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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 23.05.2002
Aktenzeichen: III R 52/99
Rechtsgebiete: EStG
Vorschriften:
EStG § 33 |
2. Die konkrete Gesundheitsgefährdung gilt als nachgewiesen, wenn die Formaldehydemission ausweislich eines vor der Anschaffung erstellten amtlichen technischen Gutachtens zu einer Formaldehydkonzentration in der Innenluft von über 0,1 ppm geführt hat. Wird dieser Grenzwert unterschritten, können die Kosten für die Neuanschaffung steuerlich nur dann abziehbar sein, wenn die Schadstoffbelastung tatsächlich gesundheitliche Beeinträchtigungen verursacht hat. Der Kausalzusammenhang zwischen gesundheitlicher Beeinträchtigung und Formaldehydemission ist in diesem Fall zusätzlich durch ein vor der Anschaffung erstelltes amtsärztliches Zeugnis zu belegen.
Gründe:
I.
Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) wurden im Streitjahr 1995 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. In ihrer Einkommensteuererklärung für 1995 machten sie u.a. Aufwendungen in Höhe von 26 843 DM für die Anschaffung von Schlafzimmermöbeln geltend. Die bisherige --im Streitjahr mindestens 10 Jahre alte-- Schlafzimmereinrichtung sei wegen der chronischen, auf formaldehydverseuchte Möbel zurückzuführenden Nasennebenhöhlenerkrankung der Klägerin ausgetauscht worden. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) lehnte den Abzug dieser Aufwendungen ab, weil es sich um Kosten der privaten Lebensführung handle.
Während des anschließenden Einspruchsverfahrens reichten die Kläger ein Attest einer Ärztin für Allgemeinmedizin vom 28. Dezember 1995 ein, nach dem die Klägerin an einer chronisch rezidivierenden Nasennebenhöhlenentzündung aufgrund einer nachgewiesenen Formaldehydbelastung in der Wohnung leide und sich in ständiger Behandlung der Universitätsklinik X befinde. Auf den Rat der Ärztin, die Wohnung zu sanieren, hätten sie eine neue, von jeglichen Schadstoffen freie Schlafzimmereinrichtung angeschafft. Die Maßnahme sei erforderlich gewesen, um die Gesundheit der Klägerin zu erhalten.
Nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhoben die Kläger Klage. Während des Klageverfahrens legten sie ein weiteres Attest der Ärztin vom 27. Dezember 1996 vor sowie eine ärztliche Bescheinigung der Universitätsklinik X vom 28. April 1997. Danach sei im Schlafzimmer der Kläger durch das Labor ... eine Formaldehydkonzentration von 0,11 ml/ccm (ppm) nachgewiesen worden. Die durchgeführte Schlafzimmersanierung erscheine daher sinnvoll.
Das Finanzgericht (FG) gab der Klage mit dem in Deutsches Steuerrecht-Entscheidungsdienst (DStRE) 2000, 740 veröffentlichten Urteil statt.
