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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 30.09.2003
Aktenzeichen: III R 51/01
Rechtsgebiete: EigZulG


Vorschriften:

EigZulG § 2 Abs. 1
EigZulG § 19 Abs. 2 Nr. 2
EigZulG § 19 Abs. 4
Ist für ein Bauvorhaben weder ein Bauantrag noch eine Bauanzeige erforderlich, gilt als Beginn der Herstellung i.S. des § 19 EigZulG der Zeitpunkt, in dem der Bauherr seine Entscheidung zu bauen für sich bindend und unwiderruflich nach außen erkennbar gemacht hat. Das ist unter anderem der Fall, wenn auf dem Bauplatz eine nicht unerhebliche Menge von Baumaterial und/oder auf das konkrete Bauvorhaben zugeschnittene Bauteile angeliefert worden sind. Die Anlieferung von 20 % des insgesamt erforderlichen Baumaterials für einen Betrag von über 23 000 DM ist erheblich.
Gründe:

I.

Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) erwarben im Jahr 1994 ein mit einem Einfamilienhaus bebautes Grundstück. Das bestehende Gebäude wurde bis auf die Außenmauern abgerissen und anschließend in Eigenleistung neu aufgebaut. Eine Baugenehmigung für die Baumaßnahme wurde nicht eingeholt. Nach Angaben der zuständigen Bauordnungsbehörde war dies für die durchgeführten baulichen Maßnahmen auch nicht erforderlich. Mit der Baumaßnahme wollen die Kläger am 10. November 1995 begonnen haben; nach Fertigstellung des Gebäudes am 10. Dezember 1996 überließen sie es unentgeltlich ihrem Sohn.

Den am 21. Januar 1997 gestellten Antrag auf Gewährung von Eigenheimzulage lehnte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) mit Bescheid vom 28. Februar 1997 ab. Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg.

Das Finanzgericht (FG) vertrat die Ansicht, die Kläger hätten mit der Herstellung des Gebäudes bereits vor dem 27. Oktober 1995 begonnen, da ausweislich der vorgelegten Rechnungsbelege bereits vor diesem Zeitpunkt erhebliche Mengen Baumaterials auf dem Bauplatz angefahren worden seien; daher sei das Eigenheimzulagengesetz (EigZulG) gemäß § 19 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 EigZulG nicht anwendbar. Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2002, 124 veröffentlicht.

Mit ihrer Revision machen die Kläger Verletzung materiellen Rechts geltend (§ 19 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 EigZulG).

Die Kläger beantragen, das Urteil des FG und die Einspruchsentscheidung aufzuheben und die beantragte Eigenheimzulage ab dem Jahr 1996 zu gewähren.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

II.

Die Revision ist unbegründet. Sie war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

Das FG hat zutreffend entschieden, dass das EigZulG im Streitfall nicht anwendbar ist.

1. Das EigZulG begünstigt neben der Anschaffung die Herstellung einer Wohnung im eigenen Haus oder einer Eigentumswohnung (§ 2 Abs. 1 EigZulG). In diesem Fall gilt das EigZulG erstmals, wenn der Anspruchsberechtigte nach dem 31. Dezember 1995 mit der Herstellung des Objekts begonnen hat (§ 19 Abs. 1 EigZulG). Auf Antrag des Anspruchsberechtigten kann es jedoch auch angewendet werden, wenn der Anspruchsberechtigte nach dem 26. Oktober 1995 mit der Herstellung der Wohnung begonnen hat (§ 19 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 EigZulG).

