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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 07.08.2008
Aktenzeichen: III B 97/08
Rechtsgebiete: EStG, AO, FGO


Vorschriften:

EStG § 33
EStG § 32a Abs. 1 Satz 2
EstG § 31
EStG § 32 Abs. 6
EStG § 33b
AO § 351 Abs. 1
FGO § 116 Abs. 3 Satz 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) hat am 10. Oktober 2006 wegen Einkommensteuer 2001 bis 2005 Klage erhoben und beantragt:

"1. Es ist anzuordnen, dass das Finanzamt für die Jahre 2001 bis 2005 gemäß der Einsprüche pro Jahr 7 020 € als außergewöhnliche Belastung nach § 33 EStG anzuerkennen und die Steuerbescheide zu ändern hat. Hierbei handelt es sich um den Einsatzbetrag für den behinderungsbedingten Kindesunterhalt, der dem BVerfG/Entscheidungen und Existenzminimum nach §§ 41 ff. SGB XII entspricht, laufend erbracht wurde und wird. Ein amtlicher Nachweis hierüber wurde dem Amt zur Verfügung gestellt.

2. Das Finanzamt ist rückwirkend und zukünftig zu verurteilen, sich an die gesetzlichen und höchstrichterlichen Entscheidungen bei der Einkommensteuerveranlagung zu halten und nicht nach 'Gutdünken' und Bedenken zu bescheiden. Gleichfalls ist es zu verurteilen, dass der Bürger nicht diskriminiert, erniedrigt und zum Sozialhilfeempfänger degradiert wird ... ."

Das Finanzgericht (FG) wies die nach erfolglosem Vorverfahren erhobene Klage als unbegründet ab. Hinsichtlich des Streitjahres 2001 habe der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) den Einspruch des Klägers gegen den Einkommensteuerbescheid zu Recht als unzulässig verworfen. Gemäß § 351 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO) könnten Verwaltungsakte, die unanfechtbare Verwaltungsakte änderten, nur insoweit angegriffen werden, als die Änderung reiche. Hinsichtlich der Streitjahre 2002 bis 2004 habe das FA die Anträge des Klägers auf Änderung der bestandskräftigen Einkommensteuerbescheide für diese Jahre zu Recht mangels Rechtsgrundlage abgelehnt. Es sei insoweit nicht zu erkennen, dass der Kläger gegen die Einkommensteuerbescheide für 2002 und 2003 jeweils in der Fassung der Bescheide vom 22. März 2005 sowie für 2004 Einspruch eingelegt habe.

Unabhängig von der Frage, ob jedenfalls die Einkommensteuerbescheide für 2002 und 2003 noch nach § 164 Abs. 2 AO änderbar seien, habe der Kläger keinen Anspruch auf den von ihm der Sache nach beantragten Abzug der von ihm errechneten Beträge "von der Steuer". Aus diesem Grunde sei auch die gegen den Einkommensteuerbescheid für 2005 erhobene Klage unbegründet. Die steuerliche Freistellung eines Einkommensbetrages in Höhe des Existenzminimums werde bei zusammen veranlagten Ehegatten durch den doppelten Grundfreibetrag des § 32a Abs. 1 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG), das Existenzminimum eines Kindes einschließlich des Bedarfs für Betreuung und Erziehung oder Ausbildung werde daneben gemäß § 31 EStG durch die Freibeträge nach § 32 Abs. 6 EStG oder durch das Kindergeld bewirkt.

Daneben werde der Behindertenpauschbetrag des § 33b EStG gewährt für Aufwendungen, die einem behinderten Menschen in Folge seiner Behinderung erwüchsen. Stehe der Behindertenpauschbetrag einem Kind zu, für das der Steuerpflichtige einen Kinderfreibetrag oder Kindergeld erhalte, so werde der Pauschbetrag auf Antrag auf den Steuerpflichtigen übertragen, wenn ihn das Kind nicht in Anspruch nehme. Dann aber bestehe für Aufwendungen, für die der Behindertenpauschbetrag gelte, daneben kein Anspruch auf eine Steuerermäßigung nach § 33 EStG (§ 33b Abs. 5 Satz 4 EStG). Auch den Behindertenpauschbetrag habe der Kläger jeweils erhalten.

Die Freibeträge seien auch der Höhe nach nicht zu beanstanden. Die Grundfreibeträge dürften nach den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) die Regelsätze der Sozialhilfe nicht unterschreiten. Diesen Vorgaben genügten die Grundfreibeträge der hier streitigen Jahre. Es lägen auch keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die in § 32 Abs. 6 EStG gewährten Freibeträge in ihrer Höhe nicht den Vorgaben durch das BVerfG genügten. Die Höhe des Behindertenpauschbetrages schließlich sei verfassungsrechtlich ebenfalls nicht zu beanstanden. Da mithin das Existenzminimum der Familie des Klägers bereits steuerlich freigestellt worden sei, sei für die begehrte, quasi nochmalige Freistellung des Existenzminimums im Wege des zusätzlichen Abzugs von der Steuer oder --wie ursprünglich beantragt-- im Wege der zusätzlichen Anerkennung berechneter Unterhaltsleistungen als außergewöhnliche Belastung nach § 33 EStG kein Raum.

