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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 22.01.2004
Aktenzeichen: III R 52/01
Rechtsgebiete: EigZulG


Vorschriften:

EigZulG § 2 Abs. 1
1. Eine Eigenheimzulage für die Anschaffung eines Einfamilienhauses kann nicht allein deshalb abgelehnt werden, weil der Anspruchsberechtigte nicht durch Vorlage einer Baugenehmigung nachweisen kann, dass der Rechtsvorgänger das Gebäude in Übereinstimmung mit dem damals geltenden Baurecht errichtet hat. Entscheidend ist, ob das Gebäude in seinem Bestand geschützt ist und vom Anspruchsberechtigten auf Dauer uneingeschränkt zum Wohnen genutzt werden darf (Abgrenzung zu dem BFH-Urteil vom 31. Mai 1995 X R 245/93, BFHE 178, 144, BStBl II 1995, 875).

2. Die Eigenheimzulage für die Anschaffung eines Einfamilienhauses ist zu gewähren, wenn der Rechtsvorgänger das Gebäude in Übereinstimmung mit dem formellen oder materiellen Baurecht errichtet und zum dauernden Wohnen genutzt hat oder wenn das Gebäude in dem Jahr, ab dem der Anspruchsberechtigte die Eigenheimzulage begehrt und die übrigen Anspruchsvoraussetzungen vorliegen (in der Regel das Jahr der erstmaligen Nutzung der Wohnung zu eigenen Wohnzwecken), mit dem geltenden formellen oder materiellen Baurecht übereinstimmt.

3. Die Feststellungslast für diese Voraussetzungen trägt grundsätzlich der Anspruchsberechtigte. Ist das Einfamilienhaus vor Jahrzehnten errichtet worden und haben die Behörden das Gebäude und dessen Nutzung zum dauernden Wohnen offensichtlich nie beanstandet, ist jedoch widerlegbar zu vermuten, dass es seinerzeit in Übereinstimmung mit den damals geltenden Vorschriften errichtet und genutzt worden ist.

4. Wirtschaftliches Eigentum an einem Gebäude auf fremdem Grund und Boden kann nicht nur durch Errichtung auf eigene Kosten und Gefahr, sondern auch durch schuldrechtliche Vereinbarung vom bisherigen wirtschaftlichen Eigentümer erworben werden, wenn der Erwerber das uneingeschränkte Nutzungsrecht an dem Gebäude erlangt, das Nutzungsrecht übertragen kann oder bei Beendigung des Nutzungsverhältnisses einen Ersatzanspruch in Höhe des Verkehrswertes des Gebäudes gegen den Eigentümer des Grund und Bodens hat.


Gründe:

I.

Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Mitglieder eines eingetragenen Vereins, der seit 1925 Eigentümer eines ungeteilten Grundstücks ist. Der Verein stellt den Mitgliedern Parzellen dieses Grundstücks zur Nutzung zur Verfügung. Gebäude und bauliche Anlagen stehen laut Satzung im Eigentum der Mitglieder. Im Jahre 1997 erwarben die Kläger mit privatschriftlichem Vertrag von einem Mitglied des Vereins ein auf einer Parzelle von 268 qm im Jahr 1932 errichtetes Gebäude mit ca. 75 qm Wohnfläche zum Kaufpreis von 130 000 DM. Sie bewohnten das Haus seit 1. August 1997 als ihren alleinigen Wohnsitz.

Im Jahr 1998 beantragten die Kläger eine Eigenheimzulage für 1997 und machten bei der Einkommensteuerveranlagung für 1997 die Vorkostenpauschale nach § 10i Abs. 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) geltend.

Die Bewertungsstelle des Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt --FA--) teilte auf Anfrage mit, es gebe keinen Hinweis, dass für das Gebäude eine Baugenehmigung erteilt worden sei. Das zuständige Bezirksamt, Abteilung Bauwesen, gab an, das Grundstück des Vereins liege in einem Gebiet, das nach dem weiter geltenden Baunutzungsplan in Verbindung mit den planungsrechtlichen Vorschriften der Bauordnung von 1958 als allgemeines Wohngebiet ausgewiesen sei. Die einzelnen Parzellen seien keine eigenständigen Baugrundstücke, insofern könne das geltende Planungsrecht nicht für die Genehmigung von Vorhaben herangezogen werden. Die Zulässigkeit von Vorhaben (Lauben) ergebe sich vielmehr aus einem mit dem Verein erzielten Vergleich. Danach seien Ein- und Mehrfamilienhäuser im Bereich der "Kleingartenkolonie" nicht zulässig.

