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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 20.11.2003
Aktenzeichen: III R 47/02
Rechtsgebiete: EigZulG, EStG


Vorschriften:

EigZulG § 9 Abs. 5 Satz 1
EigZulG § 9 Abs. 5 Satz 2
EigZulG § 10
EigZulG § 11 Abs. 1
EigZulG § 11 Abs. 2
EStG § 32 Abs. 4 Satz 2
Entfällt der Anspruch auf Kindergeld oder einen Kinderfreibetrag und damit auch der Anspruch auf eine Kinderzulage nach § 9 Abs. 5 EigZulG rückwirkend für das gesamte Kalenderjahr, weil die Einkünfte und Bezüge des Kindes den Jahresgrenzbetrag in § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG übersteigen, ist die Eigenheimzulage mit Wirkung ab diesem Kalenderjahr entsprechend neu festzusetzen.
Gründe:

I.

Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) werden als Ehegatten zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Sie erwarben 1996 ein Einfamilienhaus, welches sie 1997 mit ihrem 1972 geborenen, im Studium befindlichen Sohn bezogen. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) setzte die Eigenheimzulage mit Bescheid vom 12. Januar 1998 auf jährlich 6 500 DM (Fördergrundbetrag von 5 000 DM + Kinderzulage 1 500 DM) für den Zeitraum von 1997 bis 2004 fest.

Bereits im Jahr 1998 hatte der Sohn eigene Einkünfte in Höhe von 11 588 DM erzielt. Im Streitjahr 1999 bezog er Einkünfte in Höhe von 18 098 DM.

Nach bekannt werden dieses Sachverhaltes setzte das FA die Eigenheimzulage ab 1999 gemäß § 11 Abs. 2 des Eigenheimzulagengesetzes (EigZulG) neu auf jährlich 5 000 DM fest.

Der Einspruch, mit dem die Kläger geltend machten, die Eigenheimzulage dürfe erst ab dem Jahr 2000 neu festgesetzt werden, hatte keinen Erfolg.

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage mit in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2002, 1428 veröffentlichtem Urteil als unbegründet ab. Es war der Auffassung, auch wenn sich die Voraussetzungen für die Höhe der Eigenheimzulage oder die Zahl der Kinder zuungunsten des Anspruchsberechtigten änderten, sei die Eigenheimzulage nach der ausdrücklichen Regelung in § 11 Abs. 2 EigZulG nicht erst in dem der Änderung folgenden Jahr, sondern in dem Jahr neu festzusetzen, in dem sich die Abweichung bei der Eigenheimzulage ergebe. Dies sei das Jahr 1999, weil der Anspruch auf Kindergeld bzw. einen Kinderfreibetrag für dieses Jahr rückwirkend entfallen sei.

Mit der Revision rügen die Kläger die Verletzung materiellen Rechts.

Das FG habe § 11 Abs. 2 EigZulG unzutreffend ausgelegt. Hätte der Gesetzgeber gewollt, dass sich Änderungen im Sinne dieser Vorschrift nicht erst im Folgejahr auswirkten, so hätte er anstelle der Formulierung "mit Wirkung ab dem Kalenderjahr, für das sich die Abweichung bei der Eigenheimzulage ergebe" formulieren können "mit Wirkung des Kalenderjahres, für das sich die Abweichung ergebe". Da er dies nicht getan habe, sei nicht für das Kalenderjahr, in dem sich die Verhältnisse änderten, neu festzusetzen, sondern erst nach dessen Ablauf. In § 10 EigZulG, der die Entstehung des Anspruchs auf Eigenheimzulage regle, habe der Gesetzgeber das Prinzip festgelegt, dass die Verhältnisse zu Beginn des jeweiligen Kalenderjahres maßgebend sein sollten. § 11 Abs. 2 EigZulG "spreche" von der Änderung der Verhältnisse, also der Änderung der Anspruchsvoraussetzungen; § 11 Abs. 3 EigZulG befasse sich mit dem gänzlichen Wegfall der Anspruchsvoraussetzungen. Ein sachlicher Grund für eine Differenzierung zwischen § 11 Abs. 2 EigZulG und § 11 Abs. 3 EigZulG, der eine Aufhebung der Festsetzung mit Wirkung ab dem Folgejahr anordne, bestehe nicht.

