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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 12.12.2002
Aktenzeichen: III R 41/01
Rechtsgebiete: EStG


Vorschriften:

EStG § 33a Abs. 1 Satz 3
Ob der Unterhaltsempfänger über kein oder nur geringes Vermögen i.S. des § 33a Abs. 1 Satz 3 EStG verfügt, ist unabhängig von der Anlageart nach dem Verkehrswert zu entscheiden (gegen R 190 Abs. 3 Satz 3 Nr. 3 EStR).
Gründe:

I.

Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) hat im Streitjahr 1997 an seine Mutter monatlich 800 DM in bar gezahlt (insgesamt 9 600 DM). Darüber hinaus hat er weitere Aufwendungen für seine Mutter in Höhe von 14 508,87 DM beglichen.

Die Mutter hatte im Streitjahr 1997 kein eigenes Einkommen, sie war jedoch Eigentümerin eines bebauten Grundstücks von 1 409 qm Grundfläche. In dem Gebäude (Baujahr 1926) befanden sich 3 Wohnungen (Erdgeschoss 72 qm, Obergeschoss 72 qm, Dachgeschoss 42 qm). Das Erdgeschoss wurde von der Mutter selbst bewohnt. Im Obergeschoss wohnte der Kläger, das Dachgeschoss wurde nicht vermietet. Das Grundstück war im Jahr 1988 im Rahmen der vorweggenommenen Erbfolge von der Großmutter auf die Mutter des Klägers übertragen worden. Der Verkehrswert war damals mit 300 000 DM angenommen worden.

Im Jahr 1997 erteilte die Mutter des Klägers an einen Makler einen Verkaufsauftrag für das Grundstück. Der Makler schätzte den Verkehrswert des Grundstückes auf 625 000 DM, bot es jedoch zunächst für 730 000 DM an. Letztlich wurde es im Oktober 1999 zu einem Preis von 570 000 DM verkauft.

Im Einkommensteuerbescheid 1997 berücksichtigte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) die Unterhaltsaufwendungen des Klägers an seine Mutter nicht. Die dagegen erhobene Klage wies das Finanzgericht (FG) als unbegründet ab (Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 2002, 278).

Der Kläger rügt mit seiner Revision die Verletzung des § 33a Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Das Hausgrundstück seiner Mutter müsse bei der Beantwortung der Frage, ob die Voraussetzungen des § 33a Abs. 1 EStG vorlägen, außer Betracht bleiben. Das Hausgrundstück sei nämlich als "angemessenes" Grundstück i.S. des § 88 des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG) zu qualifizieren. R 190 Abs. 3 Satz 3 Nr. 3 der Einkommensteuer-Richtlinien (EStR) verweise ausdrücklich auf § 88 Abs. 2 Nr. 7 BSHG. Nach dieser Norm seien bei der Beurteilung der Angemessenheit eines Hausgrundstücks die Anzahl der Bewohner, deren Wohnbedarf, die Grundstücksgröße, die Hausgröße, der Zuschnitt und die Ausstattung des Wohngebäudes sowie der Wert des Grundstückes einschließlich des Gebäudes zu berücksichtigen. Das Haus sei von der Mutter und ihm bewohnt worden. Die Wohnungen seien mit jeweils 72 qm für Erwachsene nicht unangemessen groß. Die Ausstattung der Wohnungen hätte nur bescheidene Wohnansprüche erfüllt. Vor diesem Hintergrund sei die Mutter des Klägers grundsätzlich nicht verpflichtet gewesen, das Hausgrundstück zu verwerten. Es stelle damit lediglich geringes Vermögen i.S. von R 190 Abs. 3 Satz 3 Nr. 3 EStR dar und bleibe daher im Rahmen des § 33a Abs. 1 EStG außer Betracht. Insoweit sei das Urteil des FG fehlerhaft.

