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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 09.08.2001
Aktenzeichen: III R 30/00
Rechtsgebiete: EStG, InvZulG 1996
Vorschriften:
EStG § 6 Abs. 1 Satz 1 | |
EStG § 6 Abs. 2 | |
InvZulG 1996 § 2 Satz 1 | |
InvZulG 1996 § 3 Satz 4 | |
InvZulG 1996 § 6 Abs. 1 Satz 1 |
Gründe:
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) betreibt einen Heizungs-, Lüftungs-, Sanitär- und Elektrobetrieb. In den Jahren 1995 und 1996 (Streitjahr) erwarb sie verschiedene Sanitärgegenstände (Badewannen, Waschbecken, Duschen, Toiletten etc.), die sie in ihren Betriebsräumen zu einer sog. "Sanitärausstellung" zusammenfasste. Ziel dieser Ausstellung war es, potenziellen Kunden eine repräsentative Auswahl an Sanitärartikeln zu bieten und Kombinationsmöglichkeiten aufzuzeigen. Ein Teil der Sanitäreinrichtungen der Ausstellung wurde zur Demonstration mit einem eigenen Wasseranschluss ausgestattet. Eine Nachschau des Beklagten und Revisionsklägers (Finanzamt --FA--) ergab, dass --bis auf eine Ausnahme-- die Ausstellungsstücke über einen Zeitraum von drei Jahren identisch geblieben waren.
Für die für die Bäderausstellung aufgewendeten Anschaffungskosten (wovon ... DM auf das Jahr 1995 entfallen) beantragte die Klägerin im April 1997 die Gewährung einer Investitionszulage.
Bei der Festsetzung der Zulage mit Bescheid vom 1. August 1997 gewährte das FA nur für einen Teil der angeschafften Wirtschaftsgüter die beantragte Zulage mit der Begründung, bei den übrigen Wirtschaftsgütern (Waschtische, Spiegelschränke, Lampen, Handtuchhalter, WC-Becken etc.) handle es sich um geringwertige Wirtschaftsgüter. Des Weiteren seien in der dem Antrag beigefügten Aufstellung Anschaffungskosten für einen Heizkessel enthalten, der als Gebäudebestandteil nicht förderungsfähig sei, ebenso wenig wie die in der Aufstellung enthaltenen Kosten für Geschenke. Zur Position 15 dieser Aufstellung stellte das FA während des Einspruchsverfahrens bei der Nachschau im Jahre 1999 fest, dass die dort aufgeführte Waschplatzkombination von dem Geschäftsführer der Klägerin privat genutzt wurde. Weiterhin verneinte es die Zulagenfähigkeit der im Jahre 1995 für die "Sanitärausstellung" aufgewendeten Kosten. Mit Einspruchsentscheidung vom 14. Juni 1999 setzte das FA die Investitionszulage für die "Sanitärausstellung" sowie für weitere nicht im Streit befindliche Wirtschaftsgüter auf ... DM fest.
Die Klage hatte überwiegend Erfolg. Das Finanzgericht (FG) war in seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2000, 1089 veröffentlichten Urteil der Auffassung, bei der "Sanitärausstellung" handele es sich um eine Betriebsvorrichtung, für die die Klägerin eine Investitionszulage beanspruchen könne.