Mit der Revision rügt das FA Verletzung materiellen Rechts. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) seien Kosten für Maßnahmen, die nach der Lebenserfahrung nicht ausschließlich unmittelbar zur Behandlung oder Linderung einer Krankheit ergriffen würden, nur dann als außergewöhnliche Belastungen nach § 33 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) zu berücksichtigen, wenn durch ein im Vorhinein ausgestelltes amts- oder vertrauensärztliches Zeugnis nachgewiesen werde, dass die Maßnahme zur Heilung oder Linderung einer Krankheit notwendig sei und eine andere Behandlung nicht Erfolg versprechend erscheine. Von diesem Nachweiserfordernis könne nur ausnahmsweise abgesehen werden, wenn die Bescheinigung einer Versicherungsanstalt oder die Bestätigung einer Behörde vorgelegt werde, welche die Notwendigkeit der Maßnahme im Rahmen der Bewilligung von Zuschüssen oder Beihilfen geprüft und anerkannt habe. In einem solchen Fall müsse außer Zweifel stehen, dass der Steuerpflichtige an einer Krankheit leide und die fragliche Maßnahme medizinisch angezeigt sei. Das Erfordernis eines amtlichen Nachweises habe der BFH in seiner Entscheidung vom 9. August 2001 III R 6/01 (BFHE 196, 492, BStBl II 2002, 240) zur steuerlichen Berücksichtigung von Asbestsanierungen nochmals bestätigt. Hieran fehle es im Streitfall. Zudem sei fraglich, ob das Erfordernis der ordnungsmäßigen Entsorgung der schadstoffbelasteten Möbel erfüllt sei. Einer Anerkennung der Aufwendungen als außergewöhnliche Belastung stehe ferner die Gegenwerttheorie entgegen, da auch mit biologischem Holzschutzmittel behandelte Massivholzmöbel einen Gegenwert darstellten, weil sie nicht auf die speziellen Bedürfnisse der Kläger zugeschnitten, sondern ohne Veränderung gleichermaßen durch andere Steuerpflichtige nutzbar seien. Schließlich seien nach dem Prinzip des Vorteilsausgleichs dem Steuerpflichtigen etwa zugeflossene Werterhöhungen zu berücksichtigen.
Das FA beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kläger beantragen, die Revision zurückzuweisen.
Im Laufe des Revisionsverfahrens haben die Kläger mit Schreiben vom 4. April 2000 eine amtsärztliche Bestätigung der Bescheinigung der Universität X vom 28. April 1997 eingereicht. Der mit "Amtsärztliche Bestätigung" überschriebene Vermerk ist unter die Ausführungen der Universität X gesetzt und lautet "Aus amtsärztlicher Sicht ist eine Raumsanierung erforderlich, Im Auftrag...".
II.
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des finanzgerichtlichen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG hat zu Unrecht auf den amtlichen Nachweis der Zwangsläufigkeit der geltend gemachten Aufwendungen verzichtet.
1. Nach § 33 Abs. 1 EStG wird die Einkommensteuer auf Antrag ermäßigt, wenn einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstands erwachsen (außergewöhnliche Belastungen). Aufwendungen erwachsen dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann, soweit die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen (§ 33 Abs. 2 Satz 1 EStG). Die Gründe müssen von außen derart auf die Entschließung des Steuerpflichtigen einwirken, dass er ihnen nicht ausweichen kann. Entscheidend ist, ob das Ereignis, dessen Folge die Aufwendungen oder die Verpflichtung zum Bestreiten dieser Aufwendungen sind, für den Steuerpflichtigen zwangsläufig war (BFH-Urteil vom 19. Mai 1995 III R 12/92, BFHE 178, 207, BStBl II 1995, 774, m.w.N.).
2. Aufwendungen zur Beseitigung einer konkreten, von einem Gegenstand des existenznotwendigen Bedarfs ausgehenden Gesundheitsgefährdung können nach dem Senatsurteil in BFHE 196, 492, BStBl II 2002, 240 (unter II. 2. c) aus tatsächlichen Gründen zwangsläufig sein. Eine konkrete Gesundheitsgefährdung durch die asbesthaltige Außenfassade eines Einfamilienhauses hat der Senat lediglich dann als gegeben angesehen, wenn die Gefahr besteht, dass Asbestfasern freigesetzt werden und ins Innere des Hauses gelangen; denn nur dann sind die Bewohner aufgrund der möglichen Einatmung von Asbestfasern konkret gefährdet (Urteil in BFHE 196, 492, BStBl II 2002, 240, unter II. 2. d). Die von einem Gegenstand ausgehende konkrete Gesundheitsgefährdung ist durch ein amtliches technisches Gutachten nachzuweisen (Urteil in BFHE 196, 492, BStBl II 2002, 240, unter II. 2. e).