Teile man diese Auslegung nicht, so sei der herrschenden Meinung in der Literatur zu folgen, nach der die Rechtsfolgen von anspruchsmindernden Änderungen der Verhältnisse unter Berücksichtigung des systematischen Zusammenhangs zu § 11 Abs. 3 EigZulG zu lösen sei; das bedeute, wenn nach dieser Vorschrift selbst der Wegfall der Voraussetzungen für die Eigenheimzulage erst zur Aufhebung der Festsetzung mit Wirkung ab dem Folgejahr führe, so müsse Entsprechendes (argumentum a maiore ad minorem) auch für den Fall der Anspruchsminderung während des Kalenderjahres gelten (Günstigerprinzip).

Der Zweck des EigZulG verlange keine Durchbrechung des in § 10 EigZulG festgelegten Prinzips, ebenso wenig des Prinzips der Abschnittsbesteuerung.

Die Kläger beantragen, das Urteil des FG sowie den geänderten Eigenheimzulagenbescheid vom 5. September 2000 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 27. März 2001 aufzuheben.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

II.

Die Revision ist unbegründet und deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

Das FG hat im Ergebnis zu Recht die Neufestsetzung der Eigenheimzulage ab 1999 gemäß § 11 Abs. 2 EigZulG als rechtmäßig beurteilt.

1. Haben sich die Verhältnisse für die Höhe des Fördergrundbetrags nach § 9 Abs. 2 EigZulG oder die Zahl der Kinder nach § 9 Abs. 5 Sätze 1 und 2 EigZulG geändert, die bei der zuletzt festgesetzten Eigenheimzulage zugrunde gelegt worden sind, ist die Eigenheimzulage neu festzusetzen. Neu festgesetzt wird mit Wirkung ab dem Kalenderjahr, für das sich die Abweichung bei der Eigenheimzulage ergibt (§ 11 Abs. 2 Sätze 1 und 2 EigZulG).

§ 11 Abs. 2 EigZulG zieht die verfahrensrechtlichen Folgen daraus, dass der Anspruch auf Eigenheimzulage nach Maßgabe der in den jeweiligen Kalenderjahren des Förderzeitraums verwirklichten Tatbestandsmerkmale entsteht, andererseits aber die Eigenheimzulage aus Gründen der Verfahrensvereinfachung gemäß § 11 Abs. 1 EigZulG für den gesamten Förderzeitraum (vgl. § 3 EigZulG) festgesetzt wird.

a) Im Schrifttum ist umstritten, ob bei Änderungen i.S. des § 11 Abs. 2 EigZulG zuungunsten des Anspruchsberechtigten die Eigenheimzulage bereits im Jahr der Änderung (so z.B. Handzik/ Meyer, Die Eigenheimzulage, 4. Aufl., Rz. 489 und 490) oder erst im Folgejahr neu festzusetzen ist (vgl. Wacker, Eigenheimzulagengesetz, 3. Aufl., § 11 Rz. 63; Stephan, Die Wohneigentumsförderung, 6. Aufl., S. 690; Hildesheim, Eigenheimzulage, Rz. 329; Wilde, Eigenheimzulagengesetz, 1998, § 11 Rz. 21; Hausen/Kohlrust-Schulz, Die Eigenheimzulage, 2. Aufl., Rz. 586; Brandenberg/Küster, Die Eigenheimzulage, 1998, Rz. 347; Urban, Die steuerliche Förderung des Wohnungsbaus, 1998, Rz. 581, m.w.N.).

