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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 19.05.2004
Aktenzeichen: III R 16/02
Rechtsgebiete: EStG


Vorschriften:

EStG § 33
EStG § 33b
Kfz-Kosten schwer geh- und stehbehinderter Steuerpflichtiger sind nur angemessen i.S. von § 33 Abs. 2 Satz 1 EStG, soweit sie die in den EStR und LStR für die Berücksichtigung von Kfz-Kosten als Betriebsausgaben und Werbungskosten festgesetzten Pauschbeträge nicht übersteigen. Das gilt auch für die Kfz-Aufwendungen, die auf Fahrten entfallen, die zum Besuch von Ärzten oder Behandlungseinrichtungen durchgeführt werden (Fortführung des Senatsurteils vom 18. Dezember 2003 III R 31/03, BFHE 205, 74, BStBl II 2004, 453; Abweichung von dem Senatsurteil vom 3. Dezember 1998 III R 5/98, BFHE 187, 503, BStBl II 1999, 227).
Gründe:

I.

Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) haben eine 1993 geborene zu 100 v.H. körperbehinderte und hilflose Tochter. Der Pauschbetrag in Höhe von 7 200 DM wurde auf die Kläger übertragen.

Die Kläger besitzen zwei Fahrzeuge, von denen das eine für berufliche Zwecke des Klägers benötigt wird. Das andere für die behinderte Tochter genutzte Fahrzeug ist aufgrund seiner Zweckbestimmung von der Kraftfahrzeugsteuer befreit (§ 3a Abs. 1 des Kraftfahrzeugsteuergesetzes --KraftStG--). Die Kläger beantragten in ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 1998 die Berücksichtigung von im Zusammenhang mit der Behinderung ihrer Tochter angefallenen Kfz-Aufwendungen in Höhe von 11 659,60 DM als außergewöhnliche Belastung. Sie legten ein Fahrtenbuch vor, nach dem im Streitjahr mit dem für die Tochter genutzten Fahrzeug 4 065 km zurückgelegt worden waren. Es handelt sich im Wesentlichen um Einkaufs- und Besuchsfahrten sowie Fahrten zu Ärzten bzw. medizinischen Behandlungen.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) berücksichtigte die Fahrtkosten lediglich mit dem Satz von 0,52 DM je gefahrenem Kilometer und legte 4 000 Fahrtkilometer zugrunde (4 000 km x 0,52 DM = 2 080 DM). Ein höherer Aufwand als 0,52 DM je km sei unangemessen. Neben weiteren als außergewöhnliche Belastung anerkannten Aufwendungen (Arztkosten) ergab sich bei einer zumutbaren Belastung von 1 918 DM ein Abzugsbetrag von 2 534 DM.

Im Einspruchsverfahren reduzierten die Kläger die Fahrzeug-Gesamtkosten durch Änderung der Abschreibung und der Finanzierungskosten auf 5 747,03 DM, wodurch sich die Kosten je gefahrenem Kilometer bei der Fahrstrecke von 4 065 km auf 1,41 DM ermäßigten. Der Einspruch blieb ohne Erfolg.

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt. Es führte im Wesentlichen aus: Kfz-Kosten eines Körperbehinderten seien insoweit als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen, als sie nicht außerhalb des Rahmens des Angemessenen lägen. Als angemessen sei eine jährliche Fahrleistung von 15 000 km anzusehen. Außerdem sei auf die in den Lohnsteuer-Richtlinien (LStR) bzw. Einkommensteuer-Richtlinien (EStR) festgesetzten Pauschsätze (für das Streitjahr 0,52 DM je km) zurückzugreifen.

Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) könnten bei besonderen Umständen, insbesondere bei einer wegen der Behinderung wesentlich unter der allgemein üblichen Fahrleistung liegenden Fahrstrecke, die Pauschsätze überschritten werden. Eine solche Ausnahme liege im Streitfall vor. Die Fahrleistung der Tochter habe nur 4 065 km und damit weniger als 30 v.H. der vom BFH im Allgemeinen als angemessen angesehenen Fahrleistung von 15 000 km im Jahr betragen. Da der Pauschsatz von 0,52 DM je km auch fixe Kosten berücksichtige, die nicht in einer unmittelbaren Beziehung zu der jährlichen Fahrleistung ständen, ergäbe eine sehr niedrige Fahrleistung einen erhöhten Aufwand je gefahrenem Kilometer. Würde man den Klägern bei den tatsächlich angefallenen Aufwendungen von 1,41 DM je gefahrenem Kilometer lediglich den Pauschsatz von 0,52 DM zubilligen, führte dies zu einem offensichtlich unzutreffenden steuerlichen Ergebnis. Das FG-Urteil stehe in Einklang mit dem Urteil des BFH vom 26. März 1997 III R 71/96 (BFHE 183, 98, BStBl II 1997, 538), da jenem Urteil eine Fahrleistung von 8 400 km, mithin mehr als das Doppelte des Streitfalles, zugrunde liege.

Mit der Revision trägt das FA im Wesentlichen vor: Nach der Rechtsprechung des BFH sei ein Abweichen von den anerkannten Kilometer-Pauschbeträgen nur in wirklich krassen Ausnahmefällen gerechtfertigt. Bei einer jährlichen Fahrleistung von 4 065 km sei eine solche Ausnahme nicht gegeben. Es widerspreche dem Gleichheitsgebot, wenn ein Behinderter mit geringer Fahrleistung einen höheren Betrag an Kfz-Aufwendungen als außergewöhnliche Belastung geltend machen könne als ein Behinderter mit höherer Fahrleistung. Zudem handele es sich bei dem benutzten Fahrzeug um einen Zweitwagen, der nach den Angaben der Kläger nur für übliche Einkaufsfahrten und Besuche zu Freunden und Bekannten sowie für Arztbesuche eingesetzt werde. Die Fahrleistung der Klägerin mit diesem Fahrzeug entspreche der üblichen auch von Müttern mit nicht behinderten Kindern der entsprechenden Altersgruppe zurückgelegten Fahrstrecke.

Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Kläger beantragen sinngemäß, die Revision zurückzuweisen.

II.

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

1. Nach ständiger Rechtsprechung des BFH können Steuerpflichtige, die so gehbehindert sind, dass sie sich außerhalb des Hauses nur mit Hilfe eines Kfz bewegen können, grundsätzlich alle Kfz-Kosten, soweit sie nicht Werbungskosten oder Betriebsausgaben sind, neben den Pauschbeträgen für Körperbehinderte (§ 33b des Einkommensteuergesetzes --EStG--) als außergewöhnliche Belastung nach § 33 EStG geltend machen, also nicht nur die Kosten für unvermeidbare Fahrten zur Erledigung privater Angelegenheiten, sondern in angemessenem Rahmen auch die Kosten für Erholungs-, Freizeit- und Besuchsfahrten. Angemessen sind nach der Rechtsprechung des Senats nur Aufwendungen für Fahrten bis zu 15 000 km im Jahr und nur bis zur Höhe der Kilometerpauschbeträge, die in den EStR und LStR für den Abzug von Kfz-Kosten als Werbungskosten oder Betriebsausgaben festgelegt sind (im Streitjahr 0,52 DM --Senatsurteil vom 18. Dezember 2003 III R 31/03, BFHE 205, 74, BStBl II 2004, 453, mit weiteren Rechtsprechungsnachweisen). Diese Grundsätze sind auch in Fällen anzuwenden, in denen die Aufwendungen für die Unterhaltung eines Kfz nicht bei dem Körperbehinderten, sondern bei einem Steuerpflichtigen --hier bei den Klägern-- entstanden sind, auf den der Pauschbetrag für Körperbehinderte nach § 33b Abs. 5 EStG übertragen worden ist (BFH-Urteil vom 1. August 1975 VI R 158/72, BFHE 116, 378, BStBl II 1975, 825).