Mit seiner Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts. Es trägt zur Begründung im Wesentlichen vor: Weder aus § 68 Abs. 2 Nr. 2 des Bewertungsgesetzes (BewG) noch aus § 6 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) lasse sich der Rechtssatz entnehmen, dass durch Qualifizierung der zu einer "Sanitärausstellung" zusammengestellten beweglichen Wirtschaftsgüter als Betriebsvorrichtung ohne weiteres das Vorliegen eines einheitlichen Wirtschaftsgutes "Sanitärausstellung" begründet werde und somit die Möglichkeit des Vorliegens von nicht zulagenbegünstigten geringwertigen Wirtschaftsgütern auszuschließen sei. Bei der Untersuchung der Rechtsprechung zum Thema Betriebsvorrichtungen werde ersichtlich, dass es bei der Anwendung von § 68 Abs. 2 Nr. 2 BewG darum gehe, einen von der Gebäudenutzung verschiedenen Nutzungs- und Funktionszusammenhang festzustellen. Nicht geregelt sei dort jedoch die Frage der selbständigen Bewertbarkeit der als Betriebsvorrichtung definierten Sachteile. Umstritten sei daher die Frage, ob eine "Sanitärausstellung" als solche ein einheitliches Wirtschaftsgut darstelle oder ob es sich hierbei um eine Zusammenstellung einer Vielzahl verschiedener Wirtschaftsgüter handele, für die einzeln die Begünstigung nach § 2 Satz 1 Nr. 1 des Investitionszulagengesetzes 1996 (InvZulG 1996) zu prüfen sei. Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung sei der Begriff des geringwertigen Wirtschaftsgutes im Investitionszulagenrecht mit dem einkommensteuerrechtlichen Begriff gleichzusetzen. Danach seien als geringwertig solche Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens anzusehen, die einer selbständigen Nutzung fähig seien und deren Anschaffungskosten die Grenze von 800 DM nicht überschritten. Eine selbständige Nutzungsfähigkeit könne dann nicht angenommen werden, wenn das Wirtschaftsgut nach seiner betrieblichen Zweckbestimmung nur zusammen mit anderen Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens genutzt werden könne und die in den Nutzungszusammenhang eingefügten Wirtschaftsgüter technisch aufeinander abgestimmt seien. Davon könne bei der hier strittigen "Sanitärausstellung" nicht ausgegangen werden. Eine Abgestimmtheit verschiedener Gegenstände lediglich aufgrund einer Typisierung oder Normung, wie sie bei einem einheitlichen Bädermöbelprogramm möglicherweise gegeben sei, reiche für eine technische Abgestimmtheit i.S. von § 6 Abs. 2 Satz 2 EStG nicht aus.
Das FA beantragt, unter Aufhebung der Vorentscheidung die Klage abzuweisen; hilfsweise die Sache zur erneuten Entscheidung an das FG zurückzuverweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Die Revision ist begründet. Das angefochtene Urteil ist aufzuheben und zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
1. Das FG ist zu Unrecht davon ausgegangen, dass es sich bei der strittigen "Sanitärausstellung" um ein einheitliches zulagenfähiges Wirtschaftsgut handelt.
Nach § 2 Satz 1 InvZulG 1996 wird die Anschaffung von neuen abnutzbaren beweglichen Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens bei Vorliegen weiterer, hier nicht streitiger Voraussetzungen durch Investitionszulage gefördert.
Der Begriff des beweglichen Wirtschaftsgutes wird in dem InvZulG 1996 --wie auch in anderen Fördergesetzen-- nicht eigenständig erläutert. Vielmehr wird er in Anlehnung an das Einkommensteuerrecht bestimmt. Das EStG wiederum grenzt bewegliche von den unbeweglichen Wirtschaftsgütern unter Rückgriff auf die Regelung des bürgerlichen Rechts in den §§ 93 f. des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) über wesentliche Gebäudebestandteile einerseits und Scheinbestandteile andererseits in erster Linie anhand des Bewertungsrechtes ab (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 6. August 1998 III R 28/97, BFHE 187, 124, BStBl II 2000, 144, unter II. 2. a der Gründe). Um zulagenbegünstigte bewegliche Wirtschaftsgüter handelt es sich danach u.a., wenn zwar zivilrechtlich wesentliche Gebäudebestandteile vorliegen, diese aber als Betriebsvorrichtungen i.S. von § 68 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BewG (vgl. dazu BFH-Urteil in BFHE 187, 124, BStBl II 2000, 144, m.w.N.) zu beurteilen sind.
Um eine derartige Abgrenzung geht es im Streitfall jedoch nicht, da die zu beurteilende "Sanitärausstellung" unstreitig als ein bewegliches Wirtschaftsgut anzusehen ist. Entscheidend ist hier vielmehr, ob es sich bei der "Sanitärausstellung" um eine im Rechtssinne einheitliche Sache handelt --wovon wohl das FG ausgeht-- oder nur um eine Sachgesamtheit, die zwar wirtschaftlich als Einheit erscheint, jedoch unverändert aus einer Mehrheit rechtlich weiterhin selbständiger Sachen besteht (vgl. dazu Urteil des Reichsgerichts --RG-- vom 2. Juni 1915 V 19/15, RGZ 87, 43, 45; ferner Urteil des Bundesgerichtshofs --BGH-- vom 8. Oktober 1955 IV ZR 116/55, BGHZ 18, 226, 228).
