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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 19.07.2000
Aktenzeichen: III B 46/99
Rechtsgebiete: InvZV, AO 1977, GesO, FGO


Vorschriften:

InvZV § 2
AO 1977 § 164 Abs. 1
GesO § 5 Nr. 2
GesO § 8 Abs. 2
FGO § 128 Abs. 1
FGO § 128 Abs. 2
FGO § 78 Abs. 1
FGO § 78 Abs. 1 Satz 1
FGO § 57 Nr. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe

I. Die B-GbR (GbR) wurde mit Gesellschaftsvertrag vom 20. März 1991 durch die Gesellschafter A und S gegründet. Gesellschaftszweck der GbR ist die Bewirtschaftung des landwirtschaftlichen Betriebes auf Gut B. Nach § 2 Abs. 1 des Gesellschaftsvertrages haben die Gesellschafter den Beginn der GbR auf den ... zurückbezogen. Zu dem genannten Datum haben die Gesellschafter mit dem damaligen Eigentümer des Gutes B, Herrn G, einen "Kaufvertrag" abgeschlossen, welcher auf den Kauf bzw. die Übernahme von dem Betrieb des Gutes B dienenden Wirtschaftsgütern zielte.

Mit ihrem am 27. Februar 1991 bei dem Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt --FA--) eingegangenen Antrag beantragte die GbR eine Investitionszulage für im Kalenderjahr 1990 (Streitjahr) getätigte Anlageinvestitionen gemäß § 2 der Investitionszulagenverordnung (InvZV). Das FA gewährte, nachdem es die rechtlichen Voraussetzungen der Investitionszulage im Rahmen einer bei der GbR durchgeführten Umsatzsteuer-Sonderprüfung überprüft hatte, mit Bescheid vom 24. November 1993 eine Zulage in Höhe von ... DM.

Mit ihrem hiergegen gerichteten Einspruch vom 23. Dezember 1993 machte die GbR geltend, das FA habe die Bemessungsgrundlage für die im Streitjahr zu gewährende Investitionszulage zu niedrig angesetzt. Im Einspruchsverfahren hob das FA mit Änderungsbescheid vom 18. Juli 1994 den gemäß § 164 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Investitionszulagenbescheid vom 24. November 1993 auf und setzte die Investitionszulage auf 0 DM fest. Zur Begründung trug das FA vor, die GbR sei --nach dem Ergebnis einer zwischenzeitlich durchgeführten erneuten Prüfung der rechtlichen Voraussetzungen für die Investitionszulage-- erst im Jahr 1991 gegründet worden und habe daher im Streitjahr noch keinen Anspruch auf Gewährung einer Investitionszulage gehabt. Mit der gleichen Begründung wies das FA den Einspruch der GbR vom 23. Dezember 1993 durch Einspruchsentscheidung vom 31. Januar 1997 als unbegründet zurück.

Unter dem 27. Februar 1997 erhob die GbR auf einem mit ihrem Briefkopf versehenen Schreiben Klage gegen die Einspruchsentscheidung des FA. Der Klageschriftsatz ist von beiden Gesellschaftern unterzeichnet. Einen Klageantrag oder eine Begründung enthielt die Klageschrift vom 27. Februar 1997 nicht. Das Rubrum eines von den Prozessbevollmächtigten der Gesellschafter am 11. August 1997 nachgereichten Klagebegründungsschriftsatzes weist demgegenüber als Kläger die "Gesellschafter der GbR, Frau S und Herr A" aus.

Mit Schreiben vom 23. September 1997 teilte das FA dem Finanzgericht (FG) mit, dass über das Vermögen der GbR mit Wirkung vom 3. September 1997 das Gesamtvollstreckungsverfahren eröffnet worden sei. Zum Verwalter über das Vermögen der GbR war von dem Amtsgericht gemäß § 5 Nr. 2 der Gesamtvollstreckungsordnung (GesO) Herr Rechtsanwalt Dr. K (Beschwerdeführer) bestimmt worden.

Der Beschwerdeführer hat am 20. Oktober 1997 Einsicht in die Gerichtsakten genommen; die Steuerakten lagen dem FG zu diesem Zeitpunkt noch nicht vor. Auf die an das FG herangetragene Bitte des Beschwerdeführers um Einsichtnahme der Steuerakten hat das FA dem FG durch Schreiben vom 11. Dezember 1997 mitgeteilt, Akteneinsicht an Amtsstelle werde nach Terminabsprache gewährt. Das Schreiben des FA vom 11. Dezember 1997 wurde nach Aktenlage nur den Prozessbevollmächtigten der Gesellschafter A und S, nicht aber dem Beschwerdeführer zur Kenntnis übermittelt.

