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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 18.05.2006
Aktenzeichen: III R 55/04
Rechtsgebiete: InvZulG 1996


Vorschriften:

InvZulG 1996 § 3 Satz 1 Nr. 4
InvZulG 1996 § 5 Abs. 3
InvZulG 1996 § 11 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3
Ein Betrieb des Handels, der zu Beginn des Wirtschaftsjahrs, in dem die Investitionen vorgenommen wurden, weniger als 250 Arbeitnehmer beschäftigt hat, erfüllt die Voraussetzungen für die erhöhte Investitionszulage nicht, wenn er im Zeitpunkt der Investitionen dem verarbeitenden Gewerbe zuzuordnen war und mehr als 250 Arbeitnehmer beschäftigt hat.
Gründe:

I.

Die R AG (AG), die im Jahre 2002 in die R GmbH (GmbH) umgewandelt wurde, veräußerte zum 1. Juli 1998 ihren Teilbereich Fleisch- und Wurstwarenfertigung und Vertrieb an die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), die O GmbH. Alleingesellschafterin der Klägerin war die AG (nunmehr die GmbH), deren überwiegender Geschäftszweck der Einzelhandel ist. Zwischen beiden Gesellschaften bestand ein Organschafts- und Ergebnisabführungsvertrag. Bis zum 1. Juli 1998 hatte die Klägerin die Aufgabe, Waren der AG im eigenen Namen als Großhändler zu veräußern. Eigenes Personal beschäftigte sie nicht. Aufgrund der Übertragung des Fertigungsbereichs zum 1. Juli 1998 auf die Klägerin wandelte sich ihr Unternehmen von einem Handelsbetrieb in einen Betrieb des verarbeitenden Gewerbes. Die Vorbereitungshandlungen hierfür begannen bereits Anfang des Jahres 1998. Zu Beginn ihrer neuen Tätigkeit hatte die Klägerin 372 Arbeitnehmer von der AG übernommen.

Die Klägerin beantragte für das Kalenderjahr 1998 die erhöhte Investitionszulage von 10 v.H. für Investitionen in Betrieben des verarbeitenden Gewerbes gemäß § 5 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 3 Satz 1 Nr. 4 des Investitionszulagengesetzes (InvZulG) 1996. Sie hatte die Wirtschaftsgüter, für die sie die Investitionszulage in Höhe von ... DM begehrte, im Wesentlichen im zweiten Halbjahr 1998 angeschafft.

Nach einer Investitionszulagensonderprüfung setzte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) die Zulage auf Null DM fest. Zur Begründung führte das FA aus, die Klägerin sei bis 30. Juni 1998 ausschließlich im Handel tätig gewesen, sodass aufgrund ihres Tätigkeitsbildes keine Investitionszulage gewährt werden könne. Ab 1. Juli 1998 sei sie zwar dem verarbeitenden Gewerbe zuzuordnen. Jedoch habe sie zu diesem Zeitpunkt mehr als 250 Arbeitnehmer beschäftigt gehabt.

Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg. Das Urteil des Finanzgerichts (FG) ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2005, 1218 veröffentlicht.

Mit der Revision trägt die Klägerin vor: § 5 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 InvZulG 1996 lasse nur die Auslegung zu, dass hinsichtlich der Anzahl der von dem begünstigten Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer auf den Beginn des Wirtschaftsjahrs abzustellen sei, in dem die Investitionen vorgenommen würden. Die Voraussetzungen für die Gewährung der erhöhten Zulage seien daher erfüllt.

Die Klägerin beantragt, das Urteil des FG, den angefochtenen Investitionszulagenbescheid und die Einspruchsentscheidung aufzuheben und die Investitionszulage 1998 auf ... € (entspricht ... DM) festzusetzen.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

II.

Die Revision ist unbegründet. Sie wird zurückgewiesen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

Nach zutreffender Entscheidung des FG sind die Voraussetzungen für eine Investitionszulage nach § 5 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 InvZulG 1996 nicht gegeben, wenn der Betrieb zum Investitionszeitpunkt aufgrund eines Strukturwandels im Laufe des Wirtschaftsjahrs zwar einem begünstigten Wirtschaftszweig angehörte, zu diesem Zeitpunkt aber mehr als 250 Arbeitnehmer beschäftigte. Dass der Betrieb zu Beginn des Wirtschaftsjahrs, zu dem er noch keinem begünstigten Wirtschaftszweig zuzuordnen war, nicht mehr als 250 Arbeitnehmer beschäftigte, genügt nicht.

