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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 26.01.2006
Aktenzeichen: III R 5/04
Rechtsgebiete: AO 1977, InvZulG 1999, EG
Vorschriften:
AO 1977 § 12 Satz 1 | |
InvZulG 1999 § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 | |
InvZulG 1999 § 2 Abs. 7 | |
EG Art. 43 |
Gründe:
I.
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine GmbH & Co. KG, produziert und vertreibt bauchemische Produkte. Sie verfügt über zwei Produktionsstätten in Hessen und im 8 km entfernten Fördergebiet sowie Servicezentren in der gesamten Bundesrepublik. Sie beschäftigte Arbeitnehmer in folgender Anzahl:
Arbeitnehmer in den Betriebsstätten im Fördergebiet | Arbeitnehmer insgesamt (innerhalb und außerhalb des Fördergebiets) | |
1. Januar 2000 | 194 | 334 |
1. Januar 2001 | 196 | 334 |
Die Klägerin beantragte für die Anschaffung beweglicher Wirtschaftsgüter im Kalenderjahr 2000 Investitionszulage aus einer Bemessungsgrundlage von insgesamt 3 806 122,76 DM. Für einen Teil der Anschaffungskosten begehrte sie die erhöhte Investitionszulage von 20 bzw. 25 v.H. gemäß § 2 Abs. 7 Nrn. 1 und 2 des Investitionszulagengesetzes (InvZulG) 1999.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) gewährte anstelle der beantragten erhöhten Investitionszulage nur die Grundzulage von 10 bzw. 12,5 v.H. gemäß § 2 Abs. 6 Nr. 1 und 2 InvZulG 1999, da die angeschafften Wirtschaftsgüter nicht in einem Betrieb verblieben seien, der nicht mehr als 250 Arbeitnehmer beschäftige. Bei Betrieben mit Betriebsstätten innerhalb und außerhalb des Fördergebiets sei auf die Zahl der Arbeitnehmer des gesamten Betriebs abzustellen. Das FA setzte die Investitionszulage insgesamt auf 384 694 DM fest. Der Einspruch blieb ohne Erfolg.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab. Es war ebenfalls der Auffassung, dass sich die für die Höhe des Zulagensatzes maßgebende Arbeitnehmerzahl auf die Arbeitnehmer des gesamten Betriebs einschließlich der Betriebsstätten außerhalb des Fördergebiets beziehe. Sein Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2004, 581 abgedruckt.
Mit der Revision rügt die Klägerin die Verletzung des § 2 Abs. 7 InvZulG 1999. Sie meint, die erhöhte Förderung hänge allein von der Zahl der Arbeitnehmer im Fördergebiet ab. Das Förderprogramm bezwecke eine Verbesserung der ostregionalen Wirtschaftsstruktur unter Inanspruchnahme von steuerlichen Anreizen. Insbesondere mittelständische Unternehmen hätten durch Sonderabschreibungen bzw. Zulagen einen Anreiz erhalten sollen, mittels betrieblicher Investitionen im Fördergebiet die wirtschaftliche Benachteiligung der neuen Bundesländer durch Schaffung neuer Arbeitsplätze und einer verbesserten Infrastruktur aufzuheben. Der investitionszulagenrechtliche Begriff des Betriebes beziehe sich deshalb aufgrund der Regelung in § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 InvZulG 1999 ausschließlich auf die Betriebsstätten im Fördergebiet. Für die Einordnung in das verarbeitende Gewerbe würden nach dieser Vorschrift bei Betrieben mit Betriebsstätten innerhalb und außerhalb des Fördergebietes die gesamten Betriebsstätten im Fördergebiet als ein Betrieb gelten. Ein einheitlicher Betrieb mit Betriebsstätten innerhalb und außerhalb des Fördergebiets könne deshalb in den Genuss der erhöhten Investitionszulage kommen, obwohl der Schwerpunkt seiner Tätigkeit außerhalb des Fördergebiets nicht dem verarbeitenden Gewerbe zuzuordnen sei, sofern eine Betriebsstätte im Fördergebiet zum verarbeitenden Gewerbe gehöre.
