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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 21.06.2007
Aktenzeichen: III R 59/06
Rechtsgebiete: EStG
Vorschriften:
EStG § 26 |
Gründe:
I.
Der Ehemann der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) verstarb am 17. Februar 2003. Die überschuldete Erbschaft ist von der Klägerin und anderen möglichen Erben ausgeschlagen worden. Bisher wurde weder ein Erbe festgestellt noch ein Nachlasspfleger bestellt.
Am 30. März 2004 gab die Klägerin für sich und ihren verstorbenen Ehemann die Einkommensteuererklärung 2001 ab. Die Erklärung war nur von ihr unterzeichnet worden; sie hatte "Zusammenveranlagung" angekreuzt. Die Klägerin erklärte für sich Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von 8 047 DM und für den verstorbenen Ehemann einen Verlust aus Gewerbebetrieb gemäß § 17 des Einkommensteuergesetzes (EStG) in Höhe von 347 871 DM, Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit in Höhe von 166 979 DM, von denen Lohnsteuer in Höhe von 47 052 DM einbehalten worden war und Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von 422 DM.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) veranlagte die Klägerin durch Bescheid vom 5. Mai 2004 einzeln oder getrennt --dies lässt sich dem Bescheid nicht entnehmen-- und setzte die Einkommensteuer 2001 auf Null DM fest; ein Erstattungsbetrag ergab sich nicht.
Die auf Zusammenveranlagung mit dem verstorbenen Ehemann und Erstattung der von dessen Arbeitslohn einbehaltenen Lohnsteuer gerichtete Klage wies das Finanzgericht (FG) ab. Sein Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2006, 1846 abgedruckt.
Mit ihrer Revision rügt die Klägerin die Verletzung des § 26 Abs. 3 EStG. Sie trägt vor, die Zusammenveranlagung müsse vorgenommen werden, wenn nur ein Ehegatte die Erklärung abgebe und die Zusammenveranlagung wähle. Für diesen Fall unterstelle § 26 Abs. 3 EStG, dass die Ehegatten die Zusammenveranlagung wählten; dabei handele es sich nicht um eine widerlegliche Vermutung, sondern um eine zwingende Rechtsfolge (Seiler in Kirchhof, EStG, 5. Aufl., § 26 Rz 72). § 26 Abs. 3 EStG setze nicht voraus, dass beide Ehegatten lebten.
Ehegatten bildeten in der Regel eine Erwerbs- und Verbrauchsgemeinschaft. Der Gesetzgeber gehe in § 1360 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) von einer gleichen Teilhabe der Eheleute am Einkommen aus und wolle diese --wie § 26 Abs. 3 EStG zeige-- regelmäßig zusammen veranlagen. Die Zusammenveranlagung sei auch nach den Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts im Urteil vom 3. November 1982 1 BvR 620/78 u.a. (BVerfGE 61, 319, BGBl I 1982, 1594, BStBl II 1982, 717) geboten, da sie dem Grundsatz der Gleichwertigkeit der Arbeit von Mann und Frau entspreche, wonach das während der Ehe Erworbene gemeinschaftlich erwirtschaftet sei.
Das Veranlagungswahlrecht könne nur höchstpersönlich ausgeübt werden und sei nicht vererblich. Auf die Ermittlung etwaiger Erben komme es daher nicht an. Die Ausschlagung der Erbschaft durch sie --die Klägerin-- könne nicht als Versagung der Zustimmung zur Zusammenveranlagung verstanden werden. Sollte der Fiskus Erbe werden, so könne auch er nicht die getrennte Veranlagung wählen, da ihr --der Klägerin-- ein familienrechtlicher Anspruch gegen den anderen Ehegatten bzw. dessen Erben zustehe, der Zusammenveranlagung zuzustimmen, wenn diese zur geringsten Steuerbelastung führe und keinem der Ehegatten ein steuerlicher Nachteil entstehe oder dieser zivilrechtlich ausgeglichen werde. Angesichts der Überschuldung des Nachlasses sei es ausgeschlossen, dass sich ein Erbe finde, der die Erbschaft nicht ausschlage. Der Fiskus könne als Erbe kein Interesse an einer getrennten Veranlagung haben, da ein Verlustabzug ihm nichts nutze. Da der Erbe nach dem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 3. März 2005 III R 22/02 (BFHE 209, 454, BStBl II 2005, 690) auch nach Bestandskraft des Zusammenveranlagungsbescheides die getrennte Veranlagung beantragen könne, sei er hinreichend geschützt. Deshalb überwiege ihr Interesse an einer sofortigen Zusammenveranlagung.