Der Kläger beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und unter Änderung der Einspruchsentscheidung und des Einkommensteuerbescheides 1997 die Einkommensteuer unter Berücksichtigung außergewöhnlicher Belastungen i.S. des § 33a Abs. 1 EStG in Höhe von 12 000 DM festzusetzen.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

II.

Die Revision ist unbegründet. Das FG hat im Ergebnis zu Recht die Zahlungen des Klägers an seine Mutter nicht als außergewöhnliche Belastungen nach § 33a Abs. 1 EStG anerkannt.

1. Erwachsen einem Steuerpflichtigen Aufwendungen für den Unterhalt einer ihm oder seinem Ehegatten gegenüber gesetzlich unterhaltsberechtigten Person, so wird auf Antrag die Einkommensteuer dadurch ermäßigt, dass die Aufwendungen bis zu 12 000 DM im Kalenderjahr vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen werden (§ 33a Abs. 1 Satz 1 EStG in der für das Streitjahr 1997 gültigen Fassung). Voraussetzung für den Abzug ist u.a., dass die unterhaltene Person kein oder nur ein geringes Vermögen besitzt (§ 33a Abs. 1 Satz 3 EStG).

§ 33a Abs. 1 EStG ist durch das Jahressteuergesetz 1996 (JStG 1996) geändert worden. Abziehbar sind nach der Neufassung --von den Fällen des § 33a Abs. 1 Satz 2 EStG abgesehen-- nur noch Unterhaltsleistungen an gesetzlich unterhaltsberechtigte Personen. Die Vorschrift will --wie ihre Vorgängervorschriften-- die wirtschaftlichen Belastungen, die durch den Unterhalt und die Berufsausbildung von Kindern und anderen gesetzlich unterhaltsberechtigten Personen erwachsen, berücksichtigen (Bundesfinanzhof --BFH--, Urteil vom 4. Dezember 2001 III R 47/00, BFHE 197, 233, BStBl II 2002, 195). Der Gesetzgeber geht dabei typisierend davon aus, dass bei eigenen Einkünften und Bezügen von im Streitjahr 12 000 DM jenseits des anrechnungsfreien Betrages von 1 200 DM oder bei eigenem, nicht nur geringfügigem Vermögen eine Unterhaltsbedürftigkeit nicht gegeben ist und die Unterhaltsaufwendungen damit nicht zwangsläufig anfallen (BFH, Urteil vom 14. August 1997 III R 68/96, BFHE 184, 315, BStBl II 1998, 241, zu § 33a Abs. 1 EStG a.F.) .

2. a) Nach Auffassung der Finanzverwaltung ist geringes Vermögen ein solches, dessen gemeiner Wert 30 000 DM nicht übersteigt. Der BFH hat in seinen Urteilen in BFHE 184, 315, BStBl II 1998, 241 und vom 19. Mai 1999 XI R 99/96 (BFH/NV 2000, 22) --jeweils als obiter dictum-- diese Grenze, jedenfalls für Veranlagungszeiträume bis einschließlich 1993, trotz des seit 1975 unverändert fortbestehenden anrechnungsfreien Betrages von 30 000 DM gebilligt, und zwar auch dann, wenn das Vermögen keine Erträge erwirtschaftet. Konkret waren in den jeweiligen Streitfällen Vermögen von 120 000 DM und 50 000 DM als nicht gering i.S. des § 33a Abs. 1 Satz 3 EStG beurteilt worden.

b) Freilich soll nach Auffassung der Finanzverwaltung beim Unterhaltsempfänger ein ihm gehörendes angemessenes Hausgrundstück außer Betracht bleiben, wenn der Unterhaltsempfänger das Hausgrundstück allein oder zusammen mit Angehörigen, denen es nach seinem Tode als Wohnung dienen soll, ganz oder teilweise bewohne (R 190 Abs. 3 Satz 3 Nr. 3 EStR). Zur Angemessenheit wird auf § 88 Abs. 2 Nr. 7 BSHG hingewiesen.