Die zur Einordnung des Betriebes des verarbeitenden Gewerbes angeordnete "isolierende" Betrachtungsweise gelte für den gesamten Betrieb, so dass für die Anwendung des § 2 Abs. 7 InvZulG 1999 Arbeitnehmer in Betriebsstätten außerhalb des Fördergebietes nicht zu berücksichtigen seien. Für diese Auslegung spreche auch das von der Finanzverwaltung verwendete Antragsformular für Investitionszulagen, dessen Wortlaut unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes zu berücksichtigen sei. Zwar hätte sie, die Klägerin, die Investitionen ohnehin getätigt, doch hätten die Formulierungen im Wortlaut des Antragsformulars ein Vertrauen auf die Gewährung der erhöhten Investitionszulage erzeugt. Sie habe von einer rechtlichen Abtrennung der im Fördergebiet tätigen Unternehmensteile durch Gründung eigenständiger Betriebe abgesehen. Die Rechtsansicht des FG benachteilige sie, die Klägerin, gegenüber Unternehmen, die ihr Engagement im Fördergebiet in Form einer selbständigen rechtlichen Einheit organisierten. Eine solche Differenzierung allein anhand der Organisationsform sei mit dem Sinn und Zweck der erhöhten Investitionszulage nicht zu vereinbaren, die Betriebe des verarbeitenden Gewerbes im Fördergebiet besonders zu fördern, wenn sie eine bestimmte Größe im Fördergebiet nicht überschritten. Sie verstoße zudem gegen die Niederlassungsfreiheit (Art. 43 des Vertrages über die Europäische Gemeinschaft --EG--).
Die Klägerin beantragt, das FG-Urteil sowie die Einspruchsentscheidung aufzuheben und unter Änderung des Investitionszulagenbescheids für das Jahr 2000 die Investitionszulage auf 782 681 DM (400 178 €) festzusetzen.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
II.
Die Revision ist unbegründet und deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
Nach zutreffender Entscheidung des FG steht der Klägerin die erhöhte Investitionszulage nicht zu, weil der Betrieb der Klägerin auch die außerhalb des Fördergebiets belegenen Betriebsstätten umfasst und daher die für erhöhte Investitionszulage maßgebende Arbeitnehmerzahl überschritten ist.
1. Nach § 2 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 InvZulG 1999 ist unter weiteren hier nicht streitigen Voraussetzungen die Anschaffung beweglicher Wirtschaftsgüter begünstigt, die mindestens fünf Jahre in Betrieben des verarbeitenden Gewerbes verbleiben. Die Investitionszulage für diese Investitionen erhöht sich je nach deren Beginn auf 20 bzw. 25 v.H., wenn die Wirtschaftsgüter während des Fünfjahreszeitraums in Betrieben verbleiben, die nicht mehr als 250 Arbeitnehmer beschäftigen (§ 2 Abs. 7 Nrn. 1 und 2 InvZulG 1999).
2. Das InvZulG 1999 differenziert zwischen Betrieben und Betriebsstätten, definiert diese Begriffe aber nicht.
a) Der --hier nicht streitige-- investitionszulagenrechtliche Begriff der Betriebsstätte ist nach ständiger Rechtsprechung des Senats dem § 12 Satz 1 der Abgabenordnung (AO 1977) zu entnehmen (BFH-Urteil vom 30. Juni 2005 III R 47/03, BFHE 210, 538, BStBl II 2006, 78, m.w.N.).
Der Begriff des Betriebes ist im Investitionszulagenrecht --ebenso wie andere aus dem Einkommensteuerrecht übernommene Begriffe-- nach den für die Einkommensbesteuerung maßgebenden Grundsätzen auszulegen, soweit sich nicht aus dem InvZulG, seinem Zweck und seiner Entstehungsgeschichte etwas anderes entnehmen lässt (ständige Rechtsprechung, Senatsurteile vom 18. Mai 1999 III R 65/97, BFHE 188, 490, BStBl II 1999, 619, und vom 20. Oktober 2005 III R 24/04, nicht veröffentlicht, juris; Senatsbeschluss vom 20. Januar 2003 III B 73/02, BFH/NV 2003, 657; a.A. Rosarius, Handbuch der Investitionsförderung, § 2 InvZulG 1999, Rdnr. 169, und Masuch in Bordewin/Brandt, § 2 InvZulG 1999 Rz. 62: Die Bestimmung ergebe sich aus § 2 des Gewerbesteuergesetzes --GewStG--, § 1 der Gewerbesteuer-Durchführungsverordnung bzw. einer analogen Übertragung auf land- und forstwirtschaftliche sowie selbständige Tätigkeiten).
