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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 07.12.2000
Aktenzeichen: III R 49/98
Rechtsgebiete: InvZulG 1991, FGO, AO 1977


Vorschriften:

InvZulG 1991 § 2 Satz 1 Nr. 1
InvZulG 1991 § 2 Satz 1 Nr.2
FGO § 96 Abs. 1 Satz 1
FGO § 120 Abs. 2 Satz 2
FGO § 76 Abs. 1 Satz 1
FGO § 96
AO 1977 § 12
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe

I. Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) hatte seit dem 7. Februar 1991 in S (Beitrittsgebiet) ein "Reisebüro mit Omnibus" als gewerbliche Tätigkeit angemeldet. Einen Büroraum unterhielt er zunächst in der R-Straße, ab 15. August 1991 in der K-Straße in S.

Neben diesem als Einzelunternehmen geführten Betrieb ist der Kläger an der R-Reisen OHG in M (Nordrhein-Westfalen) beteiligt.

Für das Streitjahr 1991 beantragte der Kläger die Gewährung einer Investitionszulage nach dem Investitionszulagengesetz (InvZulG) 1991 für die Anschaffung von sieben Reisebussen. Ein weiterer Bus wurde am 20. Dezember 1991 veräußert. Er reichte dazu verschiedene Bestätigungen von Reiseveranstaltern über die mit den Bussen durchgeführten Fahrten ein. Ferner teilte er mit, er habe seinen Betrieb mit Wirkung vom 20. Oktober 1992 von S nach F (Brandenburg) verlegt. In S befinde sich keine Betriebsstätte mehr.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) lehnte mit Bescheid vom 3. November 1993 die Gewährung der beantragten Investitionszulage mit der Begründung ab, der Kläger habe die Verbleibensvoraussetzungen gemäß § 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 InvZulG 1991 nicht nachgewiesen. Es sei zu vermuten, dass er die Busse der OHG zur Nutzung überlassen habe. Der Einspruch, den der Kläger nicht näher begründete, blieb ohne Erfolg.

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage, mit der der Kläger nur noch Investitionszulage für die Anschaffung von vier Bussen beantragte, statt. Es führte aus:

1. Die Busse hätten drei Jahre nach ihrer Anschaffung zum Anlagevermögen eines Betriebes bzw. einer Betriebsstätte im Fördergebiet gehört. Die Art des Geschäftsbetriebs des Klägers erfordere nach dem schlüssigen Vortrag des Klägers nur geringe Anforderungen an das Vorliegen einer Betriebsstätte. Seine Tätigkeit habe im Wesentlichen darin bestanden, Reiseveranstaltern Reisebusse gegen Entgelt zur Verfügung zu stellen. Es habe daher keiner Geschäftseinrichtung bedurft, in der die Reisenden selbst empfangen wurden. Eine Örtlichkeit, bei der die Reiseveranstalter telefonisch oder brieflich ihren Bedarf anmelden sowie Rechnungen übermitteln konnten, sei ausreichend. Eine solche Örtlichkeit sei zunächst in der R-Straße und dann in der K-Straße vorhanden gewesen. Die postalische Erreichbarkeit des Klägers sei in der K-Straße u.a. dadurch sichergestellt gewesen, dass sich dort ein Hinweisschild mit der Aufschrift "R-Reisen" befunden habe. Eine Telefonverbindung sei auf dem vom Kläger verwandten Briefpapier angegeben gewesen. Dass sich der in der K-Straße genutzte Raum in der Wohnung des Vermieters befunden habe, sei unerheblich. Weiteres Indiz für eine Betriebsstätte in S sei, dass der Kläger in S eine Bankverbindung unterhalten habe. Hinzu komme, dass auch das FA zeitweise von einer Betriebsstätte des Klägers in S ausgegangen sei. Nach einem Aktenvermerk vom 23. Juni 1993 habe der Prüfer hinsichtlich einer Umsatzsteuer-Sonderprüfung vermerkt, die Prüfung habe "im Büro" des Klägers in S stattgefunden.

