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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 26.06.2003
Aktenzeichen: III R 41/02
Rechtsgebiete: EigZulG


Vorschriften:

EigZulG § 2
EigZulG § 2 Abs. 1
EigZulG § 2 Satz 1
EigZulG § 2 Abs. 1 Satz 1
EigZulG § 3
EigZulG § 4 Satz 1
EigZulG § 10
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) erwarben in einem 1970 errichteten, 60 Wohnungen umfassenden Mietwohnhaus mit notariellem Kaufvertrag vom 5. Oktober 1995 zum Kaufpreis von 131 540 DM eine Eigentumswohnung von einer Wohnungsbaugesellschaft, die nach § 5 des Altschuldenhilfe-Gesetzes vom 23. Juni 1993 (BGBl I 1993, 944, 986) verpflichtet war, einen Teil ihres Wohnungsbestandes im Beitrittsgebiet zu veräußern. Die Kläger wohnten als Mieter in einer Wohnung dieser Gesellschaft. Besitz, Nutzungen und Lasten der erworbenen Wohnung gingen zum 1. Dezember 1995 auf die Kläger über.

Die Räume hatten zuvor rd. 1 1/2 Jahre leer gestanden. Die Eigentümerin hatte das künftige Gemeinschaftseigentum saniert, hingegen weder das Sondereigentum überholt noch daran bei der Sanierung des Gemeinschaftseigentums entstandene Schäden wieder beseitigt.

Die von den Klägern erworbenen Räume enthielten Anschlüsse für Wasser und Strom sowie im Bad einen Anschluss für ein WC. Indes fehlten die Sanitärobjekte. Die Elektroinstallation war mangelhaft. Der aus Beton bestehende Fußboden war im Zuge der Sanierung teilweise beschädigt worden, insbesondere im Bereich des Bades war die Isolierung zur unteren Wohnung beeinträchtigt.

Die Kläger vereinbarten am 2. November 1995 vertraglich die Durchführung der notwendigen Arbeiten zur Sanierung der Eigentumswohnung und bezogen diese nach Abschluss der Instandsetzungsmaßnahmen am 15. Februar 1996.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) setzte die Eigenheimzulage für den Zeitraum von 1996 bis 2002 in Höhe von 2 500 DM/Jahr fest.

Der Einspruch der Kläger, mit dem sie begehrten, den Förderzeitraum erst im Jahr 1996 beginnen zu lassen, weil auch erst in diesem Jahr eine bewohnbare Wohnung vorhanden gewesen sei, blieb erfolglos.

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage mit in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2002, 595 veröffentlichtem Urteil statt.

Mit der Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts (§ 2 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 3 und § 4 Satz 1 des Eigenheimzulagengesetzes --EigZulG--). Entgegen der Auffassung des FG beginne der Förderzeitraum auch bei Anschaffung eines nicht bezugsfertigen Objekts im Jahr der Anschaffung und nicht erst im Jahr des Abschlusses der Renovierungsmaßnahmen.

Das FA beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Kläger haben keinen Antrag gestellt.

II. Die Revision ist begründet. Das angefochtene Urteil ist aufzuheben und die Klage abzuweisen (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

Zu Unrecht hat das FG die Eigenheimzulage für die Jahre 1996 bis 2003 festgesetzt.

1. Dahinstehen kann, ob das EigZulG --wie das FG angenommen hat-- auf den Streitfall überhaupt anwendbar ist.

Auf Antrag kann das EigZulG auch schon auf Anschaffungen vor dem 1. Januar 1996 angewendet werden, wenn der Anspruchsberechtigte den notariellen Vertrag nach dem 28. Juni 1995 abgeschlossen und die Wohnung als Mieter aufgrund einer Veräußerungspflicht des Wohnungsunternehmens nach § 5 des Altschuldenhilfe-Gesetzes angeschafft hat (§ 19 Abs. 1 und 2 EigZulG).

Der Senat braucht nicht darüber zu entscheiden, ob das Wahlrecht nur gilt, wenn der Anspruchsberechtigte die angeschaffte Wohnung bisher als Mieter bewohnt hat, oder ob es ausreicht, dass er --wie im Streitfall-- lediglich Mieter irgendeiner Wohnung des veräußernden Wohnungsunternehmens war (so Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 10. Februar 1998, BStBl I 1998, 190, Rz. 118 Satz 4; ebenso Stuhrmann in Bordewin/ Brandt, Einkommensteuergesetz, § 19 EigZulG Rz. 2; zweifelnd Wacker, Eigenheimzulagengesetz, 3. Aufl., § 19 Rz. 30). Denn auch wenn das EigZulG im Streitfall grundsätzlich anzuwenden ist, obwohl die Kläger nicht Mieter der angeschafften Wohnung waren, hat der Revisionsantrag des FA (Aufhebung des FG-Urteils und Abweisung der Klage) Erfolg, weil den Klägern die Eigenheimzulage --wie vom FA festgesetzt-- nur für die Jahre 1996 bis 2002 zusteht.

