIII R 67/00, BFH/NV 2004, 934 zum Streit zur Klärung der Konkurrenzsituation des § 64 EStG, in dem ebenfalls eine notwendige Beiladung verneint wird).

Ende der Entscheidung

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