1. Nach § 3 Satz 1 Nr. 4 InvZulG 1996 sind Investitionen u.a. begünstigt, wenn sie der Anspruchsberechtigte nach dem 30. Juni 1994 begonnen sowie vor dem 1. Januar 1999 abgeschlossen hat und es sich um Investitionen in Betrieben des verarbeitenden Gewerbes handelt. Nach § 5 Abs. 1 Nr. 3 InvZulG 1996 beträgt die Investitionszulage u.a. bei Investitionen i.S. des § 3 Satz 1 Nr. 4 InvZulG 1996 5 v.H. der Bemessungsgrundlage. Sie erhöht sich bei Investitionen i.S. des § 3 Satz 1 Nr. 4 InvZulG 1996 auf 10 v.H., wenn --neben anderen Voraussetzungen-- der Betrieb zu Beginn des Wirtschaftsjahrs, in dem die Investitionen vorgenommen wurden, nicht mehr als 250 Arbeitnehmer beschäftigte und die Wirtschaftsgüter mindestens drei Jahre nach ihrer Anschaffung oder Herstellung zum Anlagevermögen eines Betriebs des verarbeitenden Gewerbes des Anspruchsberechtigten gehören und in einem solchen Betrieb des Anspruchsberechtigten verbleiben (§ 5 Abs. 3 InvZulG 1996). Da der Betrieb der Klägerin in Berlin-West belegen ist, findet § 5 Abs. 3 InvZulG 1996 bei Erstinvestitionen Anwendung, mit denen der Anspruchsberechtigte nach dem 31. Dezember 1995 begonnen hat (§ 11 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 InvZulG 1996).

Entscheidend für die Zulagengewährung ist im Streitfall somit, ob der Betrieb der Klägerin, da ein anderer Wirtschaftszweig nicht in Betracht kommt, dem verarbeitenden Gewerbe zuzuordnen ist und ob die Beschränkung der Höchstzahl der in dem Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer auf 250 eingehalten ist.

2. Die Zugehörigkeit zum verarbeitenden Gewerbe ab dem 1. Juli 1998 ist nicht streitig, nachdem die Klägerin zu diesem Zeitpunkt den Fertigungsbereich der AG übernommen hat. Bei den Anschaffungen handelte es sich um Investitionen in einen solchen Betrieb i.S. von § 3 Satz 1 Nr. 4 InvZulG 1996 die im Wesentlichen in dem maßgeblichen Zeitraum begonnen und abgeschlossen wurden.

3. Die weitere Voraussetzung für die erhöhte Förderung, die Beschäftigung von nicht mehr als 250 Arbeitnehmern, ist im Streitfall jedoch nicht erfüllt.

a) § 5 Abs. 3 Satz 1 InvZulG 1996 verweist auf § 3 Satz 1 Nr. 4 InvZulG 1996, d.h. bei dem Betrieb, in den investiert wird, muss es sich --in dem hier maßgeblichen Zusammenhang-- um einen Betrieb des verarbeitenden Gewerbes handeln. Dieser Betrieb muss --ausgehend von dem Verständnis nach dem Wortsinn der Regelung-- bereits zum Beginn des Wirtschaftsjahrs dem verarbeitenden Gewerbe zuzurechnen sein. Denn § 5 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 InvZulG 1996, wonach der Betrieb zum Beginn des Wirtschaftsjahrs, in dem die Investitionen vorgenommen werden, nicht mehr als 250 Arbeitnehmer beschäftigen darf, bezieht sich auf Investitionen i.S. von § 3 Satz 1 Nr. 4 InvZulG 1996 und somit auf Betriebe des verarbeitenden Gewerbes. Die Auslegung der Klägerin, nach dem Wortlaut sei in jedem Fall auf die Beschäftigtenzahl zum Jahresbeginn abzustellen, trifft daher nicht zu. Da der Betrieb der Klägerin zum Beginn des Streitjahrs 1998 nicht entsprechend einzuordnen war, sind die Voraussetzungen der erhöhten Förderung nicht erfüllt.

b) Entgegen der Auffassung der Klägerin ist § 5 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 InvZulG 1996 nicht in dem Sinne --erweiternd-- zu verstehen, dass die Fördervoraussetzungen auch dann gegeben sind, wenn in einen während des Wirtschaftsjahrs durch Strukturwandel entstandenen verarbeitenden Betrieb mit mehr als 250 Beschäftigten investiert wird, sofern die Anzahl der Beschäftigten zu Beginn des Wirtschaftsjahrs, d.h. als der Betrieb noch nicht einem begünstigten Wirtschaftszweig angehörte, die Grenze von 250 Arbeitnehmern nicht überschreitet.

