Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 31.01.2006
Aktenzeichen: III B 57/05
Rechtsgebiete: AO 1977, FGO


Vorschriften:

AO 1977 § 89
FGO § 116 Abs. 3 Satz 3
FGO § 126a
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) stellte einen Antrag auf Investitionszulage für das Jahr 1993, dem der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) nach einer Nachschau teilweise entsprach. Später änderte das FA den unter Vorbehalt der Nachprüfung erlassenen Bescheid und setzte die Investitionszulage 1993 auf 0 DM fest, weil der Antrag auf Investitionszulage 1993 nicht vom Geschäftsführer der Klägerin, sondern von deren Prokuristin unterschrieben und deshalb unwirksam sei.

Der Investitionszulagenantrag für das Jahr 1994 war ebenfalls von der Prokuristin unterzeichnet. Nach Hinweis des FA auf die Unwirksamkeit des Bescheids reichte die Klägerin eine vom Geschäftsführer unterzeichnete Kopie des Investitionszulagenantrags ein und beantragte vergeblich Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Das FA setzte wegen der fehlerhaften Unterzeichnung auch die Investitionszulage 1994 auf 0 DM fest.

Gegen beide Bescheide erhob die Klägerin Klage, mit der sie sich auf Treu und Glauben berief. Der 3. Senat des Finanzgerichts (FG) Brandenburg gab der Klage durch Urteil vom 1. Juni 1999 3 K 212/97 I (Entscheidungen der Finanzgerichte ---EFG-- 1999, 915) hinsichtlich des Investitionszulagenbescheids 1994 statt und gewährte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, weil die fehlerhafte Unterzeichnung nicht allein durch den Rechtsirrtum der Klägerin, sondern wesentlich auch durch das Verhalten des FA verursacht worden sei. Denn das FA habe die Investitionszulage 1992 nach einer Sonderprüfung gewährt, obwohl der Antrag ebenfalls von der Prokuristin unterschrieben gewesen sei. Außerdem habe es die fehlerhafte Unterzeichnung des Investitionszulagenantrags 1993 weder bei der Nachschau noch beim Erlass des daraufhin unter Vorbehalt der Nachprüfung ergangenen Investitionszulagenbescheids 1993 beanstandet.

Hinsichtlich des Investitionszulagenbescheids 1993 wies das FG die Klage ab, weil es an der für einen Verstoß gegen Treu und Glauben erforderlichen Nachhaltigkeit fehle. Das FA habe vor Abgabe des Investitionszulagenantrags 1993 lediglich einmal die fehlerhafte Unterzeichnung durch die Prokuristin (im Investitionszulagenantrag 1992) nicht beanstandet. Der Vorbehalt der Nachprüfung im Investitionszulagenbescheid 1993 sei zwar rechtswidrig gewesen, soweit das FA bei der Nachschau die Voraussetzungen für die Investitionszulage abschließend geprüft habe. Da der Vorbehalt aber formell bestandskräftig geworden sei, habe das FA den Bescheid ändern dürfen.

Gegen das FG-Urteil legte nur das FA Revision ein. Nach Mitteilung des Senats, er halte die Revision einstimmig für unbegründet, nahm das FA seine Revision zurück.

Den Antrag der Klägerin, die Rückforderung der Investitionszulage 1993 aus sachlichen Billigkeitsgründen zu erlassen, lehnte das FA ab. Der 5. Senat des FG wies nach erfolglosem Einspruchsverfahren die Klage ab und ließ die Revision nicht zu.

Mit der Nichtzulassungsbeschwerde macht die Klägerin grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend. Es sei zu klären, ob ein Erlassgrund gegeben sei, wenn ein Rechtsirrtum des Anspruchsberechtigten durch einen Verstoß des FA gegen seine Hinweispflichten nach § 89 der Abgabenordnung (AO 1977) aufrechterhalten werde. Ferner sei zu entscheiden, ob die materiell rechtswidrige Festsetzung einer Investitionszulage unter Vorbehalt der Nachprüfung hinsichtlich der Punkte noch geändert werden dürfe, die zum Zeitpunkt der Festsetzung schon entscheidungsreif gewesen seien.

Entgegen der Auffassung des 5. Senats des FG sei die Entscheidung des 3. Senats im Festsetzungsverfahren (Urteil in EFG 1999, 915), dass bezogen auf die Investitionszulage 1993 noch kein Vertrauenstatbestand begründet worden sei, für das Erlassverfahren nicht bindend. Durch die Nichtbeanstandung der unzureichenden Unterschrift bei der Festsetzung der Investitionszulage 1992 und das Verhalten des FA nach Abgabe des Investitionszulagenantrags 1993 bei der Nachschau im März 1995 sowie der anschließenden Festsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung im April 1995 sei ein Vertrauensschutz entstanden. Bei einem Hinweis zu diesem Zeitpunkt hätte die Unterschrift nachgeholt und Wiedereinsetzung beantragt werden können.