Wird eine bewegliche Sache mit einer oder mehreren anderen beweglichen Sachen verbunden oder --wie im Streitfall-- zu einer Anlage zusammengestellt, so ist zu entscheiden, ob es sich bei den einzelnen Gegenständen jeweils noch um selbständige Wirtschaftsgüter handelt oder nur um unselbständige Teile des anderen Wirtschaftsguts. Ausschlaggebend dabei ist, ob die eingefügten oder zusammengestellten Gegenstände weiterhin ihre selbständige Bewertbarkeit behalten. Entscheidend für dieses Kriterium wiederum sind neben dem gemeinsamen Zweck, insbesondere der Grad der Festigkeit einer vorgenommenen Verbindung, der Zeitraum, auf den eine Verbindung oder die gemeinsame Nutzung mehrerer beweglicher Sachen angelegt ist, sowie das äußere Erscheinungsbild. Ist letzteres dadurch bestimmt, dass die Gegenstände für sich allein betrachtet unvollständig erscheinen oder gar ein Gegenstand ohne den/die anderen ein negatives Gepräge hat, ist regelmäßig von einem einheitlichen Wirtschaftsgut auszugehen (Senatsurteile vom 8. Februar 1996 III R 126/93, BFHE 180, 480, BStBl II 1996, 542, und vom 25. Mai 2000 III R 20/97, BFHE 192, 191, BStBl II 2001, 365). Für die Frage, ob ein Gegenstand selbständig bewertbar ist, ist auf den Zeitpunkt der bestimmungsgemäßen Verwendung des betreffenden Gegenstandes abzustellen (Senatsurteil vom 28. September 1990 III R 178/86, BFHE 162, 177, BStBl II 1991, 187).
Bei Anwendung dieser Grundsätze bildet die "Sanitärausstellung" entgegen der Annahme des FG nicht --als eine nicht teilbare Einheit-- ein Wirtschaftsgut; die Anlage setzt sich vielmehr aus einer Vielzahl von selbständig bewertungsfähigen Wirtschaftsgütern zusammen. Die Ausstellung wurde nicht in einem Zug errichtet und muss auch nicht als Ganzes wieder aufgegeben werden, wenn Teile davon veraltet oder unbrauchbar geworden sind. Der Austausch einzelner der ausgestellten Gegenstände durch aktuellere Modelle oder aber das Hinzufügen weiterer Gegenstände stellt nicht die gesamte Ausstellung in Frage und ist jederzeit möglich. Das System und das Erscheinungsbild der Ausstellung bleiben vielmehr auch dann erhalten, wenn z.B. einzelne Duschkabinen, Waschbecken, Unterschränke etc. durch andere ersetzt werden. Dafür, dass es sich bei den einzelnen Gegenständen der Ausstellung um selbständige Wirtschaftsgüter handelt, spricht weiter, dass sie im Wesentlichen nicht oder nur durch leicht lösbare Leitungen, Verankerungen o.ä. mechanisch miteinander verbunden sind.
2. Die einzelnen Elemente der Ausstellung sind grundsätzlich auch einer selbständigen Nutzung fähig; sie können aus der Ausstellung herausgenommen werden, ohne aus technischen Gründen ihre Nutzbarkeit für den Betrieb zu verlieren.
Die Frage, ob ein Wirtschaftsgut nur zusammen mit anderen Wirtschaftsgütern nutzbar ist oder für sich allein, beurteilt sich nach der konkreten Zweckbestimmung im Betrieb des Steuerpflichtigen. Eine Einbindung des Wirtschaftsguts in einen betrieblichen Nutzungszusammenhang ist anzunehmen, wenn die in dem Nutzungszusammenhang stehenden Wirtschaftsgüter nach außen als einheitliches Ganzes in Erscheinung treten. Eine Verbindung, die die selbständige Nutzbarkeit ausschließt, ist im Allgemeinen anzunehmen, wenn Wirtschaftsgüter über die einheitliche Zweckbestimmung durch den Steuerpflichtigen in seinem Betrieb hinaus durch eine technische Verbindung oder "Verzahnung" in der Weise verflochten sind, dass durch die Abtrennung eines der Teile entweder für den zu beurteilenden einzelnen Gegenstand oder für das Wirtschaftsgut, aus dem er herausgetrennt wurde, die Nutzbarkeit für den Betrieb verloren geht (BFH-Urteil vom 21. Juli 1998 III R 110/95, BFHE 186, 572, BStBl II 1998, 789, m.w.N.). In einen betrieblichen Nutzungszusammenhang eingefügte Wirtschaftsgüter sind demnach als technisch aufeinander abgestimmt anzusehen, wenn zusätzlich zu einem wirtschaftlichen (betrieblichen) Zusammenhang ihre naturwissenschaftlichen oder technischen Eigenschaften auf einen gemeinsamen Einsatz angelegt sind. Hiervon ist in der Regel auszugehen, wenn einem Gegenstand ohne einen anderen bzw. ohne andere Gegenstände schon aus rein technischen Gründen allein keine Nutzbarkeit zukommt (Senatsurteil in BFHE 192, 191, BStBl II 2001, 365). Eine bloße Abgestimmtheit aufgrund bestimmter, branchentypischer Fertigungsnormen genügt für eine technische Abgestimmtheit nicht (BFH-Urteil vom 7. September 2000 III R 71/97, BFHE 193, 192, BStBl II 2001, 41). Ebenso wenig genügt für die Annahme eines einheitlichen Wirtschaftsgutes --entgegen der Auffassung des FG--, dass mehrere Gegenstände einem einheitlichen Zweck dienen. Diese "Zweckeinheit" ist lediglich ein Indiz dafür, dass eine Zusammenfassung der betreffenden Gegenstände in Betracht kommen kann.
