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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 21.02.2008
Aktenzeichen: III R 105/06
Rechtsgebiete: EStG
Vorschriften:
EStG § 33b |
Gründe:
I. Der 1939 geborene Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist infolge einer 1994 erlittenen ungeklärten Erkrankung schwer behindert und gehunfähig (Grad der Behinderung 100); bei ihm wurden die Merkzeichen aG (Außergewöhnliche Gehbehinderung), B (Berechtigung zur Mitnahme einer Begleitperson bei der Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel) und H (Hilflos) festgestellt. Wegen seiner Körpergröße (1,94 m, 90 kg) benötigte er einen besonderen Rollstuhl. Um diesen transportieren zu können, leasten die Kläger im Juni 1996 einen gebrauchten VW-Bus (Kilometerstand 26 500), den sie nach Ablauf der Leasingdauer im Juni 1999 für 32 068,20 DM erwarben. Das Fahrzeug war vom Leasinggeber für ca. 20 000 DM mit einer im Kfz-Schein eingetragenen speziellen seitlichen Hubvorrichtung ausgestattet worden.
Vom 28. Juni 1996 bis zum 6. Oktober 2005 wurden mit dem Fahrzeug lediglich 13 139 km zurückgelegt, davon 4 218 km in der Zeit vom 28. Juni 1996 bis zum 19. Januar 1998, 969 km zwischen dem 19. Januar 1998 und dem 29. November 1999 und 3 133 km vom 29. November 1999 bis zum 21. November 2003.
Die Kläger machten in ihren Einkommensteuerklärungen Aufwendungen von 24 537 DM (Leasingraten, Leasing-Sonderzahlung, Versicherung und Benzin) für das Jahr 1996 und 13 029 DM (Leasingraten, 20 % Absetzungen für Abnutzung --AfA-- seit Erwerb, Versicherung, Benzin, Reparaturen) für das Jahr 1999 als außergewöhnliche Belastung geltend, die der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) nicht bzw. nur teilweise zum Abzug zuließ.
Auf die Einsprüche der Kläger berücksichtigte das FA in der gemeinsamen Einspruchsentscheidung für das Jahr 1996 Aufwendungen in Höhe von 8 877 DM neben dem Pauschbetrag nach § 33b des Einkommensteuergesetzes (EStG) in Höhe von 7 200 DM und für das Jahr 1999 Aufwendungen in Höhe von 20 189 DM anstelle des Pauschbetrages als außergewöhnliche Belastung, jeweils vor Minderung durch die zumutbare Belastung. In den Aufwendungen waren Fahrtkosten enthalten, und zwar für das Jahr 1996 in Höhe von 3 500 DM (1 500 km je 1 DM zuzüglich der halben AfA für die Hubvorrichtung in Höhe von 2 000 DM bei einer angenommenen Nutzungsdauer von fünf Jahren) und für das Jahr 1999 in Höhe von 7 000 DM (3 000 km zu je 1 DM und AfA für die Hubvorrichtung in Höhe von 4 000 DM).
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab. Es führte aus, Fahrtkosten behinderter Menschen könnten nur im Rahmen der Angemessenheit als außergewöhnliche Belastung abgezogen werden. Angemessen seien bis zu 15 000 km jährlich mit dem Pauschbetrag von 0,52 DM/km. Das FA habe, indem es den Pauschbetrag auf 1 DM/km erhöht und daneben 4 000 DM AfA für die Hubvorrichtung anerkannt habe, den von der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) gezogenen Rahmen deutlich überschritten.
Die Kläger tragen mit ihrer Revision vor, die jährliche Fahrleistung habe lediglich ca. 40 % der Fahrleistung betragen, die dem Senatsurteil vom 18. Dezember 2003 III R 31/03 (BFHE 205, 74, BStBl II 2004, 453) zugrunde gelegen habe. Diese Abweichung sei erheblich und rechtfertige die Überschreitung der für Werbungskosten und Betriebsausgaben geltenden Pauschbeträge, denn die Typisierung durch die Pauschbeträge würde bei einer derartig geringen Fahrleistung zu einem völlig unzutreffenden Ergebnis führen. Das FG habe zudem nicht berücksichtigt, dass er --der Kläger-- kein normales Fahrzeug habe benutzen können. Da nach der Rechtsprechung des Senats (Urteil in BFHE 205, 74, BStBl II 2004, 453) an Stelle der Pauschbeträge die für die Inanspruchnahme eines behindertengerechten öffentlichen Verkehrsmittels entstehenden Aufwendungen als außergewöhnliche Belastung geltend gemacht werden könnten, im Streitfall aber ein privater Krankenwagentransport benötigt worden wäre, dessen Kosten weit über denen des eigenen Fahrzeugs gelegen hätten, müssten die tatsächlich entstandenen niedrigeren Kosten berücksichtigt werden.