Das FA lehnte die beantragte Eigenheimzulage ab und berücksichtigte auch keine Vorkostenpauschale. Die Einsprüche gegen den die Eigenheimzulage ablehnenden Bescheid sowie gegen den Einkommensteuerbescheid für 1997 waren erfolglos. Das Finanzgericht (FG) wies die Klage mit im Wesentlichen folgender Begründung ab:

Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) seien nur materiell baurechtmäßige Wohnungen begünstigt. Die materielle Baurechtmäßigkeit habe der Anspruchsberechtigte nachzuweisen durch Vorlage der Baugenehmigung oder einer Bescheinigung der zuständigen Behörde, dass eine Baugenehmigung nicht erforderlich sei. Nach Auskunft des zuständigen Bezirksamtes aus dem Jahre 1994 in einem Parallelverfahren sei das fragliche Gebiet vor 1958 gar kein Bauland gewesen; somit habe die Bebauung von 1932 gegen das materielle Baurecht verstoßen. Aber selbst wenn man von dieser Auskunft absehe, hätten die Kläger die Tatbestandsvoraussetzungen für ihre Ansprüche nicht dargetan. Die Kläger hätten keine Baugenehmigung vorlegen können. Die Unaufklärbarkeit, ob eine Baugenehmigung erteilt worden sei, gehe zu ihren Lasten. Dass das Wohngebäude bei seiner Errichtung nach der damaligen Bauordnung keiner Baugenehmigung bedurft habe, sei von ihnen selbst nicht geltend gemacht worden und erscheine auch ausgeschlossen.

Mit ihrer Revision machen die Kläger sinngemäß geltend, die Eigenheimzulage könne ihnen nicht deshalb versagt werden, weil sie keine Baugenehmigung vorlegen könnten. Da die Baubehörde den Abriss des Gebäudes nicht verlangt habe, stehe fest, dass die Baulichkeit baurechtlichen Vorschriften nicht widerspreche. Außerdem sei die Forderung nach Vorlage einer Baugenehmigung willkürlich, da das FG in einem Parallelverfahren trotz Fehlens einer Baugenehmigung die Eigenheimzulage zugesprochen habe, weil nicht feststellbar gewesen sei, dass das Gebäude mit baurechtlichen Vorschriften nicht übereinstimme.

Die Kläger beantragen, das finanzgerichtliche Urteil aufzuheben und die Eigenheimzulage für 1997 in Höhe von 4 000 DM sowie die Einkommensteuer 1997 unter Berücksichtigung der Vorkostenpauschale nach § 10i EStG in Höhe von 3 500 DM festzusetzen.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

II.

Die Revision ist zulässig (§ 120, § 124 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

Unschädlich ist, dass die Kläger mit Schriftsatz vom 27. Dezember 2001 Revision eingelegt haben, obwohl der IX. Senat des BFH die Revision mit Beschluss vom 31. Oktober 2001 IX B 127/01 zugelassen hat und damit das Beschwerdeverfahren als Revisionsverfahren fortgesetzt wurde (§ 116 Abs. 7 Satz 1 FGO). Nach ständiger Rechtsprechung des BFH handelt es sich um das nämliche Rechtsmittel, über das der Senat einheitlich zu entscheiden hat (vgl. BFH-Urteil vom 27. Juli 2000 VII R 113/98, BFH/NV 2001, 184, m.w.N.).

III.

Die Revision ist begründet und führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und Zurückverweisung zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FGO).

1. Das FG hat die Eigenheimzulage zu Unrecht allein deshalb versagt, weil die Kläger keine Baugenehmigung für die erworbene Wohnung nachgewiesen haben.

a) Gemäß § 2 Abs. 1 Sätze 1 und 2 des Eigenheimzulagengesetzes (EigZulG) ist die Anschaffung einer Wohnung in einem eigenen Haus, die keine Ferien- oder Wochenendwohnung ist, begünstigt.

b) Nach der Rechtsprechung des BFH zur Wohneigentumsförderung nach § 10e EStG ist die Herstellung einer Wohnung dann nicht begünstigt, wenn die Wohnung entgegen den baurechtlichen Vorschriften ohne Baugenehmigung errichtet worden ist. Der Nachweis für die (materielle) Baurechtmäßigkeit des Bauvorhabens kann danach nur durch eine Baugenehmigung oder eine Bescheinigung der zuständigen Behörde, dass eine Baugenehmigung nicht erforderlich ist --so genannte Baufreistellungsbescheinigung-- erbracht werden (BFH-Urteil vom 2. Juni 1999 X R 84/97, BFHE 189, 70, BStBl II 1999, 598, m.w.N.).

