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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 25.01.2007
Aktenzeichen: III R 23/06
Rechtsgebiete: EStG
Vorschriften:
EStG § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b |
Gründe:
I.
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) stellte am 22. Mai 2003 einen Antrag auf Festsetzung von Kindergeld für seinen im September 1983 geborenen Sohn, dessen Berufsausbildung als Kfz-Mechaniker am 31. Januar 2005 enden sollte. Die Beklagte und Revisionsbeklagte (Familienkasse) bewilligte daraufhin ab Juni 2003 laufend Kindergeld.
Mit Bescheid vom 20. Januar 2005 hob die Familienkasse die Festsetzung des Kindergeldes mit Ablauf des Monats Januar 2005 auf. Nachdem der Kläger am 1. Februar 2005 eine Bescheinigung über die Fortdauer der Berufsausbildung seines Sohnes bis voraussichtlich Juli 2005 eingereicht hatte, zahlte die Familienkasse ab Februar 2005 weiter laufend Kindergeld.
Am 11. Juli 2005 teilte der Kläger mit, sein Sohn habe das Ausbildungsverhältnis am 20. Juni 2005 durch Bestehen der Abschlussprüfung beendet. Er sei seit dem 21. Juni 2005 arbeitslos gemeldet und habe trotz mehrfacher Bewerbungen keine Beschäftigung gefunden. Am 1. Oktober 2005 beginne der Wehrdienst, die kurzfristige Einberufung erschwere die Arbeitsfindung.
Mit Bescheid vom 12. Juli 2005 hob die Familienkasse die Festsetzung des Kindergeldes ab Juli 2005 gemäß § 70 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) auf. Zur Begründung verwies sie darauf, dass die Anspruchsvoraussetzungen für die Bewilligung von Kindergeld nicht mehr vorlägen. Der Sohn habe die Berufsausbildung beendet und befinde sich somit nicht mehr i.S. von § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG in Ausbildung. Eine Berücksichtigung als arbeitsuchendes Kind sei ausgeschlossen, weil der Sohn das 21. Lebensjahr bereits vollendet habe.
Während des Einspruchsverfahrens schrieb der Kläger, er könne die Frage, ob sein Sohn nach dem Grundwehrdienst eine weitere Ausbildung beginnen werde, nicht eindeutig beantworten. Der Sohn sei 22 Jahre alt und in seiner Entscheidung nicht an seine --des Klägers-- Vorgaben gebunden. Es sei bisher weder besprochen noch entschieden worden, was der Sohn nach Beendigung des Grundwehrdienstes machen werde. Er sei nach Abschluss der Berufsausbildung arbeitslos geworden und habe nur geringe Chancen, einen Arbeitsplatz in dem erlernten Beruf zu erhalten. Ziel sei es, in diesem Beruf auch Arbeit zu finden. Sofern es ihm nicht gelinge, nach Beendigung des Grundwehrdienstes eine neue Arbeit zu beginnen, könne eine weitere Fortbildung, Ausbildung oder Umschulung erforderlich sein. Nach dem Gesetz reiche aber eine abgeschlossene Berufsausbildung und die anschließende Ableistung des Grundwehrdienstes zur Weiterzahlung des Kindergeldes.
Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg. Das Finanzgericht (FG) führte in der in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2006, 684 veröffentlichten Entscheidung aus, der Sohn habe sich nicht in einer Übergangszeit zwischen einem Ausbildungsabschnitt und dem Wehrdienst i.S. von § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b EStG befunden, da der Entschluss zu einer weiteren Ausbildung vor Beginn des Wehrdienstes gefasst werden müsse.