Unter einem Betrieb ist danach gemäß § 15 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) eine selbständige nachhaltige Betätigung zu verstehen, die mit der Absicht unternommen wird, Gewinn zu erzielen, sich als Beteiligung am wirtschaftlichen Verkehr darstellt und über den Rahmen einer privaten Vermögensverwaltung hinausgeht (vgl. BFH-Urteile in BFHE 188, 490, BStBl II 1999, 619, m.w.N.); da das InvZulG nicht die Erzielung gewerblicher Einkünfte voraussetzt, werden land- und forstwirtschaftliche sowie der selbständigen Arbeit dienende Betriebe ebenfalls gefördert.
Einzelunternehmer können mehrere Betriebe haben. Die Abgrenzung des Betriebes hängt bei ihnen davon ab, ob zwischen mehreren Betätigungen ein wirtschaftlicher, finanzieller und organisatorischer Zusammenhang besteht (BFH-Urteile vom 25. April 1989 VIII R 294/84, BFH/NV 1990, 261; vom 1. Februar 2001 III R 11/98, III R 12/98, BFH/NV 2001, 899); die Einzelheiten sind streitig. Für Personengesellschaften ist dagegen einkommen- und gewerbesteuerrechtlich unbestritten, dass diese nur einen Betrieb haben, der alle Betriebsstätten umfasst (BFH-Urteil vom 15. Dezember 1992 VIII R 52/91, BFH/NV 1993, 684; BFH-Beschluss vom 21. Dezember 2000 X B 111/00, BFH/NV 2001, 816, zu § 2 Abs. 1 GewStG und § 95 des Bewertungsgesetzes --BewG-- a.F.; Geissler in Herrmann/Heuer/Raupach, § 16 EStG Anm. 115, m.w.N.; Masuch in Bordewin/Brandt, § 2 InvZulG 1999 Rz. 62; vgl. auch Abschn. 16 der Gewerbesteuer-Richtlinien 1998); dies folgt aus § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG sowie § 2 Abs. 2 GewStG. Davon ist auch im Investitionszulagenrecht auszugehen.
b) Der Regelung in § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 InvZulG 1999 ist weder eine generelle Beschränkung des investitionszulagenrechtlichen Betriebsbegriffes noch eine Beschränkung der Betriebe des verarbeitenden Gewerbes auf im Fördergebiet belegene Teile zu entnehmen.
Nach dieser Vorschrift gilt bei Investitionen i.S. des § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 InvZulG 1999 für die Einordnung eines Betriebes in das verarbeitende Gewerbe die Gesamtheit aller Betriebsstätten im Fördergebiet als ein Betrieb; außerhalb des Fördergebietes belegene Betriebsstätten bleiben außer Betracht. Diese Regelung entspricht § 2 Abs. 1 Satz 8 InvZulG 2005 und § 3 Satz 1 Nr. 4 und Satz 2 InvZulG 1996 (vgl. BFH-Urteil vom 14. November 2002 III R 42/01, BFHE 200, 178, BStBl II 2003, 362).
Die Vorschrift dient jedoch nur der Einordnung des Betriebs in einen Wirtschaftszweig und engt nicht den Betriebsbegriff auf im Fördergebiet belegene Betriebsstätten ein. Dies ergibt sich aus ihrem unmissverständlichen Wortlaut, der nicht allgemein bestimmt, dass die Gesamtheit der Betriebsstätten im Fördergebiet als ein Betrieb gilt, sondern dies nur "für die Einordnung ... in das verarbeitende Gewerbe" anordnet (FG Hamburg, Urteil vom 18. Juni 1999 VI 96/98, juris, zu § 3 Satz 2 InvZulG 1996). Sie ermöglicht damit die Begünstigung derjenigen Unternehmen, die einem von der Förderung ausgeschlossenen Wirtschaftszweig angehören, aber im Fördergebiet Betriebsstätten des verarbeitenden Gewerbes unterhalten.