2. Entgegen der Auffassung des FG hat der Förderzeitraum für die Eigenheimzulage bereits im Jahr 1995 begonnen und folglich im Jahr 2002 geendet. Der Zeitpunkt des Abschlusses der Sanierungsarbeiten im Jahr 1996 ist für den Beginn des Förderzeitraums nicht maßgebend.

a) Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 EigZulG ist die Herstellung oder Anschaffung einer im Inland belegenen eigenen Eigentumswohnung begünstigt. Der Anspruchsberechtigte kann die Eigenheimzulage im Jahr der Fertigstellung oder Anschaffung und in den sieben folgenden Jahren (Förderzeitraum) in Anspruch nehmen (§ 3 EigZulG), aber nur für die Kalenderjahre, in denen er die Wohnung zu eigenen Wohnzwecken nutzt (§ 4 Satz 1 EigZulG). Der Anspruch auf Eigenheimzulage entsteht mit Beginn der Nutzung der hergestellten oder angeschafften Wohnung zu eigenen Wohnzwecken (§ 10 EigZulG).

b) Zutreffend ist das FG davon ausgegangen, dass die Kläger durch die Sanierungsarbeiten keine neue Wohnung hergestellt haben, so dass es für den Beginn des Förderzeitraums nicht auf das Jahr der Fertigstellung, sondern auf das Jahr der Anschaffung ankommt.

aa) Herstellen einer Wohnung i.S. von § 2 Abs. 1 Satz 1 EigZulG bedeutet das Schaffen einer neuen, bisher nicht vorhandenen Wohnung (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 29. Januar 2003 III R 53/00, BStBl II 2003, 565, BFH/NV 2003, 972, m.w.N.). Baumaßnahmen an einer bestehenden Wohnung in einem Gebäude können nur dann als Herstellung einer Wohnung i.S. des § 2 Satz 1 EigZulG beurteilt werden, wenn diese Wohnung bautechnisch neu ist. Bautechnisch neu bedeutet, dass das Gebäude in seiner wesentlichen Substanz verändert wird, so dass die neu eingefügten Gebäudeteile dem Gesamtgebäude das bautechnische Gepräge eines neuen Gebäudes geben und die verwendeten Altteile wertmäßig untergeordnet erscheinen. Dies ist insbesondere der Fall, wenn verbrauchte Teile ersetzt werden, die für die Nutzungsdauer bestimmend sind, wie z.B. Geschossdecken, die Dachkonstruktion, Fundamente oder tragende Außen- und Innenwände. Wird hingegen nur ein für die Nutzungsdauer bestimmender Gebäudeteil erneuert, so reicht dies in der Regel für die Beurteilung als bautechnisch neues Gebäude nicht aus. Auch genügt es nicht, dass die Aufwendungen für die Instandsetzung, die Renovierung und ggf. die Modernisierung des Gebäudes in ihrer Gesamtheit über die zeitgemäße substanzerhaltende Bestandteilserneuerung hinaus den Gebrauchswert des Hauses insgesamt erhöhen (BFH-Urteile vom 15. Mai 2002 X R 36/99, BFH/NV 2002, 1158, und in BFH/NV 2003, 972).

Ist ein Gebäude infolge Abnutzung unbrauchbar geworden (Vollverschleiß), so wird durch die Instandsetzungsarbeiten unter Verwendung der übrigen noch nutzbaren Teile ein neues Wirtschaftsgut hergestellt. Unbrauchbarkeit i.S. eines Vollverschleißes kommt allerdings nur bei schweren Substanzschäden an den für die Nutzbarkeit als Bau und an den die Nutzungsdauer des Gebäudes bestimmenden Teilen in Betracht, hingegen nicht bereits dann, wenn das Gebäude wegen Abnutzung und Verwahrlosung nicht mehr zeitgemäßen Wohnvorstellungen entspricht. Eine grundlegende Sanierung reicht für die Annahme einer Neuherstellung nicht aus (BFH-Urteile in BFH/NV 2002, 1158, und in BFH/NV 2003, 972).

