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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 21.02.2008
Aktenzeichen: III B 75/07
Rechtsgebiete: EStG, AO


Vorschriften:

EStG § 70 Abs. 2
EStG § 70 Abs. 3
EStG § 70 Abs. 4
AO § 173 Abs. 1 Nr. 2
AO § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) ist Vater der am ... Mai 1982 geborenen Tochter X, die vom 1. August 2002 bis zum 31. Juli 2004 eine Ausbildung als ... absolvierte. Die Beklagte und Beschwerdegegnerin (Familienkasse) hob durch Bescheid vom 9. März 2005 die Festsetzung von Kindergeld ab Januar 2003 auf, da nach ihrer Ansicht die Einkünfte und Bezüge von X den maßgeblichen Grenzbetrag überschritten (§ 32 Abs. 4 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes --EStG--) und forderte das für den Zeitraum Januar 2003 bis Juni 2004 gezahlte Kindergeld von 2 772 € zurück. Der Bescheid erwuchs in Bestandskraft.

Im Dezember 2005 stellte der Kläger erneut einen Antrag auf Kindergeld und legte eine Ausbildungsbescheinigung vor, aus der hervorgeht, dass X Ausbildungsvergütungen von 8 680,49 € (2003) und 4 122,61 € (Januar bis Juni 2004) erhalten hatte; in den Beträgen waren Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung von 1 762,88 € bzw. 834,70 € enthalten. Die Familienkasse lehnte durch Bescheid vom 28. Dezember 2005 die Gewährung von Kindergeld ab, da die Voraussetzungen für eine Änderung des Bescheids vom 9. März 2005 nicht vorlägen.

Mit Schreiben vom 4. Januar 2006 legte der Kläger Einspruch gegen den Bescheid vom 28. Dezember 2005 ein und führte aus, ein Mitarbeiter der Familienkasse habe ihn bei einer Vorsprache im Juli 2004 auf die Aussichtslosigkeit eines etwaigen Einspruchs gegen den noch zu erlassenden Aufhebungs- und Rückforderungsbescheid hingewiesen. Bei einer späteren Unterredung seines Steuerberaters habe der Mitarbeiter erklärt, ihm, dem Kläger, stehe rückwirkend Kindergeld zu, da zum Zeitpunkt des Ablehnungsbescheids noch nicht bekannt gewesen sei, dass Sozialversicherungsbeiträge bei Ermittlung der eigenen Einkünfte und Bezüge von X abzuziehen seien. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sei nicht erforderlich.

Die Familienkasse wies den Rechtsbehelf des Klägers gegen den Bescheid vom 28. Dezember 2005 als unbegründet zurück, auch die anschließend erhobene Klage hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) führte u.a. aus, trotz des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 11. Januar 2005 2 BvR 167/02 (BVerfGE 112, 164, BFH/NV 2005, Beilage 3, 260) könne der bestandskräftige Aufhebungsbescheid vom 9. März 2005 nicht nach § 70 Abs. 2 bis 4 EStG, nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 der Abgabenordnung (AO) oder nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO geändert werden. Die Familienkasse sei auch nicht verpflichtet gewesen, den Kläger auf das beim BVerfG anhängige, die Berücksichtigung von Sozialversicherungsbeiträgen betreffende Verfahren hinzuweisen.

Zur Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde trägt der Kläger vor, die Rechtssache habe grundsätzliche Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Zu klären sei zum einen die Frage, ob die mündlich erteilte Auskunft der Familienkasse, wonach ein Einspruch gegen einen noch zu erlassenden Verwaltungsakt aussichtslos sei, gegen den Grundsatz von Treu und Glauben verstoße, wenn der Rechtsbehelf, der bei einer Einlegung Erfolg gehabt hätte, wegen der Auskunft nicht eingelegt worden sei. Zum anderen sei die Frage grundsätzlich bedeutsam, ob eine Behörde bei einer Auskunft zu den Erfolgsaussichten eines Rechtsbehelfs auch auf einschlägige Verfahren, die bei den FG, beim Bundesfinanzhof (BFH) oder beim BVerfG anhängig seien, hinweisen müsse. Die Rechtsfragen seien bislang noch nicht höchstrichterlich entschieden worden. Sollte die Auskunft des Mitarbeiters gegen den Grundsatz von Treu und Glauben verstoßen haben, so wären die angefochtenen Verwaltungsakte und auch das Urteil des FG rechtswidrig. Er, der Kläger, wäre in diesem Fall so zu behandeln, als ob er rechtzeitig Einspruch gegen den Bescheid vom 9. März 2005 eingelegt hätte.

II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Sie ist deshalb durch Beschluss zurückzuweisen (§ 132 FGO).

1. Der Kläger begehrt die Klärung der Frage, ob die Auskunft eines Mitarbeiters der Familienkasse, der zufolge ein Rechtsbehelf gegen einen noch zu erlassenden Aufhebungs- und Rückforderungsbescheid keine Erfolgsaussichten hätte, gegen den Grundsatz von Treu und Glauben verstößt. Er strebt somit nicht die Klärung einer abstrakten Rechtsfrage an, sondern die Prüfung eines Verstoßes gegen den Grundsatz von Treu und Glauben im konkreten Einzelfall. Diese Zielsetzung rechtfertigt jedoch nicht die Zulassung der Revision (s. BFH-Beschluss vom 9. Mai 2007 IX B 15/07, BFH/NV 2007, 1454).

Im Übrigen ist die vom Kläger aufgezeigte Rechtsfrage schon deshalb nicht klärbar, weil eine unrichtige Rechtsauskunft --sollte eine solche überhaupt anzunehmen sein-- noch nicht gegen Treu und Glauben verstößt. Die Frage von Treu und Glauben kann sich stellen, wenn ein Steuerpflichtiger oder ein Kindergeldberechtigter von einer Behörde eine unzutreffende Rechtsauskunft erhalten und im Hinblick darauf Dispositionen getroffen oder unterlassen hat. Eine unrichtige Rechtsauskunft der Familienkasse hätte im Streitfall jedoch nicht zur Folge gehabt, dass der Ablehnungsbescheid vom 28. Dezember 2005 deshalb als rechtswidrig anzusehen wäre. Sie könnte allenfalls bei der Prüfung einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 110 AO) wegen Versäumung der Einspruchsfrist gegen den Aufhebungs- und Rückforderungsbescheid vom 9. März 2005 von Bedeutung sein (s. Klein/Brockmeyer, AO, 9. Aufl., § 110 Rz 18). Dieser Bescheid war jedoch nicht Gegenstand des finanzgerichtlichen Verfahrens.

2. Die vom Kläger aufgeworfene Rechtsfrage, ob Mitarbeiter der Familienkasse verpflichtet sind, auf anhängige Gerichtsverfahren hinzuweisen, deren Ausgang sich für einen Kindergeldberechtigten günstig auswirken könnte, wäre in einem Revisionsverfahren ebenfalls nicht klärbar. Denn auch die Verletzung einer derartigen Pflicht wäre allenfalls für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand von Bedeutung. Der Aufhebungs- und Rückforderungsbescheid vom 9. März 2005 war jedoch, wie ausgeführt, nicht Prüfungsgegenstand.

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