Der BFH hat dies damit begründet, dass eine Wohnung i.S. des § 10e EStG nur vorliege, wenn die Räume zum dauernden Aufenthalt von Menschen geeignet seien. Diese Eignung werde durch das materielle Baurecht bestimmt. Zudem widersprächen Wohnungen, die mit den materiellen Bauvorschriften nicht vereinbar seien und deren Beseitigung die zuständige Behörde jederzeit verlangen könne, dem Zweck der Vorschrift, den Wohnraumbedarf zu lindern und zur Vermögensbildung als wesentlichem Bestandteil der Altersvorsorge anzureizen (BFH-Urteil vom 31. Mai 1995 X R 245/93, BFHE 178, 144, BStBl II 1995, 875).

c) Grundsätzlich ist diese Rechtsprechung auch auf das EigZulG als Nachfolgeregelung des § 10e EStG anwendbar, da das EigZulG mit der Förderung vergleichbare Zwecke verfolgt, nämlich den Erwerb von Wohneigentum für Familien mit Kindern zu erleichtern und die Vermögensbildung als Bestandteil der Altersvorsorge zu fördern (BTDrucks 13/2235, S. 14). Die bisherigen Entscheidungen betreffen aber nur Fälle der Herstellung eines Objekts, das entgegen baurechtlichen Vorschriften ohne Baugenehmigung errichtet worden war. Auf die Anschaffung einer Wohnung sind die Grundsätze dieser Rechtsprechung nur eingeschränkt übertragbar.

Dem Bauherrn die Eigenheimzulage für eine ohne Genehmigung errichtete Wohnung zu versagen, ist gerechtfertigt, weil er gegen bauordnungsrechtliche Vorschriften verstoßen hat (vgl. auch Senatsurteil vom 14. September 1999 III R 38/98, BFH/NV 2000, 223, unter II. 2. a, zur grundsätzlich nicht gerechtfertigten Subventionierung unerlaubten Verhaltens). Bei Anschaffung einer Wohnung ist dagegen entscheidend, ob die Wohnung in ihrem Bestand geschützt ist und vom Anspruchsberechtigten auf Dauer uneingeschränkt zum Wohnen genutzt werden darf.

aa) Da der Begriff der Wohnung voraussetzt, dass die Räume tatsächlich und rechtlich zum Wohnen auf Dauer geeignet sind (vgl. auch BFH-Urteil vom 28. November 2001 X R 27/01, BFHE 197, 218, BStBl II 2002, 145, unter II. 4. a, m.w.N.), ist die Anschaffung eines Einfamilienhauses nicht nur begünstigt, wenn es der Rechtsvorgänger in Übereinstimmung mit dem formellen oder materiellen Baurecht errichtet hat, sondern auch dann, wenn es in dem Jahr mit dem formellen oder materiellen Baurecht übereinstimmt, ab dem der Anspruchsberechtigte die Eigenheimzulage begehrt und die übrigen Anspruchsvoraussetzungen vorliegen (in der Regel das Jahr der erstmaligen Nutzung der Wohnung zu eigenen Wohnzwecken). Denn auch bei einem Gebäude, das ohne Einhaltung der formellen baurechtlichen Vorschriften errichtet worden ist, darf die Beseitigung nicht angeordnet und die Nutzung nicht untersagt werden, wenn es mit dem materiellen Baurecht übereinstimmt und eine uneingeschränkte Nutzung als Wohnung erlaubt ist (Förster/Grundei/Wilke/Dageförde/Knuth/Meyer, Bauordnung für Berlin, 5. Aufl., § 70 Rz. 16).