In Weiterentwicklung dieser Grundsätze, die jeweils entsprechend dem Gefährdungspotential und der Wirkungsweise des betreffenden Schadstoffs zu modifizieren sind, ist bei einer Formaldehydausgasung durch schadstoffbelastetes Mobiliar eine konkrete Gesundheitsgefährdung nur hinreichend dargetan, wenn durch ein amtliches Gutachten nachgewiesen ist, dass die Ausgasung zu einer Formaldehydkonzentration in der Innenraumluft von über 0,1 ppm geführt hat.
a) Eine Formaldehydbelastung von Innenräumen kann durch Möbel entstehen, bei deren Herstellung Spanplatten verwendet werden. Bei Spanplatten, die unter Verwendung von Harnstoff-Formaldehydharzen hergestellt werden, kommt es häufig zu einer nachträglichen Formaldehyd-Abgabe bzw. Abspaltung (vgl. Formaldehyd, Schriftenreihe des Bundesministers für Jugend, Familie und Gesundheit, Bd. 148, S. 57, 59; Leitfaden für die Innenraumlufthygiene in Schulgebäuden, Innenraumlufthygiene-Kommission des Umweltbundesamtes, S. 23, 43). Formaldehyd ist ein Stoff von erheblicher Reaktivität und ausgeprägter Reiz- und Giftwirkung auf Auge und Nase (vgl. Lexikon der Gesundheit, 1988, S. 162; Winneke/Berresheim/Kotalik/Kabat, Vergleichende olfaktometrische Untersuchungen zu Formaldehyd und Schwefelwasserstoff, Staub - Reinhaltung der Luft 1988, 319). Die Ausdünstungen von mit Formaldehyd behandeltem Holz können gesundheitsbeeinträchtigende Mengen dieser Substanz an die Raumluft abgeben (vgl. Bekanntmachungen des Bundesgesundheitsamts --BGA--, Zur Gültigkeit des 0,1-ppm-Wertes für Formaldehyd, Bundesgesundhbl. 1992, 482; Winneke/Berresheim/Kotalik/Kabat, a.a.O.), wodurch --je nach persönlicher Empfindlichkeit-- verschiedene Reizzustände verursacht werden können, die nach Beendigung der Exposition abklingen (vgl. BGA in Bundesgesundhbl. 1992, 482).
Die gesundheitsschädlichen Wirkungen von Formaldehyd hängen wesentlich von der Konzentration ab (vgl. BGA in Bundesgesundhbl. 1992, 482). Der vom BGA für Innenräume empfohlene Orientierungswert von 0,1 ppm soll auch empfindliche Personen bereits vor subjektiven Reizwirkungen schützen, d.h. solchen, die nicht zu morphologischen Veränderungen an den Schleimhäuten führen (vgl. BGA in Bundesgesundhbl. 1992, 482). Diesen Grenzwert hat auch die Verordnung über Verbote und Beschränkungen des Inverkehrbringens gefährlicher Stoffe, Zubereitungen und Erzeugnisse nach dem Chemikaliengesetz (Chemikalien-Verbotsverordnung --ChemVerbotsV--) vom 19. Juli 1996 (BGBl I 1996, 1151) übernommen. Nach Abschn. 3 des Anhangs zu § 1 ChemVerbotsV dürfen danach beschichtete und unbeschichtete Holzwerkstoffe nicht in den Verkehr gebracht werden, wenn die durch den Holzwerkstoff verursachte Ausgleichskonzentration des Formaldehyds in der Luft eines Prüfraums 0,1 ppm überschreitet. Auch nach Begasungen mit Formaldehyd dürfen nach Anhang V Ziff. 5.7.4 i.V.m. § 15d der Verordnung zum Schutz vor gefährlichen Stoffen i.d.F. vom 15. November 1999 (Gefahrstoffverordnung, BGBl I 1999, 2233) Räume, Einrichtungsgegenstände und begaste Güter erst freigegeben werden, wenn sichergestellt ist, dass der Grenzwert nicht überschritten wird.
