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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 07.11.2000
Aktenzeichen: III R 19/98
Rechtsgebiete: InvZulG 1991
Vorschriften:
InvZulG 1991 § 2 Satz 1 | |
InvZulG 1991 § 3 Satz 3 | |
InvZulG 1991 § 6 Abs. 1 Satz 1 |
Investitionszulage ist nach ständiger Rechtsprechung auch für vor Betriebseröffnung angeschaffte Wirtschaftsgüter zu gewähren, sofern der Betrieb zügig errichtet und alsbald eröffnet wird (seit BFH-Urteil vom 11. März 1988 III R 113/82, BFHE 153, 191, BStBl II 1988, 636).
Der Beendigung der Anschaffung steht es nicht entgegen, wenn derartige Wirtschaftsgüter wegen der erst noch nachfolgenden Betriebseröffnung tatsächlich noch nicht eingesetzt werden.
InvZulG 1991 § 2 Satz 1, § 3 Satz 3, § 6 Abs. 1 Satz 1
Urteil vom 7. November 2000 - III R 19/98 -
Vorinstanz: FG Berlin (EFG 1998, 1150)
Gründe
I.
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) eröffnete am 13. Januar 1992 eine Zahnarztpraxis. Sowohl für die im Streitjahr 1992 als auch für die bereits im Jahre 1991, vor der Eröffnung ihrer Praxis, getätigten Investitionen beantragte sie 1993 eine Investitionszulage aus einer Bemessungsgrundlage von 187 081 DM in Höhe von 12 v.H. bzw. von 8 v.H. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) setzte die Investitionszulage mit Bescheid vom 14. Februar 1994 auf 21 329 DM fest. Er versagte die Investitionszulage --neben weiteren nicht mehr im Streit befindlichen Wirtschaftsgütern-- für einen Autoklav --Druckerhitzer-- (12 v.H. aus 5 437 DM) und ein Folienschweißgerät (12 v.H. aus 906 DM). Der Einspruch blieb erfolglos (Einspruchsentscheidung vom 8. Mai 1995). Das FA vertrat die Auffassung, der Antrag auf Gewährung einer Investitionszulage für diese beiden Investitionen sei verspätet gestellt worden. Ausweislich der Rechnung vom 18. Dezember 1991 seien beide Geräte bereits 1991 geliefert gewesen. Der Antrag auf Investitionszulage für das Kalenderjahr 1991 hätte aber bis zum 30. September 1992 gestellt werden müssen.
Das Finanzgericht (FG) gab der Klage mit in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1998, 1150 veröffentlichtem Urteil teilweise, nämlich hinsichtlich des Autoklavs, statt. Die Klägerin habe die strittige Investition zwar bereits vor dem Streitjahr 1992 begonnen, habe sie jedoch erst nach Eröffnung der Zahnarztpraxis am 13. Januar 1992 abschließen können. Erst zu diesem Zeitpunkt sei der Autoklav betriebsbereit gewesen. Die Klägerin habe das Gerät bis zur Praxiseröffnung unausgepackt verwahrt und es erst mit Praxisbeginn in das Anlagevermögen eingebracht. Das Investitionszulagengesetz (InvZulG) definiere nicht den Begriff der Anschaffung. Dem Einkommensteuerrecht entnommene Begriffe seien nach gefestigter Rechtsprechung aber nur dann nach den einkommensteuerrechtlich maßgeblichen Grundsätzen auszulegen, wenn sich aus Sinn und Zweck des InvZulG sowie aus seiner Entstehungsgeschichte nichts Gegenteiliges entnehmen lasse (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 2. September 1988 III R 53/84, BFHE 154, 413, BStBl II 1988, 1009). § 9a der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (EStDV) stelle lediglich auf den Zeitpunkt der Lieferung ab. Nunmehr definiere jedoch § 255 des Handelsgesetzbuches (HGB) den Begriff der Anschaffungskosten ausdrücklich. Danach seien Anschaffungskosten solche Aufwendungen, die geleistet werden, um einen Vermögensgegenstand zu erwerben und ihn in einen betriebsbereiten Zustand zu versetzen. Von einer Anschaffung könne somit erst gesprochen werden, wenn der erworbene Vermögensgegenstand in einen betriebsbereiten Zustand versetzt und mithin der Anschaffungsvorgang beendet worden sei. Sinn und Zweck sowie Entstehungsgeschichte des InvZulG stünden der Übernahme dieser ertragsteuerlichen Definition der Anschaffung nicht entgegen.