Der sich aus der Zusammenveranlagung ergebende Erstattungsbetrag stehe ihr --der Klägerin-- zu. Die zusammen veranlagten Eheleute seien gemäß § 26b EStG materiell-rechtlich und verfahrensrechtlich als ein Steuerpflichtiger zu behandeln. Jede Steuerzahlung, auch der Lohnsteuerabzug, werde für die Ehegatten als Gesamtschuldner geleistet. Erstattungsberechtigt sei nach dem BFH-Urteil vom 15. November 2005 VII R 16/05 (BFHE 211, 396, BStBl II 2006, 453) deshalb allein sie als Gesamtgläubigerin. Ein möglicher Erbe habe zivilrechtlich gegen sie vorzugehen.
Das FA gehe mit einer Auszahlung an sie wegen der Befreiungsvorschrift des § 36 Abs. 4 Satz 3 EStG kein Risiko ein; dessen Wirkung trete nur dann nicht ein, wenn dem FA bekannt sei, dass der mögliche Erbe mit der Leistung an den anderen Ehegatten nicht einverstanden sei (Gosch in Kirchhof, EStG, 5. Aufl., § 36 Rz 55). Das FA sei weder zur zivilrechtlichen Vertretung der Rechte eines etwaigen Erben berufen noch könne es sich zu ihrem Nachteil auf diese Rechte berufen. Wegen der besonderen Notlage nach dem Tode des Ehemannes sei eine umgehende Auszahlung auch nach Verhältnismäßigkeitsgrundsätzen, nach Treu und Glauben und wegen des Willkür- und Übermaßverbotes geboten.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
1. den Ablehnungsbescheid vom 26. April 2004, die Einspruchsentscheidung vom 18. August 2005, den Einkommensteuerbescheid 2001 vom 5. Mai 2004 sowie das Urteil des FG aufzuheben und das FA zu verpflichten, sie mit ihrem verstorbenen Ehemann für 2001 zusammen zur Einkommensteuer zu veranlagen und die Einkommensteuer auf Null festzusetzen,
2. für den Fall der Stattgabe des Antrags zu 1. das FA zu verurteilen, das sich aus der Zusammenveranlagung ergebende Steuerguthaben allein an sie auszuzahlen.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
II.
Die Entscheidung ergeht gemäß § 126a der Finanzgerichtsordnung (FGO). Der Senat hält einstimmig die Revision für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich. Die Beteiligten sind vorher darüber unterrichtet worden und hatten Gelegenheit zur Stellungnahme.
1. Das FG hat zutreffend entschieden, dass das FA nicht verpflichtet ist, die Klägerin mit ihrem verstorbenen Ehemann zusammen zu veranlagen.