b) Der Senat braucht diese Frage nicht abschließend zu entscheiden. Denn jedenfalls in Fällen, in denen --wie im Streitfall-- dem Anspruchsberechtigten für das gesamte Kalenderjahr (rückwirkend) kein Kindergeld mehr gewährt wird, weil die Einkünfte des Kindes die maßgebende Jahresgrenze überschritten haben, ist die Eigenheimzulage für das Jahr neu festzusetzen, in welchem dem Anspruchsberechtigten erstmals für das gesamte Jahr kein Kindergeld bzw. kein Kinderfreibetrag mehr zusteht.

Ob und ab wann sich eine zur Neufestsetzung nach § 11 Abs. 2 EigZulG führende Abweichung ergibt, richtet sich nach den materiell-rechtlichen Vorschriften des EigZulG (vgl. Frost in Frotscher, Einkommensteuergesetz und Nebengesetze, § 11 EigZulG Rz. 14; Risthaus, Eigenheimzulagengesetz und Anwendungserlass, 1998, § 11 Rz. 6; Wilde, a.a.O., § 11 Rz. 15; Hausen/Kohlrust-Schulz, a.a.O., Rz. 586).

Die materiell-rechtliche Entstehung des Anspruchs auf Eigenheimzulage ist in § 10 EigZulG geregelt. Danach entsteht der Anspruch auf Eigenheimzulage, sofern die übrigen Voraussetzungen des EigZulG gegeben sind, mit Beginn der Nutzung der hergestellten oder angeschafften Wohnung zu eigenen Wohnzwecken, für jedes weitere Jahr des Förderzeitraums mit Beginn des Kalenderjahres, für das eine Eigenheimzulage festzusetzen ist.

Die Kinderzulage wird nach § 9 Abs. 5 Satz 1 EigZulG für Kinder gewährt, für die entweder der Anspruchsberechtigte oder sein Ehegatte einen Freibetrag nach § 32 Abs. 6 des Einkommensteuergesetzes (EStG) oder Kindergeld (§ 31 Satz 1, §§ 62 und 63 Abs. 1 EStG) erhält. Ein Anspruch auf Kindergeld oder einen Kinderfreibetrag besteht bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres des Kindes (§ 32 Abs. 3 EStG). Hat ein Kind das 18., aber noch nicht das 27. Lebensjahr vollendet, kann das Kindergeld bzw. der Kinderfreibetrag aus den in § 32 Abs. 4 Nr. 2 EStG aufgeführten Gründen weiter gewährt werden. Der Anspruch auf Kindergeld bzw. auf einen Kinderfreibetrag kann auch nur für einen Teil des Kalenderjahres bestehen, wenn die Voraussetzungen für die Weitergewährung von Kindergeld während des Kalenderjahres erst eintreten oder wegfallen.

Die Kinderzulage steht dem Anspruchsberechtigten auch dann in voller Höhe zu, wenn die Voraussetzungen für die Gewährung des Kindergelds oder eines Kinderfreibetrags nur für einen Monat des Kalenderjahres erfüllt sind (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 14. Mai 2002 IX R 33/00, BFHE 199, 215, BStBl II 2003, 236). Mit dieser Auslegung wird dem Umstand Rechnung getragen, dass sowohl der Kinderfreibetrag (§ 32 Abs. 6 Sätze 1 und 2 EStG) als auch das Kindergeld (vgl. § 66 Abs. 2 EStG) nach dem Monatsprinzip gewährt werden, hingegen die Kinderzulage dem materiellen Jahresprinzip unterworfen ist (vgl. auch Boeker in Lademann, Einkommensteuergesetz und Nebengesetze, § 9 EigZulG Rz. 57 und § 11 Rz. 8; Giloy, Kommentar zum Eigenheimzulagengesetz, 3. Aufl., § 11 Rz. 28; Hausen/Kohlrust-Schulz, a.a.O., Rz. 484 und 485).