Die Verfügungsbefugnis über die Räume habe sich der Kläger durch den Abschluss von Mietverträgen verschafft. Dabei sei unerheblich, dass der Vermieter des Raumes in der K-Straße ein beim Kläger angestellter Busfahrer gewesen sei. Es seien keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass dieser Vertrag nicht ernstlich gewollt und nicht tatsächlich durchgeführt worden sei. Für den Raum in der R-Straße habe der Kläger zwar keinen Mietvertrag vorgelegt. Für die Glaubhaftigkeit seines Vortrags sprächen jedoch folgende Indizien: Gewerbeanmeldung zum 7. Februar 1991, Schreiben u.a. der Z-Bank vom 18. April 1994 an diese Adresse, Rechnungen der Fahrzeuglieferanten, die dem Kläger unter dieser Adresse zugegangen seien, Eintragungen in den Kfz-Briefen der Busse, Entwurf eines Kooperationsvertrags mit einem Kraftverkehrsunternehmen.

Auf den Gesichtspunkt der Erwirtschaftung der Erträge (Hinweis auf das Schreiben des Bundesministers der Finanzen --BMF-- vom 28. August 1991, BStBl I 1991, 768, Tz. 43) komme es nicht an. Dieser Aspekt sei nur dann relevant, wenn der Anspruchsberechtigte Betriebsstätten sowohl im Fördergebiet als auch außerhalb des Fördergebiets unterhalte. Wenn ein Investor indes --wie hier der Kläger-- ausschließlich über eine Betriebsstätte im Fördergebiet verfüge, sei die Zuordnung eines Wirtschaftsguts zu einer bestimmten Betriebsstätte nicht erforderlich (Blümich/ Selder, Einkommensteuergesetz, Körperschaftsteuergesetz, Gewerbesteuergesetz, § 2 InvZulG 1993 Rz. 38).

2. Die Busse seien auch nicht zulagenschädlich an die OHG vermietet worden. Den mit "Busanmietung" bezeichneten Vertrag vom 5. April 1991 habe der Kläger in der mündlichen Verhandlung glaubhaft dahin gehend erläutert, dass es ihm dadurch möglich gewesen sei, schneller und unkomplizierter zu gewerberechtlichen Erlaubnissen zu kommen, die er für den Einsatz seiner Busse benötigt habe. Zu einer tatsächlichen Nutzungsüberlassung sei es nicht gekommen.

3. Im Übrigen seien die Busse drei Jahre nach ihrer Anschaffung in einer Betriebsstätte des Klägers im Fördergebiet verblieben. Der Kläger habe für jeden Bus monatliche Übersichten vorgelegt, aus denen sich der tägliche Einsatzort entnehmen lasse. Die einzelnen Einsatzorte und -zeiten würden durch die zugleich vorgelegten Ausgangsrechnungen bzw. Fahraufträge ausreichend belegt. Es sei nicht erforderlich, dass die Einsatzorte der Busse durch die kumulative Vorlage von Auftragserteilungen, Fahraufträgen und Auftragsabrechnungen, ggf. zuzüglich Fahrtenschreiberscheiben nachgewiesen würden. Es sei ausreichend, wenn die Reiserouten durch mindestens eine dieser Unterlagen belegt würden und die Nachweisführung ansonsten nachvollziehbar sei.

Die Nachvollziehbarkeit der Belegführung sei im Streitfall nicht beeinträchtigt. Es könne nicht zum Nachteil des Klägers gereichen, dass Bestätigungen dreier Reiseveranstalter zunächst auf die OHG ausgestellt und anschließend auf R-Reisen, S, korrigiert worden seien. Dem Belegführenden müsse die Möglichkeit der Korrektur eines inhaltlich unrichtigen Beleges zugestanden werden.

