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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 28.05.2009
Aktenzeichen: III R 51/07
Rechtsgebiete: EStG, BKKG 1993, GG


Vorschriften:

EStG § 52 Abs. 61a S. 2
EStG § 62 Abs. 2
BKKG 1993 § 1 Abs. 3
GG Art. 3 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger), der nach eigenen Angaben libanesischer Staatsbürger mit kurdischer Abstammung ist, reiste im Oktober 1989 in die Bundesrepublik Deutschland (Bundesrepublik) ein. Sein Asylantrag wurde im März 1991 abgelehnt. Seit Mitte 1992 war er nach §§ 55, 56 des Ausländergesetzes (AuslG 1990) ausländerrechtlich geduldet.

Im März 2005 beantragte der Kläger Kindergeld für vier Kinder. Die Beklagte und Revisionsbeklagte (Familienkasse) lehnte den Antrag durch Bescheid vom 25. Mai 2005 ab. Der hiergegen gerichtete Einspruch hatte keinen Erfolg, ebenso wenig die anschließend erhobene Klage.

Zur Begründung der Revision trägt der Kläger im Wesentlichen vor, die Neuregelung der Kindergeldberechtigung von Ausländern in § 62 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) sei mit dem Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) nicht vereinbar. Durch das Abstellen allein auf die ausländerrechtliche Duldung sei das Finanzgericht den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) im Beschluss vom 6. Juli 2004 1 BvL 4/97 (BVerfGE 111, 160, BFH/NV 2005, Beilage 2, 114) nicht gerecht geworden. Der Kläger lebe seit 1989 mit seiner Familie in der Bundesrepublik und sei damit faktisch ein Inländer. Die Integration sei vollzogen. Der Gesetzgeber habe bei der Neuregelung wieder in erster Linie an den Aufenthaltstitel angeknüpft und nicht berücksichtigt, dass die für die Erteilung eines der in § 62 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. c EStG genannten Titel maßgeblichen Gründe nicht typischerweise von nur vorübergehender Natur seien. Die Neuregelung in § 62 Abs. 2 EStG widerspreche außerdem dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 25. Oktober 2005 in der Sache 59140/00, Okpisz/Deutschland (BFH/NV 2006, Beilage 3, 357). Auch sei eine rückwirkende Anwendung der Neuregelung des § 62 Abs. 2 EStG verfassungsrechtlich nicht zulässig.

Der Kläger beantragt,

das angefochtene Urteil, den Ablehnungsbescheid vom 25. Mai 2005 und die dazu ergangene Einspruchsentscheidung vom 13. April 2006 aufzuheben und die Familienkasse zu verpflichten, Kindergeld für vier Kinder für den Zeitraum Januar 2001 bis Januar 2004 zu gewähren.

Die Familienkasse beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Die Revision ist unbegründet und wird zurückgewiesen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

1.

Der Kläger hat für den streitigen Zeitraum keinen Anspruch auf Kindergeld nach § 62 Abs. 2 EStG n.F.