2. Die Kläger haben eine Wohnung hergestellt.

Herstellen einer Wohnung i.S. von § 2 Abs. 1 Satz 1 EigZulG bedeutet nach der ständigen, auch im Eigenheimzulagenrecht weiter einschlägigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) zu § 10e Abs. 1 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) das Schaffen einer neuen, bisher nicht vorhandenen Wohnung (z.B. Urteile vom 15. Mai 2002 X R 36/99, BFH/NV 2002, 1158, und vom 29. Januar 2003 III R 53/00, BFHE 202, 57, BStBl II 2003, 565, jeweils m.w.N.). Baumaßnahmen an einem bestehenden Gebäude können deshalb nur dann als Herstellung einer Wohnung beurteilt werden, wenn die Baumaßnahmen einem Neubau gleichkommen, d.h. die Wohnung muss bautechnisch neu sein. Bautechnisch neu bedeutet, dass das Gebäude in seiner wesentlichen Substanz verändert wird, so dass die neu eingefügten Gebäudeteile dem Gesamtgebäude das bautechnische Gepräge eines neuen Gebäudes geben und die verwendeten Altteile wertmäßig untergeordnet erscheinen. Dies ist insbesondere der Fall, wenn verbrauchte Teile ersetzt werden, die für die Nutzungsdauer bestimmend sind, wie z.B. Geschossdecken, die Dachkonstruktion, Fundamente oder tragende Außen- und Innenwände. Wird hingegen nur ein für die Nutzungsdauer bestimmender Gebäudeteil erneuert, so reicht dies in der Regel für die Beurteilung als bautechnisch neues Gebäude nicht aus (BFH-Urteil in BFHE 202, 57, BStBl II 2003, 565, m.w.N.).

Das FG ist zutreffend von der Neuherstellung eines Gebäudes ausgegangen, da nach dem Vorbringen der Kläger mit Ausnahme der Außenmauern das Gebäude vollständig abgerissen und danach wieder neu errichtet wurde.

3. Die Kläger haben aber bereits vor dem 27. Oktober 1995 mit der Herstellung begonnen.

a) Als Beginn der Herstellung gilt bei Objekten, für die eine Baugenehmigung erforderlich ist, der Zeitpunkt, in dem der Bauantrag gestellt wird; bei baugenehmigungsfreien Objekten, für die Bauunterlagen einzureichen sind, der Zeitpunkt, in dem die Bauunterlagen eingereicht werden (§ 19 Abs. 4 EigZulG in der seit dem 28. Dezember 1996 geltenden Fassung vom 26. März 1997, BStBl I 1997, 364, jetzt Abs. 5). Die Kläger haben weder einen Bauantrag gestellt noch den Bau angezeigt.

Ist weder ein Bauantrag noch eine Bauanzeige erforderlich, kommt es auf den Beginn der Bauarbeiten an. Mit den Bauarbeiten begonnen wird nach ständiger Rechtsprechung (BFH-Urteile 10. Januar 1992 III R 99/89, BFH/NV 1992, 558, und vom 16. Dezember 1998 X R 153/95, BFH/NV 1999, 782, m.w.N.) zu dem Zeitpunkt, zu dem der Bauherr seine Entscheidung zu bauen, für sich bindend und unwiderruflich nach außen erkennbar gemacht hat. Dies ist u.a. dann der Fall, wenn nicht unbedeutende Mengen von Baumaterialien auf dem Bauplatz angeliefert worden sind (Boeker in Lademann, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, 4. Aufl., § 19 EigZulG Anm. 10; Blümich/Erhard, Einkommensteuergesetz, Körperschaftsteuergesetz, Gewerbesteuergesetz, Kommentar, 15. Aufl., § 19 EigZulG Rz. 35; Wacker, Eigenheimzulagengesetz, Kommentar, § 19 Rz. 10).

Es kann dahingestellt bleiben, ob das Bauvorhaben der Kläger genehmigungs- oder anzeigepflichtig gewesen wäre und welche Folgen ein Verstoß gegen formelle Vorschriften des Baurechts ggf. zeitigen würde (BFH, Urteile vom 31. Mai 1995 X R 245/93, BFHE 178, 144, BStBl II 1995, 875; vom 18. November 1998 X R 143/95, BFH/NV 1999, 915). Das zuständige Landratsamt hat dem FG auf Anfrage mitgeteilt, eine Bauakte für das Vorhaben sei nicht vorhanden, weil es sich um ein verfahrensfreies Verfahren gehandelt habe. Nach Auskunft eines Vertreters der Gemeinde seien lediglich Sanierungsarbeiten durchgeführt worden. Dem widersprechend tragen die Kläger nunmehr vor, das Gebäude sei bis auf die Außenmauern komplett abgerissen und danach neu errichtet worden.

Selbst wenn das Bauvorhaben nach § 50 der Landesbauordnung für Baden-Württemberg verfahrensfrei gewesen sein sollte, kann die Klage keinen Erfolg haben, weil das FG das EigZulG rechtsfehlerfrei nicht angewendet hat. Denn die Kläger haben schon vor dem Stichtag erhebliches Baumaterial (Steine, Dachbalken, Decken) anliefern lassen und damit ihren Bauwillen bekundet.