Entfallen die Voraussetzungen für den Anspruch auf Kindergeld während des Jahres für die Zukunft, z.B. weil das Kind die Berufsausbildung beendet, ist für das gesamte Jahr die Kinderzulage zu gewähren. Eine Abweichung bei der Eigenheimzulage ergibt sich daher erst ab dem Folgejahr, so dass erst mit Wirkung ab dem Folgejahr, in dem weder dem Anspruchsberechtigten noch seinem Ehegatten Kindergeld oder ein Kinderfreibetrag gewährt wird, die Eigenheimzulage neu festzusetzen ist.

Davon zu unterscheiden ist indes der im Streitfall gegebene Sachverhalt. Überschreitet ein über 18 Jahre altes Kind unter 27 Jahren, das für einen Beruf ausgebildet wird, mit seinen in dem betreffenden Kalenderjahr erzielten Einkünften und Bezügen den in § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG festgelegten Jahresgrenzbetrag, so entfallen sowohl das Kindergeld (§ 63 Abs. 1 Satz 2 EStG) als auch der Kinderfreibetrag rückwirkend für das gesamte Kalenderjahr und nicht nur für den Zeitraum, ab dem die Einkünfte und Bezüge des Kindes den Grenzbetrag überschreiten. Der Jahresgrenzbetrag ist ein Jahresbetrag (vgl. BFH-Urteil vom 16. April 2002 VIII R 96/01, BFH/NV 2002, 1027, m.w.N.). Rechtlich stellt sich dieser Sachverhalt also so dar, dass bereits --wenn auch erst aufgrund einer nachträglichen Ermittlung und Feststellung-- nach den zu Beginn dieses Kalenderjahres endgültig bestehenden Verhältnissen (vgl. § 11 Abs. 1 Satz 2 EigZulG) keine Kinderzulage zu gewähren war (a.A. insoweit ausdrücklich Stephan, Der Betrieb --DB-- 1996, 298, 299).

War aber für das betreffende Kalenderjahr zu keinem Zeitpunkt ein Kind einkommensteuerrechtlich zu berücksichtigen und fehlten mithin auch für dieses Jahr die Voraussetzungen für eine Kinderzulage, so kann die Neufestsetzung für dieses Jahr zuungunsten des Anspruchsberechtigten nicht allein deswegen unterbleiben, weil das Fehlen der materiell-rechtlichen Voraussetzungen gesichert erst im Laufe dieses Kalenderjahres oder sogar erst nach dessen Ablauf festgestanden hat.

Eine abweichende Auslegung des § 11 Abs. 2 EigZulG würde zudem dem Zweck der Eigenheimzulagenförderung durch eine Kinderzulage nicht gerecht. Wie bereits § 34f EStG, so soll auch die Kinderzulage der durch den Unterhalt des Kindes eingeschränkten wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Anspruchsberechtigten Rechnung tragen (BFH-Urteil vom 21. November 1989 IX R 56/88, BFHE 159, 146, BStBl II 1990, 216, zu § 34f EStG). Beide Förderungen gehen typisierend davon aus, dass die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen entsprechend steigt, sobald ein Kind nicht mehr die Voraussetzungen des einkommensteuerrechtlichen Kindbegriffs erfüllt. Trotz der für den Erwerb des Wohneigentums fortbestehenden finanziellen Belastung sieht es der Gesetzgeber nicht mehr als erforderlich an, eine weitere Begünstigung nach Wegfall der Kindeigenschaft zu gewähren (s. auch BFH-Urteil vom 14. März 2000 X R 46/99, BFHE 191, 319, BStBl II 2000, 344, zu § 34f EStG, und dort auch zur weiteren Frage eines Vertrauensschutzes; ferner BFH-Beschluss vom 29. Mai 2000 X B 128/99, BFH/NV 2000, 1205).

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