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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 19.01.1999
Aktenzeichen: III K 2/98
Rechtsgebiete: InvZulG 1991, FGO, ZPO


Vorschriften:

InvZulG 1991 § 2 Satz 1
FGO § 56 Abs. 2
FGO § 134
FGO § 90 Abs. 1 Satz 2
FGO § 121
ZPO § 578 ff.
ZPO § 579
ZPO § 580
ZPO § 587
ZPO § 589
ZPO § 587 2. Halbsatz
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe

I. Das Finanzgericht (FG) hatte die Klage der Klägerin, Revisionsklägerin und Antragstellerin (Antragstellerin) gegen den Beklagen, Revisionsbeklagten und Antragsgegner (Finanzamt --FA--) wegen Gewährung einer Investitionszulage nach § 2 Satz 1 des Investitionszulagengesetzes 1991 (InvZulG 1991) für die Kosten für einen sog. Ladeneinbau und eine Klimaanlage in einem Ladenlokal als unbegründet abgewiesen.

Mit Beschluß vom 18. Dezember 1997, welcher dem Prozeßvertreter der Antragstellerin mit Postzustellungsurkunde am 22. Januar 1998 zugestellt worden war, hatte der erkennende Senat die Revision gegen das Urteil des FG vom 10. November 1993 zugelassen. Die Antragstellerin legte durch ihren Prozeßvertreter erst mit Schriftsatz vom 24. April 1998 Revision ein und beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Revisionsfrist.

Mit Beschluß vom 9. Oktober 1998 III R 20/98 hat der erkennende Senat die Revision als unzulässig verworfen, weil sowohl die Revision als auch deren Begründung verspätet gewesen seien. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der vorgenannten Fristen gewährte der erkennende Senat nicht, da die Antragstellerin jedenfalls die Wiedereinsetzungsfrist von zwei Wochen nach dem Wegfall des Hindernisses versäumt habe (vgl. § 56 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

Gegen den am 26. Oktober 1998 mit einfacher Post bekanntgegebenen Beschluß richtet sich der am 11. November 1998 gestellte Antrag auf Wiederaufnahme des Revisionsverfahrens III R 20/98. Zur Begründung des Wiederaufnahmeantrags wird geltend gemacht, der Prozeßvertreter sei sich dessen bewußt, angesichts des verfahrensfehlerhaften Verhaltens keinen Rechtsanspruch auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu haben. Indessen habe auch der Bundesfinanzhof (BFH) keine ganz fehlerfreie Entscheidung getroffen. Es habe eine Verkettung unglücklicher Umstände vorgelegen. Der Prozeßvertreter sei einem sehr unglücklichen Denkfehler unterlegen. Die Revision sei, nachdem der Prozeßvertreter die Verfahrenslage erkannt habe, umgehend am 24. März 1998 und damit nur einen Tag nach Ablauf der Revisionsbegründungsfrist am 23. März 1998 eingelegt worden. Der Prozeßvertreter sei aufgrund fehlerhafter Hinweise des FG und des BFH einem Denkfehler unterlegen. Insbesondere sei entgegen der Annahme des BFH in dem angefochtenen Beschluß vom 9. Oktober 1998 das Mißverständnis nicht spätestens mit dem Hinweis des FG am 2. März 1998 weggefallen gewesen; denn der lapidare Hinweis des FG auf die FGO sei nicht ausreichend gewesen. Der Prozeßvertreter sei subjektiv auch noch zu diesem Zeitpunkt überzeugt gewesen, nicht fehlerhaft gehandelt zu haben.

Mit weiterem Schriftsatz vom 20. November 1998 trägt die Antragstellerin vor, die Darstellung des Fristablaufs in dem angefochtenen Beschluß vom 9. Oktober 1998 entspreche nicht den Tatsachen. Ausweislich der vom Prozeßvertreter gefertigten Telefonnotiz vom 24. April 1998 sei ihm aufgrund eines Telefonats mit dem Vorsitzenden Richter beim FG erst an diesem Tage klargeworden, daß die Frist zur Einlegung der Revision bereits abgelaufen gewesen sei. Weshalb diese Erkenntnis erst so spät gewonnen worden sei, lasse sich schwer bestimmen. Jedenfalls liege keine Fahrlässigkeit vor, sondern eine Verkennung der rechtlichen Situation.

Die Antragstellerin beantragt sinngemäß, den Beschluß des BFH vom 9. Oktober 1998 III R 20/98 aufzuheben und über ihre Revision gegen das Urteil des FG vom 10. November 1993 zu entscheiden.

Das FA beantragt, den Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens als unzulässig zu verwerfen.

II. Der Antrag auf Wiederaufnahme des Revisionsverfahrens ist unzulässig und muß deshalb abgewiesen werden.

1. Ein rechtskräftig beendetes Verfahren kann gemäß § 134 FGO nach den Vorschriften der Zivilprozeßordnung --ZPO-- (§ 578 ff.) wiederaufgenommen werden. Danach kann die Wiederaufnahme durch Nichtigkeitsklage (§ 579 ZPO) in Fällen besonders schwerwiegender Verfahrensverstöße und durch Restitutionsklage (§ 580 ZPO) bei schwerwiegenden inhaltlichen Mängeln der angefochtenen Entscheidung erfolgen. Auch ein nicht durch rechtskräftiges Endurteil (vgl. § 578 ZPO), sondern durch einen Beschluß rechtskräftig beendetes Verfahren kann wiederaufgenommen werden. In diesem Falle ist anstelle einer Klage ein Antrag auf Wiederaufnahme zu stellen (vgl. BFH-Beschluß vom 29. Januar 1992 VIII K 4/91, BFHE 165, 569, BStBl II 1992, 252, unter Ziff. 1 der Gründe, m.w.N.).