Die vom FA geltend gemachten Widersprüche rührten wohl daher, dass das FA meine, ein Bus müsse jeweils für die Hin- und Rückfahrt einer Reise eingesetzt werden. Aus den eingereichten Unterlagen ergebe sich indes, dass teilweise auch Leerfahrten zu den Urlaubsorten oder zurück durchgeführt wurden. Unter Berücksichtigung der Leerfahrten sei erklärbar, dass für eine (einzige) Reiseleistung, die mit einer Rechnung unter einheitlicher Auftrags- und Abrechnungsnummer abgerechnet worden sei, zwei Busse eingesetzt worden seien. Wenn ein Bus leer zurückgefahren sei und sogleich für eine andere Reisetour eingesetzt worden sei, habe es vorkommen können, dass dasselbe Kennzeichen in zwei hinsichtlich der Reisedauer sich überschneidenden Rechnungen erschienen sei.

Der erkennende Senat hat mit Beschluss vom 6. August 1998 III B 141/96 die Revision zugelassen, weil das FA zu Recht gerügt habe, das FG habe seiner Beweiswürdigung nicht das Gesamtergebnis des Verfahrens zugrunde gelegt und damit gegen den Inhalt der Akten verstoßen.

Mit der Revision rügt das FA die Verletzung formellen Rechts.

1. In Anbetracht des gesamten Sachverhalts hätte sich dem FG die Notwendigkeit einer weiteren Beweisaufnahme aufdrängen müssen. Das angefochtene Urteil beruhe auf diesem Verfahrensmangel. Nach dem Akteninhalt hätte das FG fragen müssen, ob sich die Tätigkeit des Klägers tatsächlich in der Betriebsstätte in S vollzogen oder ob nicht eine weitere Betriebsstätte außerhalb des Fördergebietes bestanden habe, der die Busse als Anlagevermögen zuzuordnen wären.

Das FA nimmt zur weiteren Darstellung auf die Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde III B 141/96 Bezug.

So habe ein an den Kläger an die K-Straße in S gerichteter Brief des FA vom Januar 1992 nicht zugestellt werden können, weil der Empfänger der Post unbekannt gewesen sei. Bei der Umsatzsteuersonderprüfung am 16. September 1992, habe der Prüfer folgenden Sachverhalt festgestellt: Ein an der Haustür in der Größe fünf mal zehn Zentimeter angebrachtes Schild habe die Aufschrift "R-REISEN" enthalten. Die Türklingel habe sowohl den Vermieter als auch den Kläger angesprochen. Der Büroraum sei wie ein Wohnzimmer ausgestattet gewesen. Weder Geschäftsunterlagen noch Telefon noch Fax seien vorhanden gewesen. Des Weiteren seien keine Mitarbeiter erreichbar gewesen. Jedoch seien im September 1992 ausweislich der Monatsaufstellungen für zwei Busse Reiseaufträge durchgeführt worden.

Auf den Reisebussen sei Reklame für die OHG mit der Rufnummer in M gemacht worden. Lediglich auf der Busrückseite werde einmalig zusätzlich auf S hingewiesen.

Der Kläger habe mit Schriftsatz vom 13. April 1993, geltend gemacht, sich wöchentlich in S aufgehalten, von dort aus die Geschäfte seines Busunternehmens, wie die Verhandlungen mit den Banken, das Forcieren der Werbung, die Einteilung der Fahrer, die Überwachung der Wartung, die Betreuung der vor Ort durchgeführten Reiseveranstaltungen, geleitet zu haben. Die vom Kläger nachgereichten Unterlagen zum Nachweis der Verbleibensvoraussetzungen enthielten Bestätigungen --vom 11. August 1992-- für die OHG auf deren Briefbögen. Inhaltsgleiche Bestätigungen, allerdings zusätzlich mit der Anschrift der Einzelfirma des Klägers und deren Bankverbindungen, seien dann dem Kläger unter dem 12. Oktober 1993 erteilt worden.