Die Kläger beantragen, das FG-Urteil und die Einspruchsentscheidung aufzuheben und unter Änderung der Einkommensteuerbescheide für 1996 und 1999 die tatsächlichen Fahrtkosten als außergewöhnliche Belastung abzuziehen.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
II. Die Revision ist unbegründet.
Das FA hat die den Klägern entstandenen Fahrtkosten zu Recht nur im Rahmen des Angemessenen als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt.
1. Erwachsen einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstands (außergewöhnliche Belastung), so sind die Aufwendungen, soweit sie die zumutbare Belastung übersteigen und nicht zu den Betriebsausgaben, Werbungskosten oder Sonderausgaben gehören, auf Antrag vom Gesamtbetrag der Einkünfte abzuziehen (§ 33 Abs. 1, Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 EStG). Aufwendungen erwachsen dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und soweit die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen (§ 33 Abs. 2 Satz 1 EStG).
Nach ständiger Rechtsprechung des Senats können Steuerpflichtige, die so gehbehindert sind, dass sie sich außerhalb des Hauses nur mit Hilfe eines Kfz bewegen können, grundsätzlich alle Kfz-Kosten, soweit sie nicht Werbungskosten oder Betriebsausgaben sind, neben den Pauschbeträgen für behinderte Menschen (§ 33b EStG) als außergewöhnliche Belastung geltend machen, also nicht nur die Kosten für Fahrten zu Ärzten (Krankheitskosten) oder für unvermeidbare Fahrten zur Erledigung privater Angelegenheiten, sondern in angemessenem Umfang auch für Erholungs-, Freizeit- und Besuchsfahrten. Angemessen sind nur Aufwendungen für Fahrten bis zu 15 000 km im Jahr und nur bis zur Höhe der Kilometerpauschbeträge, die in den Einkommensteuer-Richtlinien (EStR) und Lohnsteuer-Richtlinien (LStR) für den Abzug von Kfz-Kosten als Werbungskosten oder Betriebsausgaben festgelegt sind (Senatsurteile vom 22. Oktober 1996 III R 203/94, BFHE 182, 44, BStBl II 1997, 384; vom 13. Dezember 2001 III R 40/99, BFHE 197, 462, BStBl II 2002, 224, und in BFHE 205, 74, BStBl II 2004, 453; vgl. auch H 33.1-33.4 EStR 2006, Fahrkosten behinderter Menschen).
2. Der Senat hält daran fest, dass diese Beschränkung auf die Kilometerpauschbeträge in den EStR und LStR auch bei einer nur geringen Jahreskilometerleistung (Senatsurteil in BFHE 205, 74, BStBl II 2004, 453) sowie für notwendige Fahrten zu Ärzten oder Kliniken gilt (Senatsurteil vom 19. Mai 2004 III R 16/02, BFHE 206, 525, BStBl II 2005, 23).
3. Es kann dahinstehen, ob der km-Satz angemessen zu erhöhen ist, wenn das Fahrzeug --wie vorliegend-- in erheblichem Maße umgebaut wurde, um der Behinderung des Steuerpflichtigen gerecht zu werden (Niedersächsisches FG, Urteil vom 9. Februar 2007 11 K 736/05, Deutsches Steuerrecht/Entscheidungsdienst 2007, 1370, wegen des behindertengerechten Umbaus erhöhter km-Satz von 1,04 DM). Denn das FA hat bereits durch den Ansatz einer der Höhe nach nicht zu beanstandenden "AfA" auf die Kosten der Hubvorrichtung dem erhöhten Aufwand Rechnung getragen.
Eine darüber hinausgehende Anhebung ist auch nicht im Hinblick darauf geboten, dass der Kläger etwaige höhere Kosten für die Benutzung eines Krankentransporters hätte abziehen können.
Ende der Entscheidung
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