Die Förderung mit dem erhöhten Zulagensatz von 10 v.H. nach § 5 Abs. 3 InvZulG 1996 setzt die bisherige Förderung mit dem Zulagensatz von 20 v.H. nach § 5 Abs. 2 InvZulG 1993 fort. Die Anschlussregelung umfasst die gleichen Wirtschaftsbereiche, die schon bisher in die Aufstockung der Investitionszulage einbezogen waren, dient nun jedoch gezielt der Förderung kleiner und mittlerer Betriebe der entsprechenden Wirtschaftsbereiche. Deshalb wurde die erhöhte Förderung auf Betriebe des verarbeitenden Gewerbes und des Handwerks beschränkt, die nicht mehr als 250 Arbeitnehmer beschäftigen. Das Abstellen auf die Arbeitnehmerzahl zu Beginn des Wirtschaftsjahrs dient der Vereinfachung (BTDrucks 12/7427, 34). Ohne diese Vereinfachung müsste bei Investitionen in einen Betrieb des entsprechenden Wirtschaftszweigs jeweils für den Zeitpunkt der Vornahme einer Investition geprüft werden, ob die maßgebende Arbeitnehmerzahl überschritten ist, was bei wechselnder Beschäftigtenzahl zu Schwierigkeiten führen könnte.

Die Vorschrift geht, da eine grundlegende Veränderung im Betätigungsfeld eines Betriebs eher selten bzw. nur in längeren Abständen vorkommt, von dem Regelfall aus, dass ein Betrieb bereits zum Jahresbeginn dem betreffenden Wirtschaftszweig angehört. Zur Vermeidung der Schwierigkeiten bei der Feststellung der Beschäftigungszahl im Investitionszeitpunkt ist es sachgerecht, auf einen bestimmten Zeitpunkt abzustellen, den der Gesetzgeber auf den Jahresbeginn festgelegt hat.

Anders ist es, wenn in einen Betrieb eines begünstigten Wirtschaftszweigs investiert wird, der zum Jahresbeginn noch nicht dem entsprechenden Wirtschaftszweig angehört hat, sondern sich während des Wirtschaftsjahrs in seiner Struktur zu einem begünstigten Betrieb gewandelt hat. In einem solchen Fall wäre es nicht gerechtfertigt, auf die Arbeitnehmerzahl zum Jahresbeginn abzustellen. Denn die Anzahl der Arbeitnehmer dient dazu, die zu fördernden kleinen und mittleren Betriebe von den nicht begünstigten größeren Betrieben des verarbeitenden Gewerbes und des Handwerks abzugrenzen.

Wandelt sich ein Betrieb erst im Laufe des Wirtschaftsjahrs von einem nicht einem begünstigten Wirtschaftszweig zuzurechnenden Betrieb in einen Betrieb des verarbeitenden Gewerbes oder des Handwerks, kann indes die Anzahl der Beschäftigten zum Jahresbeginn im Regelfall kein Maßstab dafür sein, ob der Betrieb nach seinem Strukturwandel ebenfalls den Größenverhältnissen entspricht, die vom Gesetzgeber als ausschlaggebend für die Förderung angesehen werden. Denn die einzelnen Wirtschaftsbereiche stellen unterschiedliche Anforderungen an den Einsatz von Personal. Dies macht der Streitfall besonders deutlich, der dadurch gekennzeichnet ist, dass in dem von der Klägerin zum Jahresbeginn 1998 unterhaltenen Handel kein Arbeitnehmer beschäftigt war, nach Wandlung zu einem Betrieb des verarbeitenden Gewerbes aber die Zahl von 250 Arbeitnehmern erheblich überschritten war. Die Absicht des Gesetzgebers, die zu fördernden Betriebe anhand der Beschäftigtenzahl abzugrenzen, würde verfehlt, wenn man auch im Falle eines Strukturwandels zu einem Betrieb eines geförderten Wirtschaftszweigs auf die Beschäftigtenzahl zum Beginn des Wirtschaftsjahrs abstellen würde.

Ende der Entscheidung

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