Der Gesetzgeber sieht danach eine Formaldehydausgasung, die zu einer Formaldehydkonzentration in der Raumluft von mehr als 0,1 ppm führt, typisierend als gesundheitsgefährdend an. Dies gilt insbesondere in Anbetracht der Tatsache, dass ein gesetzliches Verbot die ultima ratio der Gefahrenvorsorge darstellt und daher nur bei erheblichen Gefahren angeordnet werden kann (vgl. den Bericht der Bundesregierung über die Anwendung und die Auswirkungen des Chemikaliengesetzes, BTDrucks 10/5007, 22). Der Senat schließt sich dieser gesetzlichen Wertung auch im Rahmen der steuerrechtlichen Prüfung der Zwangsläufigkeit an und beurteilt den Austausch von Möbeln, die eine über dem Wert von 0,1 ppm liegende Formaldehydbelastung von Innenräumen verursachen, als aus tatsächlichen Gründen zwangsläufig. Dem Steuerpflichtigen ist insbesondere nicht zumutbar, abzuwarten, ob er tatsächlich zu den besonders empfindlichen Personen gehört, die bereits bei einer nur knapp über dem Grenzwert liegenden Schadstoffbelastung mit Krankheitserscheinungen reagieren.
Unterschreitet die Formaldehydkonzentration in den Innenräumen den Grenzwert von 0,1 ppm, ist dagegen ein Austausch des Mobiliars regelmäßig als steuerlich nicht zu berücksichtigende Maßnahme der Gesundheitsvorsorge zu beurteilen (vgl. Senatsurteil in BFHE 196, 492, BStBl II 2002, 240, unter II. 2. d, m.w.N.).
b) Der Steuerpflichtige muss eine konkrete Gesundheitsgefahr infolge des Überschreitens des Grenzwerts durch ein vor dem Austausch der Möbel von einer amtlichen technischen Stelle erstelltes Gutachten nachweisen. Darin sind die Quellen der Abgabe bzw. Abspaltung von Formaldehyd genau zu beschreiben. Aus dem Gutachten muss sich ferner ergeben, dass die Maßnahme notwendig war, um eine Formaldehydemission zu beseitigen, die zu einer Formaldehydkonzentration in Innenräumen von über 0,1 ppm geführt hat. Außerdem ist zu den notwendigen Maßnahmen zur Beseitigung der Formaldehydemission Stellung zu nehmen. Da Aufwendungen nach § 33 Abs. 2 Satz 1 EStG nur steuermindernd berücksichtigt werden dürfen, soweit sie den Umständen nach notwendig sind, ist insbesondere auch auszuführen, ob die Gesundheitsgefahr durch eine Nachbeschichtung der Spanplatten (vgl. Formaldehyd, Schriftenreihe des Bundesministers für Jugend, Familie und Gesundheit, Bd. 148, S. 60) hätte kostengünstiger beseitigt werden können.
Die Steuergerichte und Finanzbehörden können ohne spezielle Sachkunde und (Unvoreingenommenheit verbürgende) Unterstützung nicht anhand objektiver Kriterien über die Notwendigkeit und damit die Zwangsläufigkeit der Maßnahme entscheiden; deshalb sieht der Senat ein vor deren Durchführung erstelltes technisches Gutachten einer zuständigen amtlichen Stelle als unverzichtbar an. Damit wird keineswegs die Fachkompetenz und Objektivität der im Streitfall tätig gewordenen Personen und Einrichtungen in Zweifel gezogen. Jedoch müssten bei Verzicht auf ein amtliches Gutachten im Einzelfall umfassende Ermittlungen zur Tätigkeit der eingeschalteten Stellen, zur Qualifikation der begutachtenden Personen und zur Aussagekraft der vorgelegten Bescheinigungen angestellt werden. Die damit für Finanzbehörden und Gerichte verbundenen Schwierigkeiten haben den Senat dazu veranlasst, im Streitfall keine Ausnahme von dem Erfordernis amtlicher Gutachten zuzulassen.