II. Die Beschwerde ist unzulässig und deshalb durch Beschluss zu verwerfen (§ 132 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

1. Nach § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO sind die Gründe für die Zulassung der Revision (§ 115 Abs. 2 FGO) darzulegen. Wird grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend gemacht, ist darzutun, dass die Entscheidung des Rechtstreits von der Klärung einer zweifelhaften oder umstrittenen Rechtsfrage abhängt. Hierzu muss sich der Beschwerdeführer insbesondere mit der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) auseinander setzen.

Die Klägerin hat nicht ausgeführt, inwieweit die von ihr als rechtsgrundsätzlich bezeichneten Rechtsfragen klärungsbedürftig und für den Streitfall entscheidungserheblich sind.

a) Nach der Rechtsprechung des BFH kann ein eigenes Verschulden des Anspruchsberechtigten nach den Grundsätzen von Treu und Glauben unbeachtlich sein, wenn das FA aufgrund eines nachhaltigen Verhaltens einen Vertrauenstatbestand geschaffen hat. In seiner Mitteilung nach § 126a FGO im Verfahren gegen den Investitionszulagenbescheid 1994 hat der Senat unter Hinweis auf sein Urteil vom 14. September 1999 III R 78/97 (BFHE 189, 273, BStBl II 2000, 37) ausgeführt, er halte die Revision des FA gegen das FG-Urteil hinsichtlich des Investitionszulagenbescheids 1994 für unbegründet, weil das FA durch die Nichtbeanstandung der fehlerhaft unterzeichneten Anträge der Vorjahre einen nachhaltigen Vertrauenstatbestand geschaffen habe, der das Verschulden der Klägerin in den Hintergrund treten lasse.

Hinsichtlich des Investitionszulagenbescheids 1993 hatte der 3. Senat des FG in seinem Urteil in EFG 1999, 915 eine solche Nachhaltigkeit verneint, weil das FA vor Abgabe des Investitionszulagenantrags 1993 lediglich einmal die fehlerhafte Unterzeichnung, nämlich des Investitionszulagenantrags 1992 nicht beanstandet habe.

Die Klägerin stellt nicht in Frage, dass ein nachhaltiges Verhalten des FA vorliegen muss. Sie meint aber, es sei auch das Verhalten des FA nach Abgabe des Investitionszulagenantrags 1993 einzubeziehen. Dabei übersieht die Klägerin, dass Wiedereinsetzung nur bei schuldlosem Verhalten gewährt werden kann. Die als Verschulden zu wertende Nichtbeachtung des Hinweises im Antragsvordruck ist aber nur dann unbeachtlich, wenn das FA durch ein nachhaltiges Verhalten vor Abgabe des Antrags einen Vertrauenstatbestand geschaffen hat.

b) Ebenfalls nicht vorgetragen hat die Klägerin, warum klärungsbedürftig sein soll, dass ein rechtswidriger, aber bestandskräftig gewordener Vorbehalt der Nachprüfung das FA nicht zur Änderung der Festsetzung unter Vorbehalt berechtigt.

2. Auch eine Zulassung der Revision zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 2. Alt. FGO) kommt mangels ausreichender Darlegung nicht in Betracht.

Die Klägerin hat weder eine von dem FG-Urteil abweichende Entscheidung bezeichnet noch hat sie dargelegt, dass das FG-Urteil mit einem offensichtlichen Rechtsanwendungsfehler von erheblichem Gewicht im Sinne einer willkürlichen oder greifbar gesetzwidrigen Entscheidung behaftet ist (Senatsbeschluss vom 28. Juli 2003 III B 125/02, BFH/NV 2003, 1445).

Mit ihren Ausführungen, das FG habe zu Unrecht eine Bindung an das Urteil in EFG 1999, 915 im Verfahren gegen den Investitionszulagenbescheid 1993 angenommen, hat sie keine schwerwiegenden Fehler in diesem Sinn aufgezeigt. Im Übrigen ist die Entscheidung trotz der insoweit fehlerhaften Auffassung des FG im Ergebnis richtig, da es an einem nachhaltigen Vertrauenstatbestand gefehlt hat.

Ende der Entscheidung

Zurück