Der Senat folgt dieser Auslegung nicht. Die Frage, ob der Unterhaltsempfänger über kein oder nur geringes Vermögen verfügt, ist unabhängig von der Anlageart nach dem Verkehrswert zu entscheiden. Es kann keinen Unterschied machen, ob ein Steuerpflichtiger sein Vermögen in Mietwohngrundstücken, Wertpapieren, Kunstgegenständen oder anderweitig angelegt hat. Grundsätzlich ist auch ein selbstgenutztes Eigenheim anzusetzen, und zwar mit dem Verkehrswert.

§ 33a Abs. 1 EStG trifft zwar eine gegenüber dem zivilrechtlichen Unterhaltsrecht eigene steuerrechtliche Regelung über die Abziehbarkeit von Unterhaltsleistungen, so dass die Höhe des bürgerlich-rechtlich konkret geschuldeten Unterhalts für den Abzug nach § 33a Abs. 1 EStG nicht maßgeblich ist. Jedoch findet die Regelung ihre Rechtfertigung und ihren sachlichen Grund im Zivilrecht (BFH-Urteil in BFHE 184, 315, BStBl II 1998, 241). Die Rechtsordnung bürdet ihren Bürgern auf, ihre nächsten Angehörigen finanziell zu unterhalten, wenn diese hierzu nicht selbst in der Lage sind (§ 1602 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches --BGB--). Dieser Verpflichtung will § 33a Abs. 1 EStG durch die Abziehbarkeit des am notwendigen Bedarf ausgerichteten Unterhalts Rechnung tragen. Das bürgerliche Unterhaltsrecht mutet es aber einem Unterhaltsberechtigten --von minderjährigen Kindern abgesehen-- grundsätzlich zu, sein Vermögen ungeachtet der Art der Anlage ggf. durch Substanzverbrauch für seinen Unterhalt einzusetzen (Umkehrschluss aus § 1602 Abs. 2 BGB; Bundesgerichtshof, Urteil vom 5. November 1997 XII ZR 20/96, Neue Juristische Wochenschrift 1998, 978; Palandt/Diederichsen, Bürgerliches Gesetzbuch, Kommentar, 61. Aufl., § 1602 Rz. 4; Luthin in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 3. Aufl., § 1602 Rdnr. 45; Mutschler, Das Bürgerliche Gesetzbuch, Kommentar, herausgegeben von Mitgliedern des Bundesgerichtshofs, § 1602 Rdnr. 20).

Vor diesem Hintergrund und unter Beachtung des Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes lässt sich eine Privilegierung von Unterhaltsleistungen an Unterhaltsempfänger, die über ein Eigenheim verfügen, gegenüber solchen, die lediglich dazu in der Lage waren, ein bescheidenes, wenn auch 30 000 DM übersteigendes Vermögen zu erwerben, nicht rechtfertigen. Es ist nicht einsichtig, Unterhaltsempfänger, die sich die Anschaffung eines Eigenheims nicht leisten konnten, zu verpflichten, ihr Vermögen jenseits eines Betrages von 30 000 DM für ihren Lebensunterhalt einzusetzen, dagegen Eigentümer von Eigenheimen, deren Verkehrswerte auch bei durchschnittlicher Ausstattung in Ballungsgebieten leicht mehrere hunderttausend DM erreichen können, hiervon zu verschonen.

c) Die Mutter verfügte im Streitjahr über ein erhebliches Vermögen, denn sie war Eigentümerin eines Dreifamilienhauses mit einem Verkehrswert von rd. 570 000 DM, das lediglich mit Schulden in Höhe von 38 000 DM belastet war. Ein Abzug von Unterhaltsaufwendungen nach § 33a Abs. 1 EStG ist daher ausgeschlossen. Es erscheint ohnehin fraglich, ob überhaupt Unterhaltsleistungen vorliegen oder ob die Zahlungen an die Mutter nicht (zum Teil) ein Nutzungsentgelt für die überlassene Wohnung darstellen.

Ende der Entscheidung

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