Dagegen richtet sich die Revision, mit der die fehlerhafte Anwendung des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b EStG gerügt wird. Nach dem Gesetzeswortlaut könne ein Kind in der höchstens viermonatigen Übergangszeit zwischen einem Ausbildungsabschnitt und der Ableistung des Wehrdienstes berücksichtigt werden. Das Gesetz lasse nicht erkennen, dass der letzte Ausbildungsabschnitt nicht als Abschnitt i.S. von § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b EStG anzusehen sei. Nach Sinn und Zweck der Vorschrift gelte nichts anderes. Die Zwangspause des Sohnes sei infolge der Wehrpflicht entstanden; in dieser Zeit habe die wirtschaftliche Abhängigkeit von den Eltern weiter bestanden.
Der Kläger beantragt sinngemäß, das FG-Urteil, die Einspruchsentscheidung vom 1. November 2005 sowie den Ablehnungsbescheid vom 12. Juli 2005 aufzuheben und das Kindergeld für den Sohn bis einschließlich September 2005 weiter zu gewähren.
Die Familienkasse beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
II.
Die Revision ist begründet, denn der Sohn des Klägers ist in der Übergangszeit zwischen dem Abschluss der Lehre und dem Wehrdienstantritt zu berücksichtigen, ohne dass es darauf ankommt, ob er danach weiter ausgebildet wird.
Kinder, die --wie der Sohn des Klägers-- das 27. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, werden nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b EStG in der ab 1. Januar 2002 geltenden Fassung durch das Zweite Gesetz zur Familienförderung vom 16. August 2001 (BGBl I 2001, 2074, BStBl I 2001, 533) in einer Übergangszeit von höchstens vier Monaten zwischen einem Ausbildungsabschnitt und der Ableistung des gesetzlichen Wehrdienstes berücksichtigt.
Unter einem Ausbildungsabschnitt ist jeder Zeitraum zu verstehen, der nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG als Berufsausbildung zu berücksichtigen ist (Dienstanweisung zur Durchführung des Familienleistungsausgleichs nach dem X. Abschnitt des Einkommensteuergesetzes --DA-FamEStG-- 63.3.3 Abs. 2 Satz 3, BStBl I 2004, 767). Danach handelt es sich bei der ersten Phase der Ausbildung --regelmäßig die allgemeinbildende Schule-- ebenso um einen Ausbildungsabschnitt wie bei der letzten, dem Ausbildungsabschluss vorangegangenen. Nach dem Wortlaut der Vorschrift ist ein Kind --bei Erfüllung der weiteren Voraussetzungen-- daher auch in einer bis zu vier Monate währenden Übergangszeit zwischen Ausbildungsende und Antritt des gesetzlichen Wehrdienstes zu berücksichtigen. Der gegenteiligen Auffassung des FG, eine derartige Übergangszeit könne nur begünstigt werden, wenn der Gesetzgeber statt "Ausbildungsabschnitt" z.B. den Begriff "Ausbildung" verwendet hätte, ist nicht zu folgen.
Als der Gesetzgeber § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b EStG durch das Zweite Gesetz zur Familienförderung mit Wirkung ab dem 1. Januar 2002 durch Einfügung der Dienstzeiten ergänzte, wollte er allerdings Kinder begünstigen, die ihre Ausbildung wegen der Ableistung des Grundwehrdienstes unterbrechen (BTDrucks 14/6160, S. 11). Dies hat jedoch im Gesetzeswortlaut keinen hinreichenden Niederschlag gefunden.
Der Senat sieht sich zu einer den Gesetzeswortlaut einschränkenden Auslegung auch deshalb nicht veranlasst, weil das Bestehen einer typischen Unterhaltssituation in derartigen kurzen Übergangszeiten nicht davon abhängt, ob die Ausbildung nach dem Wehrdienst --der nach Verwaltungsauffassung bis zu drei Jahre dauern kann (DA-FamEStG 63.3.3 Abs. 1 Satz 5)-- noch fortgesetzt werden soll. Die Suche nach einem Arbeitsplatz ist wegen des im Interesse der Allgemeinheit zu absolvierenden Dienstes erheblich erschwert, ohne dass es auf eine spätere Fortsetzung der Ausbildung ankäme.
Ende der Entscheidung
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