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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 17.07.2003
Aktenzeichen: III R 5/02
Rechtsgebiete: EStG
Vorschriften:
EStG § 12 Nr. 1 | |
EStG § 33 | |
EStG § 33 Abs. 1 | |
EStG § 33 Abs. 2 Satz 1 |
Gründe:
I. Der heute 34-jährige Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) leidet seit seiner Kindheit an Neurodermitis und Bronchitis. Das Versorgungsamt bescheinigte ihm in den Jahren 1993 und 1998 einen Grad der Behinderung von 40 v.H.
Vom 6. bis 27. November 1999 hielt sich der Kläger im Hotel X am Toten Meer in Israel auf. Ausweislich des Entlassungsberichtes des behandelnden israelischen Arztes unterzog er sich vom 8. bis 22. November 1999 einer Klimaheilbehandlung und blieb wegen der günstigen klimatischen Bedingungen weitere vier Tage in diesem Hotel. Für die Reise, die er über einen Reiseveranstalter gebucht hatte, entstanden ihm Kosten in Höhe von 6 584 DM. Seine Krankenkasse, die grundsätzlich nicht für Kuraufwendungen aufkam, stellte ihm die Übernahme der medizinisch veranlassten Kosten von knapp 700 DM, abzüglich einer Eigenbeteiligung von 650 DM, in Aussicht. Daraufhin sah er von einer Inanspruchnahme der Krankenkasse ab.
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) lehnte im Einkommensteuerbescheid für 1999 den Abzug der Aufwendungen als außergewöhnliche Belastung ab, weil der Kläger vor Antritt keine amtsärztliche Bescheinigung über die medizinische Notwendigkeit der Kur erwirkt hatte.
Die nach erfolglosem Einspruch erhobene Klage hatte Erfolg. Das Finanzgericht (FG) erkannte die Kuraufwendungen in Höhe von 6 584 DM als außergewöhnliche Belastung an. Sein Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2002, 467 veröffentlicht. Nach Auffassung des FG ist eine Ausnahme vom Erfordernis eines vor Antritt der Kur ausgestellten amtsärztlichen Attestes geboten, weil über die Notwendigkeit der Durchführung der Heilkur keine Zweifel bestünden, und es nach Sachlage als ausgeschlossen angesehen werden könne, dass der Aufenthalt am Kurort durch andere Zwecke mitveranlasst sei.
Mit der Revision rügt das FA Verletzung des § 33 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Im Streitfall sei keiner der vom Bundesfinanzhof (BFH) anerkannten Ausnahmetatbestände gegeben, der es rechtfertigen könne, auf ein vor Antritt der Kur ausgestelltes amtsärztliches Attest zu verzichten.
Das FA beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.
II. Die Revision des FA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Zu Unrecht hat das FG die Vorlage eines nachträglich ausgestellten amtsärztlichen Attestes als Nachweis der medizinischen Notwendigkeit des Kuraufenthaltes am Toten Meer ausreichen lassen.
1. Nach § 33 Abs. 1 EStG wird die Einkommensteuer auf Antrag ermäßigt, wenn einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstandes erwachsen. Aufwendungen erwachsen nach § 33 Abs. 2 Satz 1 EStG dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und soweit die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen. Nach ständiger Rechtsprechung des BFH erwachsen dem Steuerpflichtigen Krankheitskosten --ohne Rücksicht auf die Art und die Ursache der Erkrankung-- aus tatsächlichen Gründen zwangsläufig. Eine derart typisierende Behandlung der Krankheitskosten hält die Rechtsprechung zur Vermeidung eines unzumutbaren Eindringens in die Privatsphäre für geboten.
Zu berücksichtigen sind aber nur solche Kosten, die zum Zwecke der Heilung oder mit dem Ziel aufgewendet werden, die Krankheit erträglich zu machen. Vorbeugende Aufwendungen, die der Gesundheit allgemein dienen, z.B. Aufwendungen für Erholungsreisen (Kuren) sind den gemäß § 12 Nr. 1 EStG nicht abziehbaren Kosten der Lebenshaltung zuzurechnen. Nur wenn die Reise zur Heilung oder Linderung nachweislich notwendig ist und eine andere Behandlung nicht oder kaum Erfolg versprechend erscheint, können Ausgaben für Kurreisen ausnahmsweise als Krankheitskosten berücksichtigt werden (BFH-Urteil vom 1. Februar 2001 III R 22/00, BFHE 195, 144, BStBl II 2001, 543).
Zum Nachweis der medizinischen Notwendigkeit ist aber regelmäßig die Vorlage eines vor Beginn der Maßnahme ausgestellten amtsärztlichen Attestes erforderlich, aus dem sich zweifelsfrei entnehmen lässt, dass der Steuerpflichtige krank und die den Aufwendungen zugrunde liegende Art der Behandlung medizinisch indiziert ist (BFH-Urteile vom 30. Juni 1995 III R 52/93, BFHE 178, 81, BStBl II 1995, 614, und in BFHE 195, 144, BStBl II 2001, 543).
2. Entgegen der Auffassung des FG kann auf die vorherige Vorlage eines amtsärztlichen Attests auch dann nicht verzichtet werden, wenn --aus der Sicht des FG-- über die Notwendigkeit der Durchführung einer Heilkur keine Zweifel bestehen und es nach Sachlage als ausgeschlossen erscheint, dass der Aufenthalt am Kurort durch andere Zwecke mitveranlasst sei.