Jedoch ist bei Maßnahmen zur Beseitigung einer Ausgasung, die zu einer den Grenzwert von 0,1 ppm überschreitenden Formaldehydkonzentration in Innenräumen geführt hat, ein zusätzliches amtsärztliches Zeugnis entbehrlich, weil insoweit die Gesundheitsgefährdung hinreichend konkretisiert ist (so z.B. auch Oberfinanzdirektion --OFD-- München vom 9. Dezember 1993, Steuererlasse in Karteiform --StEK--, Einkommensteuergesetz, § 33 Nr. 115; OFD Hannover vom 8. November 1996, Finanz-Rundschau --FR-- 1997, 192, StEK, Einkommensteuergesetz, § 33 Nr. 131; OFD Saarbrücken vom 18. Juli 1997, Deutsches Steuerrecht --DStR-- 1997, 1536; StEK, Einkommensteuergesetz, § 33 Nr. 135; Bremer Senat für Finanzen vom 24. Februar 2000, Der Betrieb --DB-- 2000, 799, StEK, Einkommensteuergesetz, § 33 Nr. 147: Danach sind bereits eingetretene oder konkret zu befürchtende Gesundheitsschäden durch ärztliches Attest und der Zusammenhang mit den Ausgasungen unabhängig von einem Grenzwert durch ein amtliches technisches Gutachten nachzuweisen).
c) Der Senat hat nachträglich erstellte Gutachten und Bescheinigungen als Nachweis nur ausreichen lassen, wenn bei Durchführung der Maßnahme aufgrund der bis dahin bekannt gewordenen Rechtsprechung für den Steuerpflichtigen nicht erkennbar war, dass die steuerliche Berücksichtigung der Aufwendungen von einer vorherigen Begutachtung abhängt (Senatsurteil in BFHE 196, 492, BStBl II 2002, 240, unter II. 2. f, m.w.N.).
Im Streitfall hat der Senat erstmals über die steuerliche Berücksichtigung von Maßnahmen zur Beseitigung von Formaldehydemissionen und die Anforderungen an den Nachweis der Zwangsläufigkeit entschieden. Er hält daher ein nachträglich erstelltes Gutachten, das ggf. unter Auswertung der Unterlagen des Labors ... angefertigt werden kann, für ausreichend. Im Übrigen aber mindert die durch Zeitablauf erschwerte Beweismittelbeschaffung die Anforderungen an den Nachweis der Notwendigkeit der durchgeführten Maßnahme nicht (Senatsurteil in BFHE 196, 492, BStBl II 2002, 240, unter II. 2. f, m.w.N.). Sollten die Möbel nach dem Ergebnis des Gutachtens aufgrund der Schadstoffbelastung als Sondermüll zu entsorgen sein, ist zusätzlich die ordnungsgemäße Entsorgung nachzuweisen. Als neutrale und fachkundige Instanz kommen hierfür die technischen Überwachungsvereine (TÜV) in Betracht (Senatsurteil in BFHE 196, 492, BStBl II 2002, 240, unter II. 2. f, m.w.N.). Ergibt sich aus dem Gutachten die Zwangsläufigkeit der Maßnahme, so können auch die Aufwendungen für das Gutachten und für die Entsorgung der schadstoffbelasteten Möbel gemäß § 33 EStG berücksichtigt werden.
d) Führt die von den Möbeln ausgehende Formaldehydausgasung zu einer Formaldehydkonzentration im Schlafzimmer, die den Grenzwert von 0,1 ppm nicht überschreitet, können die Kosten der Neuanschaffung nur dann als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt werden, wenn sie notwendig waren, um eine durch die Schadstoffbelastung verursachte Gesundheitsbeeinträchtigung zu lindern oder zu beseitigen.