bb) Ist in dem betreffenden Gebiet im Förderzeitraum die Errichtung von Wohngebäuden nicht erlaubt, kann die Gewährung einer Eigenheimzulage in Betracht kommen, wenn für das Wohnhaus bei Errichtung eine Baugenehmigung vorlag oder eine solche nach den bei Errichtung geltenden Bestimmungen nicht erforderlich und das Wohnen auf Dauer nicht verboten war. Denn ein vom Rechtsvorgänger in rechtmäßiger Ausübung seines Eigentumsrechts geschaffenes Gebäude, das uneingeschränkt zu Wohnzwecken genutzt werden durfte, ist in seiner konkreten Funktion geschützt. Das Gebäude und seine Nutzung bilden für die baurechtliche Beurteilung eine Einheit (vgl. Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts --BVerwG-- vom 30. Januar 1997 4 B 172.96, Baurechtssammlung --BRS-- 59 Nr. 81, m.w.N.). Dieser dem Objekt anhaftende sog. passive Bestandsschutz ist eine Ausformung des Eigentums aus Art. 14 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG), das in den Regelungen des Bauplanungsrechts und den Bestimmungen der Landesbauordnungen über den Abbruch von Gebäuden seinen Ausdruck findet (BVerwG-Urteil vom 12. März 1998 4 C 7.97, BRS 59 Nr. 109; Dolde in Festgabe 50 Jahre Bundesverwaltungsgericht, S. 311, 312, m.w.N. zur Rspr.).

Für Lauben in einer Kleingartenanlage, die hinsichtlich Größe und Nutzung den Vorschriften des Bundeskleingartengesetzes (BKleingG) widersprechen, regelt § 18 BKleingG ausdrücklich, dass sie unverändert als Wohnung genutzt werden dürfen, wenn sie bei In-Kraft-Treten des BKleingG am 1. April 1983 (§ 22 BKleingG i.d.F. vom 28. Februar 1983, BGBl I 1983, 210) rechtmäßig errichtet worden waren und der Kleingärtner befugt war, seine Laube zu Wohnzwecken zu nutzen.

Ob ein im Jahr 1932 --in einem nach Angabe des Bezirksamtes noch nicht als Wohngebiet ausgewiesenen Gebiet-- errichtetes Gebäude in Übereinstimmung mit den baurechtlichen Vorschriften hergestellt worden ist und als Wohnung genutzt werden durfte, hängt davon ab, ob es zum Zeitpunkt der Errichtung regionale baurechtliche Vorschriften gab, die eine Baugenehmigung erforderten oder die in dem betreffenden Gebiet die Nutzung von Häusern zu dauernden Wohnzwecken nur eingeschränkt erlaubten. Denn Regelungen für die Bautätigkeit im Außenbereich, die für das gesamte ehemalige Reichsgebiet galten, wurden erstmals in § 3 der Verordnung über die Regelungen der Bebauung (so genannte Bauregelungsverordnung --BauRegVO--) vom 15. Februar 1936 (RGBl I 1936, 104) geschaffen. Die BauRegVO wurde erst durch § 186 Nr. 15 des Bundesbaugesetzes vom 23. Juni 1960 (BGBl I 1960, 341) aufgehoben. § 3 BauRegVO galt bis dahin als Bundesrecht fort (vgl. Söfker in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, Baugesetzbuch, Stand 1. Mai 2003, § 35 Rdnr. 2). Auch vor In-Kraft-Treten der BauRegVO gab es regionale Baubeschränkungen (vgl. Oberverwaltungsgericht --OVG-- Berlin, Urteil vom 4. Februar 1994 2 B.91, BRS 56 Nr. 80; Förster/Grundei/Wilke/ Dageförde/Knuth/Meyer, a.a.O., § 80 Rz. 3, m.w.N.).

d) Für die Voraussetzungen, dass das Gebäude und dessen Nutzung zum dauernden Wohnen geschützt sind, trägt der Anspruchsberechtigte die Feststellungslast.

aa) Bestehen Zweifel an der Baurechtmäßigkeit eines ohne Baugenehmigung errichteten, aber nach dem Baurecht des Förderzeitraums genehmigungspflichtigen Gebäudes oder an der Berechtigung zur uneingeschränkten Nutzung, ist die Eigenheimzulage zu gewähren, wenn der Anspruchsberechtigte nachträglich eine Baugenehmigung beantragt und diese erteilt wird. Anders als in den vom X. Senat des BFH entschiedenen Fällen der erst nachträglich genehmigten Errichtung bzw. Nutzung zum dauernden Wohnen (BFH-Urteil vom 18. November 1998 X R 110/95, BFHE 187, 488, BStBl II 1999, 225, und in BFHE 189, 70, BStBl II 1999, 598) ist die Eigenheimzulage nicht erst ab dem Jahr zu gewähren, in dem die nachträgliche Genehmigung erteilt wird. Sofern sich während des Förderzeitraums die baurechtlichen Vorschriften nicht geändert haben, dokumentiert die nachträgliche Erteilung der Baugenehmigung, dass das Gebäude bereits bei Erwerb in seinem Bestand geschützt und die Nutzung zu Wohnzwecken erlaubt war.