Der Hauptteil der Rechnungen für die Busgestellungen sei auf neutralem Briefpapier in M erstellt worden. Die Reiseunternehmen hätten die Teilnehmerlisten per Fax übermittelt. Kurzfristige Änderungen im Ablauf dieser Reisen seien fernschriftlich unter der Angabe R-Reisen als Empfängerin an den Telefaxanschluss der OHG gesendet worden. Die Reparaturrechnung der Firma B GmbH in D sei an die Anschrift der OHG geschickt worden.

Auf Briefbögen der Firma R-Reisen S erstellte Fahraufträge enthielten den Zusatz, der Auftrag sei von dieser Firma durchgeführt worden. Entsprechende Zusätze enthielten Briefbögen der späteren Betriebsstätte in F.

Mit Schreiben vom 26. Mai 1993 bemühe sich die OHG bei dem Reisebüro W um Busreisen mit dem Zusatz: "Desweiteren können wir Ihnen auch in unserer Zweigniederlassung 0- F Omnibusse zur Verfügung stellen".

Nach Aktenlage sei der Busverkehr nicht über die Betriebsstätte in S abgewickelt worden. Die Tätigkeit des Klägers habe seine telefonische Erreichbarkeit erfordert. Der Betrieb habe des Weiteren umfangreiche Geschäftsunterlagen notwendig gemacht (verschiedene Reiseunternehmen, Fahrerabrechnungen, Abrechnung mit den Reiseveranstaltern, Reparaturrechnungen).

Unklar sei, wie diese Tätigkeiten ohne Unterlagen und ohne technische Möglichkeiten in S hätten vollzogen werden können. Nach Aktenlage seien die Geschäfte nicht in S, sondern von außerhalb des Fördergebietes, wahrscheinlich von M aus, abgewickelt worden. Bei mehreren Betriebsstätten komme für die Zuordnung der Wirtschaftsgüter der Ertragserwirtschaftung entscheidende Bedeutung zu (vgl. BMF-Schreiben in BStBl I 1991, 768, unter Tz. 43).

2. Möglich sei auch eine --langfristige und damit zulagenschädliche-- Nutzungsüberlassung der Busse an die OHG (vgl. dazu BMF-Schreiben in BStBl I 1991, 768, unter Tz. 47) oder die Einordnung der klägerischen Firma als Scheinfirma und statt dessen deren Qualifikation als Zweigniederlassung der OHG.

Dem FG hätte sich nach dem Akteninhalt eine weitere Tatsachenermittlung aufdrängen müssen. Überdies habe es, das FA, einen entsprechenden Beweisermittlungsantrag gestellt (Schriftsatz vom 5. Oktober 1995) und in der mündlichen Verhandlung vom 7. März 1996 entsprechend präzisiert.

Das FA beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Weder nach den tatsächlichen Verhältnissen noch nach dem Akteninhalt sei die Vermutung des FA für eine weitere Betriebsstätte außerhalb des Fördergebietes gerechtfertigt.

Das FG habe eine Betriebsstätte in S und die Zuordnung der Busse zu dieser Betriebsstätte aufgrund umfangreicher Sachverhaltsermittlungen zutreffend bejaht.

II. Die Revision ist zulässig und begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

Das FG hat verfahrensfehlerhaft seiner Beweiswürdigung nicht das Gesamtergebnis des Verfahrens zugrunde gelegt und damit gegen den Inhalt der Akten verstoßen (Verletzung von § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO).

1. Die Revisionsbegründung genügt hinsichtlich der Rüge der Verletzung des § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO den Anforderungen des § 120 Abs. 2 Satz 2 FGO.