Angesichts des nicht im Sinne der Klägerin auslegbaren Wortlautes kann dahingestellt bleiben, ob eine Regelung, wonach die Betriebsstätten im Fördergebiet nicht nur für die Einordnung in einen Wirtschaftszweig, sondern auch hinsichtlich der Zahl der Arbeitnehmer als ein Betrieb gelten, dem Gesetzeszweck besser entsprochen hätte. Dagegen spricht, dass der Gesetzgeber die mittelständische Wirtschaft besonders fördern wollte. Die Investitionszulage für Handwerksbetriebe gemäß § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 InvZulG 1999 setzt deshalb auch voraus, dass nicht mehr als 250 Arbeitnehmer im Betrieb beschäftigt werden; diese Zahl bezieht sich mangels einer dem § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 InvZulG 1999 entsprechenden Regelung unzweifelhaft auf den gesamten Betrieb (vgl. Rosarius in Jasper/Sönksen/Rosarius, a.a.O., § 2 InvZulG 1999, Rdnr. 188). Auch bei Groß- und Außenhandelsbetrieben steht außer Frage, dass die Förderung nach § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 InvZulG 1999 bei mehr als 50 Arbeitnehmern im gesamten Betrieb entfällt. Bei Zugrundelegung der Rechtsansicht der Klägerin stünde die erhöhte Investitionszulage dagegen auch sehr großen Unternehmen zu, die im Fördergebiet nicht mehr als 250 Arbeitnehmer beschäftigen.
Da § 2 Abs. 7 InvZulG 1999 keine Konzernklausel enthält --die vom Finanzausschuss zum gleich lautenden § 5 Abs. 3 InvZulG 1993 beschlossene Konzernklausel (vgl. BTDrucks 12/7427, S. 13, 14, 34) ist nicht Gesetz geworden--, können Betriebe mit mehr als 250 Arbeitnehmern die erhöhte Förderung jedoch durch Gründung einer Tochtergesellschaft erlangen, die nicht mehr als 250 Arbeitnehmer beschäftigt. Diese Gestaltung --mit allerdings vielfältigen steuerlichen und außersteuerlichen Folgen-- hätte auch der Klägerin offen gestanden.
c) Eine derartige Auslegung der Norm verstößt nicht gegen die Niederlassungsfreiheit des Art. 43 EG. Denn alle Betriebe, die mehr als 250 Arbeitnehmer beschäftigen, sind gleichermaßen von der erhöhten Förderung ausgeschlossen, ohne dass es darauf ankäme, wo sie ihren Sitz haben und wo die Arbeitnehmer beschäftigt werden - im Fördergebiet, im sonstigen Inland oder in anderen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union.
Auch die Wahlfreiheit zwischen Gründung einer Betriebsstätte oder einer Tochterkapitalgesellschaft wirkt nicht diskriminierend, da sie Unternehmen im Fördergebiet, im sonstigen Inland und in anderen Mitgliedsstaaten gleichermaßen offen steht.
d) Der Gesetzgeber hat in § 2 Abs. 7 InvZulG 1999 weder auf § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 InvZulG 1999 verwiesen noch eine entsprechende Regelung aufgenommen. Deshalb setzt die erhöhte Investitionszulage gemäß § 2 Abs. 7, Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 InvZulG 1999 voraus, dass die Wirtschaftsgüter in Betrieben verbleiben, die nicht mehr als 250 Arbeitnehmer beschäftigen.
Einem entgegenstehenden Vertrauensschutz fehlt die Grundlage. Denn die im Antragsformular zur erhöhten Investitionszulage verlangte Versicherung zur Zahl der Arbeitnehmer beruht auf dem Wortlaut des § 2 Abs. 7 InvZulG 1999 und konnte somit nicht den Eindruck erwecken, dass nur die innerhalb des Fördergebietes tätigen Personen zu zählen seien.
e) Die somit für die erhöhte Investitionszulage maßgebliche Zahl der Arbeitnehmer in allen Betriebsstätten der Klägerin --im und außerhalb des Fördergebietes-- übersteigt 250 deutlich, so dass ihr nur die Grundzulage zu gewähren war.
Ende der Entscheidung
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