bb) Ist nach den baurechtlichen Vorschriften im Förderzeitraum für ein ursprünglich genehmigungspflichtiges Gebäude eine Baugenehmigung nicht mehr erforderlich, kommt es auf die Vorschriften der jeweiligen Landesbauordnung an, wie der Anspruchsberechtigte die Baurechtmäßigkeit nachweisen kann. Hängt die Genehmigungsfreistellung --wie nach § 56a Abs. 3 der Bauordnung für Berlin i.d.F. vom 3. September 1997 (BauO Berlin, Gesetz- und Verordnungsblatt --GVBl-- 1997, 421)-- von der Einreichung bestimmter Unterlagen bei der Bauaufsichtsbehörde ab, kann der Anspruchsberechtigte dieses Verfahren veranlassen.

cc) Lehnt die Baubehörde es ab, ein (nachträgliches) Baugenehmigungsverfahren durchzuführen oder zu bestätigen, dass ein Genehmigungsverfahren nicht für erforderlich gehalten wird (Genehmigungsfreistellung), hat das FG im Rahmen seiner Amtsermittlungspflicht selbst zu prüfen, ob das Wohngebäude in seinem Bestand geschützt und die Nutzung nicht untersagt werden darf.

Widerspricht das Gebäude oder seine Nutzung den baurechtlichen Bestimmungen im Förderzeitraum, hat das FG zu ermitteln, ob der Bestand und die Nutzung des Gebäudes geschützt sind, weil bei Errichtung des Gebäudes keine Genehmigungspflicht bestand oder die Wohnbebauung nach der seinerzeit geltenden Landesbauordnung rechtmäßig und das Einfamilienhaus seitdem ununterbrochen zum dauernden Wohnen genutzt worden ist.

dd) Ist nicht aufklärbar, ob die Voraussetzungen für die Annahme eines Bestandsschutzes vorliegen, insbesondere, ob das Gebäude seinerzeit in Übereinstimmung mit dem formellen oder materiellen Baurecht errichtet und seitdem ununterbrochen zu Wohnzwecken genutzt worden ist, geht dies zu Lasten des Anspruchsberechtigten. Denn der Anspruchsberechtigte trägt die Feststellungslast dafür, dass die Tatbestandsmerkmale für eine Vergünstigung (hier die Eigenheimzulage) erfüllt sind (vgl. z.B. Senatsurteil vom 19. Juni 1997 III R 111/95, BFHE 183, 317, BStBl II 1998, 72, unter 2., zur Investitionszulage).

Lassen sich weit zurückliegende Vorgänge nicht mehr aufklären, ist die Nachweispflicht jedoch gemindert, wenn die zuständigen Behörden ein Gebäude und dessen dauerhafte Nutzung zu Wohnzwecken seit Jahrzehnten nicht beanstandet haben. Es ist dann (durch das FA widerlegbar) zu vermuten, dass das Gebäude seinerzeit ordnungsgemäß und in Übereinstimmung mit den damals geltenden Vorschriften errichtet und genutzt worden ist (so für seit unvordenklicher Zeit bestehende bauliche Anlagen schon das Preußische OVG, Urteil vom 4. Mai 1915 IX. A. 50/14, OVGE 68, 362, 369; OVG Münster, Urteil vom 23. Juli 1964 VII A 656/62, Die öffentliche Verwaltung --DÖV-- 1965, 539; OVG Berlin, Urteil vom 14. Mai 1982 2 B 57/79, Monatsschrift für Deutsches Recht --MDR-- 1983, 165; Scheerbarth, Das allgemeine Bauordnungsrecht, 2. Aufl., S. 400; Decker in Simon/Busse, Bayerische Bauordnung, August 2003, Art. 82 Rz. 137; Grundei in Förster/ Grundei/Steinhoff/Dageförde/Wilke, Bauordnung für Berlin vom 28. Februar 1985, 4. Aufl., § 70 Rz. 5).

2. Das FG ist von anderen Grundsätzen ausgegangen. Das finanzgerichtliche Urteil ist daher aufzuheben. Die nicht spruchreife Sache ist an das FG zurückzuverweisen.

Das FG hat weder geprüft, ob im Jahr 1932 aufgrund der damals geltenden baurechtlichen Vorschriften eine Baugenehmigung überhaupt erforderlich war, noch ist es darauf eingegangen, ob das erworbene Einfamilienhaus zu dem Zeitpunkt, ab dem die Eigenheimzulage geltend gemacht wurde (im Streitfall das Jahr 1997) dem geltenden Baurecht entsprach.