Nach gefestigter Rechtsprechung (BFHE 154, 413, BStBl II 1988, 1009, und BFH-Urteil vom 7. Dezember 1990 III R 171/86, BFHE 163, 285, BStBl II 1991, 377) komme es für den Abschluss des Anschaffungsvorganges nach Sinn und Zweck des InvZulG darauf an, dass das erworbene Wirtschaftsgut betriebsbereit eingesetzt werden könne. Die vom Gesetzgeber beabsichtigte Förderung der wirtschaftlichen Tätigkeit in den Unternehmen, um Arbeitsplätze zu erhalten bzw. zu vermehren, lasse sich nicht allein durch den Erwerb von Wirtschaftsgütern erreichen. Vielmehr sei auch der Einsatz dieser Wirtschaftsgüter in dem Betrieb notwendig. Der Investor müsse die geförderten Wirtschaftsgüter auch tatsächlich im Betrieb einsetzen können. Im Urteil des BFH vom 25. September 1996 III R 112/95 (BFHE 182, 226, BStBl II 1998, 70) sehe der BFH das Erfordernis der Betriebsbereitschaft eines Wirtschaftsguts als entscheidendes Kriterium für die Gewährung einer Investitionszulage an.
In Anwendung dieser Rechtsprechung gelange der Senat zu dem Ergebnis, dass der Antrag auf Investitionszulage für Wirtschaftsgüter, die einer erst noch zu eröffnenden Praxis eines Freiberuflers dienen sollten, erst nach Betriebsbereitschaft und Abschluss der Investition mit Eröffnung der Praxis gestellt werden könne. Dieses Ergebnis stehe nicht im Widerspruch zum Urteil des BFH vom 11. März 1988 III R 113/82 (BFHE 153, 191, BStBl II 1988, 636). Darin werde zwar allgemein anerkannt, dass Investitionszulagen auch für vor Betriebseröffnung angeschaffte oder hergestellte Wirtschaftsgüter gewährt werden könnten, sofern der betreffende Betrieb zügig errichtet und alsbald eröffnet werde. Die Klägerin habe indes die streitigen Wirtschaftsgüter erst nach Betriebseröffnung in das Anlagevermögen übernommen. Mithin fehle es für das Jahr der Bestellung und Lieferung an einer Anschaffung von beweglichen Wirtschaftsgütern für das Anlagevermögen.
Mit der --vom erkennenden Senat mit Beschluss vom 12. März 1998 III B 102/97 zugelassenen-- Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts (§§ 2 Satz 1, 6 Abs. 1 Satz 1 InvZulG 1991).
Folge man der Rechtsauffassung des FG, der Autoklav sei erst zum Zeitpunkt der Eröffnung der Zahnarztpraxis in das Anlagevermögen eingebracht worden, so läge die Einlage eines zuvor im Privatvermögen angeschafften Wirtschaftsgutes vor. Eine Einlage stelle indes keine Anschaffung dar (BFH-Urteil vom 29. Juli 1966 IV R 151/66, BFHE 87, 188, BStBl III 1967, 62). Nach § 2 Satz 1 InvZulG 1991 sei jedoch nur die Anschaffung von Wirtschaftsgütern begünstigt. Im Übrigen verkenne das FG, dass bereits vorbereitende Handlungen zur Errichtung eines Betriebes Betriebsvorgänge darstellten (vgl. Schreiben des Bundesministers der Finanzen --BMF-- vom 28. August 1991, BStBl I 1991, 768 Tz. 29).
Zu Unrecht meine das FG ferner, die Investition sei erst in dem Zeitpunkt abgeschlossen, in dem die Praxis eröffnet worden sei. Nach der Rechtsprechung (BFH-Urteile in BFHE 163, 285, BStBl II 1991, 377; in BFHE 154, 413, BStBl II 1988, 1009) sei eine Investition hingegen immer schon dann abgeschlossen, wenn die Verhältnisse des einzelnen Wirtschaftsgutes eine Inbetriebnahme zuließen. Die Verhältnisse des Betriebes seien insoweit nicht maßgebend. Dementsprechend habe der BFH in BFHE 153, 191, BStBl II 1988, 636 erkannt, dass Investitionszulage auch für Wirtschaftsgüter gewährt werden könne, die vor Betriebseröffnung angeschafft worden seien. Demzufolge hätte im Streitfall die Investitionszulage für den Autoklav gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 InvZulG 1991 bereits bis zum 30. September 1992 beantragt werden müssen.
Das FA beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin hat sich nicht geäußert.