Das FA hat nämlich neben der Rüge einer Verletzung der Amtsermittlungspflichten durch das FG nach § 76 Abs. 1 Satz 1 FGO auch auf die Ausführungen im Verfahren über die Nichtzulassungsbeschwerde Bezug genommen. Eine solche Bezugnahme ist zur Begründung der Revision ausreichend, wenn --wie im Streitfall-- die Begründung der Beschwerde ihrem Inhalt nach zur Begründung der Revision genügt und das Revisionsgericht in seinem die Revision zulassenden Beschluss das Vorliegen des gerügten Verfahrensmangels bejaht hat (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 13. September 1994 IX R 83/93, BFH/NV 1995, 605, m.w.N.; vom 17. Juni 1994 III R 108/93, BFH/NV 1995, 133, unter Ziff. 1 der Gründe).

Der erkennende Senat hat im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren eine hinreichende Bezeichnung des Verstoßes gegen § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO bejaht.

2. Die Revision ist auch begründet.

a) Nach § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. Diese Vorschrift verpflichtet das FG, u.a. auch den Inhalt der ihm vorliegenden Akten vollständig und einwandfrei zu berücksichtigen (vgl. BFH-Urteil vom 13. März 1996 II R 28/94, BFH/NV 1996, 628, m.w.N.; Lange in Hübschmann/Hepp/ Spitaler, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 10. Aufl., § 96 FGO Rz. 20, m.w.N.).

b) Hiergegen hat das FG verstoßen.

Die Busse sind --wie das FG materiell-rechtlich zutreffend ausgeführt hat-- u.a. nur zulagenbegünstigt, wenn sie drei Jahre nach ihrer Anschaffung zum Anlagevermögen eines Betriebes bzw. einer Betriebsstätte im Fördergebiet gehört haben (vgl. § 2 Satz 1 Nr. 1 InvZulG 1991).

Das FG hat eine Betriebsstätte in S bejaht, weil nach der Art des Geschäftsbetriebes des Klägers insoweit nur geringe Anforderungen zu stellen seien. Ausreichend sei danach eine Örtlichkeit, bei der die verschiedenen Reiseveranstalter ihre Bedarfsmeldungen telefonisch oder per Brief anbringen sowie die Rechnungen übermitteln könnten.

Der Kläger sei auf dem Briefwege erreichbar gewesen. In der K-Straße in S sei ein Hinweisschild mit der Aufschrift "R-REISEN" angebracht gewesen. Auf dem vom Kläger verwendeten Briefpapier sei eine Telefonverbindung angegeben gewesen. Auf den vom FA unter Bezugnahme auf das BMF-Schreiben in BStBl I 1991, 768, unter Tz. 43 angesprochenen Gesichtspunkt der Erwirtschaftung der Erträge komme es nur an, wenn der Anspruchsberechtigte mehrere Betriebsstätten, z.T. im und z.T. außerhalb des Fördergebietes unterhalte. Hingegen sei eine Zuordnung der Wirtschaftsgüter zu einer bestimmten Betriebsstätte nicht erforderlich, wenn der Investor --wie im Streitfall der Kläger-- in S ausschließlich Betriebsstätten im Fördergebiet unterhalte.

Indes hat das FG in seine Würdigung eine Vielzahl entscheidungserheblicher Umstände, auf die das FA, insbesondere im Schriftsatz vom 5. Oktober 1995, ausdrücklich hingewiesen hatte und die sich zudem aus den beigezogenen Akten bzw. den vom Kläger eingereichten beiden Aktenordnern ergeben, nicht einbezogen.

Nach den vom Kläger nicht bestrittenen Feststellungen der Umsatzsteuer-Sonderprüfung im September 1992 befanden sich im Büroraum in der K-Straße in S --zumindest zu dieser Zeit-- keine Geschäftsunterlagen, obwohl der Betrieb umfangreiche Unterlagen verlangt habe, ferner kein Telefon und auch kein Telefax. Mitarbeiter seien nicht erreichbar gewesen. Tätigkeiten, wie die Entgegennahme von Aufträgen und Zahlungen, die Vorbereitung zur Ausführung von Aufträgen seien nicht in S erfolgt. Die Vertragsabwicklung, somit dem Hauptauftraggeber ..., wahrscheinlich auch mit den weiteren Hauptauftraggebern, sei indes über Telefax erfolgt. Die Rechnungen, die freilich vielfach gar keinen Briefkopf enthielten, seien in zahlreichen Fällen ausweislich der gemachten Angaben von M, dem Sitz der OHG, aus erstellt worden. Kurzfristige Änderungen bezüglich der Teilnehmerlisten oder der Fahrtrouten seien nach M gefaxt worden.