a) Der Senat hält daran fest, dass der Erbe als Gesamtrechtsnachfolger grundsätzlich auch in die steuerrechtliche Stellung des Erblassers eintritt und ihm deshalb das Veranlagungswahlrecht nach § 26 Abs. 2 EStG für einen verstorbenen Ehegatten zusteht (BFH-Urteile vom 29. Oktober 1963 VI 266/61 U, BFHE 77, 754, BStBl III 1963, 597; vom 15. Oktober 1964 VI 175/63 U, BFHE 81, 236, BStBl III 1965, 86; vom 13. November 1979 VIII R 193/77, BFHE 129, 262, BStBl II 1980, 188; vom 8. Oktober 1997 XI R 20/97, BFH/NV 1998, 701; zustimmend Schmieszek in Bordewin/Brandt, § 26 EStG Rz 25; Graf in Littmann/Bitz/Pust, Das Einkommensteuerrecht, Kommentar, § 26 Rz 80; a.A. Blümich/Heuermann, § 26 EStG Rz 79, m.w.N.; Schmidt/Seeger, Einkommensteuergesetz, Kommentar, 26. Aufl., § 26 Rz 23, m.w.N.; Seiler in Kirchhof, EStG, 7. Aufl., § 26 Rz 80). Maßgeblich hierfür sind die erheblichen vermögensrechtlichen Auswirkungen des Antragsrechts für den Erben (z.B. Höhe und Zurechnung von Erstattungsansprüchen, Haftung nach § 45 der Abgabenordnung --AO--). Dem Erben können zudem nicht Erklärungs- und Mitwirkungspflichten aus dem Steuerschuldverhältnis aufgebürdet, Wahlrechte aber vorenthalten werden. Dem hat sich der Bundesgerichtshof durch Urteil vom 24. Mai 2007 IX ZR 8/06 (juris) angeschlossen und entschieden, dass das Wahlrecht für eine getrennte oder Zusammenveranlagung kein höchstpersönliches Recht sei und deshalb in der Insolvenz eines Ehegatten durch den Insolvenzverwalter und im vereinfachten Insolvenzverfahren durch den Treuhänder ausgeübt werde.
b) Die getrennte Veranlagung wird durchgeführt, wenn mindestens ein Ehegatte diese Veranlagungsform wählt (§ 26 Abs. 2 Satz 1 EStG). Geben die Ehegatten keine Erklärung ab, so unterstellt das Gesetz, dass die Zusammenveranlagung gewünscht wird (vgl. § 26 Abs. 3 EStG). Diese Unterstellung gilt in der Regel auch dann, wenn die Wahl von dem überlebenden Ehegatten und dem Erben des verstorbenen Ehegatten auszuüben ist (BFH-Urteile in BFHE 129, 262, BStBl II 1980, 188; vom 24. April 1986 IV R 82/84, BFHE 146, 358, BStBl II 1986, 545).
Nach dem BFH-Urteil in BFHE 129, 262, BStBl II 1980, 188 kann beim Erben aber nur dann nach § 26 Abs. 3 EStG unterstellt werden, dass er ebenfalls die Zusammenveranlagung wünscht, wenn eindeutig feststeht, dass er Kenntnis von seiner Erbenstellung und den den verstorbenen Ehegatten betreffenden steuerlichen Vorgängen hat. Steht --wie im Streitfall-- der Erbe noch nicht fest, so kann nicht von dem nach § 26 Abs. 3 EStG vorausgesetzten Einvernehmen zwischen den zur Ausübung des Veranlagungswahlrechts Berechtigten ausgegangen werden.
Ein allgemeiner Vorrang der Zusammenveranlagung lässt sich § 26 Abs. 3 EStG nicht entnehmen; getrennte und Zusammenveranlagung stehen gleichberechtigt nebeneinander. Ist der Erbe aber noch nicht festgestellt, kann deshalb eine Zusammenveranlagung nur dann durchgeführt werden, wenn sie den erkennbaren Interessen des noch zu bestimmenden Erben entsprechen würde und die Wahl der getrennten Veranlagung durch ihn nicht missbräuchlich wäre. Wegen der Frage, ob der Anspruch auf Erstattung der vom Arbeitslohn des verstorbenen Ehegatten einbehaltenen Lohnsteuer der Klägerin oder dem Erben --ggf. dem Fiskus nach § 1936 BGB-- zusteht, sind die abweichenden Interessen des unbekannten Erben offensichtlich.
2. Über die Zulässigkeit und Begründetheit des Antrags auf Erstattung des sich aus der Zusammenveranlagung ergebenden Steuerguthabens ist somit nicht zu entscheiden.
Ende der Entscheidung
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