20 % des gesamten für den Neubau erforderlichen Materials ist erheblich. Auch der Betrag von über 23 000 DM, für sich betrachtet, lässt diesen Schluss zu, so dass es weder darauf ankommt, wie hoch die späteren Herstellungskosten insgesamt waren noch in welchem Umfang Eigenleistungen erbracht wurden. Des Weiteren war das Baumaterial nach den nicht angegriffenen Feststellungen des FG zum Teil bereits auf das konkrete Bauvorhaben abgestimmt. So wurde eine Ziegeldecke und zugeschnittene Dachbalken vor dem Stichtag bezogen. Dies kann nur so gewertet werden, dass die Kläger für sich unwiderruflich zum Bau des Gebäudes entschlossen waren. Werden Wirtschaftsgüter für die Gebäudeerrichtung in Auftrag gegeben oder Baumaterialien in solchem Umfang wie hier bestellt und geliefert, ist mit einer Abstandnahme von der Errichtung des geplanten Gebäudes nicht mehr zu rechnen.

Unerheblich ist, dass sich die Anschaffung des Baumaterials über mehrere Monate hinzog. Die wiederholten Lieferungen von Ziegeln und Holz mit Anschaffungskosten von jeweils über 8 000 DM sowie einer Ziegel-Einhängedecke bereits zum 12. Mai 1995 legen vielmehr die Vermutung nahe, dass --entgegen der Behauptung der Kläger-- sogar schon vor dem 27. Oktober 1995 mit den Bauarbeiten begonnen wurde.

Das FG hat zutreffend dem Umstand, dass die Bestellungen vom Schwiegersohn aufgegeben wurden, keine entscheidende Bedeutung beigemessen. Zum einen hat der Schwiegersohn in Vollmacht der Kläger gehandelt, die die Rechnungen sämtlich bezahlt haben, zum anderen spricht das bereits auf den konkreten Bau abgestimmte Baumaterial und die wiederholte Anlieferung gleichartigen Materials entscheidend dagegen, dass das Baumaterial lediglich auf Vorrat für den späteren noch unbestimmten Baubeginn angekauft wurde.

b) Die Grundsätze, nach denen entschieden wird, ob ein nach § 2 Abs. 2 EigZulG begünstigter Ausbau vorliegt, sind nicht entsprechend auf die hier vorliegende Frage anzuwenden, wann mit der Herstellung eines Gebäudes begonnen wird. Als Ausbau an einem bestehenden Gebäude begünstigt ist das Schaffen von Wohnraum durch Ausbau des Dachgeschosses oder durch eine unter wesentlichem Bauaufwand durchgeführte Umwandlung von Räumen, die nach ihrer baulichen Anlage und Ausstattung bisher anderen als Wohnzwecken dienten. Der Bauaufwand ist wesentlich, wenn er etwa ein Drittel des für eine vergleichbare Neubauwohnung erforderlichen Bauaufwandes erreicht (BFH, Urteile vom 16. Februar 1993 IX R 63/88, BFHE 170, 543, BStBl II 1993, 659; vom 4. April 2001 X R 119/97, BFH/NV 2002, 320). Dabei ist nach Auffassung der Finanzverwaltung der Wert von Eigenleistungen zu berücksichtigen, auch wenn diese mangels Aufwendungen nicht zu den Herstellungskosten i.S. des § 2 Abs. 2 EigZulG gehören (Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 10. Februar 1998, BStBl I 1998, 190, Rz. 15 Satz 6). Hier geht es jedoch nicht darum festzustellen, ob insgesamt ein wesentlicher Bauaufwand vorliegt, sondern ob äußere Umstände den Rückschluss auf eine Bauabsicht zulassen. Bei einer Anfuhr von Baumaterialien von über 23 000 DM, die zudem bereits zum Teil auf das konkrete Bauvorhaben zugeschnitten sind, kann nicht von einem noch unbestimmten Entschluss zu bauen ausgegangen werden.

Das FG hat deshalb auch nicht seine Ermittlungspflicht nach § 76 FGO dadurch verletzt, dass es den Wert der in den Bau eingeflossenen Eigenleistungen nicht ermittelt hat.

Ende der Entscheidung

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