Die Neuregelung der Kindergeldberechtigung von Ausländern ist mit Wirkung vom 1. Januar 2006 in Kraft getreten und erfasst gemäß § 52 Abs. 61a Satz 2 EStG alle Sachverhalte, bei denen --wie im Streitfall-- das Kindergeld noch nicht bestandskräftig festgesetzt worden ist (Art. 2 des Gesetzes zur Anspruchsberechtigung von Ausländern wegen Kindergeld, Erziehungsgeld und Unterhaltsvorschuss vom 13. Dezember 2006, BGBl. I 2006, 2915). Die Gesetzesänderung war eine Reaktion auf den Beschluss des BVerfG in BVerfGE 111, 160, BFH/NV 2005, Beilage 2, 114, in dem dieses den nahezu wortgleichen § 1 Abs. 3 des Bundeskindergeldgesetzes 1993 (BKKG 1993) als insoweit unvereinbar mit Art. 3 Abs. 1 GG ansah, als die Gewährung von Kindergeld allein von der Art der ausländerrechtlichen Genehmigung nach dem AuslG 1990 abhing. Der Senat hat mit Urteilen vom 15. März 2007 III R 93/03 (BFHE 217, 443, BFH/NV 2007, 1234) sowie vom 22. November 2007 III R 54/02 (BFHE 220, 45, BFH/NV 2008, 457) entschieden, dass der Gesetzgeber bei der Neuregelung des § 62 Abs. 2 EStG im Rahmen des ihm zustehenden Gestaltungsspielraums handelte, als er die Kindergeldberechtigung von Ausländern vom Besitz bestimmter Aufenthaltstitel nach dem Aufenthaltsgesetz abhängig machte und bei einzelnen Titeln, die einen schwächeren aufenthaltsrechtlichen Status vermitteln, darüber hinaus von einem mindestens dreijährigen rechtmäßigen, gestatteten oder geduldeten Aufenthalt im Bundesgebiet sowie von einer berechtigten Erwerbstätigkeit, vom Bezug laufender Geldleistungen nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch oder von der Inanspruchnahme von Elternzeit (§ 62 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. c, Nr. 3 EStG). An den Grundsätzen dieser Urteile hält der Senat fest.

2.

Der Senat teilt die vom Kläger vorgebrachten verfassungs- und völkerrechtlichen Bedenken gegen § 62 Abs. 2 EStG n.F. nicht.

a)

Art. 3 Abs. 1 GG gebietet es nicht, in Fällen, in denen ein Ausländer rechtmäßig oder rechtswidrig in die Bundesrepublik einreist und --z.B. wegen eines tatsächlichen Abschiebungshindernisses-- damit zu rechnen ist, dass er auf absehbare Zeit nicht mehr ausreist, von Anfang an oder nach einer gewissen Zeit Kindergeld zu gewähren, weil von einem Daueraufenthalt auszugehen sei (s. Senatsurteil in BFHE 220, 45, BFH/NV 2008, 457).

b)

Die in § 52 Abs. 61a Satz 2 EStG angeordnete Rückwirkung der Neufassung des § 62 Abs. 2 EStG auf noch nicht bestandskräftig entschiedene Fälle ist entgegen der Ansicht des Klägers auch nicht deshalb verfassungswidrig, weil der Gesetzgeber den bis zum 1. Januar 2006 befristeten Regelungsauftrag des BVerfG in der Entscheidung in BVerfGE 111, 160, BFH/NV 2005, Beilage 2, 114 bis zu diesem Zeitpunkt nicht erfüllt hat (s. Urteil in BFHE 220, 45, BFH/NV 2008, 457).

c)

Eine Beschränkung des Kindergeldanspruchs durch § 62 Abs. 2 EStG n.F. steht auch nicht in Widerspruch zum Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte in BFH/NV 2006, Beilage 3, 357. Dieses ist, ebenso wie die Entscheidung des BVerfG in BVerfGE 111, 160, BFH/NV 2005, Beilage 2, 114, zu § 1 Abs. 3 BKGG 1993 ergangen, nicht aber zu § 62 Abs. 2 EStG n.F. (s. Senatsurteil in BFHE 220, 45, BFH/NV 2008, 457).

3.

Im Streitfall besaß der Kläger für den streitigen Zeitraum keine ausländerrechtliche Genehmigung, die ihm einen Anspruch auf Kindergeld einräumte. Sein Aufenthalt in der Bundesrepublik war ausländerrechtlich lediglich geduldet (§§ 55, 56 AuslG 1990). Ein Anspruch auf Kindergeld scheidet deshalb aus (Senatsurteile in BFHE 217, 443, BFH/NV 2007, 1234, und in BFHE 220, 45, BFH/NV 2008, 457).

Ende der Entscheidung

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