Da es in diesem Fall jedoch an der --eine konkrete Gefährdung indizierenden-- Überschreitung eines gesetzlich festgelegten Grenzwertes fehlt, ist die Kausalität der Schadstoffbelastung für die gesundheitliche Beeinträchtigung des Steuerpflichtigen hier durch ein vor Durchführung der Maßnahme einzuholendes amts- oder vertrauensärztliches Attest nachzuweisen, aus dem sich sowohl der Kausalzusammenhang als auch die Tauglichkeit der Maßnahme zur Beseitigung bzw. Linderung der Beschwerden ergibt.
Zusätzlich ist durch ein amtliches Gutachten die --durch die ausgetauschten Möbel verursachte-- Formaldehydkonzentration im Innenraum feststellen zu lassen. Nur durch diesen doppelten Nachweis kann gewährleistet werden, dass die Aufwendungen zwangsläufig entstanden sind, um Gesundheitsbeeinträchtigungen aufgrund der schadstoffbelasteten Möbel zu beseitigen oder zu lindern. Ärztliches und technisches Gutachten können im Streitfall aus den unter Ziff. II. 2. c dargestellten Gründen nachträglich erbracht werden.
3. Da das FG von anderen Grundsätzen ausgegangen ist, war sein Urteil aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen. Das FG wird den Klägern Gelegenheit geben, die erforderlichen Nachweise beizubringen. Sollte das FG im zweiten Rechtsgang die Zwangsläufigkeit der geltend gemachten Aufwendungen feststellen, weist der Senat vorsorglich auf Folgendes hin:
a) Aufwendungen, die durch einen als zwangsläufig anzusehenden Austausch von schadstoffbelasteten Möbeln entstehen, sind als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen, obwohl der Steuerpflichtige mit den schadstoffarmen Möbeln einen Gegenwert erhält. Anders als bei der reinen Vermögensumschichtung ist der Steuerpflichtige belastet, soweit Werte endgültig abgeflossen sind (Senatsurteil vom 30. Juni 1999 III R 8/95, BFHE 189, 371, BStBl II 1999, 766, m.w.N.). Bei einem Verlust von Gegenständen des lebensnotwendigen Bedarfs infolge eines unabwendbaren Ereignisses oder einer schwerwiegenden Beeinträchtigung des Wohnens halten Rechtsprechung und Verwaltung § 33 EStG unter dem Gesichtspunkt des verlorenen Aufwands im Rahmen des Notwendigen und Angemessenen für anwendbar, wenn weder Anhaltspunkte für ein Verschulden vorliegen noch von anderer Seite Ersatz zu erlangen ist (Senatsurteil in BFHE 189, 371, BStBl II 1999, 766, m.w.N.; R 187 der Einkommensteuer-Richtlinien --EStR-- 2001).
Auch bei der Belastung von Mobiliar mit einem gesundheitsgefährdenden Stoff wie Formaldehyd ist unter den genannten Voraussetzungen ein endgültiger Wertverlust anzunehmen; denn die Möbel sind infolge der von ihnen ausgehenden Gesundheitsgefährdung wertlos und zwar auch dann, wenn die Formaldehydausgasung lediglich zu einer Schadstoffkonzentration in der Innenluft unterhalb des Grenzwerts führt, aber beim Steuerpflichtigen konkrete gesundheitliche Beeinträchtigungen verursacht. Denn auch minder schadstoffbelastete Möbel werden wegen von ihnen ausgehenden möglichen Gesundheitsbeeinträchtigungen in der Regel unverkäuflich sein. Entgegen der Auffassung des FA ist der Ersatz von Hausrat, der nur für Allergiker schädlich ist (vgl. Senatsurteil vom 29. November 1991 III R 74/87, BFHE 166, 266, BStBl II 1992, 290), mit dem Austausch von schadstoffbelastetem Mobiliar nicht vergleichbar.