II.
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
Zu Unrecht ist das FG zu dem Ergebnis gelangt, der Autoklav sei erst im Zeitpunkt der Praxiseröffnung angeschafft worden und in das Anlagevermögen der Klägerin gelangt, so dass eine Investitionszulage ebenfalls erst für das Eröffnungsjahr 1992 habe beantragt werden müssen.
1. Nach § 6 Abs. 1 Satz 1 InvZulG 1991 ist der Antrag auf Investitionszulage bis zum 30. September des Kalenderjahres zu stellen, das auf das Wirtschaftsjahr folgt, in dem die Investition abgeschlossen worden ist. Gemäß § 3 Satz 3 InvZulG 1991 sind Investitionen in dem Zeitpunkt abgeschlossen, in dem die Wirtschaftsgüter angeschafft oder hergestellt worden sind.
a) In ständiger Rechtsprechung hat der BFH erkannt, dass Investitionszulage auch für Wirtschaftsgüter, die vor Betriebseröffnung angeschafft werden, zu gewähren ist, sofern der betreffende Betrieb zügig errichtet und alsbald eröffnet wird (vgl. BFH-Urteil in BFHE 153, 191, BStBl II 1988, 636, unter Abschn. A. II. 3., m.w.N; vom 5. Februar 1998 III R 48/91, BFHE 185, 337, BStBl II 1999, 836, m.w.N.; ebenso BMF-Schreiben in BStBl I 1991, 768, unter Tz. 29; zustimmend das Schrifttum, vgl. M. Söffing in Lademann, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, § 2 InvZulG 1993 Rz. 51; Selder in Blümich, Einkommensteuergesetz, § 2 InvZulG 1996, unter Rz. 5; Zitzmann, Zulagen für Investitionen in den neuen Bundesländern, 5. Aufl., Rz. 73 und 166).
Der BFH knüpft dabei an die ertragsteuerliche Einordnung von Vorbereitungshandlungen an und sieht keine Berechtigung, die im Ertragsteuerrecht entwickelten Grundsätze nach Zweck und Entstehungsgeschichte nicht auf das Investitionszulagenrecht zu übertragen. Vielmehr sieht der BFH ein solches Gesetzesverständnis gerade auch zulagenrechtlich als sachgerecht an, weil in der Gründungsphase eines Unternehmens regelmäßig besonders konzentriert Investitionen anfallen und diese ebenso förderungswürdig sind wie Investitionen während des laufenden Geschäftsbetriebs (vgl. BFH-Urteile vom 12. November 1996 III R 17/96, BFHE 182, 230, BStBl II 1998, 29; in BFHE 185, 337, BStBl II 1999, 836).
Danach ist zum einen eine Verlagerung von in der Zeit vor der tatsächlichen Aufnahme des Betriebes angefallenen Aufwendungen in das mit der Eröffnung des Betriebes beginnende Wirtschaftsjahr ausgeschlossen. Zum anderen muss der Antrag auf Gewährung einer Investitionszulage bis zum 30. September des auf das Kalenderjahr der Anschaffung folgende Kalenderjahr gestellt werden (vgl. BFH-Urteil in BFHE 153, 191, BStBl II 1988, 636; Selder in Blümich, a.a.O., § 6 InvZulG 1996, unter Rz. 4; Zitzmann, a.a.O., Rz. 213).
Sowohl einkommensteuerrechtlich als auch zulagenrechtlich beginnt der Betrieb nicht erst mit der werbenden Tätigkeit, d.h. der tatsächlichen Eröffnung des Betriebes, sondern bereits mit den ersten Maßnahmen, die der Vorbereitung der späteren werbenden Tätigkeit dienen und mit dieser in einem unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang stehen. Dementsprechend sind Gegenstände, die in Vorbereitung einer Betriebseröffnung erworben werden, auch ab dem Zeitpunkt der Anschaffung Betriebsvermögen. Soweit es sich --wie im Streitfall-- um notwendiges Betriebsvermögen handelt, erfolgt die Zuordnung allein deshalb, weil das Wirtschaftsgut objektiv erkennbar zum unmittelbaren Einsatz im Betrieb selbst bestimmt ist (vgl. BFH-Urteil vom 19. Februar 1997 XI R 1/96, BFHE 182, 567, BStBl II 1997, 399, unter Ziff. II. 2. a der Gründe; Schmidt/Heinicke, Einkommensteuergesetz, 19. Aufl., § 4 Rz. 104). Das betreffende Wirtschaftsgut gehört ohne besondere Einlagehandlung, sei es durch entsprechende Erklärung, sei es durch eine entsprechende Buchung, zum Betriebsvermögen. Dem Steuerpflichtigen steht folglich kein "Wahlrecht" zu, zu welchem Zeitpunkt er ein solches Wirtschaftsgut als Betriebsvermögen erfassen will.
b) Daraus folgt, dass die Klägerin den Antrag auf Gewährung der Investitionszulage für den Autoklav bereits bis zum 30. September 1992 hätte stellen müssen. Der erst am 21. September 1993 gestellte Investitionszulagenantrag war insoweit verspätet.