Dagegen wendet sich der Kläger mit seiner Beschwerde, mit der er die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung begehrt. Die angefochtene Entscheidung werde in seinem Fall den Vorgaben des BVerfG hinsichtlich der steuerlichen Freistellung des Existenzminimums nicht gerecht. Das BVerfG habe in seinen Entscheidungen vom 10. November 1998 2 BvR 1220/93 (BStBl II 1999, 193) und 2 BvR 1852/97 u.a. (BStBl II 1999, 194) klargestellt, dass das sozialhilferechtliche Existenzminimum die Untergrenze des einkommensteuerrechtlichen Existenzminimums darstelle. Der sich nach sozialhilferechtlichen Gesichtspunkten errechnende Betrag, welcher einer Familie zur Verfügung stehe, habe damit steuerfrei zu bleiben und der Familie ungeschmälert zur Verfügung zu stehen. Die angefochtene Entscheidung führe an, dass die Berücksichtigung der gesetzlich vorgesehenen Freibeträge diesem Anliegen gerecht werde. Dies sei indes nicht der Fall. Die sozialhilferechtliche Berechnung der Einkommensgrenze habe ergeben, dass das Familieneinkommen des Klägers und seiner Familie unter Berücksichtigung sämtlicher Belastungen das Maß des einzusetzenden Einkommens unterschreite und damit nicht zur Deckung des errechneten Existenzminimums ausreiche. Soweit das FG in seiner Entscheidung darauf abhebe, mit der Gewährung pauschaler Freibeträge sei dieses Ziel erreicht, übersehe es, dass ausweislich der sozialhilferechtlichen Berechnungen dem Kläger und seiner Familie dieses Existenzminimum tatsächlich nicht zur Verfügung stehe. Im konkreten Einzelfall bleibe damit das Existenzminimum des Klägers und seiner Familie nicht erhalten.

II. Die Beschwerde ist unzulässig und deshalb zu verwerfen.

Der geltend gemachte Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung wurde nicht in einer den Voraussetzungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) genügenden Art und Weise dargelegt.

1. Eine erfolgreiche Berufung auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung erfordert die substantiierte Darlegung der Klärungsbedürftigkeit einer hinreichend bestimmten Rechtsfrage, die im konkreten Streitfall voraussichtlich auch klärbar ist. Dazu hat sich der Beschwerdeführer insbesondere mit der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH), den Äußerungen im Schrifttum sowie mit veröffentlichten Verwaltungsmeinungen auseinander zu setzen. Wird --wie im Streitfall-- die Verfassungswidrigkeit einer Norm geltend gemacht, so sind zur substantiierten Darlegung darüber hinaus an den verfassungsrechtlichen Vorgaben des Grundgesetzes orientierte Ausführungen unter Einbeziehung der Rechtsprechung des BVerfG erforderlich (BFH-Beschluss vom 27. Februar 2008 VI B 59/07, BFH/NV 2008, 981).

2. Diesen gesetzlichen Anforderungen einer substantiierten Darlegung genügt die Beschwerdebegründung nicht. Der Kläger hat weder eine abstrakte Rechtsfrage aufgeworfen noch deren Klärungsbedürftigkeit im Interesse der Allgemeinheit dargelegt. Auch gehen die Beteiligten davon aus, dass die Entscheidung des FG dem EStG entspricht. Soweit die Nichtzulassungsbeschwerde dahingehend verstanden werden kann, dass es aus verfassungsrechtlichen Gründen geboten sei, das Existenzminimum behinderter Menschen höher anzusetzen als das nicht behinderter, hätte sich der Kläger damit auseinander setzen müssen, woraus sich eine solche Forderung ergibt, in welcher Weise das EStG die Sonderbedürfnisse behinderter Menschen berücksichtigt und ob sie durch das geltende EStG in hinreichender Weise berücksichtigt worden sind.

In der Beschwerde ist auch nicht dargelegt, inwieweit eine weitergehende Entlastung des Existenzminimums behinderter Menschen in Literatur und Rechtsprechung umstritten ist oder gefordert wird. Der Kläger hätte sich hier auch mit der Frage auseinander setzen müssen, ob nicht das Zusammenwirken zwischen dem bei allen Steuerpflichtigen freigestellten Existenzminimum und der Berücksichtigung zusätzlicher Belastungen seiner volljährigen behinderten Tochter durch den Familienleistungsausgleich, Ausbildungsfreibeträge, Behindertenpauschbetrag und insbesondere auch der Möglichkeit, zusätzliche individuelle Belastungen durch Einzelnachweise als außergewöhnliche Belastungen geltend zu machen, zur Erzielung eines sachgerechten Ergebnisses ausgereicht hätte. Einen Einzelnachweis behinderungsbedingter Mehraufwendungen hat der Kläger indes nicht erbracht.



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