Bei der Ermittlung des abziehbaren Betrags wird das FG jedoch zu beachten haben, dass die mit dem Erwerb der schadstoffarmen Möbel zugeflossene Werterhöhung (neu für alt) im Wege des Vorteilsausgleichs anzurechnen ist (BFH-Urteil in BFHE 196, 492, BStBl II 2002, 240, m.w.N.; zur Berechnungsmethode vgl. z.B. FG Düsseldorf, Urteil vom 22. Juli 1999 10 K 3923/96 E, Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 1999, 1075). Die Finanzverwaltung lässt Wiederbeschaffungskosten nur in Höhe des gemeinen Wertes (Restwertes) des ersetzten Wirtschaftsgutes zu (z.B. OFD Hannover in FR 1997, 192, StEK, Einkommensteuergesetz, § 33 Nr. 131; OFD Saarbrücken in DStR 1997, 1536, StEK, Einkommensteuergesetz, § 33 Nr. 135; Bremer Senat für Finanzen in DB 2000, 799, StEK, Einkommensteuergesetz, § 33 Nr. 147). Des Weiteren weist der Senat darauf hin, dass das entsorgte Schlafzimmer nach dem hausärztlichen Attest vom 27. Dezember 1996 im Zeitpunkt der Ersatzbeschaffung mindestens 13 Jahre alt gewesen sein muss ("Anschaffung im Dezember 1982"). Das FG geht dagegen von einem Alter von 10 Jahren aus. Zudem hängt entgegen der Auffassung des FG die Nutzungsdauer eines Gegenstandes nicht nur vom tatsächlichen Verschleiß im Sinne des technischen Verbrauchs ab, sondern kann auch durch eine wirtschaftliche Entwertung verkürzt sein (BFH-Urteil vom 19. November 1997 X R 78/94, BFHE 184, 522, BStBl II 1998, 59, m.w.N.).
b) Anhaltspunkte für ein Verschulden der Kläger am Entstehen der Aufwendungen sind nicht ersichtlich. Insbesondere ist den Klägern nicht vorzuwerfen, dass sie weder Ansprüche wegen eines Sachmangels geltend gemacht noch ein Zertifikat über die Schadstofffreiheit der Möbel verlangt haben. Die Empfindlichkeit der Klägerin gegenüber der Formaldehydbelastung dürfte bei Anschaffung der schadstoffbelasteten Möbel noch nicht bekannt gewesen sein; auch waren die Voraussetzungen einer entsprechenden Schadstoffbelastung für die zivilrechtliche Sachmängelhaftung noch nicht abschließend geklärt (vgl. Urteile des Bundesgerichtshofs vom 17. Juni 1993 VII ZR 74/92, Verbraucher und Recht 1993, 320; des Oberlandesgerichts --OLG-- Düsseldorf vom 26. Oktober 1990 22 U 18/90, NJW-Rechtsprechungs-Report Zivilrecht --NJW-RR-- 1991, 1495; des OLG Nürnberg vom 15. Januar 1992 9 U 3700/89, NJW-RR 1993, 1300, und des OLG Köln vom 6. Mai 1991 12 U 130/88, NJW-RR 1991, 1077). Unter diesen Umständen würde der an das Verhalten der Kläger anzulegende Sorgfaltsmaßstab überspannt, wenn die Aufwendungen zur Beseitigung der Schadstoffquelle nur für den Fall steuerlich berücksichtigt würden, dass die Kläger bereits beim Erwerb mögliche zivilrechtliche Ansprüche (ggf. gerichtlich) geltend gemacht haben. Die Kläger können auch nicht auf etwaige Ersatzansprüche verwiesen werden, weil insoweit bereits Verjährung eingetreten sein dürfte (vgl. § 477 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs).
c) Da schadstofffreie Einrichtungsgegenstände in der Regel im Preis höher liegen, erscheinen die Aufwendungen für die Neuanschaffung in Höhe von 26 843 DM auch nicht unangemessen (vgl. auch OFD Münster, veröffentlicht in juris Nr: FMNR824430098 --VV NW OFD Münster vom 27. August 1998 XXI--, welche die Nichtbeanstandungsgrenze für die Wiederbeschaffung von Hausrat und Kleidung bei Verlust durch ein unabwendbares Ereignis mit 21 000 DM ansetzt).
Ende der Entscheidung
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