bb) Die Merkmale für eine Neuherstellung sind im Streitfall nicht erfüllt. Weder haben die von den Klägern vorgenommenen Sanierungsmaßnahmen der Eigentumswohnung das bautechnische Gepräge im Sinne der vorgenannten Grundsätze gegeben noch haben im Sinne eines Vollverschleißes schwerwiegende Substanzschäden vorgelegen.

c) Da die Kläger keine neue Wohnung hergestellt, sondern eine bereits bestehende angeschafft haben, beginnt der Förderzeitraum gemäß § 3 EigZulG mit dem Jahr der Anschaffung. Das ist --wie das FA zutreffend angenommen hat-- das Jahr 1995, in dem die wirtschaftliche Verfügungsmacht über die Wohnung auf die Kläger übergegangen ist.

aa) Das Jahr der Anschaffung ist gemäß § 9a der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (EStDV) das Jahr der Lieferung. Hierfür kommt es auf den Zeitpunkt der Übertragung des wirtschaftlichen Eigentums an. Bei der Übertragung eines Grundstücks ist das in der Regel der Zeitpunkt, zu dem Eigenbesitz, Gefahr, Lasten und Nutzen auf den Erwerber übergehen (BFH-Urteil in BFH/NV 2003, 972, m.w.N.).

Der Senat hat es im Urteil in BFH/NV 2003, 972 abgelehnt, für das Recht der Eigenheimzulage bei Erwerb einer sanierungsbedürftigen Wohnung den Zeitpunkt der Anschaffung abweichend von der bisherigen Rechtsprechung zu bestimmen und auf den Zeitpunkt der Bezugsfertigkeit abzustellen. Der Senat hat sich in diesem Urteil ausführlich auch mit Argumenten des FG im angefochtenen Urteil auseinander gesetzt. Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt er insoweit auf die Gründe seines Urteils in BFH/NV 2003, 972 (unter II. 3. c der Gründe) Bezug.

Der Senat hat insbesondere klargestellt, dass zwischen den beiden Fördertatbeständen Herstellung einer Wohnung durch den Anspruchsberechtigten und Anschaffung einer von einem anderen hergestellten Wohnung zu unterscheiden ist. Eine Wohnung i.S. des § 2 Abs. 1 EigZulG ist zwar erst mit deren Fertigstellung gegeben. Eine einmal fertig gestellte Wohnung verliert ihre Eigenschaft als Wohnung --vom Fall des Vollverschleißes abgesehen-- aber nicht dadurch, dass sie sanierungsbedürftig und daher unbewohnbar wird. Stellt der Anspruchsberechtigte die Wohnung selbst her, beginnt der Förderzeitraum im Jahr der Fertigstellung (Bezugsfertigkeit). Schafft der Anspruchsberechtigte eine von einem anderen hergestellte Wohnung an, beginnt der Förderzeitraum mit dem Jahr, in dem der Anspruchsberechtigte wirtschaftlich über die Wohnung verfügen kann. Darauf, ob die Wohnung sanierungs- oder renovierungsbedürftig ist, kommt es nicht an.

Auch im Hinblick darauf, dass in § 2 EigZulG Anschaffung und Herstellung als gleichwertige Investitionsformen behandelt werden, können die nach § 3 EigZulG für den Beginn des Förderzeitraums maßgeblichen Tatbestandsmerkmale (in Anschaffungsfällen der Übergang der wirtschaftlichen Verfügungsmacht, in Herstellungsfällen die Bezugsfertigkeit der Wohnung) nicht in dem Sinn gleich ausgelegt werden, dass der Beginn des Förderzeitraums bei Anschaffung einer sanierungsbedürftigen Wohnung bis zur Bezugsfertigkeit, also bis zum Abschluss der Sanierungsarbeiten hinausgeschoben wird (BFH-Urteil in BFH/NV 2003, 972, m.w.N.).

Wie der Senat bereits im Urteil in BFH/NV 2003, 972 dargelegt hat, kann eine sanierungs- und instandsetzungsbedürftige Wohnung auch nicht einem Rohbau gleichgestellt werden.

bb) Im Streitfall sind nach dem notariellen Kaufvertrag vom 5. Oktober 1995 Besitz, Nutzungen und Lasten der Wohnung auf die Kläger zum 1. Dezember 1995 übergegangen. Der Förderzeitraum hat daher im Jahr 1995 begonnen, auch wenn den Klägern für das Jahr 1995 mangels Nutzung der Wohnung noch keine Eigenheimzulage zustand, und endete mit Ablauf des Jahres 2002.

Ende der Entscheidung

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