Die Vorentscheidung beruht auf einer anderen Rechtsauffassung und ist daher aufzuheben. Der Senat kann jedoch nicht durcherkennen, da die Sache nicht spruchreif ist. Das FG hat keine Feststellungen dazu getroffen, welche der von der Klägerin 1996 für die einzelnen Wirtschaftsgüter der "Sanitärausstellung" entstandenen Kosten für Wirtschaftsgüter i.S. des § 6 Abs. 2 EStG aufgewendet worden sind. Das FG wird weiterhin prüfen müssen, ob nicht einzelne der zu der Ausstellung zusammengefassten Wirtschaftsgüter ihre selbständige Bewertbarkeit dadurch verloren haben, dass sie fest und auf längere Dauer mit anderen Gegenständen verbunden wurden und nur in dieser technischen Verbundenheit ihren bestimmungsgemäßen Zweck erfüllen konnten, z.B. Badewanne und Armaturen.
Bei der erneuten Verhandlung wird das FG auch der Frage nachzugehen haben, ob in den im Kalenderjahr 1995 für die "Sanitärausstellung" aufgewendeten Kosten solche für Wirtschaftsgüter i.S. von § 2 Satz 1 InvZulG 1996 oder Anzahlungen auf Wirtschaftgüter (§ 4 Satz 2 InvZulG 1996) enthalten sind, für die die Klägerin im Streitjahr eine Investitionszulage beanspruchen kann.
Nach § 6 Abs. 1 Satz 1 InvZulG 1996 ist der Antrag auf Investitionszulage bis zum 30. September des Kalenderjahres zu stellen, das auf das Wirtschaftsjahr folgt, in dem die Investitionen abgeschlossen worden, Anzahlungen geleistet worden oder Teilherstellungskosten entstanden sind. Gemäß § 3 Satz 4 InvZulG 1996 sind Investitionen in dem Zeitpunkt abgeschlossen, in dem die Wirtschaftsgüter angeschafft oder hergestellt worden sind. Nach den Senatsurteilen vom 2. September 1988 III R 53/84 (BFHE 154, 413, BStBl II 1988, 1009) und vom 7. Dezember 1990 III R 171/86 (BFHE 163, 285, BStBl II 1991, 377) ist ein Wirtschaftsgut investitionszulagenrechtlich in dem Zeitpunkt geliefert oder angeschafft (die Begriffe haben gemäß § 9a der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung ertragsteuerlich die gleiche Bedeutung), in dem der Erwerber nach dem Willen der Vertragsparteien darüber wirtschaftlich verfügen kann und in dem das Wirtschaftsgut zusätzlich betriebsbereit ist; auf die fehlende Einsetzbarkeit kommt es nicht an (BFH-Urteil vom 7. November 2000 III R 19/98, BFHE 193, 229, BStBl II 2001, 256). Da es sich bei den für die "Sanitärausstellung" angeschafften Gegenständen grundsätzlich um selbständig nutzbare Wirtschaftsgüter handelt, ist nicht nur zu untersuchen, ob deren Anschaffungskosten über 800 DM lagen, sondern auch wann sie angeschafft wurden und betriebsbereit waren.
Ende der Entscheidung
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