Nach den nicht angegriffenen und deshalb für den erkennenden Senat bindenden Feststellungen des FG (vgl. § 118 Abs. 2 FGO) ist der Autoklav --neben weiteren Wirtschaftsgütern-- bereits im Jahr 1991 geliefert und am 18. Dezember 1991 der Klägerin in Rechnung gestellt worden. Die Zahnarztpraxis ist sodann zeitnah, nämlich am 13. Januar 1992 eröffnet worden. Unerheblich ist, dass die Klägerin das Wirtschaftsgut zunächst nicht ausgepackt und benutzt und seinen tatsächlichen Einsatz erst ab Praxiseröffnung vorgesehen hat. Jedenfalls ist das spezielle Gerät offenkundig im Hinblick auf die bevorstehende Eröffnung der Zahnarztpraxis angeschafft worden.
Für die Gewährung einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Antragsfrist gemäß § 110 der Abgabenordnung (AO 1977) i.V.m. § 7 Abs. 1 Satz 1 InvZulG 1991 bestehen im Übrigen keine Anhaltspunkte. Die Klägerin selber hat innerhalb der Antragsfrist nach § 110 Abs. 2 Satz 2 AO 1977 keinerlei Tatsachen vorgetragen, aus denen sich ein fehlendes Verschulden hinsichtlich der Fristversäumnis ergeben könnte.
Entgegen der Auffassung des FG ist der Autoklav auch bereits 1991 angeschafft gewesen. Anschaffung ist der entgeltliche Erwerb eines bereits bestehenden Wirtschaftsgutes im Wege der Lieferung, d.h. des Übergangs der wirtschaftlichen Verfügungsmacht.
Wie der Senat im Urteil in BFHE 154, 413, BStBl II 1988, 1009, bestätigt im Urteil in BFHE 163, 285, BStBl II 1991, 377, entschieden hat, ist auf das Ende des Anschaffungsvorganges abzustellen. Das Ende ist indes erst mit der Betriebsbereitschaft des angeschafften Wirtschaftsgutes anzunehmen (vgl. auch BFH-Urteil in BFHE 182, 226, BStBl II 1998, 70).
Im Streitfall sind indes nicht nur unstreitig der Eigenbesitz, Gefahr, Nutzen und Lasten an dem Autoklav noch im Jahr 1991 auf die Klägerin übergegangen, sondern das Wirtschaftsgut ist auch ohne zusätzliche Montagemaßnahmen bereits mit der Lieferung einsatzfähig gewesen. Die Klägerin hat zu keinem Zeitpunkt auch nur behauptet, es hätte noch weiterer Maßnahmen zur Herstellung der Betriebsbereitschaft bedurft (vgl. auch die Einspruchsentscheidung vom 8. Mai 1995).
Dementsprechend hat das FG die fehlende Einsetzbarkeit allein aus dem Umstand abgeleitet, dass bei einem Freiberufler erst die Wirtschaftsgüter mit Eröffnung der Praxis betriebsbereit seien und zuvor gar nicht in Betrieb genommen werden könnten. Indes hat der erkennende Senat in seinem Urteil in BFHE 153, 191, BStBl II 1988, 636, wie ausgeführt, gerade eine Zulagenbegünstigung bereits vor einer Betriebseröffnung anerkannt, was notwendig einschließt, dass in der Vorbereitungsphase des Betriebes bereits Betriebsvermögen gebildet wird und Anschaffungsvorgänge verwirklicht werden. Insbesondere schließt diese Rechtsprechung aus, eine fehlende Betriebsbereitschaft vor Betriebseröffnung erworbener Wirtschaftsgüter auch aus dem Umstand der erst noch nachfolgenden Betriebseröffnung abzuleiten.
2. Danach war das angefochtene Urteil des FG aufzuheben und die Klage in vollem Umfang als unbegründet abzuweisen (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 FGO).
Ende der Entscheidung
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