2. a) Unbeschadet der weiteren Zulässigkeitsvoraussetzungen des Wiederaufnahmeantrags ist der Antrag bereits deshalb unzulässig, weil ein Wiederaufnahmegrund nicht ausreichend dargelegt worden ist (vgl. §§ 578, 579, 587, 589 ZPO i.V.m. § 134 FGO).

Die Zulässigkeit eines Antrags auf Wiederaufnahme des Verfahrens erfordert nicht nur Angaben darüber, nach welchem der vom Gesetz vorgesehenen Verfahren die Wiederaufnahme begehrt wird (vgl. § 587 ZPO), sondern vor allem auch die schlüssige Behauptung einer der im Gesetz aufgeführten Nichtigkeits- (§ 579 ZPO) oder Restitutionsgründe (§ 580 ZPO). Zwar gehört die Bezeichnung des Anfechtungsgrundes (§ 588 Abs. 1 Nr. 1 ZPO) nicht zum gesetzlich vorgeschriebenen Mindestinhalt der Klage- oder Antragsschrift. Daraus folgt aber nur, daß die Tatsachen, aus denen sich der Wiederaufnahmegrund ergeben soll, nicht schon innerhalb der Klagefrist vorgetragen werden müssen; sie können in einem späteren Schriftsatz nachgeschoben werden. Es besteht jedoch Einigkeit darüber, daß die schlüssige Behauptung eines nach §§ 579, 580 ZPO erheblichen Wiederaufnahmegrundes zur Zulässigkeit der Wiederaufnahmeklage oder eines entsprechenden Antrags gehört (BFH in BFHE 165, 569, BStBl II 1992, 252, unter Ziff. 3 der Gründe, m.umf.N.; BFH-Beschluß vom 25. Februar 1992 IV K 1/91, BFHE 167, 287, BStBl II 1992, 625, unter Ziff. 2 der Gründe, m.w.N.).

Beide Arten von Wiederaufnahmeverfahren sind nur unter den jeweils abschließend aufgeführten Voraussetzungen statthaft (vgl. BFH-Beschluß vom 22. März 1994 VII E 13, 14/93, BFH/NV 1995, 36; Gräber/von Groll, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl., § 134 Anm. 1 und 5, m.w.N.).

b) Der vorliegende Wiederaufnahmeantrag erfüllt diese Voraussetzungen nicht.

Die Antragstellerin erklärt bereits nicht, welche Klage bzw. welchen Antrag sie konkret erheben will (vgl. § 587 2. Halbsatz ZPO i.V.m. § 134 FGO).

Abgesehen davon lassen sich die von der Antragstellerin geltend gemachten rechtlichen Gesichtspunkte auch keinem Wiederaufnahmegrund i.S. der §§ 579, 580 ZPO zuordnen.

Insbesondere enthalten diese Regelungen keinen Wiederaufnahmegrund für den Fall, daß ein Prozeßvertreter --verschuldet oder unverschuldet-- aus fehlender Kenntnis der verfahrensrechtlichen Bestimmungen oder auch nur aus Irrtum über die gebotenen verfahrensrechtlichen Schritte, eine zugelassene Revision verspätet eingelegt hat (vgl. BFH-Beschluß vom 24. April 1985 I S 8-11/85, BFH/NV 1986, 233). Ebensowenig wird ein gesetzlicher Wiederaufnahmegrund mit der weiteren Behauptung dargetan, der BFH habe die Frist für den Antrag auf Wiedereinsetzung wegen Versäumung der Revisions- und der Revisionsbegründungsfrist zu Unrecht als abgelaufen gewürdigt. Eine vermeintliche Unrichtigkeit der Vorentscheidung wegen fehlerhafter Würdigung von Tatsachen stellt jedenfalls keinen Wiederaufnahmegrund dar (vgl. Offerhaus in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 10. Aufl., § 134 FGO Rz. 31 unter Hinweis auf den BFH-Beschluß vom 11. November 1981 I B 41/81, nicht veröffentlicht).

3. Der Senat braucht nicht abschließend zu entscheiden, ob das von einem Prozeßvertreter als Wiederaufnahmeantrag gestellte Prozeßbegehren in eine --ausnahmsweise-- gegen abschließende Entscheidungen eines Obersten Gerichts statthafte sog. Gegenvorstellung umgedeutet werden könnte (vgl. BFH in BFH/NV 1995, 36; ferner Gräber/Ruban, a.a.O., Vor § 115 Anm. 26, m.w.N.). Denn eine Gegenvorstellung wird ohnehin nur in Betracht gezogen in Fällen einer Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (vgl. Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes --GG--), bei einem Verstoß gegen das Gebot des gesetzlichen Richters (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG) oder in Fällen, in denen die angefochtene Entscheidung jeglicher gesetzlicher Grundlage entbehrt und auf sachfremden Erwägungen beruht (vgl. Art. 3 Abs. 1 GG; Gräber/ Ruban, a.a.O., Vor § 115 Rz. 27, m.w.N.).

Mit der bloßen Behauptung einer unzutreffenden rechtlichen Würdigung legt die Antragstellerin indessen einen derart schwerwiegenden Mangel der angefochtenen Entscheidung nicht dar.

4. Nachdem über die vorausgegangene Revision durch Beschluß entschieden worden war, ist auch über den Wiederaufnahmeantrag durch Beschluß zu befinden (vgl. §§ 90 Abs. 1 Satz 2, 121 FGO; BFH-Beschluß vom 13. Februar 1986 III K 1/85, BFHE 154, 500, BStBl II 1986, 415).

Ende der Entscheidung

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