Es handelt sich insoweit um eine solche Vielzahl von gewichtigen Gesichtspunkten für die auch aus der Sicht des FG entscheidungserhebliche Frage, ob in S überhaupt eine Betriebsstätte i.S. von § 12 der Abgabenordnung (AO 1977) vorhanden gewesen ist, insbesondere aber, wo bedeutsame Teile der Geschäfte des vom FG angenommenen Einzelunternehmens des Klägers angebahnt und abgewickelt worden sind. War kein Personal in S beschäftigt und hielt sich der Kläger --wie er angegeben hat-- lediglich einmal wöchentlich in S auf, so ist insbesondere für die Entgegennahme von Telefonaten und deren Bearbeitung nicht nachvollziehbar, wie und gegebenenfalls wo in der übrigen Zeit die Geschäfte --notwendigerweise zeitnah-- durchgeführt worden sein sollen.

Das FG geht im Übrigen von einer postalischen bzw. telefonischen Erreichbarkeit des Klägers aus, ohne das vom FA --zeitnah-- festgestellte Fehlen eines Telefons zu würdigen. Ebenso wenig setzt sich das FG mit dem Fehlen eines Faxanschlusses auseinander, obwohl ausweislich der Akten z.B. Teilnehmerlisten per Fax übermittelt worden sind.

Das FG ist auch der Frage nicht nachgegangen, wie denn Rechnungen von M aus erstellt werden konnten und weshalb das letztlich geschehen ist, wenn angeblich der Geschäftsbetrieb in S stattgefunden habe. Umgekehrt war aber ebenso der Frage nachzugehen, wie und von wem in S Entscheidungen zeitnah getroffen und Rechnungen erstellt werden konnten, wenn in S --wiederum nach den zeitnahen Feststellungen des FA-- weder ständige Mitarbeiter noch Geschäftsunterlagen vorhanden gewesen sind.

Diese Fragen werden auch nicht dadurch einleuchtend beantwortet, dass nach Ansicht des FG der Kläger schlüssig vorgetragen habe, die Art seines Geschäftsbetriebes lasse es zu, nur geringe Anforderungen an das Vorliegen einer Betriebsstätte zu stellen.

3. Das angefochtene Urteil war aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen.

Eigene Tatsachenfeststellungen sind dem Revisionsgericht verwehrt. Es ist an die in dem angefochtenen Urteil getroffenen tatsächlichen Feststellungen gebunden (§ 118 Abs. 2 FGO). Dies gilt auch, soweit Feststellungen durch das FG verfahrensfehlerhaft nicht getroffen worden sind.

Der Senat weist zu den --zulagenrechtlichen-- Anforderungen an eine Betriebsstätte auf sein Urteil vom 7. Juni 2000 III R 9/96 (BStBl II 2000, 592, BFH/NV 2000, 1425) hin. Insbesondere ist danach für die Annahme einer Betriebsstätte eine Würdigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmen.

Sollte das FG im zweiten Rechtsgang zu dem Ergebnis gelangen, dass der Kläger mehrere, z.T. auch außerhalb des Fördergebietes liegende Betriebsstätten im maßgebenden Drei-Jahres-Zeitraum unterhalten hat, so wären die Wirtschaftsgüter der Betriebsstätte zuzuordnen, zu der die engeren Beziehungen bestanden; im Einzelnen verweist der Senat hierzu gleichfalls auf sein Urteil in BStBl II 2000, 592, BFH/NV 2000, 1425.



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