Nach Mitteilungen des Bezirksamts im vorliegenden und in einem Parallelverfahren soll zwar die Bebauung der Parzelle im Jahr 1932 gegen das materielle Baurecht verstoßen haben, ein Bestandsschutz nicht bestehen und das geltende Planungsrecht für die Gebäude auf den Parzellen des Vereinsgrundstücks nicht gelten. Da das Gebiet, in dem das Einfamilienhaus belegen ist, nach Auskunft des Bezirksamts nach dem weiter geltenden Baunutzungsplan in Verbindung mit den planungsrechtlichen Vorschriften der BauO Berlin von 1958 als allgemeines Wohngebiet ausgewiesen ist, ist diese Auskunft ohne Angabe der maßgeblichen Rechtsgrundlagen jedoch nicht nachvollziehbar und enthebt das FG nicht seiner Verpflichtung, die bauplanungs- und baunutzungsrechtlichen Grundlagen festzustellen.

a) Das FG wird im zweiten Rechtsgang ermitteln, ob nach dem im Förderzeitraum geltenden Bauordnungsrecht eine Beseitigung verlangt oder die Nutzung zum dauernden Wohnen untersagt werden konnte. Gegebenenfalls wird es den Klägern Gelegenheit geben müssen, im Falle einer Genehmigungspflicht im Förderzeitraum eine Baugenehmigung nachträglich zu beantragen oder, sofern nach den landesrechtlichen Vorschriften eine Baugenehmigung im Förderzeitraum nicht erforderlich war, aber die Freistellung ein bestimmtes Verfahren erfordert (vgl. § 56a BauO Berlin), dieses nachzuholen. Bei den Vorschriften der Bauordnung handelt es sich um landesrechtliche Vorschriften, die im Revisionsverfahren nicht geprüft werden können.

b) Kommt das FG zu dem Ergebnis, dass das Einfamilienhaus den geltenden baurechtlichen Vorschriften nicht entspricht, wird es zu ermitteln haben, ob die Errichtung des Gebäudes und dessen Nutzung zum dauernden Wohnen im Jahr 1932 nach dem damaligen Recht bauaufsichtlich genehmigungsbedürftig und -fähig war.

c) Ist das Gebäude in seinem Bestand und seiner bisherigen Nutzung geschützt, wird das FG weiter zu prüfen haben, ob die Kläger Eigentum an dem auf fremdem Grund und Boden --dem Vereinsgelände-- stehenden Wohngebäude erworben haben. Sofern das Gebäude kein Scheinbestandteil (§ 95 des Bürgerlichen Gesetzbuchs --BGB--), sondern wesentlicher Bestandteil des dem Verein gehörenden Grundstücks ist (§§ 946, 93, 94 Abs. 1 Satz 1 BGB) und die Kläger deshalb kein zivilrechtliches Eigentum an dem Gebäude erwerben konnten, kommt der Erwerb wirtschaftlichen Eigentums in Betracht, das ebenfalls zur Inanspruchnahme der Eigenheimzulage berechtigt.

In Fällen der Herstellung von Gebäuden hat der BFH wirtschaftliches Eigentum angenommen, wenn der Anspruchsberechtigte auf einem fremden Grundstück mit Einverständnis des zivilrechtlichen Eigentümers ein Gebäude auf eigene Rechnung und Gefahr hergestellt hat, zu dessen Nutzung berechtigt ist und bei Beendigung des Nutzungsverhältnisses einen Anspruch auf Entschädigung des Wertes des Gebäudes hat (BFH-Urteile vom 18. Juli 2001 X R 23/99, BFHE 196, 145, BStBl II 2002, 281, und X R 15/01, BFHE 196, 151, BStBl II 2002, 278, und vom 14. Mai 2002 VIII R 30/98, BFHE 199, 181, BStBl II 2002, 741). Der Senat hat dieser Rechtsprechung zugestimmt (BFH-Urteil in BFHE 199, 181, BStBl II 2002, 741, unter I. 1. e der Gründe). Wirtschaftliches Eigentum kann aber auch durch schuldrechtliche Vereinbarung vom bisherigen wirtschaftlichen Eigentümer erworben werden. Entscheidend ist, dass der Erwerber das uneingeschränkte Nutzungsrecht an dem Gebäude erlangt und frei darüber verfügen kann oder bei Beendigung des Nutzungsverhältnisses einen Anspruch auf Entschädigung des Wertes des Gebäudes hat.

Ende der Entscheidung

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