Mit Schriftsatz vom 24. März 1999 teilten die Prozessbevollmächtigten der Gesellschafter dem FG mit, dass "die von den Gesellschaftern erhobene Klage vom 27.02.1997 ausweislich der beigefügten Erklärung der Gesellschafter A und S zurückgenommen wird".

Durch Beschluss vom 10. Mai 1999 stellte das FG das Verfahren mit der Begründung ein, die Klage sei durch Schreiben der Gesellschafter vom 24. März 1999 wirksam zurückgenommen worden. Das Gesamtvollstreckungsverfahren betreffend die GbR berühre die Klage ihrer Gesellschafter wegen der Frage der eigenen Steuerschuldnerschaft nicht.

Der Beschwerdeführer trat der Auffassung des FG entgegen; gleichzeitig beantragte er, Einsicht in die dem Gericht vorliegenden Steuerakten nehmen zu können. Mit Verfügung vom 12. Mai 1999 teilte das FG dem Beschwerdeführer indes mit, dass ein Akteneinsichtsrecht aus den im FG-Beschluss vom 10. Mai 1999 genannten Gründen nicht bestehe.

Mit Schriftsatz vom 21. Mai 1999 erhob der Beschwerdeführer Beschwerde gegen die Verfügung des FG vom 12. Mai 1999. Er wies darauf hin, dass die Klagerücknahme seitens der Gesellschafter unwirksam sei, da die ursprüngliche Klage von der GbR, nicht jedoch von den Gesellschaftern eingelegt worden sei und eine weitere Rechtsverfolgung von seiner --des Beschwerdeführers-- Entscheidung abhänge. Daher sei ihm Akteneinsicht zu gewähren.

Das FA beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

II. Die Beschwerde ist zulässig; insbesondere ist die Beschwerde gegen die Entscheidung des FG, dem Beschwerdeführer eine Einsichtnahme der Steuerakten zu verwehren, statthaft.

Nach § 128 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) steht den Beteiligten gegen Entscheidungen des FG, die nicht Urteile oder Vorbescheide sind, die Beschwerde an den Bundesfinanzhof (BFH) zu, soweit es sich nicht gemäß § 128 Abs. 2 FGO um prozessleitende Verfügungen handelt. Die Entscheidung des FG über die Frage, ob dem Beschwerdeführer, wie von diesem beantragt, gemäß § 78 Abs. 1 FGO Einsicht in die Steuerakten gewährt werden kann, ist indes keine prozessleitende Verfügung i.S. des § 128 Abs. 2 FGO (BFH-Beschlüsse vom 24. März 1981 VII B 64/80, BFHE 133, 8, BStBl II 1981, 475; vom 25. März 1997 VII B 31/97, BFH/NV 1997, 599).

Die Beschwerde ist auch begründet. Dem Beschwerdeführer war gemäß § 78 Abs. 1 Satz 1 FGO Einsicht in die dem Gericht mit Verfügung des FA vom 8. April 1999 vorgelegten Steuerakten zu gewähren, da die --gemäß § 8 Abs. 2 GesO von dem Beschwerdeführer vertretene-- GbR entgegen der Ansicht des FG Klägerin im finanzgerichtlichen Verfahren und damit Beteiligte i.S. des § 57 Nr. 1 FGO ist. Eine Auslegung der Klageschrift vom 27. Februar 1997 sowie der Klagebegründung vom 11. August 1997, die der Senat selbst vornehmen kann (vgl. Senatsentscheidung vom 14. November 1986 III R 12/81, BFHE 148, 212, BStBl II 1987, 178, m.w.N.), führt zu dem im Senatsbeschluss III B 45/99 vom heutigen Tage näher erläuterten Ergebnis, dass die Klage von der GbR und nicht lediglich von den Gesellschaftern A und S erhoben worden ist.

Da das FG von einer anderen Rechtsansicht ausgegangen ist, hat es das ihr im Rahmen des § 78 Abs. 1 Satz 1 FGO zustehende Ermessen zu Unrecht nicht ausgeübt. Diese Entscheidung hat das FG im Zuge des --auf die Beschwerde des Verwalters gegen den Einstellungsbeschluss des FG-- nunmehr fortzusetzenden Verfahrens unter Beachtung der Grundsätze des BFH-Beschlusses in BFHE 133, 8, BStBl II 1981, 475 neu zu treffen.



Ende der Entscheidung

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