Von den strengen Anforderungen an den Nachweis der medizinischen Notwendigkeit einer Kurreise lässt die Rechtsprechung nur insoweit Ausnahmen zu, als sie statt eines amtsärztlichen Gutachtens die Bescheinigung einer Versicherungsanstalt oder die Bestätigung einer Behörde anerkennt, wenn sich aus diesen Schriftstücken zweifelsfrei ergibt, dass der Steuerpflichtige krank und der Aufenthalt an einem bestimmten Kurort für einen gewissen Zeitraum medizinisch angezeigt ist (BFH-Urteil vom 29. Oktober 1992 III R 232/90, BFH/NV 1993, 231, m.w.N.). Wegen der im Allgemeinen schwierigen Abgrenzung zu Erholungsreisen und um Missbräuche auszuschließen, hält der Senat an seiner Entscheidung fest, dass die medizinische Notwendigkeit einer Kur nachzuweisen ist. Das FG besitzt nicht die erforderliche Sachkunde, um die medizinische Indikation von nicht nur für Kranke nützlichen Maßnahmen objektiv beurteilen zu können. Gerade der Hinweis des FG, dass die in den vorgelegten Reisekatalogen abgebildeten Hotels alle auf die Unterbringung von Personen mit Haut- und sonstigen Leiden eingerichtet seien, macht deutlich, dass die Grenzen eines medizinisch indizierten Aufenthaltes zu einer zur Erhaltung der Gesundheit dienenden Erholungskur gerade in dieser Region fließend sind.
Auch vermag der Senat nicht zu erkennen, woher die Sachkunde des FG zu der Feststellung rührt, mangels der touristischen Qualität und Attraktivität eines Aufenthaltes in einem Hotel am Toten Meer finde ein längerer Aufenthalt dort aus anderen Erwägungen als zur Durchführung einer Kur kaum statt.
Den Nachweis in objektivierter und qualifizierter Weise zu führen, ist unverzichtbar, um die Inanspruchnahme ungerechtfertigter Steuervorteile zu verhindern, mit der im besonderen Maße bei Aufwendungen zu rechnen ist, die ihrer Art nach nicht eindeutig und unmittelbar der Heilung oder Linderung einer Krankheit dienen (vgl. BFH-Urteile vom 7. Juni 2000 III R 54/98, BFHE 193, 79, BStBl II 2001, 94, m.w.N., und in BFHE 195, 144, BStBl II 2001, 543).
Dem Senat ist es auch unter Berücksichtigung des Grundsatzes der freien Beweiswürdigung (§ 96 Abs. 1 Satz 1 FGO) durch das FG nicht verwehrt, die steuerliche Anerkennung von Ausgaben für Kuraufenthalte regelmäßig von bestimmten Nachweisen abhängig zu machen. Wenn über gleichartige Sachverhalte in einer Vielzahl von Verfahren zu entscheiden ist, handelt es sich bei der Beurteilung, unter welchen Voraussetzungen im Rahmen des Zumutbaren der Nachweispflicht genügt ist, auch um rechtliche Wertungen (vgl. BFH-Urteil vom 3. Juni 1987 III R 205/81, BFHE 150, 151, BStBl II 1987, 675). Es ist der höchstrichterlichen Rechtsprechung daher nicht verwehrt, allgemeingültige Kriterien zur Konkretisierung der Nachweispflicht hinsichtlich der Notwendigkeit von Kuraufwendungen aufzustellen (BFH-Urteile in BFHE 178, 81, BStBl II 1995, 614, und vom 8. Juli 1994 III R 48/93, BFH/NV 1995, 24).
3. Im Streitfall ist ein Nachweis über die medizinische Notwendigkeit der Behandlungen im Kurhotel X am Toten Meer auch nicht durch das nachträglich erstellte amtsärztliche Attest vom 4. Oktober 2001 geführt.
Zwar hat der erkennende Senat ausnahmsweise die Vorlage eines erst nachträglich ausgestellten amtsärztlichen Attestes zum Nachweis der Zwangsläufigkeit der Aufwendungen in Fällen zugelassen, in denen von dem Steuerpflichtigen nicht erwartet werden konnte, dass er die Notwendigkeit erkennt, eine amtsärztliche Begutachtung im Vorhinein vornehmen zu lassen, weil ein derartiges Erfordernis für bestimmte Aufwendungen erstmals später höchstrichterlich aufgestellt worden ist (BFH-Urteile vom 17. Dezember 1997 III R 35/97, BFHE 185, 34, BStBl II 1998, 298, und in BFHE 195, 144, BStBl II 2001, 543). Angesichts der langjährigen BFH-Rechtsprechung, nach der die Nachweise für die Notwendigkeit einer Kur vor deren Antritt zu beschaffen sind (z.B. BFH-Urteile vom 14. Februar 1980 VI R 218/77, BFHE 130, 54, BStBl II 1980, 295, und in BFH/NV 1995, 24), rechtfertigt aber die Unwissenheit des Klägers über die Nachweisanforderungen keine Ausnahme.
Ende der Entscheidung
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