2. Wie der Senat in dem Urteil in BFHE 205, 74, BStBl II 2004, 453 dargelegt hat, ist eine geringe jährliche Fahrleistung indes nicht geeignet, die Berücksichtigung der Fahrten eines Behinderten mit den tatsächlich angefallenen Kfz-Aufwendungen zu rechtfertigen. Ein höherer Ansatz als des aufgrund der Pauschbeträge ermittelten Betrags überstiege die Grenze des Angemessenen i.S. von § 33 Abs. 2 EStG.

Dies gilt auch in Fällen, in denen --wie hier-- mit dem Fahrzeug neben üblichen Fahrten für Einkäufe, Besuche und zur Freizeitgestaltung Fahrten im Zusammenhang mit medizinischen Behandlungen durchgeführt werden. Die Aufwendungen für Fahrten, die zur Heilung oder Linderung einer Krankheit erforderlich sind, z.B. für Fahrten zum Arzt oder zu einer medizinischen Einrichtung zum Zweck der Behandlung, sind außergewöhnlich und zwangsläufig i.S. von § 33 EStG. Sie sind nach der Rechtsprechung des Senats, auch wenn sie mit dem eigenen Kfz durchgeführt werden, grundsätzlich nur in Höhe der Kosten öffentlicher Verkehrsmittel als notwendig i.S. von § 33 Abs. 2 Satz 1 EStG anzuerkennen (Senatsurteil vom 3. Dezember 1998 III R 5/98, BFHE 187, 503, BStBl II 1999, 227). Die Berücksichtigung der Kfz-Kosten darüber hinaus in tatsächlicher Höhe hat der Senat in dem Urteil in BFHE 187, 503, BStBl II 1999, 227 nur ausnahmsweise für zulässig erachtet, wenn besondere Umstände die Benutzung eines Kfz erfordern, z.B. weil keine öffentliche Verkehrsverbindung besteht.

Der Senat hält an den zuletzt genannten Ausnahmen für die mögliche Berücksichtigung der Kfz-Kosten aus Anlass einer Heilbehandlung mit höheren Sätzen als den der amtlichen Richtlinien nicht mehr fest. Es kann deshalb dahinstehen, in welchem Umfang die von den Klägern mit ihrer Tochter durchgeführten Fahrten mit dem eigenen Kfz krankheitsbedingt waren und in welcher Höhe Aufwendungen für öffentliche Verkehrsmittel entstanden wären bzw. ob deren Benutzung zumutbar gewesen wäre. Benutzt der Steuerpflichtige ein Kfz, das auch für allgemein veranlasste Fahrten eingesetzt wird, aus Anlass einer medizinischen Maßnahme, können die auf diese Maßnahme entfallenden anteiligen Kfz-Aufwendungen stets nur bis zur Höhe der amtlichen Kilometerpauschsätze berücksichtigt werden. Denn auch hier ist kein Grund dafür ersichtlich, warum die zwangsläufigen Kfz-Aufwendungen je gefahrenem Kilometer höher sein sollten als die der großen Mehrzahl der Steuerpflichtigen im Durchschnitt tatsächlich entstehenden Kosten und warum im Rahmen des Angemessenen ein höherer Aufwand als bei der Mehrzahl der Steuerpflichtigen zu berücksichtigen sein sollte (Senatsurteil in BFHE 205, 74, BStBl II 2004, 453). Der Senat hat in dem zuletzt genannten Urteil darauf hingewiesen, dass höhere Aufwendungen dann anzuerkennen sind, wenn sie für die Inanspruchnahme eines öffentlichen Verkehrsmittels, z.B. eines behindertengerechten Taxis, entstehen.

3. Hiervon ausgehend sind die Kfz-Aufwendungen der Kläger für sämtliche Fahrten mit ihrer Tochter lediglich mit 0,52 DM je gefahrenem Kilometer als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen. Das FA hat statt der geltend gemachten Fahrstrecke im Streitjahr von 4 065 km lediglich 4 000 km zum Pauschsatz von 0,52 DM = 2 080 DM anerkannt. Der sich beim Ansatz der von den Klägern erklärten Fahrstrecke ergebende Mehrbetrag (65 km x 0,52 DM = 33,80 DM) führt zu keiner weiteren Steuerherabsetzung, sodass die Klage abzuweisen war.

Ende der Entscheidung

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